Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Gayens Weg

Bahrenfeld (1939): Theodor Alexander Gayen (4.5.1824 Altona – 18.8.1900 Altona-Bahrenfeld), Kaufmann, Reeder, Konsul, hatte in Bahrenfeld großen Grundbesitz.


Siehe auch: Julienstraße
Siehe auch: Theodorstieg und Theodorstraße

Diese Verkehrsfläche wurde in der Zeit des Nationalsozialismus benannt.

Im folgenden Text wird das N-Wort im historischen Zitat voll ausgeschrieben. 1)

Theodor Alexander Gayen war ein Enkel des erstmals 1802 in Altona erwähnten Kapitäns Jan Tekker Gayen und ein Sohn des Altonaer Reeders, Brennerei- und Essigfabrikbesitzers Jan Peter Albert Gayen. Er baute die väterliche Reederei weiter aus und schickte deren Schiffe nicht nur wie zuvor nach Portugal und Spanien, sondern nach seiner Ernennung 1858 zum Konsul des Staates Buenos Aires und später der Republik Argentinien auch nach Südamerika. Den größten Teil der Ladung bildeten stets Spirituosen aus der 1838 von Theodor Gayens Vater erworbenen Brennerei an der großen Elbstraße. 1855 stieg er dort selbst als Kompagnon ein. Mit Beginn der 1860er-Jahre wandte sich die Firma der Frachtreederei zu. Man vercharterte die Schiffe und diese, so einer der Kapitäne, „fuhren dorthin, wo man das meiste Geld verdienen konnte“. Das meiste Geld brachte in jener Zeit vor allem die ostasiatische Küstenfahrt: „Freudige Bewegung ergriff bald den ganzen Handelsstand der europäisch zivilisierten Welt. Auch der Deutsche, der sonst teils aus eigener Schuld, teils von den Verhältnissen gezwungen, allenthalben zurückbleibt, machte sich jetzt (...) sehr frühzeitig auf die Beine, um auch seinen Anteil an dem neueröffneten Handelsparadiese zu erhalten“ (Augsburger Allgemeine Zeitung vom 31. Mai 1843, nach Eberstein). Nach und nach beraubten die ausländischen Mächte Ostasien großer Teile seiner staatlichen Souveränität. Die Gayenschen Schiffe befuhren mit Zwischenstation in Indien vor allem die chinesische Küste von Singapur über Hongkong bis an die Mündung des Amur in Russland.

1867 war die Firma Jan Tekker Gayen mit zehn Schiffen Altonas größte Segelschiffsreederei, noch vor Conrad Hinrich Donner (siehe Donnerstraße) und J. C. D. Dreyer – da war Theodor Gayen bereits seit drei Jahren Vorsteher der in Altona von Kaufleuten und Gewerbetreibenden gegründeten Gesellschaft für Commercierende und seit einem Jahr Mitglied des Königlichen Kommerz-Kollegiums, das sich für die Interessen der Altonaer Kaufleute und Fabrikanten einsetzte.

Ab 1867 begann Theodor Gayen auch im großen Stil Land in Bahrenfeld zu erwerben.

Seine Handelsgeschäfte verliefen immer nach dem gleichen Prinzip: Die Gayenschen Schiffe fuhren leer von Altona aus nach Hamburg, wurden dort mit Schwergut wie Eisen, Beton, Holz und Papier beladen, brachten die Fracht zurück nach Altona und liefen dann, beladen mit Spirituosen, nach Übersee aus. Nach Löschen dieser Fracht nahmen die Kapitäne dortige Waren an Bord – Rohstoffe, die unter Ausbeutung von Mensch und Natur abgebaut wurden, um wiederum in Europa lukrativ weiterverarbeitet zu werden. Doch Gayens Schiffe brachten nicht nur Rohstoffe aus Übersee nach Altona, sondern auch lebende Fracht: „Hier [vom Gayenschen Privathaus an der Klopstockstraße gegenüber der Kirche, Anm. d. Verf.] konnte man das lebhafte Gewimmel am Hafen sehen und nach den väterlichen Schiffen Ausschau halten. Und was gab es nicht zu staunen, wenn erst die Kapitäne mit den merkwürdigstem Herrlichkeiten aus aller Herren Länder von Bord kamen und alle Raritäten oben im zweiten Stock des Hauses in einem saalartigen Zimmer, das mit Bildern der Schiffe ausgeschmückt war, aufgebaut wurden. Einmal brachte einer der Kapitäne einen jungen Neger mit, ein anderes mal ein kleines lebendiges Äffchen. Die anfängliche Freude darüber erlosch aber bald, als sich herausstellte, dass der Negerjunge frech und ungebärdig war und der Affe wie ein Rabe nicht nur Lebensmittel sondern auch noch alles, was glänzte, stahl und in raffinierter Weise in seiner Schlafstelle versteckte. Die Kinder waren schließlich herzlich froh, als beide Unholde weggeholt wurden." (Marchtaler, S. 42). Was mit dem seiner vertrauten Umgebung entrissenen Jungen anschließend passierte, dazu hüllte man sich in Schweigen.

So genau er seine Handelsinteressen verfolgte und absicherte – die Folgen des Aufkommens von Eisenseglern und vor allem der Dampfschifffahrt erkannte Theodor Gayen nicht rechtzeitig. Ende der 1870er-Jahre musste er mit seinen Holzseglern Konkurs anmelden. Fortan verdiente die Firma ihr Geld nur noch mit dem Export von Spirituosen. Dabei erweiterte sie nach und nach ihr Absatzgebiet: In Altona gebrannter Schnaps ging nach Japan, China, Brasilien, Uruguay und auf die Kanarischen Inseln, außerdem in die Karibik nach Saint Thomas sowie nach New Orleans, Australien, in das damalige Britisch-Indien, nach Hongkong und in die Südsee. Zurück beförderten die Schiffe weiterhin Rohstoffe unter Ausbeutung der einheimischen Bevölkerung. Das einträgliche Geschäft brachte Theodor Gayen ein Vermögen ein. Damit erwarb er günstig große Ländereien in Bahrenfeld und spekulierte mit deren Wertsteigerung. Ihm gehörte fast der gesamte heutige Altonaer Volkspark. Auch ermöglichte ihm diese durch Kolonialgeschäfte erworbenen Einnahmen, sich wohltätig zu zeigen: Er war einer der Vorsteher des Altonaer Stadtarmenwesens sowie Vorsteher der Versorgungsanstalt für Schwache, Alte und unheilbar Kranke.

Text: Frauke Steinhäuser

Hinter dem N-Wort steckt die Bezeichnung „Neger“, die stark diskriminierend ist. Das N-Wort tauchte erstmalig im Zusammenhang mit dem transatlantischen Menschenhandel, mit Kolonialismus und „Rassentheorien“ auf. Das Wort wird im vorliegenden Text ausschließlich im historischen Zitat ausgeschrieben, weil damit deutlich gemacht werden soll, wie rassistisch gedacht und gehandelt wurde.

Verheiratet war Gayen seit 1853 mit Julie von Lenz (1832-1886). Das Paar hatte sechs Kinder, von denen eins früh verstarb.