Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Büschstraße

Neustadt (1841): „benannt auf Antrag des Grundeigentümers Wilhelm Sillem, nach der Familie seiner Mutter Wilhelmine (27.8.1772 Hamburg - 21.11.1852 Amsterdam), einer Tochter des Professors am Akademischen Gymnasium Johann Georg Büsch (1728-1800).“ 1) und Leiter der Hamburgischen Handlungsakademie für die Ausbildung des kaufmännischen Nachwuchses sowie Mitbegründer der Patriotischen Gesellschaft.


Siehe auch: Caspar-Voght-Straße
Siehe auch: Ebelingplatz
Siehe auch: Sillemstraße

Wilhelmine Sillem war seit 1795 mit dem Kaufmann Hieronymus Sillem (27.7.1768 Hamburg – 19.4.1833 Amsterdam) verheiratet. Das Paar bekam elf Kinder und zog 1815 nach Amsterdam.

Wilhelmine war die Tochter von Johann Georg Büsch (3.1.1728 Altenmedingen – 5.8.1800 Hamburg) und seiner Ehefrau Margaretha Augusta, geb. Schwalb (1739-1798). Das Paar hatte 1759 geheiratet und bekam im Laufe seiner Ehe zehn Kinder.

In Büschs Haus trafen sich Hamburgs Aufklärer und Aufklärerinnen. Dass dieser Ort der Geselligkeit und der Diskussionsrunden rund um die Aufklärung zu einem Mittelpunkt in Hamburgs Gesellschaft wurde, daran hatte seine Ehefrau maßgeblichen Anteil. Das Ehepaar Büsch, das seit 1759 verheiratet war, war gemeinsam Mitglied der Klopstockschen Lesegesellschaft.

Zurück zu Johann Georg Büsch:
Für Johann Georg Büsch steht in der Nähe des Hauptgebäudes der Universität Hamburg ein Denkmal. Christina Posselt-Kuhli schreibt über Büsch, der Theologie studiert hatte: „Im Jahre 1764, acht Jahre nachdem er mit gerade einmal 28 Jahren zum Professor für Mathematik am Akademischen Gymnasium berufen worden war, begründete er öffentliche Vorlesungen zur Mathematik. (…). Nach Büschs Tod wurden diese zunächst freiwilligen Vorlesungen für Nicht-Gymnasiasten schließlich 1837 als Allgemeines Vorlesungswesen institutionalisiert. Büsch engagierte sich darüber hinaus für die erste Handelsakademie in Hamburg, (…) die Büsch ab 1771 auch leitete. (…) Büsch wollte dabei ökonomische Interessen (angesichts des enormen Fortschritts in Handel, Gewerbe und Finanzwesen der Handelsmetropole Hamburg) und Bildungsinteresse zusammenbringen – denn die traditionelle Ausbildung des Kaufmanns sah sich im 18. Jahrhundert seiner Meinung nach einem ‚Mangel an Systematik, Methodik und Didaktik‘ gegenüber, den Büsch ausgleichen wollte mit einer Verbindung von Theorie und Praxis (…) Neben Kaufleuten sollten auch Kameralisten und Juristen, zukünftige Staatsmänner also, eine solche Bildung erhalten. (…) Somit gilt Büsch als Begründer der deutschen Nationalökonomie bzw. der Wirtschaftswissenschaften (…).“ 2)

Der Ökonom Büsch machte sich auch über das Armenwesen Gedanken. Der Verein für Hamburgische Geschichte schreibt u. a. über ihn: „Gemeinsam mit weiteren engagierten Mitgliedern, wie dem Kaufmann Caspar Voght, reformierte er das Hamburger Armenwesen. Er kannte die Gängeviertel und Elendsquartiere der Stadt und erkannte, dass Armut strukturelle und konjunkturelle Ursachen hat, und nicht Folge von Faulheit und Müßiggang ist. Er war überzeugt, Armut könne durch Arbeitsbeschaffung und Unterstützung sowie einer Krankenversorgung seitens des Staates bzw. der städtischen Obrigkeit wirkungsvoll bekämpft werden: Wer arbeiten konnte, sollte Arbeit bekommen, wer nicht mehr arbeitsfähig war oder nicht von seinem Lohn Leben konnte, sollte unterstützt werden. Durch Vorschüsse sollten vorübergehende finanzielle Engpässe überbrückt und Existenzgründungen ermöglicht werden. Wer jedoch nicht kooperierte, dem wurde die Unterstützung entzogen oder andere Zwangsmittel angedroht. Die Kinder der Armen sollten eine Schulbildung erhalten. Das Grundprinzip dieses Konzepts war Hilfe zur Selbsthilfe. Diese aufklärerischen Ideen fanden ihre Umsetzung in der 1788 gegründeten „Hamburgischen Allgemeinen Armenanstalt“ und wurden in anderen deutschen und europäischen Städten aufgegriffen.“ 3)

Armut betraf in erster Linie Frauen.
Von den in den Jahren 1793-1796 von der Allgemeinen Armenanstalt unterstützten Armen waren 75% alleinstehende Frauen, in der Hauptsache alte Witwen, die aufgrund ihres Alters auf dem freien Arbeitsmarkt keine Arbeit mehr fanden und alleinstehende jüngere Frauen, besonders, wenn sie Kinder zu versorgen hatten.

Ursachen der Verarmung von Frauen:
- ein zu geringer Verdienst. Frauenarbeit wurde nur als Zuverdienst zum Einkommen des Ehemannes angesehen,
- Arbeitslosigkeit. Frauen verrichteten hauptsächlich Saisonarbeit
- Tod des Ehemannes als dem Haupternährer der Familie.
- Eine nicht unerhebliche Anzahl von Männern, die im Stande war, ihre Familie zu ernähren, verließ diese und war weder durch die Ermahnungen der Vorsteher und Pfleger der Allgemeinen Armenanstalt noch durch Gerichtsbeschluss dazu zu bewegen, etwas zum Unterhalt ihrer Ehefrauen und ihrer Kinder aufzuwenden.
- Ein Teil der arbeitsfähigen Männer zwang seine Frauen, das Almosen, welches den Frauen zugesprochen war, mit ihm zu teilen. Durch dieses Vorgehen der arbeitsfähigen, aber nichts arbeitswilligen Ehemänner, verarmten die Ehefrauen durch die Schuld ihrer Ehemänner.
- Im 18. Jhd. verarmte außerdem ein großer Kreis von Bürgerfrauen, die der kleinen „von der Krämergilde freigelassenen Krämerei“ angehörten.
- Auch verarmten ledige erwerbstätige Frauen völlig, wenn sie ein Kind bekamen.
Als Gegenleistung für die gewährte Unterstützung mussten die Armen für die Armenanstalt arbeiten, z. B. in der manufakturmäßig organisierten Flachsspinnerei. Von November 1789 bis Oktober 1790 waren 1353 Spinnerinnen dort tätig.

Zwischen Besitzern von Hamburger Manufakturen und der Allgemeinen Armenanstalt kam es zu einer Zusammenarbeit, wenn sich arbeitssuchende Arme bei der Armenanstalt meldeten. Um ihnen Arbeit zu geben, schickte die Armenanstalt sie zur Arbeit in Manufakturen, mit deren Besitzern die Anstalt zuvor einen Vertrag abgeschlossen hatte, damit diese Armen in Arbeit genommen wurden. Der Manufakturbesitzer brauchte nur ein Viertel des üblichen Lohnes an diese Armen zahlen, der Rest des Lohnes wurde von der Allgemeinen Armenanstalt ausgezahlt Manufakturbesitzer und Armenanstalt waren sich einig darüber, dass der Lohn das Existenzminimum nicht überschreiten sollte.

Zwischen den Männer- und Frauenlöhnen, die die Allgemeine Armenanstalt zahlte, herrschte eine große Diskrepanz. So bekam ein halb arbeitsfähiger Mann, der sich bei der Fabrik-Deputation der Allgemeinen Armenanstalt als Armer hatte registrieren lassen und daraufhin Fortifikationsarbeiten verrichtete, wöchentlich 36 Schillinge Lohn. Eine bei der Allgemeinen Armenanstalt beschäftigte Spinnerin hingegen erhielt wöchentlich nur zwischen 22 und 40 Schillinge, wobei 40 Schillinge nur eine sehr gute Spinnerin bekam, im Gegensatz zu dem halb arbeitsfähigen Mann, der allein schon – obwohl nur halb arbeitsfähig – 36 Schillinge die Woche erhielt.

Obwohl die Arbeitsgänge nicht vergleichbar sind, da es sich nicht um gleiche Arbeit handelte, muss eine Gegenüberstellung der Einkünfte aus diesen unterschiedlichen Arbeitsbereichen zulässig sein, denn die Fortifikationsarbeit der Männer und auch die Flachsgarnspinnerei der Frauen waren Arbeiten, die die Allgemeine Armenanstalt denjenigen Armen gab, die Unterstützung bedurften, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Diese Männer und diese Frauen hatten also die gleichen schlechten Lebensbedingungen und sowohl der Mann als auch die Frau waren gezwungen, soviel zu verdienen, dass sie damit das Nötigste zum Leben hatten. Da die wöchentlich an den Mann gezahlten 36 Schillinge Lohn die allgemein errechnete Geldsumme war, die eine Person wöchentlich zum Leben benötigte, wurden die bei der Allgemeinen Armenanstalt beschäftigten Frauen also empfindlich benachteiligt. Denn das Gros der Frauen war nicht die mitverdienende Ehefrau, sondern die alleinstehende Frau, die für Miete (z.B. 3 Schillinge in der Woche), Kleidung, Heizung etc. genauso viel aufbringen musste wie ein alleinstehender Mann.

Wenn Frauen von der Armenanstalt abhängig wurden, dann waren sie starken Reglementierungen ausgesetzt, die in ihre Lebensweise eingriffen. So wurden z. B. die Wohnverhältnisse der Armen von Inspektoren kontrolliert. Den Armen wurden Vorschriften gemacht, wie sie zu leben hätten. Weißbrot und Bohnenkaffee galten als verwerflicher Genuss. Mit scharfen Sanktionen wurde gegen diejenigen Armen vorgegangen, die sich der ihnen von der Allgemeinen Armenanstalt auferlegten Art zu leben und zu arbeiten widersetzten. So hieß es in § 12 der Armenordnung von 1788: „Wer nicht arbeiten will, faul dabei ist, betrunken ist, Zahlen-Lotto spielt, Materialien verdirbt, versetzt oder verkauft, kommt ins Zuchthaus und wird dort solange zur Arbeit gezwungen, bis man meint, dass er gebessert ist.“4)