Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Anna-Hollmann-Weg

Blankenese, seit 1942. Romanfigur aus Gustav Frenssens Roman „Der Untergang der Anna Hollmann“, Berlin 1912


Siehe auch: Guldtweg, Blankenese, seit 1947: Romanfigur aus Gustav Frenssens Buch „Der Untergang der Anna Hollmann. Weitere Romanfiguren von Gustav Frenssen: Jörn-Uhl-Weg; Badendiekstraße

Die Straße wurde in der Zeit des Nationalsozialismus benannt.

Diese Straße wurde nach einer Romanfigur benannt, deren Verfasser in das nationalsozialistische System verstrickt war. Die nach dem Autor Gustav Frenssen benannte Straße in Blankenese wurde 1986 wegen seiner NS-Vergangenheit umbenannt in Anne-Frank-Straße. Auch der Frenssenweg in Eimsbüttel wurde 1986 umbenannt und erhielt den Namen Andreasberger Weg.

Die nach Gustav Frenssens Romanen benannten Straßen blieben bestehen.

Zur Person des Schriftstellers Frenssen und seine Verstrickung in das System des Nationalsozialismus siehe unter: Babendiekstraße und bei Emmy-Beckmann-Weg.

Der Roman, der 1911 veröffentlicht wurde und in der zweiten Hälfte des 19. Jhds. spielt, behandelt eine tragische Schicksalsgeschichte. Er beginnt mit dem Tod eines jungen Blankeneser Seemanns, der auf dem Dampfer „Anna Hollmann“ der Reederei Hollmann erkrankt und stirbt.

Das Schiff befördert Menschen aus Mecklenburg, die vor der dort wieder eingeführten Leibeigenschaft fliehen oder von der Strelitzer Abteilung zur Unterstützung der Südstaaten in den amerikanischen Bürgerkrieg beordert wurden.

Als die schlechten Unterbringungsmöglichkeiten und Arbeitsbedingungen auf den Hollmann-Schiffen bekannt werden, verlagert die Reederei ihre Aktivitäten in den 1870-er Jahren auf den Transport afrikanischer Sklaven nach Brasilien – auch dort war Sklaverei zu diesem Zeitpunkt schon verboten. Die Hollmanns sind in zahlreiche solcher illegalen Tätigkeiten involviert.

Auch auf der Anna Hollmann herrschen schlechte Arbeitsbedingungen und die Verpflegung ist ungenügend. Der Koch bereichert sich an den Vorräten, verkauft sie in verschiedenen Häfen.

Auf der letzten Fahrt der Anna Hollmann heuert der Protagonist der Erzählung, Jan Guldt (siehe: Guldtweg) an, um den Tod seines Vaters und den vermeintlichen Tod seines Großvaters auf dem Schiff zu rächen. Er erfährt durch den Bootsmann, dass am Zielort auf Madeira der Chefreeder Hans Hollmann an Bord kommen wird. Diesen will Guldt mit dem Tod seiner Familienangehörigen konfrontieren.

Auch der Bootsmann hat mit Hans Hollmann noch eine Rechnung offen: Seit einer Fahrt durch die Biscaja, auf der ein Mädchen, nachdem es von Hans Hollmann sexuell bedrängt worden war, Suizid begangen hatte, kann der Bootsmann das Schiff nicht mehr verlassen, da er sich mitschuldig am Tod des Mädchens fühlt. Er hofft, mit Hollmann zusammen auf der Anna Hollmann in der Biscaja unterzugehen, nur so denkt er im Jenseits Frieden finden zu können.

Auf Madeira geht aber nicht der Chefreeder Hans Hollmann, sondern sein schöngeistiger Enkel und Namenvetter an Bord. Dieser ist Erbe der Reederei und will die Machenschaften seiner Familie mit der Übernahme der Reederei beenden. Guldt klärt ihn daher genau über die Missstände auf.

Als die Anna Hollmann dennoch in der Biscaja sinkt – verschuldet durch ihren schlechten Zustand und die mangelnden Sicherheitsvorkehrungen –, verliert Guldt seinen Glauben an Gott. Der Bootsmann und die gesamte Mannschaft sowie der junge Hans Hollmann sterben, Guldt verliert sein Bewusstsein und als Folge dessen sein Gedächtnis. Letzteres findet er zwar nach einigen weiteren Jahren auf See wieder; bei einem Besuch in seinem Herkunftsort Blankenese wird aber klar, dass er nicht mehr derselbe ist. Er war dort für seinen Gerechtigkeitssinn und seinen festen Glauben an einen gerechten Gott und sein impulsives Wesen bekannt gewesen, nun erscheint er den dortigen Freunden als müde und gleichgültig.

Im Zustand „geistiger Umnachtung“ direkt nach dem Untergang der Anna Hollmann sieht Guldt zudem seinen Großvater und dessen ehemaligen Kapitän Heinrich Hollmann, wie sie auf einer brasilianischen Insel gefangen sind. Sein Großvater, so stellt sich heraus, war ein gleichgültiger und grausamer Mensch und quälte den naiven Heinrich Hollmann mit seinem schlechten Gewissen. Weiterhin sieht Guldt den Chefreeder Hans Hollmann, der den Tod seines Enkels beinahe wohlwollend empfängt, da er ihn nicht als tauglich für die Übernahme der Firma gesehen hatte.

Das alte, morsche, verfluchte Schiff, auf dem drei Menschen mit guten Absichten untergehen, scheint für Guldt eine Parabel zur Gesellschaft darzustellen. Er verzweifelt an der Untätigkeit Gottes, der seine Hoffnung war.

Erst Jahre nach dem traumatischen Ereignis erinnert er sich an seinen eigenen Namen. Weitere Jahre vergehen, ehe er zu der Einsicht gelangt, dass Gott die Menschen zum eigenen Handeln geschaffen hat. Daraufhin schließt er sich, mit neuer Abenteuerlust, einer Expedition nach Alaska an.

Der Untergang der Anna Hollmann steht symbolisch für die Desillusionierung eines jungen, idealistischen Menschen beim Zusammentreffen mit der manchmal grausamen Realität.

Dietrich Stein schreibt über den Roman: „Im Untergang der Anna Hollmann setzt Frenssen sich unter anderem mit dem Thema der Gerechtigkeit Gottes auseinander und kommt zu dem Schluß: ‚Wir aber sehen alle die Ungerechtigkeiten der Menschen und Gottes, und alle die Brüche im Leben und quälen uns damit, daß es so hingeht. Es ist, als wenn Gott uns ferner und fremder gerückt ist, als hätte er vor, uns die Dinge (…) und alles andre in der Welt schärfer sehen zu lassen, und den Plan, sie uns in eigne Verwaltung und Verantwortung zu geben, eine Veränderung, die so groß ist, daß wir fast in ein neues Wesen hineinkommen werden.‘

Es geht in diesem Buch aber auch um Vorwürfe gegen das Reedereigeschäft. Am Beispiel einer Reederei klagt Gustav Frenssen an, daß mancher Reichtum durch Ausbeutung der Auswanderer und Sklavenverschiffung entstanden sei und daß Geld gemacht werde mit rotten Seelenverkäufern, die völlig überladen auf die Reise geschickt werden. Gingen sie unter, so sei immer noch die Versicherungsprämie da. (…) Aber Frenssens Erzählung trägt auch stark nationalistische Züge und sucht sich als Angriffsobjekt eine Reederei aus, deren Ursprünge nach England reichen. So bekommt sein soziales Engagement eine deutlich politische Einseitigkeit und wird äußerst fragwürdig.“ 1)

Text: Nina Krienke