Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Sengelmannbrücke

Alsterdorf (1922): Heinrich Matthias Sengelmann (25.5.1821 Hamburg -3.2.1899 Hamburg), Pastor, Gründer der Alsterdorfer Anstalten, heute Evangelische Stiftung Alsterdorf.


Siehe auch: Rautenbergstraße
Siehe auch: Sengelmannstraße
Siehe auch: Paul-Stritter-Brücke

Heinrich Matthias Sengelmann war das einzige Kind von Anna Elisabeth Poels (1747–1814) und des Viehhändlers und Gastwirtes Joachim Hinrich Sengelmann (1777–1850).

In der Allgemeinen Deutschen Biografie von 1908 heißt es über Sengelmanns Mutter: „Die Mutter besaß eine bessere Schulbildung (als der Vater], und besuchte gern die Predigten Rautenberg’s (…), [siehe Rautenbergstraße] der ihr auch Theilnahme für die Werke christlicher Liebe und für die Heidenmission einflößte. Als S. confirmirt worden war, bat ihn die fromme Mutter unter Thränen, dem Heiland die Treue zu halten, die er vor dem Altar demselben gelobt habe.“ 1)

Sengelmann besuchte das Johanneum und studierte anschließend „Orientalistik und ev. Theologie in Leipzig und Halle und beendete seine Ausbildung mit beiden theol. Examina. 1843 wurde er bei dem Orientalisten Julius Fürst (1805–73) in Halle mit einer textkritischen Übersetzung und literarhistorischen Kommentierung von ‚Das Buch von den sieben weisen Meistern‘ (1842) zum Dr. phil. promoviert. Wichtige Impulse für seine spätere Arbeit erhielt S. anschließend als Lehrer und Betreuer von Kindern in der 1825 von Johann Wilhelm Rautenberg (1791–1865) gegründeten ‚Sonntagsschule‘ im Hamburger Stadtteil St. Georg.“ 1)

In dieser Zeit unternahm er 1844 eine Erholungsreise nach Ems, wo er die russische Adlige Anna Sophie Adele von Saß (1826-1858) kennenlernte. Anna Sophie Adele von Saß war die Tochter des russischen Generals v. Saß und kam von der livländischen Insel Oesel. Sie war eine „Dame, die gleich manchen Balten in jener Zeit, ihre christlichen Anregungen herrnhutischen Einflüssen verdankte“. 1) Zu den Herrnhutern fühlte sich auch Sengelmann hingezogen.

Zwei Jahre nach dem Kennenlernen wurde geheiratet. Im selben Jahr 1846 wurde Segelmann Pastor an St. Nicolai in Moorfleet. Dort richtete er 1850 im Pastorat eine Arbeitsschule ein. „Er nahm in das Pastorat einige Knaben auf, die von den Eltern – mangels jeglichen Schulzwanges – im Hause behalten wurden, um in Haus und Garten zu helfen und daher keinen Schulunterricht genossen. Im Pastorat erhielten sie Vormittags Unterricht, aßen und spielten dort und wurden dann geübt Holzpantoffeln zu schnitzen, Körbe zu flechten u. dgl. Abends kehrten sie zu den Eltern zurück. Immer mehr Kinder, auch solche aus Hamburg, meldeten sich, und bald wurde ein eigenes Haus für sie unter einem Hausvater erworben. Nach dem Schutzpatron der Moorflether Kirche wurde die Anstalt ‚St. Nicolaistift‘ genannt. Bei Sengelmann’s Abgang von Moorfleth wurde es einem Vorstande, zu dem auch Mitglieder aus Hamburg gehörten, übergeben. Trotz der vielseitigen pastoralen Thätigkeit hatte S. doch noch Muße gefunden, sich mit wissenschaftlichen Studien zu befassen. Eine Frucht derselben war ‚Das Buch Tobit‘, freilich erst in den ersten Jahren seines Hamburger Aufenthalts veröffentlicht.“ 1)

In dieser Zeit wurden die Eheleute Sengelmann Eltern. Doch verstarb das Kind bereits wenige Monate nach der Geburt.

1853 wurde Sengelmann Pastor an der Hamburger Hauptkirche St. Michaelis. Doch dort blieb er nicht lange, da ihm die Zustände in der Kirche nicht zusagten. Als Beispiele hierzu zwei Beispiele, die in der Allgemeinen Deutschen Biographie aus dem Jahre 1908 genannt werden: „(…) Eine specielle Seelsorge war kaum möglich bei der Größe der Gemeinden; (…). Die meisten Trauungen und alle Taufen wurden nur in den Häusern der Gemeindeglieder vollzogen und zwar meistens am Sonntage, so daß beliebte Prediger, zu denen auch S. gehörte; vom Mittag bis zum Abend von Haus zu Haus, von der Kellerwohnung bis zur Dachstube wandern mußten. S. trug darauf an, daß diese Handlungen, wenigstens am Sonntage, auch in der Kirche stattfinden durften. Es gab bei dem Confirmandenunterricht Abtheilungen von über hundert Schülern, und wenn auch S. sie auf neun bis zehn Abtheilungen vertheilte, so beklagte er doch, daß er dem Einzelnen nicht gerecht werden konnte. (…)

Durch die schmerzlichen Erfahrungen, die er auch in seinen ‚Sprechstunden‘ gemacht hatte ‚von der Hohlheit dessen, was man von der Kirche wollte und von der Veräußerlichung der Kirche, durch welche ihr Heiliges gleich dem Goldschnitt geworden war, welcher ein Briefchen weltlichen Inhalts umrandet‘, reifte in ihm der Entschluß, aus seinem Amte an St. Michaelis freiwillig zu scheiden. In seinem im October 1866 an den Senat eingereichten Entlassungsgesuche erklärte S., er würde sich schon längst an das Kirchencollegium gewendet haben, die bezeichnete Sachlage zu ändern, wenn er nicht die Ueberzeugung gehabt hätte, daß auch diesem dazu keine Mittel zu Gebote standen; die Ursachen der Uebelstände lägen in den allgemeinen Verhältnissen der hamburgischen lutherischen Kirche, und die Umgestaltung derselben würde wohl erst einer fernliegenden Zukunft vorbehalten sein. Es sei ihm schwer, diesen Schritt zu thun, da er namentlich der Predigt und dem Beichtstuhl liebe Erinnerungen verdanke und weil außer dem Wohlwollen der Gemeinde und ihres Vorstandes eine ungetrübte Verbindung mit seinen Specialcollegen sein Loos gewesen sei. Zu diesen gehörte auch der Diakonus v. Ahsen, dessen Tochter Jane Elisabeth im J. 1859 S. nach dem Tode seiner ersten Gattin geheirathet hatte. Sein Entlassungsgesuch wurde ihm gewährt (…).“ 1)

Seine zweite Frau hatte Sengelmann ein Jahr nach dem Tod seiner ersten Frau, die im Alter von 32 Jahren verstorben war, geheiratet. Jan Elisabeth (Jenny), geb. von Ahsen (17.6.1831 Hamburg – 26.9.1913 Laboe) war hochmusikalisch und wurde Sengelmanns Stütze in all seinen Vorhaben. So musste Sengelmann z. B. feststellen, dass der Aufenthalt in seinem Nikolaistift in Moorfleth in der Marsch „für die Kinder wegen der Wechselfieber ungünstig [war]; auch war die Bearbeitung des schweren Bodens für sie zu mühsam. So entschloß sich S. mit dem Vorstand, das Stift auf die Geest zu verlegen. S. kaufte in Alsterdorf, nicht zu nah der großen Stadt und auch nicht allzu fern, ein Gewese an der Alster mit einem Wohnhaus und Scheune und achtzehn Scheffel Land. Am 5. August 1860 konnte das bisherige Moorflether Stift hier seinen Einzug halten, kein Rettungshaus, sondern eine Bewahranstalt für Knaben und Mädchen, um Schulunterricht zu erhalten und, wie bisher, allerlei Handfertigkeiten und besonders auch Gärtnerei zu lernen. (…) S. selbst hatte sich vom Vorstand ein kleines Haus gemiethet und kam von Hamburg oft hinaus zur Freude der Kinder (…). Seit 1870 wurde die Feier des Sedantages mit dem Erntefest verbunden, denn ‚Vaterlandsliebe, Freude an dem wiedererrichteten Deutschen Reich sind in S. stets mächtig und innig geblieben‘. Bei diesen Veranstaltungen unterstützte ihn seine Gattin, deren verständnißvolle Antheilnahme sich nicht auf die Außenseite derselben beschränkte, sondern sich ebenso sehr in der hingebenden Fürsorge für die Kinder bethätigte.

Zu den Arbeitsschülern kamen 1863 1) Kinder mit Behinderung hinzu, denen sich Sengelmann widmete. Für diese ließ er 1863 ein kleines Haus erbauen, in dem zehn Kinder betreut werden und wohnen konnten.

„Neben den Knaben öffnete sich das Asyl auch Mädchen. Hatte man bisher nur solche aufgenommen, bei welchen Hoffnung auf irgend eine Fortbildung zu hoffen war, so nahm man auch die noch Bedürftigeren auf, bei denen man sich auf Pflege beschränken mußte. Infolge eines Aufrufs, den S. um Weihnacht 1865, in seinem vorletzten Hamburger Amtsjahre, erlassen hatte, steigerten sich die Jahresbeiträge für die Alsterdorfer Anstalten von etwa 200 Thalern auf fast das fünffache, und die einmaligen Beiträge beliefen sich auf 24 000 Mark. So konnte ein geräumiger Neubau mit fünfzehn Zöglingen bezogen werden,“ 1) ist in der Allgemeinen deutschen Biographie nachzulesen.

Bodo Schümann schreibt in seiner Biografie zu Sengelmann: „Ziele seiner Arbeit waren die Ermöglichung menschenwürdigen Lebens, religiöse Erziehung, schulische Bildung, Ausbildung und Arbeit sowie die Vermittlung von Behinderten in Handwerksbetriebe. Unter S.s Direktion wuchs die nach dem Vorbild der Zinzendorfschen Brüdergemeinen organisierte Anstalt auf einen Komplex von 38 Gebäuden, in denen mehr als 600 hilfsbedürftige Menschen von 140 Angestellten betreut wurden.“ 2)

Jenny Sengelmann war für ihren Mann auch eine Stütze bei der Leitung der - wie sie damals hießen - Alsterdorfer Anstalten. Sie leitete die Menschen mit sogenannter Behinderung an, organisierte die Kleider- und Schuhlager, die Wäscherei, die Nähstuben und die Küche. Sie galt als ein wenig schroff, trat entschieden auf, was bei einigen Menschen unangenehm aufstieß, war man solches Verhalten doch eher von Männern gewohnt, die für solch ein Verhalten eher gelobt als gerügt wurden. Auf der Website der Evangelischen Stiftung Alsterdorf heißt es über Jenny Sengelmanns Wirken und ihren Charakter: „sie galt dort ebenso als die treibende Kraft, denn als Direktor und Vorstandsvorsitzender unternahm Heinrich Matthias Sengelmann regelmäßig Forschungs- und Vortragsreisen und war dadurch wenig in den Anstaltsalltag integriert. Jennys Übersicht und Wissen über die Arbeit in den Alsterdorfer Anstalten und ihre Genauigkeit verschafften ihr großen Respekt. Sie bestach darüber hinaus durch ihr emanzipiertes Auftreten und ihre temperamentvolle Art.“ 3)

Die Eheleute Sengelmann hatten keine leiblichen Kinder. Sie adoptierten aber zwei Schwestern - Henriette und Emma Fust – zwei Halbwaisen.

„Als S. 1867 im Frühjahr aus dem städtischen Amt geschieden war, hörte er damit nicht auf, Prediger zu sein: 1867 wurde eine Capelle für die Alsterdorfer Anstalten errichtet, 1889 eine Kirche (…). Die Anstalten erweiterten sich: 1869 wurde das Mädchenheim erbaut und 1874 erweitert, 1869 ein Pensionat für schwach begabte Kinder höherer Stände, zwei Jahre später ein Kinderheim für körperlich leidende Kinder errichtet. Sengelmann’s Arbeit nahm gleichfalls zu, denn wenn ihm auch der Vorstand half, so war doch S. ‚das Herz des Anstaltslebens‘.(…). Um der Anstalt den Grundcharakter der freien christlichen Liebe zu erhalten, deren Walten sich S. nur unabhängig vom Staate denken konnte, wurde dem Vorstand ein Beirath von Männern aus den nächstliegenden Theilen Norddeutschlands zugesellt. Es machte ihm wohl öfters Sorge, die sich vergrößernden Anstalten zu erhalten; allein er verlangte keine Staatshülfe. Nur einmal hat S. vom Senat einen Betrag von 10 000 Thalern empfangen, den der Senat selbst ‚als Aequivalent für zu wenig bezahlte Verpflegungsgelder‘ bezeichnet hatte, unter der Anerkennung seiner Verdienste um die Pflege und Ausbildung der Elendesten. Sengelmann’s eigene Stellung blieb eine durchaus unbesoldete. ‚Die Anstalten sollten öffentlich bleiben, geleitet von einer freien Genossenschaft, beaufsichtigt von den betreffenden staatlichen Behörden‘. (…).“1)

Dass Sengelmann auch ein politischer Mensch war, der durchaus die politischen Strukturen verstand und sich für Politik interessierte, zeigt sich daran, dass er als erster Pastor Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft wurde (Dezember 1874 - Juni 1875).

„Überregionale Bedeutung erlangte S., als er 1874 mit anderen die ‚Conferenz für Idioten-Heil-Pflege‘ zusammenrief, deren Präsident bzw. seit 1895 Ehrenpräsident er bis zum Lebensende blieb. Diese etwa alle zwei Jahre an verschiedenen Orten abgehaltenen ‚Wander‘-Konferenzen brachten interdisziplinär und überkonfessionell Fachleute der Behindertenarbeit zum Meinungsaustausch zusammen. (…). S. war nicht nur ein Pionier der Behindertenarbeit in Deutschland, sondern auch international gefragt, z. B. als Gutachter für die norweg. Regierung. Erwähnung findet er auch als Verfasser geistlicher Lyrik,“ 2) erklärt Bodo Schünmann.

Sengelmann starb an einem Schlaganfall. Nach dem Tod ihres Mannes zog Jenny Sengelmann in die Nähe der "Alsterdorfer Anstalten" und bekam deshalb auch weiterhin Besuch von den dortigen Bewohnerinnen und Bewohnern.