Reventlowstraße
Groß Flottbek (1897): Graf Friedrich von Reventlow (16.7.1797 Schleswig – 24.4.1874 Starzeddel/Niederlausitz), Mitglied der 1848 gebildeten provisorischen Regierung der Herzogtümer Schleswig und Holstein.
Siehe auch: Statthalterplatz
Siehe auch: Beselerplatz
„Friedrich Graf von Reventlou entstammte altem schleswig-holsteinischen Adel. Er wurde 1797 als zweiter Sohn des königlich dänischen Kammerherrn und Generalmajors Graf Heinrich von Reventloh (1763–1848), Gutsherr auf Falkenberg, Erbherr auf Wittenberg und Kaltenhof, und der Gräfin Sophie Anna von Baudissin (1778–1853) in der Altstadt Schleswig geboren.“ 1)
Friedrich von Reventlows Mutter, Sophie Anna, war in ihrer Jugend von dem Maler und Zeichenlehrer Jes Bundsen unterrichtet worden. Dieser „vermittelte ihr eine präzise Architekturwiedergabe; ihre Zeichnungen von Bäumen und Landschaft lässt auf eine genaue Schulung durch Vorlagenbücher schließen. Ihr zwischen 1816 und 1828 entstandenes Zeichenbuch bietet 54 Ansichten von schleswig-holsteinischen Herrenhäusern und der Umgebung sowie Stadtansichten von Kiel und Kopenhagen.“2) Über ihr künstlerisches Schaffen wurde 1989 ein Buch veröffentlicht: Deert Lafrenz u. Jürgen Ostwald: Das Zeichenbuch der Sophie Gräfin Reventlow. Ansichten aus Schleswig-Holstein um 1820. Christians, Hamburg 1989.
Sophie Anna von Reventlow bekam 13 Kinder, unter ihnen Friedrich Graf von Reventlou. Dieser schlug im Gegensatz zu seinem Vater, der zum Militär ging, die juristische Laufbahn ein. „Mit dem Anfang des neuen Jahrhunderts tritt nämlich in den Herzogthümern die eigenthümliche Erscheinung auf, daß der heranwachsende junge Adel die militärische Laufbahn fast gänzlich zu meiden beginnt, um statt dessen nach Beendigung der Universitätsstudien sich der Diplomatie oder der Verwaltung und der Richtercarriere zu widmen, wenn er nicht in der Lage war, auf seinen Gütern in völliger Unabhängigkeit zu leben.“ 3)
Nach dem Studium wurde Friedrich Graf von Reventlou in Glückstadt Auskultator im Obergericht, später avancierte er zum Gerichtsrat; 1834 wurde er Mitglied des Oberappellationsgerichts in Kiel.
In dieser Zeit, 1831, heiratete er Luise Freiin Löw von und zu Steinfurth (14.2.1807 Regensburg - 27. Mai 1864). Mit ihr bekam er sechs Kinder.
August Sach schreibt 1889 in der Allgemeinen Deutschen Biographie über den Werdegang von von Reventlou u. a.: 1863 wurde er „zum Propst des adeligen Klosters zu Preetz gewählt. (…). Von der Natur mit einer ausdrucksvollen, männlich kräftigen Erscheinung ausgestattet, von gewinnendem, leutseligem Wesen, aber auch scharf und schneidig, wo es noththat, verband er mit der Gabe einfacher, aber entschiedener und zu Herzen dringender Beredsamkeit ausgezeichnete Kenntnisse und eine Beharrlichkeit des Willens, die ihresgleichen sucht. Von dem conservativen Standpunkt des geschichtlichen Rechtsbodens hielt er ebenso sehr fest an dem althergebrachten Landesrechte gegen die auf Umsturz derselben gerichteten Uebergriffe der dänischen Regierung als an den Privilegien seines Standes im Gegensatz zu den Bestrebungen der demokratischen Richtung, die auf Vernichtung der Vorrechte und auf Durchführung der allgemeinen Gleichstellung der Staatsbürger hinausliefen. (…). Wie er die Herstellung eines neuen Katasters und die auf eine neue Steuervertheilung gerichteten Bestrebungen bekämpfte, um den Zollfonds, der den adeligen Gütern und Klöstern bei Aufhebung der Zollfreiheit gewährt ward, sich eifrig bemühte, so war er daneben doch auch ein eifriger Verfechter der Aufhebung der bisherigen Trennung der adeligen und bürgerlichen Gutsbesitzer und der Einführung einer neuen Landgerichtsordnung. (…) In allen entscheidenden Berathungen hatte er in der Itzehoer Ständeversammlung die Führung, besonders als die schleswig-holsteinische Erbfolgefrage infolge des Algreen-Ussing’schen Antrages in den Roeskilder Ständen (October 1844), das dänische Königsgesetz der weiblichen Erbfolge mit Gewalt auf die Herzogthümer zu legen, hier alles in Bewegung setzte.“ 4)
In Wikipedia steht über Reventlous politisches Wirken u. a.: „Reventlou stand den Mitgliedern der Holsteinischen Ständeversammlung in Itzehoe vor, die weiteren Verhandlungen mit der Krone Dänemark eine Absage erteilte, solange das Mitbestimmungsrecht der Stände nicht gesichert sei. (…).
An der Spitze einer nun ständigen Deputation der Prälaten und der Ritterschaft stritt er 1847 weiter für die überkommenen Rechte der Herzogtümer, ohne damit bei der dänischen Regierung Gehör zu finden. (…)
Die Lage veränderte sich erneut nach dem Umsturz in Kopenhagen und dem Sieg der nationalen eiderdänischen Partei im März 1848. Daraufhin wurde in Schleswig und Holstein eine gemeinsame provisorische Regierung gebildet, der auch Reventlou an maßgeblicher Stelle angehörte. Er war dabei für die äußeren Beziehungen verantwortlich. Die stark auf Reventlou zurückgehende Proklamation vom 24. März 1848 ging davon aus, dass der Landesherr unfrei in seinen Entschlüssen sei. Aufgabe der provisorischen Regierung sei es, „zur Aufrechthaltung der Ordnung, zur Vertheidigung der Grenze, zur Sicherung der Rechte des Landes und seines angestammten Herzogs in seinem Namen die Regierung führen“. Die provisorische Regierung stellte sich nach Meinung von Reventlou nicht gegen den König, sondern gegen die revolutionäre Regierung in Kopenhagen. Während des Schleswig-Holsteinischen Erhebung zwischen 1848 und 1851 musste er allerdings die Grenzen der Bedeutung der provisorischen Regierung zur Kenntnis nehmen. Reventlou gelang es nicht, den Vertrag von Malmö (1848) zwischen Preußen und Dänemark zu verhindern.
Nachdem eine gemeinsame Regierung die Kontrolle über die beiden Herzogtümer übernommen hatte, löste sich die provisorische Regierung am 22. Oktober 1848 auf. Als Dänemark im März 1849 den Waffenstillstand aufkündigte, ernannte die provisorische Zentralgewalt Reventlow und Wilhelm Beseler [siehe: Beselerplatz und Beselerstraße] zu Statthaltern. Bestrebungen, die Personalunion der Herzogtümer mit Dänemark völlig zu lösen, lehnte er ab. Diese Position war nach den vorläufigen Friedensabkommen gescheitert. Die Untrennbarkeit der Herzogtümer wurde aufgegeben. Die Schleswig-Holsteinische Landesversammlung musste von Schleswig nach Kiel umziehen. Die Kompetenzen der Statthalter waren auf Holstein begrenzt.“ 5) (mehr dazu unter Wikipedia)
Nach dem endgültigen Scheitern der Erhebung musste Friedrich von Reventlow die Herzogtümer verlassen. Er betätigte sich fortan nicht mehr auf politischem Gebiet und lebte mit seiner Frau ab 1853 auf den neu erworbenen Gütern in der Niederlausitz. 1861 wurde er in das Preußische Herrenhaus berufen.
Unter koloniale Spuren im öffentlichen Straßenraum ist die Reventlowstraße unter Kolonialakteure aufgeführt. Siehe unter: www.google.com/maps/d/viewer?mid=19ofi7hSFkKY0Ixjar9GjarxBgyg&hl=de&ll=53.55648700000003%2C9.889603000000008&z=11
Dies bezieht sich wohl auf Juliane von Reventlow, geborene Schimmelmann, Tochter von Heinrich Carl von Schimmelmann (siehe: Schimmelmannstraße), der aber nicht die Straße gewidmet ist. Dazu schreibt Dietmar Pieper: „Unter Adligen und reichen Bürgern gilt es (…) als schick, sich mit ‚Kammermohren‘ zu schmücken. Davon zeugt etwa der Bericht der Schriftstellerin Sophie von La Roche, den sie nach einem Besuch bei ihren norddeutschen Freunden Juliane und Friedrich Karl von Reventlow verfasst: ‚Ich hatte mit dem Mohren der Gräfin eine kleine Unterredung. … Ich sprach mit diesem Menschen, weil ich Züge eines sanften Charakters in ihm sahe, und auch eine sanfte Stimme an ihm bemerkte. Ich fragte nach seinem Lande und wie lange er schon bei der Gräfin diene? Er ist von einer Sklavenfamilie von den Plantationen des alten Grafen von Schimmelmann, welche ihn und mehrere junge Mohren nach Kopenhagen bringen ließ, um dort schreiben, rechnen, Chirurgie und andere Kenntnisse zu lernen. Die Chirurgie freute ihn nicht, und der alte Herr schenkte ihn Gräfin Juliane. Er ist glücklich, denn seine Herrschaft ist sehr gütig. Er verlangt sein Vaterland nicht mehr zu sehen, denn seine Eltern sind tot.‘“ 6) Und Hannimarie Jokinen, Künstlerin und Kuratorin, die u. a. den Arbeitskreis Postkolonial mitbegründete, gab den Hinweis, dass Julia von Reventlou durchsetzte, dass die versklavten Afrikaner:innen auf den schimmelmannschen Plantagen, die sich der Taufe verweigerten, nicht heiraten durften und ihnen zudem keine Hütte zum Wohnen zugewiesen wurde.