Sillemstraße
Eimsbüttel (1903), nach der Familie Sillem und in Erinnerung an die ihr angehörenden Nutznießer des Faberschen Fideikommisses in Eimsbüttel
Siehe auch: Büschstraße
Siehe auch: Snitgerreihe
Siehe auch: Schubackstraße
Die Kaufmannsfirma Sillem war schon seit dem 17. Jahrhundert im Iberienhandel aktiv. Ein Großteil der Waren ging zum Beispiel über Lissabon in die portugiesischen Kolonien.
In der ersten Hälfte des 19. Jhds. gehörte die Firma Sillem zu den ersten Kaufleuten, die Direktimporte von Zucker aus Brasilien vornahmen. Die Firma profitierte vom Kolonialismus.
Seit 1631 ist die Familie im Kuratorium des Hamburger Gast- und Krankenhauses aktiv.
Die Geschichte der Familie Sillem kann auf deren Website www.sillem-family.com/Hanseatische%20Familien%20Sillem%20HH%20Abendblatt%2015.6.2018.pdf nachgelesen werden. Hier im Folgenden ein kurzer Auszug daraus: „Die authentische Geschichte der Familie Sillem beginnt im 16. Jahrhundert. Die Brüder Jacob Selm (1517-1584) (…) und Heyn Sylm (?-1565) zog es, aus dem Kehdinger Land kommend, über den Elbefluss in die Freie Reichs- und Hansestadt Hamburg. Hier taten sich die beiden als erfolgreiche Kaufleute hervor. (…)
Jacob und Heyn heirateten Damen alteingesessener Ratsfamilien. Und auch Jacob selbst bestimmte man im Jahre 1560 zum Ratsherrn der Stadt. Bruder Heyn erreichte dagegen kaum das 50. Lebensjahr. Vermutet wird, dass er an der Pest zugrunde ging. Da beide Söhne zeugten, gelten sie bis heute als die Gründer zweier Sillemscher Familienstämme. Aus diesen gingen bedeutende Persönlichkeiten der Stadt hervor. So stellte die Familie unter anderem 2 Bürgermeister, 9 Ratsherrn, 15 Richter, 7 Kämmereibürger, 11 Bancobürger und 14 Waisenhausbürger. Im Rathaus kann der Besucher Bildnisse von Ratsherrn und Bürgermeistern betrachten, und das Sillemsche Wappen schmückt neben anderen die prächtige Fassade. Söhne und Enkel von Heyn Sylm waren Tuchhändler und gehörten als solche der städtischen Oberschicht an. Die Mehrzahl der Jacobschen Nachfahren wurden Fernkaufleute. Sie ließen ihre Handelswaren bis hin zur iberischen Halbinsel verschiffen und trieben mit ihren Partnern in Flandern, Holland und England Im- und Export. Einer von Jacobs Enkeln hatte in Basel Rechtswissenschaft studiert. Er war der erste Jurist der Familie. Ihm folgten circa 20% aller Nachfahren. Bis ins 19. Jahrhundert hinein lebten die Angehörigen beider Stämme in Hamburg. Persönlich eng miteinander verbunden und verschwägert, führten sie ein und dasselbe Familienwappen.“
Martin Garlieb Sillem
Martin Garlieb Sillem (18.6.1769 Hamburg – 16.2.1835 Hamburg) war der Sohn von Johanna Margarethe Schele und des Syndikus Garlieb Sillem. Er besuchte die Büschse Handelsakademie und begann mit 16 Jahren in der Firma von Johannes Schuback (siehe: Schubackstraße) eine kaufmännische Lehre. Er war für die Firma auch in Portugal tätig, ebenso in Spanien, London und Frankreich.
1807 wurde er von der Hamburger Kaufmannschaft als Deputierter in das Commerzium berufen. In dieser Eigenschaft verhandelte er zum Beispiel mit den Franzosen über Handelserleichterungen. 1814 wurde er in den Senat berufen, 1829 zum Bürgermeister gewählt.
Im Alter von 56 Jahren heiratete er 1825 Charlotte Dorothea von Pechlin. Sie war damals die Witwe von Johannes Schuback junior.
Sillem kaufte im Nienstedtener Quellental (Elbchaussee 352) einen großen Besitz, der zuvor der Familie van der Smissen (siehe: Van-der-Smissen-Straße) gehört hatte. Nach seinem Tod und dem seiner Ehefrau kaufte Berend Roosen (siehe: Roosenbrücke, Roosens Park, Roosens Weg) das Gelände.1)
Über weitere männliche Mitglieder der Familie Sillem siehe unter: www.sillem-family.com/Hanseatische%20Familien%20Sillem%20HH%20Abendblatt%2015.6.2018.pdf
Die Büschstraße in der Neustadt wurde auf Antrag des Grundeigentümers und Kaufmanns Wilhelm Sillem nach der Familie seiner Mutter Wilhelmine (1772-1852), einer Tochter des Professors am Akademischen Gymnasium, Johann Georg Büsch (1728-1800), benannt. Diese war seit 1795 mit dem Hamburger Kaufmann Hieronymus Sillem (1768-1833) verheiratet und zog mit ihm in die Niederlande.
Sohn Wilhelm Sillem (1804-1885) ließ Sillem‘s Bazar am Jungfernstieg erbauen. Auch er war Kaufmann. Doch neigte er zu Spekulationsgeschäften. Auf einer durch den Großen Brand von 1842 entstandenen Freifläche am Jungfernstieg ließ er 1843 ein Hotel mit Sillem’s Bazar – der ersten glasüberdachten Einkaufspassage – errichten. Was zuerst auf Begeisterung stieß, wurde jedoch kein Erfolg. Und so verlor die Familie Sillem viel Geld. Wilhelm Sillem wurde unter Kuratel gestellt, woraufhin er nach Genf zog und sich der Armenfürsorge widmete. 2)
Helene Sillem
Erwähnt werden soll an dieser Stelle noch Helene Sillem (geb. 2.8.1871 – ?), Kirchenvorsteherin, Vorsitzende der Ortsgruppe Hamburg des Deutsch-Evangelischen Frauenbundes.
1919 wurde die in der Hagedornstraße 20 im vornehmen Stadtteil Harvestehude wohnende Helene Sillem zur Kirchenvorsteherin von St. Jakobi gewählt. Sie kam aus einem gläubigen Elternhaus. Ihr Vater, Dr. Carl Hieronymus Wilhelm Sillem, hatte Theologie studiert und später die Bülowsche Erziehungsanstalt für Knaben in Bergedorf übernommen. 1875 war er Oberlehrer an der Höheren Hamburger Bürgerschule geworden und hatte die Geschichte der hamburgischen Reformation geschrieben.
„Fräulein“ Helene Sillem war sechzehn Jahre lang Vorsitzende der im Jahre 1900 gegründeten sozial engagierten Ortsgruppe Hamburg des Deutsch-Evangelischen-Frauenbundes (DEF). Zu den Mitgliedern zählten viele Frauen aus Hamburgs „führenden“ Familien, so Clara Mönckeberg, Toni Petersen und Carlotta Sieveking, Ehefrauen und Töchter von Senatoren und Bürgermeistern. Die Konfessionszugehörigkeit spielte für den DEF eine wichtige Rolle. Denn die Mitglieder wollten nicht nur helfen, sondern auch sittlich und religiös beeinflussen.
Helene Sillem kümmerte sich besonders um die Deutsch-Evangelischen Arbeiterinnenvereine. Der DEF gründete in der Marschnerstraße 17 im Stadtteil Barmbek einen Arbeiterinnenverein für Hamburg und Umgebung und in der Freiligrathstraße im Stadtteil Hohenfelde einen Verein für Hausgehilfinnen. Außerdem wurden für Arbeiterinnen Teeabende veranstaltet und ein Abendheim für gewerblich beschäftigte Mädchen eingerichtet. 1902 gründete der DEF an der Jakobi Kirche eine Näh- und Flickschule mit dem Ziel, „arbeitslosen Frauen durch Handarbeit Verdienst zu verschaffen und ihnen zugleich Gelegenheit zu geben, sich unter Leitung von 2 tüchtigen Lehrerinnen in der Näharbeit weiter fortzubilden, um später höheren Ansprüchen genügen zu können und besseren Lohn zu erlangen. Arbeitsuchende werden sofort gegen Verdienst in Beschäftigung genommen. Bei der vielfach geringen Leistungsfähigkeit der Frauen wird als Lohn M 1 täglich für eine sechsstündige Beschäftigung von 9-3 Uhr und zwar ohne Abzug für Maschine, Garn usw. gezahlt. Die geübteren Frauen werden zur Übernahme gut besoldeter Beschäftigung in Privathäusern empfohlen. Arbeiten für öffentliche Anstalten, für Vereine und Privatpersonen werden jederzeit entgegengenommen“, 3) hieß es 1909 in Hermann Joachims Handbuch der Wohltätigkeit.
Die Grenzen der Frauenbewegung sah der DEF in der Unantastbarkeit der Vormachtstellung des Mannes. In einem vom DEF herausgegebenen Flugblatt hieß es dazu: „An der führenden Stellung des Mannes in Ehe und Staat [darf] nicht gerüttelt werden.“ Es sei auch keine „Beteiligung an den Lohn- und Klassenkämpfen beabsichtigt“. 4) So ist es nicht verwunderlich, dass der Jurist und Kunstförderer Gustav Schiefler in seiner „Hamburger Kulturgeschichte” folgende Beobachtung niederschrieb: „Inzwischen hatte die Frauenbewegung auch in der hamburgischen Gesellschaft Bürgerrecht erlangt. Aber nicht die Ortsgruppe des ADF [Allgemeiner Deutscher Frauenverein,] die viele jüdische Mitglieder zählte, sondern der vornehmere Deutsch-Evangelische Frauenbund […] erfreute sich ihrer Gunst.“ 5)
Ca. 1934 legte Helene Sillem die Leitung der Ortsgruppe des DEF nieder, blieb aber Vorsitzende des Nordverbandes der neunzehn benachbarten Ortsgruppen, außerdem wurde sie 1931 in den Vorstand des Volkswachtbundes gewählt.
Helene Sillem setzte sich auch für eine bessere Stellung von Theologinnen in der Kirche ein. Nachdem Sophie Kunert (1896–1960) am 5. Februar 1928 von der evangelischen Kirche als erste Theologin eingesetzt worden war, durfte sie weder das Wort verkünden, noch die Sakramente verwalten. Theologinnen erhielten lediglich den Status einer Pfarramtshelferin. Helene Sillem äußerte sich dazu in ihrem Aufsatz „Das Pfarramt der Frau in Hamburg“: „So ist der Raum, der dem Pfarramt der Frau in der Hamburgischen Landeskirche zur Entfaltung eingeräumt ist, eng. Dieser jungen Pflanze wird im Garten der Kirche nur ein bescheidenes Plätzchen zugewiesen, und es ist für die Pionierinnen, die dieser Pflanze gern zu raschem Wachstum verhelfen möchten, schwer, sich mit dem engen Raum zu befreunden. Aber ist es nicht so, daß kräftige Pflanzen sich doch in ihrem Wachstum durchsetzen, wenn sie zuerst ihre Wurzeln recht tief und fest in die Erde gesenkt haben?“ 6)
Helene Sillem, die laut Hamburger Adressbuch 1941 in der Heilwigstraße 160 wohnte, die Adresse des evangelischen Damenstiftes Kloster St. Johannis, hatte während der Zeit des Nationalsozialismus noch einige Leitungsfunktionen im Deutsch-Evangelischen Frauenbund (DEF) inne. Damals war sie Vorsitzende des Nordbundes des DEF und im Vorstand des Volkswachtbundes. Laut Hamburger Adressbuch von 1933 befand sich bei Helene Sillem in der Heilwigstraße 160 auch die Geschäftsstelle des Volkswachtbundes.
Besonders der Kampf gegen die Prostitution hatte sich der DEF auf seine Fahnen geschrieben.
Die Gründung des Frauenwerkes 1933 soll, so Victoria Overlack in ihrem Buch über das evangelische Leben in Hamburg 1933-1945 auf die Tätigkeit des DEF „keinen großen Einfluss“ 7) gehabt haben. „So schrieb etwas die Vorsitzende des DEF Helene Sillem im Namen ihres Vereins am 7. August 1933 an den Hamburger Polizeisenator Alfred Richter, ihr sei ‚gerüchteweise‘ bekannt geworden, dass ‚einige der im Jahre 1922 aufgehobenen Bordellstrassen‘ wieder eingerichtet werden sollten. Sie äußerte sich auch im Namen ihrer Mitglieder empört darüber und führte weiter aus, sie könne sich ‚nicht denken, dass der neue nationalsozialistische Staat, dem wir von Herzen zugetan sind, zu einer solchen Maßnahme sich verstehen könnte‘. Sie bat den Senator zur Beruhigung ihrer Mitglieder um Aufklärung über den tatsächlichen Sachverhalt: Zur weiteren Erläuterung ihrer Position erklärte sie: ‚Wir verweisen darauf, dass der Führer Adolf Hitler in seinem Buch ‚Mein Kampf‘ sich gegen Bordellstrassen und für Konzentrationslager ausspricht. Dieser Gedanke des Führers trifft zweifellos das, was in der gegenwärtigen Stunde für diesen Personenkreis das Gegebene ist: dass man nämlich nicht unter staatlicher Duldung oder Reglementierung ihr Laster fördert, indem man sie in ‚Freudenhäuser‘ bringt, sondern dass man sie zu straffer Arbeit zwingt und sie, soweit das überhaupt noch möglich ist, zu einer geordneten sittlichen Lebensführung erzieht.
Die Unerziehbaren dürften als Schädlinge der Volksgemeinschaft besonders der Jugend in diesen Lagern am besten verwahrt sein.‘
Helene Sillem vertrat weiterhin den Standpunkt, der Staat müsse nun im Rahmen der Förderung der ‚Gesunden Familie‘ in allem Vorbild sein, und begrüßte die Tatsache, dass ‚heute mit einer straff geführten Polizei und einer nationalen Justiz‘ gerechnet werden könne, und im Rahmen der Neufassung des §16 des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten eine Einrichtung von Bordellstraßen faktisch eigentlich gar nicht mehr möglich sei. Im Namen des Frauenbundes, der sich schon lange dem Kampf gegen ‚Unzucht‘ und ‚Unsittlichkeit‘ in der Großstadt Hamburg verschrieben hatte, begrüßte Sillem den nationalsozialistischen Staat. Wie ihre Ausführungen belegen, war dies auch deshalb möglich, weil die eigenen Ziele problemlos mit den vermeintlichen Zielen des nationalsozialistischen Staates in Deckung gebracht werden konnten. Unter einem Teil der engagierten evangelischen Frauen Hamburgs war demnach eine Geisteshaltung verbreitet, die der Herrschaftspraxis des nationalsozialistischen Staates Vorschub leistete“, 8) schreibt Victoria Overlack.