Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Gutzkowstraße

Groß Flottbek (1911): Karl Gutzkow (17.3.1811 Berlin – 16.12.1878 Frankfurt a. M.), Schriftsteller, Kritiker


Gutzkow, dessen Mutter Sophia Charlotte Gutzkow, geb. Berg und dessen Vater Carl August Gutzkow waren, wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. In der Literatur wird er als eine provozierende und polemisierende Persönlichkeit mit krankhafter Reizbarkeit beschrieben. Wegen Gotteslästerung, Verächtlichmachung des christlichen Glaubens und „Darstellung unzüchtiger Gegenstände“ wurde er für zehn Wochen im Mannheimer Gefängnis inhaftiert.

Gutzkow gilt als „einer der bedeutendsten Literaten des Jungen Deutschland und wirkungsmächtiger Literaturkritiker seiner Zeit (…).“ 1)

Er studierte Theologie und Philosophie und schloss sein Studium 1832 mit der Promotion ab. Fortan war er als freier Schriftsteller tätig.

Über seinen weiteren Werdegang schreibt Dirk Brietzke u. a.: „nachdem der 20-Jährige 1831 die Zeitschrift ‚Forum der Journal-Literatur‘ gegründet hatte, holte Wolfgang Menzel ihn als Mitarbeiter des ‚Literatur-Blatts‘ nach Stuttgart. [Später] (….) schrieb Gutzkow für das ‚Morgenblatt‘, die ‚Allgemeine Zeitung‘ und den badischen ‚Freisinnigen‘. (…) Einen entscheidenden Wendepunkt brachte die Veröffentlichung seines Romans ‚Wally, die Zweiflerin‘ (1835): Wegen der offenen Behandlung religiöser Fragen und einer freimütigen erotischen Szene wurde Gutzkow nach sechswöchiger Untersuchungshaft zu vier Wochen Gefängnis verurteilt; zugleich wurde ein in Preußen und im Gebiet des Deutschen Bundes geltendes Schreib- und Druckverbot erlassen, das auch die übrigen Autoren des Jungen Deutschland traf.“ 2) (Siehe auch unter: Wienbargstraße)
Gutzkow verbrachte fünf Jahre in Hamburg, zuerst 1834, dann erneut von 1837 bis 1842. Er gab hier, weil er in Hamburg die Möglichkeit hatte, das Publikationsverbot zu umgehen, den „Telegraph für Deutschland“ heraus, an dem u. a. auch Friedrich Engels und Friedrich Hebbel (siehe: Hebbelstraße) mitarbeiteten.

1836 hatte er Susanne Mathilde Amalie Klönne (1817-1848) geheiratet. Das Paar bekam drei Söhne.

In Hamburg verkehrte Gutzkow, der im Laufe des Jahres 1838 seine Frau und das Kind nach Hamburg geholt hatte, im Salon der Erzieherin und Dichterin Rosa Maria Assing (28.5.1783 Düsseldorf – 22.1.1840 Hamburg). Rosa Maria Assing hatte mit ihrem Mann, dem Königsberger Arzt und Schriftsteller David Assing, in ihrem Haus in der Poolstraße einen Treffpunkt der Geselligkeit und der politischen sowie kunstkritischen Diskussionen eingerichtet. Neben der Schriftstellerin Amalie Schoppe (siehe: Amalie-Schoppe-Weg) und Friedrich Hebbel waren Heinrich Heine (siehe: Heinrich-Heine-Straße) und Karl Gutzkow gern gesehene Gäste, ebenso wie viele Schauspielerinnen und Schauspieler der Hamburger Theater. Gutzkow stand auch mit Rosa Maria Assings Töchtern Ottilie und Ludmilla in freundschaftlicher Verbindung.

Gutzkow blieb mit seiner Familie bis 1842 in Hamburg, wo er 1840 mit ihr an die Esplanade zog. Hier wurden auch seine Kinder Fritz (1839) und Emil (1841) geboren.

Nachdem im März 1841 sein Sohn Emil geboren war, lernte er nach der im September 1841 erfolgten missglückten Uraufführung von „Die Schule der Reichen“ am Hamburger Stadttheater am 21. Oktober Therese von Bacheracht (4.7.1804 Stuttgart – 16.9.1852 Tjilatjap/Java) kennen, Ehefrau des russischen Generalkonsuls. Sie wurde Gutzkows Geliebte und begleitete ihn auf seinen Reisen nach Paris (1842 und 1846). Gutzkows Frau wusste von diesem Verhältnis und litt darunter. So schrieb sie 1842 an ihren Mann, der sich auf der Rückreise von Paris befand. „Entsetzlich befremden muß es mich, daß Du mir Deine Rückkehr nur bedingsweise ankündigst. Hast Du vielleicht beschlossen, mich und Deine Kinder – alles dieser gefühllosen Frau zu opfern?“ Das tat Gutzkow nicht, worunter wiederum Therese von Bacheracht litt. Therese von Bacheracht, geb. von Struve, war Schriftstellerin und eine verheiratete Freifrau von Lützow und „lebte seit ihrem zehnten Lebensjahr in Hamburg, wo ihr Vater 1814 einen russischen Gesandtschaftsposten erhalten hatte. Hier verkehrte sie in den ersten Gesellschaftskreisen. Sie wurde von Zeitgenossen für ihre Schönheit gerühmt und war wegen ihres Konversationstalents geschätzt. (…) Im Jahr 1825 ging sie in Hamburg eine Konvenienzehe mit dem reichen kaiserlich-russischen Staatsrat, Legationssekretär und Generalkonsul Robert von Bacheracht (gest. 1884 in Genua) ein. Der einzige Sohn aus dieser Ehe starb früh. (…)

In enger Zusammenarbeit mit ihrem Liebhaber Gutzkow entstanden jährlich neue Romane und Novellen. Therese von Bacheracht veröffentlichte zudem Artikel in Gutzkows Zeitschrift Telegraph für Deutschland und rezensierte seine Werke.(…).“ 3)

Gutzkow ließ seine Bücher bei Julius-Campe verlegen (siehe: Julius-Campe-Weg). „Großen Erfolg hatte der Schriftsteller mit seinen häufig und auf vielen Bühnen aufgeführten Dramen (zum Beispiel ‚Richard Savage, Sohn einer Mutter‘, 1839; ‚Zopf und Schwert‘, 1844). Im Stadttheater erlebten während Gutzkows Aufenthalt in Hamburg die Stücke ‚Werner. Oder: Herz und Welt‘ (22. Februar 1840), ‚Patkul‘ (21. Januar 1841) und ‚Die Schule der Reichen‘ (25. Oktober 1841) ihre Uraufführung. Letzteres, nach Gutzkows eigenen Worten ‚gegen die junge Hamburger Plutokratie‘ gerichtet, verursachte vor vollem Haus tumultuöse Reaktionen, sodass die Vorstellung mehrfach unterbrochen werden musste. Auch zunehmende Misshelligkeiten mit Campe, die nach der anfänglich so enthusiastischen Zusammenarbeit das Verhältnis trübte, trugen dazu bei, ihm den Aufenthalt in Hamburg zu verleiden“, 4) schreibt Dirk Brietzke.

1842 zog Gutzkow mit seiner Familie nach Frankfurt am Main. 1847 bekam Gutzkow eine Anstellung als Dramaturg an der Dresdner Hofbühne. Obwohl er zu diesem Zeitpunkt noch mit Therese von Bacheracht zusammen war und mit ihr eine Reise nach Paris unternommen hatte, schrieb er, da er allein in Dresden war und Einsamkeit verspürte, voller Sehnsucht an seine Frau, die er noch nicht nach Dresden geholt hatte: „Komm mit dem ersten Frühlingsstrahl! Schäm ich mich oder soll ichs nur offen sagen, ich habe die schrecklichste Sehnsucht nach Dir! Die Kinder verstehen sich von selbst. Ich brauch‘ Euch Alle so nötig, um Glück und Frieden zu haben (…). Meine neue Existenz ist ein wunderliches Gemisch von Freud und Leid, Stolz und Demütigung, und noch weiß ich nicht, wie sich alles gestalten wird. Ich sehne mich nach meinen Betten, nach Comfort (…).“

Im März 1847 holte Gutzkow seine Familie nach Dresden. Im Oktober desselben Jahres kam Therese von Bacheracht nach Dresden und wollte von Gutzkow eine Entscheidung. Gutzkow machte ihr eine heftige Szene. Solche Krisen gab es zwischen den beiden schon länger. Gutzkow wollte sich nicht entscheiden. Auf der einen Seite brauchte er den familiären Halt durch Ehefrau und Kinder, auf der anderen Seite propagierte er die „Emanzipation der Sinne“ und plädierte für Genussfreudigkeit. „‚Unsere Generation der Männer ist sinnlich und idealistisch; deshalb sollte die Liebe der Weiber spirituell sein‘. Um dies zu erreichen, um die Frauen an der ‚Genialität der Liebe‘ teilhaben zu lassen, schlug Gutzkow einen Taschenspielertrick vor: ‚Zwingt eure Geliebte, sich in männlichen Kleidern zu tragen. Dann wüßte sie doch, wie es sich lebt unter einem Überrock (…) und würde männliche Begriff bekommen und einsehen lernen, wie viel dazu gehört, Männer glücklich zu machen.‘ Gutzkow verharrte hier in altem Rollendenken. (…) Gutzkow bezeichnete die Emanzipation der Frauen als ‚die albernste Idee, welche unser Zeitalter ausgeheckt hat‘; ‚Panzer und Schwert lieb ich an Weibern nicht (…) zum Empfangen nicht zum Schaffen sind die Weiber geboren.‘“ 5)

Nachdem im April 1848 seine Frau nach einer Fehlgeburt gestorben war, drückten Gutzkow Schuldgefühle. Im November 1848 löste er sich endgültig von Therese von Bacheracht. Im Juni 1849 kündigte er an der Hofbühne und heiratete im September eine Cousine seiner ersten Frau, Bertha Meidinger (1829-1909). 1850 wurde die erste Tochter geboren. Es kamen noch zwei weitere Töchter hinzu. Die Familie lebte sehr aufwendig. So musste Gutzkow 1861, um diesen Lebensstil mit sechs Kindern bezahlen zu können, die Stelle als Generalsekretär der Schillerstiftung in Weimar annehmen (bis 1864). Im Dezember 1864 erlitt er den ersten Nervenzusammenbruch und kam für ein Jahr in eine Heilanstalt. Im Januar 1865 versuchte sich Gutzkow selbst zu töten. Im Laufe des Jahres wurde er schließlich als geheilt entlassen.

Zurück zu Therese von Bacheracht: „Die Ehe mit Robert von Bacheracht verlief nicht glücklich und wurde 1849 geschieden. Im August 1849 heiratete Therese von Bacheracht in zweiter Ehe ihre Jugendliebe, den Vetter Heinrich Freiherr von Lützow, Oberst in niederländischen Kriegsdiensten in Surabaya auf Java (Niederländisch-Ostindien), wo sie seit ihrer Hochzeit lebte. Während der Vorbereitung ihrer Rückreise nach Deutschland starb Therese von Bacheracht am 16. September 1852 im Alter von 48 Jahren an Dysenterie.“ 6)

In ihrem Buch „Geschichte der Frauenemanzipation“ schreibt Daniela Weiland über Karl Gutzkow und das „Junge Deutschland und sein Frauenbild“: „Den Vertretern des Jungen Deutschland ging es primär nicht um die Verbesserung der Stellung der Frau, vielmehr wollten sie mit ihrer ‚Reform von unten‘ den bestehenden restaurativen Staat ins Wanken bringen, da sie begriffen hatten, dass die Bürger mit der Gestaltung der privaten Beziehungen den Staat stützten und den Zustand der Unterdrückung festigten. Gleichberechtigte, selbstverantwortliche, demokratische Beziehungen sollten zum Abbau von Herrschaftsstrukturen und damit letztlich zum demokratischen Staat führen.

Die Gleichberechtigung, die die Vertreter des Jungen Deutschland für die Frauen vorsahen, erstreckte sich allerdings nur auf den privaten und gefühlsmäßigen Bereich. Die einzigen rechtlichen Forderungen, die sie erhoben, war die Erleichterung des Scheidungsrechts und die juristische Gleichstellung von unehelichen Kindern. Das Postulat einer besseren Mädchenbildung hatte lediglich das Ziel, dem Mann eine geistig ebenbürtige Partnerin zu verschaffen.

Gutzkows Vorrede zu einer Neuausgabe von Friedrich Schleiermachers (1768-1834) Kommentar Vertraute Briefe über Schlegels Lucinde (1800) ist programmatisch für die Vorstellungen der Jungdeutschen: Die männlichen Ansprüche auf die Unberührtheit des Mädchens sollten nicht mehr bedingungslos gelten. Voreheliche Sexualität brauchte sich, wenn die ‚Genialität der Liebe‘ dies verlange, nicht länger staatlichen und kirchlichen Bestimmungen unterzuordnen. Diese Forderung zielte vor allem auf einen Abbau der Macht der Kirche, die als Stütze des absolutistischen Staats gesehen wurde. Die Zeitgenossen sahen hierin zu Unrecht einen Angriff auf die Ehe, denn Gutzkow wollte in der von ihm angestrebten demokratischen Staatsform durchaus die zivile Ehe gelten lassen. (…)

Für die meisten Frauen jener Zeit stellte das Reformprogramm ein Schreckgespenst dar (…). Für diejenigen Frauen (..), die sich um eine konkrete Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse bemühten, waren die von den Jungdeutschen postulierten politischen Zusammenhänge wenig einsichtig, zumal ihnen wohl bewusst war, dass hier die Frauenfrage nur wieder Mittel zum Zweck war. Auch waren sie gezwungen, sich vom Emanzipationsbegriff zu distanzieren, da er von den konservativen Kräften als Ausgeburt der Unmoral hingestellt wurde. Frauenrechtlerinnen wie Louise Otto-Peters wehrten sich deshalb vehement dagegen, als emanzipiert bezeichnet zu werden. Das Argument der damals aktiven Frauen, dass moralische Freizügigkeit nur auf der Grundlage ökonomischer Unabhängigkeit verwirklicht werden könne, war treffend: Die nämlich sahen die Vertreter des Jungen Deutschland keineswegs vor.“ 7)