Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Ida-Boy-Ed-Straße

Bergedorf, seit 1927, benannt nach Ida Boy-Ed, geb. Ed (17.4.1852 Bergedorf – 13.5.1928 Travemünde), Schriftstellerin.
Bestattet auf dem Burgfriedhof in Lübeck.


Siehe auch: Thomas-Mann-Straße.

Mit der Benennung der Ida-Boy-Ed-Straße wurde in Hamburg erstmals 1927 eine Straße allein nach einer Schriftstellerin benannt. Bereits 1867 hatte es schon eine Straßenbenennung nach einer Schriftstellerin gegeben (siehe: Unzerstraße). Doch diese Schriftstellerin (Charlotte Unzer) hatte sich diese Ehre mit drei männlichen Verwandten selben Nachnamens teilen müssen, nach denen diese Straße ebenfalls benannt wurde. Nach einem Schriftsteller war erstmals bereits 1846 eine Straße benannt worden: Klopstockstraße.

Warum erst so spät Straßen nach Schriftstellerinnen benannt wurden, hat u. a. folgende Gründe: Als Frauen ab dem 19. Jahrhundert verstärkt begannen, Lyrik, Romane und Dramen zu verfassen, die zum Druck bestimmt waren, stießen sie auf heftige Kritik und Vorurteile. Zum einen galt es bis weit ins 19. Jahrhundert hinein als unschicklich, dass Frauen in die Öffentlichkeit traten, zum anderen sprach man ihnen authentische Kreativität per se ab. Insbesondere hielt man Frauen für unfähig, Dramen zu schreiben, galten Frauen doch als sanft und passiv, ohne formgebende Kräfte. Das führte dazu, dass viele Schriftstellerinnen, die in der literarischen Welt ernst genommen werden wollten, ihre Werke anonym veröffentlichten oder, weit häufiger, ein männliches Pseudonym annahmen und so ihre weibliche Identität verbargen.

„Die Wege des Umgehens wie dem der verbalen Selbstverkleinerung, dem des Ausweichens auf den religiösen Anspruch, auf die anonymen Veröffentlichungen oder unter männlichem Pseudonym prägen den Kampf der Schriftstellerinnen um ihre Durchsetzung; bis in die 1970er-Jahre wird die ‚Frauenliteratur‘ separiert und damit abgewertet. Diese Verhältnisse führt [die Literaturwissenschaftlerin und Universitätsprofessorin Prof. Dr. Barbara] Becker-Cantarino zurück ‚auf eine ‚Geschlechtszensur‘, auf die von männlichen Literaten ausgeübte Kontrollfunktion und Bevormundung auch der literarischen Tätigkeit von Frauen‘ zurück. (…) Diese ‚Kontrollfunktion‘ war so massiv, dass sich nach einem Aufschwung zur ‚Mündigkeit‘ von Dichterinnen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts – Sophie La Roche, Anna Louisa Karsch – schon bei den Romantikerinnen ein Rückschritt eintrat, sodass Schriftstellerinnen erneut anonym oder unter anderen, männlichen, Namen publizierten oder gar ihre Werke als Werke des eigenen Ehemannes ausgeben, so wie bei Caroline Schlegel. (…) [siehe: Schlegelsweg] Beispiele dieses Verhaltens zeigt Becker-Cantarino bei Goethe, Friedrich Schlegel, auf der Seite von Schriftstellerinnen bei Therese Huber und Sophie Mereau. Fazit: ‚Die ‚Geschlechtszensur‘ gehört in den Machtdiskurs des Patriarchats‘, mit der Ideologie der ‚natürlichen’ Ordnungen der Geschlechter,“ 1) schreibt Rüdiger Scholz in seinem Beitrag „Die Geschlechterrollen in der Literatur der Neuzeit“.

Die Öffnung der Universitäten für Frauen, die Preußen 1908 als letztes deutsches Land durchführte, ermöglichte zwar einen gewissen Wandel im Selbstbewusstsein der Schriftstellerinnen. Diese erhielten nun Zugang zu Wissen, das sie bis dahin nur mühsam auf autodidaktischem Wege oder im Ausland hatten erwerben können. Vor diesem Hintergrund erweiterte sich das Spektrum literarischer Produktionen.

Kurze Zeit vor der Öffnung der Universitäten für Frauen waren Frauen nach Jahrhunderten des Schreibens im Verborgenen auch organisatorisch in die Öffentlichkeit getreten: 1896 gründeten sie den Deutschen Schriftstellerinnenbund, 1898 eine Abspaltung dieses Vereins, die freie Vereinigung deutscher Schriftstellerinnen.

Doch „die siegreichen Kämpfe der Männer-Literaten um ihre Dominanz in der literarischen Publizistik spiegeln sich in der Literaturgeschichtsschreibung. Bis in jüngste Literaturgeschichte hinein werden Schriftstellerinnen ausgegrenzt, der Kanon an Hochliteratur bleibt fast ganz auf Autoren beschränkt. Da publizierte Literatur ‚ein Archiv des kulturellen Gedächtnisses‘ von Gesellschaften darstellt, verzerren die Literaturgeschichten wie die Literaturwissenschaften bis heute die historische Wirklichkeit,“ 2) so Rüdiger Scholz.

Ida Ed wurde als Tochter des Reichstagsabgeordneten und Verlegers Christoph Marquard Ed und seiner Frau Friederike Amalie, geb. Seltzam, die vor ihrer Ehe als Putzmacherin gearbeitet hatte, in Bergedorf Am Brink 10 geboren. Als Ida dreizehn Jahre alt war, zog die Familie nach Lübeck. Ihr Vater gab die Eisenbahn-Zeitung (Vorläuferin der Bergedorfer Zeitung) heraus und veröffentlichte Romane und Erzählungen. Das Wohn- und Verlagshaus in der Petersgrube 29 wurde zu einem literarischen Mittelpunkt. Vater Marquard Ed unterstützte die literarischen Ambitionen seiner Tochter.

Als Ida Ed achtzehn Jahre alt war, heiratete sie den Großkaufmann Karl J. Boy. Ein Jahr nach der Hochzeit kam das erste Kind zur Welt; es folgten bis 1877 noch weitere drei Kinder. Da Idas literarisches Schaffen im Haus ihrer Schwiegereltern belächelt und dann sogar verboten wurde und darüber hinaus die Ehe nicht harmonisch verlief, trennte sich Ida Boy-Ed 1878, ein Jahr nach der Geburt des vierten Kindes, von ihrem Mann und zog mit ihrem ältesten Sohn (geb. 1872) nach Berlin, während ihre drei anderen Kinder bei ihrer verwitweten Schwester blieben.

In Berlin versuchte Ida Boy-Ed sich als Journalistin eine Existenz aufzubauen. Auch begann sie Theaterkritiken zu schreiben und sich wieder ihrer schriftstellerischen Arbeit zu widmen. Doch ihre Freiheit währte nur ca. zwei Jahre. Ihr Ehemann willigte nicht in die Scheidung ein und die Lübecker Familie nötigte sie zur Rückkehr nach Lübeck. So kam sie 1880 zurück, wurde aber fortan nicht mehr am Schreiben gehindert. 1882 veröffentlichte Ida Boy-Ed ihr erstes Buch, die Novellensammlung „Ein Tropfen“. Bis zu ihrem Tod schrieb und veröffentlichte sie ca. 70 Bücher.

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Gemälde von Max Slevogt aus Anlass des 75. Geburtstages von Ida Boy-Ed; Quelle: Max Slevogt, gemeinfrei, via Wikimedia Commons

Ihre Romane spielen hauptsächlich in Kreisen des hanseatischen Bürgertums, so z. B. der Roman „Ein königlicher Kaufmann“ (1910) und „erweisen sich als typisch kultivierte Frauenliteratur, als literarisch gehobene Abwandlungen der Motive der Marlitt und ihrer Nachfolgerinnen, gekennzeichnet durch Schwanken zwischen Konservativismus der Moralregeln und Liberalismus des Handelns“3), heißt es in der Neuen Deutschen Biographie über Ida Boy-Eds literarisches Schaffen.

Nach dem Tod ihres Vaters wurde Ida Boy-Ed Mitherausgeberin der Eisenbahn-Zeitung, in der z. B. auch Heinrich Mann veröffentlichte. Durch ihn lernte sie Heinrichs jüngeren Bruder Thomas Mann (siehe: Thomas-Mann-Straße) kennen, den sie in seinen jungen Jahren auf seinem Weg zum Schriftsteller förderte. Bis zu ihrem Tod 1928 standen beide in Korrespondenz miteinander. Er besuchte sie auch des Öfteren in ihrer Lübecker Wohnung im Zöllnerhaus am Burgtor, in der sie einen kulturellen Salon führte und in der sie dauerhaftes Wohnrecht besaß. Dieses hatte ihr der Lübecker Senat 1912 anlässlich ihres 60. Geburtstages als Dank für ihre Verdienste eingeräumt.

„Ida Boy-Eds politisches Weltbild hat Thomas Mann glücklicherweise nicht lange geteilt. Mit den ‚Betrachtungen eines Unpolitischen‘ bewegte er sich noch auf ihrer Wellenlänge, und so hat sich die alte Dame, als diese im Oktober 1918 erschienen, denn auch beeilt, das Buch in den ‚Lübeckischen Blättern‘ mit den Worten: ‚Dies Werk ist in höchstem Grade aktuell‘, anzuzeigen und als Beleg dafür Thomas Mann zu zitieren: ‚Ich bekenne mich tief überzeugt, daß das deutsche Volk die politische Demokratie niemals wird lieben können, (…) daß der vielverschrieene ‚Obrigkeitsstaat‘ die dem deutschen Volke angemessene, zukömmliche und von ihm im Grunde gewollte Staatsform ist und bleibt,‘“4) erläutert Matthias Wegner.

Ida Boy-Ed, die 1904 Witwe geworden war, förderte auch den Dirigenten Wilhelm Furtwängler und machte sich für seine Berufung nach Lübeck stark.

Seit 1906 war Ida Boy-Ed gehörleidend. Häufig weilte sie in den Wintermonaten in Ägypten. Am 13. Mai 1928 starb sie in einem Travemünder Sanatorium.