Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Tratzigerstraße

Marienthal (1950): Adam Tratziger (1523 Nürnberg -17.10.1584 bei Rahlstedt), Jurist, Stadtsyndikus von Hamburg.


Vor 1950 hieß die Straße Jägerstraße. Bereits in der NS-Zeit sollte die Straße im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes in Tratzigerstraße umbenannt werden, da nun das bisherige Staatsgebiet Hamburg um benachbarte preußische Landkreise und kreisfreie Städte erweitert worden und es dadurch zu Doppelungen bei Straßennamen gekommen war. Bedingt durch den Krieg kam es aber nicht mehr zu dieser Umbenennung und es blieb bis 1950 bei Jägerstraße. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg 133-1 II, 26819/38 Geschäftsakten betr. Straßennamen B. Die große Umbenennung hamb. Straßen 1938-1946. Ergebnisse der Umbenennung in amtlichen Listen der alten und neuen Straßennamen vom Dez. 1938 und Dez. 1946)

Adam Tratziger war ein Sohn von Helene und Konrad Trotzieher. Helene Trotzieher war die Tochter des Nürnberger Rechtsgelehrten Dr. Johann Letscher und dessen Ehefrau.

In der Allgemeinen Deutschen Biographie aus dem Jahre 1894 steht über Tratzigers weiteres Berufsleben, nachdem Tratziger Jura studiert hatte und er nach seiner Promotion 1546 nach Rostock gekommen war, wo er an der dortigen Universität über Dekretalien und das kanonische Recht las und eine Anstellung als Syndicus der Stadt wahrnahm: „Privatverhältnisse, wie seine schon vor dem 30. April 1553 vollzogene Verlobung mit Gertrud, Tochter des Hamburger Bürgers Jürgen van Zeven (durch ihre Mutter Ilsebe aus der hamburgischen Familie v. Mere stammend) und eine im J. 1553 in einem Processe seiner künftigen Verwandten um das Gut Wandsbeck unternommene Reise, führten T. nach Hamburg. Schon Michaelis 1553 ward er zweiter Syndicus neben Dr. Johann Straub oder Strubb, 1554 auf Lebenszeit angestellt und 1555, Ehren halber gebührenfrei, Bürger. Seine Thätigkeit in dem neuen Amte war eine ungemein vielseitige, namentlich seitdem er nach dem Abgange des Dr. Straub nach Lübeck 1555 Ostern ältester Syndicus geworden war. Hier seien nur die wichtigsten Missionen hervorgehoben.

Durch Vergleich vom 26. Mai 1554 beendete er die Fehde zwischen der Stadt und Herzog Heinrich dem Jüngeren von Braunschweig, der gegen eine Zahlung von 12 000 Thalern das besetzte Bergedorf wieder frei gab. (…). Vermutlich in der Frage der Elbhoheit berieth T. neben anderen hamburgischen Gesandten 1555 auf dem Zollenspiker mit dem fürstlich lüneburgischen Statthalter. Mit denselben Abgeordneten begab er sich sodann nach Cölln zur Verhandlung mit dem Kurfürsten Joachim über die von Hamburg beanspruchte Stapelgerechtigkeit. 1556 ferner war er zugegen auf dem von Ferdinand I. in Frankfurt a. M. versammelten Tage aller Elbuferstaaten, auf welchem über die Elbschiffahrt und die Elbzölle berathen wurde. In hansischen Angelegenheiten vertrat er die Stadt wiederholt auf den Tagen der wendischen Städte und den allgemeinen Hansetagen. Als Anwalt der Stadt in ihrem Processe mit dem Domcapitel erwirkte er 1555 am kaiserlichen Hofe zu Brüssel die Einsetzung einer Commission auf den Herzog Franz Otto von Lüneburg und den Bischof von Osnabrück und verhandelte wiederholt mit den Commissaren, sowie am kaiserlichen Hofe.

Anfang 1558 verließ T. Hamburg und trat als Kanzler in die Dienste des Herzogs Adolf von Holstein. Vielleicht bestimmten ihn dazu seine später zu erwähnenden Familienverhältnisse, vielleicht schien ihm auch die neue Stellung glänzender. Bald nach dem Wechsel und wohl infolge desselben wurde der Kanzler in Hamburg verdächtigt, was ihn veranlaßte, am 6. April 1558 dem Rathe das Bürgerrecht aufzukündigen und einen Revers von 1554 über seine Verpflichtung zu lebenslänglicher Thätigkeit im Dienste der Stadt zurückzuverlangen. Zunächst war er für seinen neuen Herrn thätig bei der Unterwerfung Ditmarschens. (…)..

Daneben beschäftigten ihn die vom Herzog Adolf nicht ohne Gewaltsamkeiten durchgeführte Säcularisation des Bisthums Schleswig und die Hoheitsstreitigkeiten zwischen Holstein und Hamburg. Auf dem Reichstage zu Speier 1570 erlangte er vom Kaiser, dem er auf Erfordern einen Bericht über die Verhältnisse der Herzogthümer hatte vorlegen müssen, für die Herzöge von Holstein eine Expectanz auf Oldenburg und Delmenhorst, und setzte es durch, daß im Reichsabschiede sein Name unmittelbar nach dem Gesandten des Herzogs von Lauenburg folgte. (…)., 1582 endlich nahm er im Namen seines Herrn die Huldigung der Nordfriesen entgegen und regelte Grenzstreitigkeiten mit Hamburg. (…).

Schon vor November 1564 hat sich T. unter Bedingungen, die wir nicht genauer kennen, als Rath dem Herzog Franz von Lauenburg zu ausschließlichem Dienste verpflichtet. Dennoch hat er nicht aufgehört, die Geschäfte Fremder zu betreiben, (…).

In Hamburg besaß T. ein Haus an der Ecke der Brandstwiete und kl. Reichenstraße und den dem Domcapitel gehörenden Scholasterhof vor dem Dammthore, um dessen Besitz es mit dem Capitel zu einem Processe mit unbekanntem Ausgange kam, endlich seit 1575 eine Präbende. Am 22. Januar 1557 wurde er sodann von Herzog Adolf mit Schloß und Gut Wandsbeck belehnt, das er 1564 an Heinrich Rantzau [siehe: Rantzaustraße] verkaufte. In Schleswig errichtete er sich auf theils geschenktem, theils gekauftem Grund eine prächtige Wohnung aus den Steinen einer gleichfalls gekauften, leerstehenden Kirche. Der Herzog Franz belehnte ihn 12. November 1564 mit dem Gute Kropelshagen und der Aumühle am Sachsenwalde. (…).

Tratziger’s Ehe war keine glückliche. [Tratziger hatte 1767 zwei Jahre von ihr getrennt gelebt]. Seine Frau wird als streitsüchtig geschildert, und dazu kamen Differenzen mit deren Verwandten. Aber auch sein Charakter erscheint nicht im günstigsten Lichte. Neben seinen bedeutenden Fähigkeiten, seiner rastlosen Thätigkeit werden nur zu oft Klagen laut über sein Verhalten: so schon in Rostock und bei seinem Fortgange aus Hamburg. Auf dem Speierer Reichstage sollte er instructionswidrig statt einer Gesammtbelehnung nur die Expectanz gefordert haben, von lauenburgischer Seite beschuldigte man ihn nachlässiger Führung der reichskammergerichtlichen Processe und eigennützigen und hinterlistigen Verhaltens bei den Verhandlungen über die Abtretung von Steinhorst. Bekannt sind endlich die in den Kreisen der betheiligten Domcapitel über ihn umlaufenden Reden. Die Berechtigung der meisten Vorwürfe müssen wir dahingestellt sein lassen. Unvereinbar aber mit der gegen den Hamburger Rath eingegangenen Verpflichtung, keine Sachen Fremder zu führen (…) ist seine Ertheilung geheimer Rathschläge zur Unterwerfung Ditmarschens, die eben nach seinen Ausführungen keineswegs im hamburgischen Interesse lag.

Am 17. October 1584 starb er infolge eines Unglücksfalls auf einer Reise von Hamburg nach Gottorp. Er hinterließ den schon erwähnten Sohn Friedrich (…) und eine an Klaus Wolders verheirathete Tochter. Außer zahlreichen, theilweise schon angeführten amtlichen Arbeiten schrieb er 1583 eine lateinische Topographie der Stadt Schleswig und bereitete eine Geschichte der Herzogthümer vor. (…). Aus der Hamburger Zeit stammt ein 1557 abgefaßter „Bericht“, daß Hamburg älter als Stade und die fünf wendischen Städte sei, ferner das am 29. December desselben Jahres vollendete Hauptwerk, die Hamburgische Chronik. Sie behandelt die Geschichte der Stadt von Karl dem Großen (…) bis zum Jahre 1555, (…).. Ihr Werth wird dadurch aber noch erheblich gesteigert, daß sie einen Auszug aus vielen, jetzt nicht mehr vorhandenen Documenten bietet. In richtiger Würdigung dieses ihres Werthes wurde sie in zahlreichen Handschriften verbreitet und vielfach mit Fortsetzungen versehen. (…).“ 1)