Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Schlegelsweg

Eilbek, seit 1904, benannt nach den Dichterbrüdern August Wilhelm und Friedrich Schlegel. 2001/2002 ergänzt um die ebenfalls bedeutende Ehefrau von August Wilhelm Schlegel, Caroline Schlegel-Schelling. Neuer Erläuterungstext: benannt nach den Dichterbrüdern August Wilhelm Sch. (5.9./6.9.1767 Hannover –12.5.1845 Bonn) und Friedrich Sch. (10.3.1772 Hannover – 12.1.1829 Dresden) und der Ehefrau des ersteren 1796–1803, Caroline Schl.-Schelling, geb. Michaelis, verw. Böhmer, gesch. Schlegel, verh. Schelling (2.9.1763 Göttingen–7.9.1809 Maulbronn), Schriftstellerin, Übersetzerin, Redakteurin


Siehe auch: Bettinastieg
Siehe auch: Droste-Hülshoff-Straße
Siehe auch: Henriette-Herz-Ring
Siehe auch: Rahel-Varnhagen-Weg
Siehe auch: Goetheallee, Altona-Nord, seit 1928. Goethes Verhältnis zu Caroline Schlegel-Schelling, siehe unter wikipedia.
Siehe auch: Moses-Mendelssohn-Brücke, Harburg, seit 1998: Moses Mendelssohn (1729– 1786), Philosoph, Vater von Brendel, später Dorothea Schlegel
Siehe auch: Novalisweg
Siehe auch: Schellingstraße, Eilbek, seit 1866: Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775– 1854), Philosoph.
Siehe auch: Schillerstraße
Siehe auch: Tiecksweg, Eilbek, seit 1994
Siehe auch: Chamissoweg
Siehe auch: Jean-Paul-Weg (zu August Wilhelm Schlegel und dessen Ehefrau Sophie Paulus).

Als die Straße 1904 benannt wurde, hatte man nur an die Dichterbrüder Schlegel gedacht und die ebenso bedeutende Ehefrau von August Wilhelm Schlegel nicht beachtet. 2001 war damit endlich Schluss und die Straße wurde nun auch nach ihr benannt. Da Caroline Schlegel so lange zu Unrecht vergessen wurde, soll sie im Folgenden in den Mittelpunkt gestellt werden.

Sie war attraktiv, lebenslustig, gut gebildet, literarisch begabt, politisch engagiert – und bekam die Vorurteile und Enge der bürgerlichen Gesellschaft zu spüren: Caroline Schlegel-Schelling, geb. Michaelis, Tochter von Louise Philippine Antoinette Michaelis, geb. Schröder, der zweiten Frau von Carolines Vater Professor Johann David Michaelis, Orientalist und Theologe an der Universität Göttingen.

Die Ehe der Eltern beruhte nicht auf einer Liebesheirat. Carolines Mutter, Tochter eines Oberpostcommissarius war 22 Jahre jünger als der Vater und hatte Vermögen in die Ehe mitgebracht. Sie bekam neun Kinder und soll sehr streng, sehr ordnungsliebend und depressiv gewesen sein. „Die nervenschwache (…) Mutter und der leicht aufbrausende Vater (…) arrangierten ihr Zusammenleben einschließlich Kindern, Hauswirtschaft und Lehrbetrieb so, dass die Lebensbereiche völlig getrennt waren (…).“ 1)

Die Familie bewohnte ein großes Haus, in dem Studenten und Gelehrte ein- und ausgingen, so Lessing (siehe: Lessingstraße) und Goethe (siehe: Goetheallee). Caroline wurde von Privatlehrern unterrichtet und bekam eine ausgezeichnete Bildung. „Da sie von den Kindern aus der zweiten Ehe ihres Vaters die Älteste war, lief ihre Rolle hier naturgemäß eher auf Führung und Vorleben, auf Verantwortung hinaus. Sie musste früh mit sich selbst klarkommen (…). Eine sorglose und ausgedehnte Kindheit war das wohl kaum, eher ein frühes, allzu frühes Erwachsenwerden. Auffällig ist eine erstaunliche Abgeklärtheit bei der noch kindlichen Caroline, und andererseits ihre lebenslang erhaltene natürliche Art. (…) Sie lebte aus einer inneren Mitte heraus, und das blieb auch ihr Kraftquell (…).“ 2)

Mit ihrer Belesenheit konnte Caroline aber kein Geld verdienen. Auch für diese gebildete Frau galt: um versorgt zu sein, musste sie eine gute Partie machen. So heiratete sie in erster Ehe den zehn Jahre älteren Nachbarssohn Johann Franz Wilhelm Böhmer. Mit Böhmer, der als Arzt arbeitete, bekam sie drei Kinder, von denen nur die Tochter Auguste das Teenager-Alter erreichte. Der Gemahl war zwar liebevoll, aber die gebildete Hausfrau langweilte sich: ihr Geist wurde in der Ehe nicht gefordert. Böhmer verstarb 1788 nach wenigen Ehejahren an einer Wundinfektion, und Caroline wurde mit 24 Jahren Witwe. Sie zog von Clausthal-Zellerfeld, wo sie mit Böhmer gelebt hatte über Göttingen, wo sie einige Zeit wieder bei den Eltern lebte, und Marburg a. d. Lahn nach Mainz zu ihrer Freundin Therese, geb. Heyne, die dort in unglücklicher Ehe mit dem Naturforscher und Jakobiner Georg Forster lebte, der die Universitätsbibliothek leitete.

Zuvor hatte Caroline in Göttingen Georg Ernst Tatter kennengelernt, aus der unteren Mittelschicht stammend, aber durch seine Beziehungen zum kurhannoverschen Hof zum britisch-hannoverschen Legationsrat aufgestiegen. Als sich die beiden näher kamen, war Caroline zwar schon Witwe, doch hochschwanger mit ihrem dritten Kind. „Dass sich zweimal mehrere Männer in diesem Zustand in sie verliebten, in dem eine Frau sich normalerweise nicht unbedingt auf der Höhe ihrer Attraktivität fühlt (…) ist vielleicht nicht ganz zufällig und deutet möglicherweise auf ein Wesensmerkmal Carolines hin, eine Eigenart, eine Ausstrahlung als Frau, die ihre diversen Chronisten (…) in ein stellenweise esoterisch anmutendes Vokabular tauchen. Dass sie etwas Mütterliches und Bergendes an sich hatte, Weiblichkeit, gepaart mit einer gewissen Erdung und intuitiven Sicherheit, die besonders für den suchenden Typ Mann, der mit sich und der Welt hadert, ungemein anziehend war, dafür gibt es wohl doch einige Hinweise“, 3) schreibt Sabine Appel in ihrem lesenswerten Buch über Caroline Schlegel-Schelling. Doch Caroline beendete die Liebesbeziehung. „Die Witwe Böhmer hatte Geschmack an der Freiheit gefunden, und dieses Lebensgefühl, zusammen mit dem Entschluss, kein Gefühl zu nähren, das ihr Qualen bereitete, überwog zeitweise ihre Leidenschaft für Georg Ernst Tatter.“ 4)

Nachdem Caroline über zwei Jahre bei ihren Geschwistern in Marburg gelebt hatte, zog sie mit ihrer Tochter Auguste (die beiden anderen Kinder waren schon verstorben) 1792 zu ihrer Freundin Therese Forster, um hier ein unabhängiges Leben zu führen. Finanziell versuchte sie mit Halstüchernähen und Übersetzungen aus dem Französischen ihre nicht üppige Witwenrente aufzubessern.

Caroline wurde eine Anhängerin der Französischen Revolution und unterstützte die Ideen der Mainzer Republik. Sie trat ein für die Emanzipation des Volkes sowie für das Recht auf weibliche Selbstbestimmung und verliebte sich in den französischen Offizier Jean-Baptiste de Crancé. Weiterhin wohnte sie bei ihrer Freundin Therese Forster, und als diese ihren Mann verließ (nach dessen Tod verheiratete sich Therese erneut und wurde als Therese Huber eine bekannte Schriftstellerin), blieb Caroline weiter bei Forster wohnen – ein unschicklicher Akt in dieser Zeit, über den getuschelt wurde.

In Folge der kriegerischen Auseinandersetzungen und Intrigen wurde Caroline als Unterstützerin der Revolution mit ihrer damals achtjährigen Tochter für drei Monate in der Festung Königstein im Taunus mit fünf weiteren Frauen in einer Zelle, in der es nur Holzbänke gab, inhaftiert und später in Kronberg im Taunus unter Hausarrest gestellt. Von den Frauen wollte man deren Beziehungen zu führenden Jakobinern erfahren. Caroline kam „aber mit der Zeit zu der Auffassung, dass sie und die anderen Frauen als Geiseln gehalten wurden, da ja ‚von persönlicher Schuld nicht die Rede sein konnte‘. Allerdings hielt man sie, wie sie wohl wusste, für Forsters Geliebte. ‚Allein meine Verbindung mit Forster in Abwesenheit seiner Frau, die eigentlich nur das Amt einer moralischen Krankenwärterin zum Grunde hatte, konnte von der sittlichen und politischen Seite allerdings ein verdächtiges Licht auf mich werfen, um das ich mich zu wenig bekümmerte, weil ich selten frage, wie kann das andern erscheinen?‘“ 5)

Aber ihre Lage war nicht nur als Revolutionärin prekär – die junge Witwe war auch noch von dem jungen französischen Offizier unehelich schwanger geworden – das Ergebnis einer leidenschaftlichen Liebesnacht. Mehrere Freunde, besonders ihr jüngerer Bruder, setzten sich für ihre Freilassung ein, die noch rechtzeitig vor der Geburt des Kindes erfolgte. Vorsorglich hatte sie eine Selbsttötung in Erwägung gezogen, so Scham besetzt war ihre gesellschaftliche Situation. Wäre ihre uneheliche Schwangerschaft entdeckt worden, hätte sie nicht nur ihr Ansehen verloren, auch wäre ihr ihre Witwenrente nicht mehr gezahlt und ihr die Tochter weggenommen worden.

Beigestanden in diesen schweren Zeiten hatte ihr der Literaturhistoriker, Übersetzer und Philosoph August Wilhelm Schlegel, der in jungen Jahren schon einmal in sie verliebt gewesen war, den sie damals aber hatte abblitzen lassen. Ihn hatte sie 1793 in ihrer Not angeschrieben, und er kam und half. Er brachte sie an einen verschwiegenen Ort, wo sie heimlich entbinden konnte, und gab sie in die Obhut seines Bruders Friedrich Schlegel, weil er selbst nicht bleiben konnte. Hier in Lucka verliebte sich der damals 21-jährige Friedrich Schlegel in die kurz vor ihrer Niederkunft stehende Caroline. In seinem späteren Roman „Lucinde“ setzte er ihr ein Denkmal als „Frau, die einzig war und die meinen Geist zum ersten Mal ganz und in der Mitte traf“.

Sabine Appel charakterisiert Friedrich Schlegel und die damalige gesellschaftliche Situation wie folgt: „Friedrich war verhältnismäßig vorurteilsfrei, gerade ein ‚neuer Mann‘, und sein Bruder nicht minder. Nicht zuletzt auch die Möglichkeit eines kameradschaftlichen Verhältnisses zwischen Männern und Frauen ist ja ein Signum für Gleichrangigkeit der Geschlechter in einer aufgeklärten, modernen Gesellschaft (…). Der Jenaer Romantikerkreis [dazu weiter unten] um die Schlegel-Brüder und ihre Frauen war es dann auch, der alles das auslebte, was Goethe in seinem Werk [Wahlverwandtschaften] lediglich anklingen ließ: freies Zusammenleben und ‚Ehen zu dritt‘ oder zu viert, freie Liebe, Scheidungen, Trennungen, da Menschen und Verhältnisse sich einfach verändern und dem infolgedessen Tribut zollen müssen, wenn sich die Liebe bedauerlicherweise nicht lebenslang halten lässt, offene Zweierbeziehungen, Wohngemeinschaften, experimentelle Lebensformen (…) und die gelebte Wahlverwandtschaft, die über den ‚Ehestand‘ steht, über der bürgerlichen Moral, über den Segen der Kirche oder den familiären Beziehungen. Die Zeit zwischen Empfindsamkeit und Romantik hat in den gebildeten Schichten ein neues Selbstverständnis und Selbstbewusstsein des ‚inneren Menschen‘ bewirkt, da auch Männer ihre femininen Anteile sehr stark ausleben konnten. Im bürgerlichen 19. Jahrhundert wurde das alles wieder zurückgefahren, denn es kamen wieder alle die Dinge ins Spiel, die solche Tendenzen aushebeln und den alten Rollenbildern ihre Wirksamkeit zurückgeben: Militarismus und Nationalismus, eine zunehmend enger werdende bürgerliche Moral als Fluchtmoment vor den großen Veränderungen, Konservatismus und Reaktion, Kriegsstimmung, krude Versachlichung durch den Boom der Naturwissenschaften bis hin zum Chauvinismus der Kaiserzeit nach Bismarcks Reichsgründung, Entwicklungen, die natürlich auch (…) Gegenbewegungen auslösten. Carolines Lebenszeit aber, die Jahre um, vor und nach der Französischen Revolution, war eine Phase des Experiments, unschuldig noch, wie alles Neue. Dergleichen ist, auf der privaten Ebene, immer nur elitär, eine Sache für wenige, die den herrschenden Meinungen trotzen und es in Kauf nehmen, dafür im Abseits zu stehen.“ 6)

Die Geburt des „Kindes der Glut und Nacht“ wie Caroline ihr „Franzosenkind“ nannte, verlief problemlos, ein kleiner Sohn wurde geboren. Da niemand von Carolines Niederkunft hatte wissen dürfen, musste sie ihr Baby in Pflege geben, wollte es aber so bald wie möglich zu sich holen. Doch der Säugling starb nach einigen Monaten.

Mit ihrer Tochter reiste Caroline zu Freunden nach Gotha, doch diese bekamen Schwierigkeiten, als sie Caroline aufnehmen wollten – niemand wollte mehr mit ihnen verkehren, solange Caroline bei ihnen wohnte. Auch in Göttingen und Dresden stand sie vor verschlossenen Stadttoren: Caroline war zu einer Persona non grata abgestempelt, musste die gesellschaftliche Ächtung spüren.

In dieser Situation halfen wieder die Brüder Schlegel. Friedrich Schlegel, der eine vierköpfige Familie nicht hätte ernähren können, bedrängte seinen Bruder August Wilhelm, Caroline zu heiraten. Und dieser tat es, verehrte er Caroline doch noch immer. So ging Caroline 1796 ihre zweite Vernunftehe ein. Damit war Carolines „Ehre“ gesellschaftlich wiederhergestellt.

Das Paar lebte in Jena in einer Wohnung am Löbdergraben. Auch Schlegels Bruder Friedrich zog nach.

Caroline Schlegel half ihrem Mann, der an der Zeitschrift „Die Horen“ und an der „Allgemeinen Literatur-Zeitung“ mitarbeitete, bei Übersetzungen von Shakespeare-Stücken und bei der Herausgabe der Zeitschrift „Athenaeum“. Als scharfe Beobachterin der aktuellen Literaturszene verfasste sie auch Literaturkritiken und sezierte in Briefen Texte prominenter Dichter.

Heftige Diskussionen über Literatur, Ästhetik und Philosophie wurden in diversen Zeitschriften ausgetragen, zwischen Kontrahenten, die sich oft persönlich kannten und entsprechend verletzen konnten. So brach Friedrich Schiller (siehe: Schillerstraße) nach kurzer Zeit die Zusammenarbeit mit August Wilhelm Schlegel ab, weil sein Bruder Friedrich Schlegel Schiller in einem Artikel dessen „Musenalmanach auf das Jahr 1796“ kritisiert hatte, worauf Schiller eine ebenfalls verletzende Replik publizierte.

„Schlegels Polemik betraf Schillers Gedicht: ‚Würde der Frauen‘, eine wirklich unsägliche Produktion, was die aneinandergereihten Weiblichkeitsklischees und die spießbürgerliche Idylle betrifft“, 7) so Sabine Appel.

In diesen Netzwerken von konkurrierenden Literaten und Literatinnen spielten auch Vorstellungen über die Autorenschaft von Frauen und vorbildlicher Weiblichkeit eine wichtige Rolle. So ist bekannt, dass im Umfeld von Schiller und seinen Unterstützerinnen über Caroline nur als der „Dame Luzifer“ oder dem „Übel“ die Rede war. Caroline wurde diffamiert als „Intrigantin und eine Blenderin, eine mit wechselnden Männerbeziehungen (unausgesprochen ja auch eine revolutionäre Sympathisantin) und eine Pseudo-Muse für arme, verblendete Männer, die ihre Falschheit und ihre Gefahr nicht bemerkten, auf jeden Fall eine Frau mit viel zu viel Einfluss, was offenbar immer verderblich ist. Das passt ganz zum Diktum der ‚Dame Luzifer‘, das Schiller und seine Frau später in Umlauf brachten. Schiller kam aus kleinen Verhältnissen. Der leicht provinzielle Hauch, der ihn immer umwehte, wurde vielleicht durch ein unmäßiges Pathos überkompensiert (…).“ 8)

Caroline hatte, wie viele ihrer Freunde und Freundinnen, Goethe und seine Dichtungen mehr geschätzt als Schiller, dessen Texte vielen Romantikerinnen und Romantikern als zu pathetisch und idealistisch erschienen. Plastisch läßt sich diese Kritik an Carolines Rezeption von Schillers 1799 veröffentlichtem „Lied von der Glocke“ zeigen, in dem Schiller nicht nur Recherchen zur Herstellung von Glocken verarbeitet hatte, sondern auch als rückschrittlich empfundene Geschlechterrollen propagierte:

„(…) Die Frucht muß treiben.

Der Mann muß hinaus

In’s feindliche Leben,

Muß wirken und streben

Und pflanzen und schaffen, (…)

Die Bäume wachsen,

es dehnt sich das Haus.

Und drinnen waltet

Die züchtige Hausfrau,

Die Mutter der Kinder,

Und herrschet weise

Im häuslichen Kreise,

Und lehret die Mädchen

Und wehret den Knaben,

Und reget ohn’ Ende

Die fleißigen Hände, (…)“

Caroline Schlegel und ihr Jenaer-Kreis wurden von diesem Lied, von der Glocke, das später zu den bekanntesten und am meisten persiflierten deutschen Gedichten zählen sollte, nachvollziehbar irritiert, wie sie in einem Brief schrieb: „Die Glocke hat uns an einem schönen Mittag mit Lachen vom Tisch weg fast unter den Tisch gebracht. Die ließe sich herrlich parodieren.“ 9)

Mit Caroline und Wilhelm lebten nun auch Friedrich Schlegel und Dorothea Veit (siehe zu ihr weiter unten) dazu Carolines Tochter Auguste und Dorotheas Sohn Philipp aus erster Ehe unter einem Dach am Löbdergraben. „Caroline waltete hier (…) als ‚tüchtige Hausfrau‘, wenn etwa manchen Tags zehn bis zwanzig Personen zum Mittagessen erschienen. (…) Dorothea wohnte mit Philipp im Erdgeschoss, Wilhelm, Auguste und Caroline im ersten Stock und Friedrich, der ringende Dichter, allein unterm Dach. (…) Der gastfreundliche Haushalt, in dem regelmäßig vor allem Novalis [siehe: Novalisweg], Ludwig Tieck [siehe: Tiecksweg] mit Ehefrau und der junge Philosoph Schelling verkehrten, wurde vermutlich zu größeren Teilen von Wilhelms Ersparnissen sowie seinen gegenwärtigen Tätigkeiten [Professur] bestritten.“ 10)

Dorothea Veit und Caroline kamen zwar klar miteinander, aber Dorothea verhielt sich skeptisch gegenüber Caroline.

Hier im Jenaer Kreis verliebte sich Caroline Schlegel in den zwölf Jahre jüngeren Philosophen F. W. J. Schelling (siehe: Schellingstraße). Wieder ein Skandal. Schiller war empört, ebenso Carolines Freundin Therese Forster und Friedrich Schlegel, nicht dagegen Carolines Gatte August Wilhelm Schlegel, hatte er doch schon seit längerer Zeit immer wieder Liebschaften, besonders zu Schauspielerinnen gepflegt, die von Caroline absolut toleriert wurden.

Dieses Dreierverhältnis hätte also gut und gerne noch weiterbestehen können, doch die Situation eskalierte. „Im März 1800 wurde Caroline sehr krank. Hintergrund dieser Erkrankung, die diffus als ‚Nervenfieber‘ bezeichnet wurde, ist vermutlich ihre emotionale Situation und die ungeklärte Beziehung mit Schelling.

Dorothea (…) war sich dieser Zusammenhänge sicher bewusst. Aber da war wenig Mitgefühl.“ 11) Dorothea „lebte in ihrem Hass auf Caroline, der jetzt unverkennbar zutage trat, so etwas wie ihre eigenen Schuldgefühle aus. Caroline wurde ihrem Ehemann untreu, jedenfalls emotional. Dass sie ihn nie geliebt hatte, stand für Dorothea zweifellos fest, und das warf sie ihr vor, verbunden mit dem Vorwurf der Kälte und eines oberflächlichen, manipulativen Charakters. (…)“ 12) Sie „bezichtigte [Caroline] ihre Ehe zerstört und den Dritten im Bunde, nämlich ihren göttlichen Friedrich, der sie nur wieder auf die richtige Spur bringen wollte, im Sinne seines armen, betrogenen Bruders, mit böser Undankbarkeit behandelt zu haben. (…) Einiges spricht dafür, dass Friedrich der Urheber des totalen Zerwürfnisses war (…). Natürlich setzte er sich für seinen Bruder ein (…). Auch dass die ehemalige schöne Dreieinigkeit, die eine so wesentliche Grundlage war für den Jenaer Dichter- und Philosophenkreis, durch das neue Element Schelling auf dem Spiel stand, wird man ihm als Sorge gut abnehmen können. Der abgrundtiefe Hass, den er aber im Zuge der Ereignisse auf Caroline entwickelte (…), lässt sich, abgesehen von seinem wissenschaftlichen Konkurrenzverhältnis mit Schelling an der Jenaer Universität, nur durch eines erklären: Er selbst hatte dereinst seiner Liebe zu Caroline entsagt, und zwar zugunsten seines Bruders. (…) Und nun ‚betrog‘ sie Wilhelm, und damit ihn selbst.“ 13)

1803 ließen sich die Eheleute August Wilhelm und Caroline Schlegel einvernehmlich scheiden, und die 40-jährige Caroline heiratete nach dem tief betrauerten Tod ihrer über alles geliebten Tochter Auguste F. W. J. Schelling, (1812 geadelt): ihre erste Liebesheirat. Das Paar zog zunächst nach Würzburg und 1806 nach München, wo Schelling eine Professur erhielt. Weiterhin waren sie üblen Nachreden und Diffamierungen ausgesetzt, die sich auch auf Carolines Zeit in Mainz und ihre Inhaftierung bezogen. Von der Aufbruchsstimmung der romantischen Zirkel war wenig übrig geblieben. Caroline versuchte die an sie permanent herangetragenen Ansprüche an ein gelungenes Frauenleben zu erfüllen. Nun leistete sie auch für Schelling unermüdlich die Arbeit einer Sekretärin und wissenschaftlichen Assistentin: „Fast alles, was bei Cotta jetzt unter der Presse ist, ist von meiner Hand“, schrieb sie an ihre alte Freundin Louise Gotter. Und die Literaturwissenschaftlerin Barbara Becker-Cantarino fasst überzeugend zusammen: „Caroline Schlegel-Schellings ‚Werk‘ sind zunächst ihre Briefe, wie die zahlreichen Interpreten immer wieder betonen. (...) Ihre ausführlichen, oft ironischen Schilderungen in ihrem ‚Briefwerk‘ sind mit ‚literarischen Kleinformen‘ wie Anekdote, Parodie und Paradoxie verglichen worden. Ihr ‚Werk‘ ist aber auch ihre geistige Zuarbeit, die jedoch als individuelles Werk vom Leistungsbegriff der Literaturwissenschaft aus gesehen nicht greifbar ist: Sie half bei Übersetzungen (insbesondere August Wilhelm Schlegels Shakespeare-Übersetzung), las Korrekturen, schrieb Manuskripte ab, lieferte Ideen, Briefmaterial und Exzerpte (für den Schwager Friedrich und den Ehemann August Wilhelm Schlegel, dann für Schelling) und ließ ihre Theaterkritiken, Rezensionen und Übersetzungen (aus dem Französischen und Italienischen) von Schelling für die Publikation umarbeiten. (...) Wie die meisten Frauen, die zwischen 1790 und 1820 enge persönliche Beziehungen zu einem prominenten Literaten oder Intellektuellen hatten, unterlag Caroline als Frau der privaten und öffentlichen ‚Geschlechtsvormundschaft‘.“ 14)

Kontakt hatte das Paar weiterhin zu Clemens und Bettine Brentano (siehe: Bettinastieg) sowie zu Ludwig Tieck.

1809, im Alter von 46 Jahren, starb Caroline an der Ruhr oder an Typhus. Pauline Gotter (1786–1854), Tochter von Carolines Freundin Louise Gotter, heiratete 1812 den elf Jahre älteren verwitweten F. W. Schelling. Eine ihrer Töchter erhielt in Erinnerung an seine erste Frau den Namen Caroline.

Friedrich Schlegel (1772–1829) heiratete 1804 Dorothea (1764–1839), geschiedene Veit, geborene Mendelssohn. Auch nach ihr müsste der Schlegelsweg mit benannt werden, war Dorothea Schlegel doch eine bedeutende Literaturkritikerin und Schriftstellerin der Romantik gewesen.

Friedrich Schlegel hatte Dorothea 1797 im Berliner Salon von Dorotheas Freundin Henriette Herz (siehe: Henriette-Herz-Garten) kennengelernt. Damals war die Tochter des Berliner Philosophen Moses Mendelssohn und seiner Frau Fromet, geborene Gugenheim noch verheiratet und hieß mit Vornamen Brendel. Ihr Vater hatte sie 1778 mit dem Bankier Simon Veit (1754–1819) verlobt und 1783 mit ihm verheiratet. Das Paar bekam vier Söhne; zwei starben im Kindesalter.

Dorothea und Friedrich verliebten sich ineinander. Henriette Herz und der protestantische Theologe Friedrich Schleiermacher setzten sich für das Liebespaar ein und Henriette unterstützte Dorotheas Scheidungsabsichten. Zwei Jahre später, 1799, ließ sich Dorothea dann auch scheiden. Sie musste sich verpflichten, nie wieder zu heiraten, sich nicht taufen zu lassen und auch ihre Kinder zum christlichen Glauben zu bewegen.

Dorothea und Friedrich Schlegel stießen nun alle Konventionen über Bord, lebten in „wilder Ehe“. Nach der Scheidung zog das Paar mit Dorotheas jüngstem Sohn nach Jena ins Haus von August Wilhelm Schlegel und dessen Frau Caroline. Dort, im Zentrum der literarischen Romantik, lebten die beiden Paare in einer Art Wohn- und Arbeitsgemeinschaft zusammen. Friedrich Schlegel verarbeitete diese, für damalige Verhältnisse ungewöhnliche und skandalträchtige, Liebesbeziehung in seinem Roman „Lucinde“, in dem er für die romantische Liebe und die Liebesheirat eine Lanze bricht.

Doch so sehr sich Friedrich Schlegel auch in Liebesdingen, die sein Herz angingen, revolutionär gab und alle gesellschaftlichen Konventionen und Rollenerwartungen über Bord warf, so blieb er doch den althergebrachten Geschlechtsrollenmustern verhaftet, wenn es um seinen eigenen beruflichen Vorteil und sein Fortkommen ging.

So gab er zwar Dorotheas ersten Band ihres Romans „Florentin“ – erschienen 1801 – heraus, allerdings ohne Nennung der Autorin. Und auch ihre Übersetzungen von Memoiren, Rittergeschichten und Germaine de Staels Roman „Corinna oder Italien“ aus dem Französischen, erschienen nur unter dem Namen ihres Mannes als Übersetzer und Herausgeber. „Diese und andere Arbeiten seiner Ehefrau nahm Schlegel sogar in seine Werke auf. Dem herrschenden Frauenbild ihrer Zeit entsprechend, legte [Dorothea allerdings] keinen Wert darauf, öffentlich zu wirken; sie verstand sich als Zuarbeiterin ihres Mannes: ‚Friedrich, sein Geselle zu werden‘ und seine Einnahmen aufzubessern, war ihr Ziel.“ 15)

1802 waren Dorothea und Friedrich nach Paris gezogen, wo sie 1804 heirateten, Dorothea zum evangelischen Glauben übertrat und sich fortan Dorothea und nicht mehr Brendel nannte.

Im selben Jahr zogen sie nach Köln, wo Schlegel eine Dozentur bekam. Beide traten dort zum Katholizismus über; auch ihre beiden Söhne, die später Maler wurden, ließ Dorothea katholisch taufen.

Später zog das Paar nach Wien, wo Schlegel eine Stelle als Hofsekretär bekam. Nach dem Tod ihres Mannes lebte Dorothea bei ihrem ältesten Sohn Philipp Veit in Frankfurt a. M., wo er Direktor des Städelschen Kunstinstituts war.

Befreundet war Dorothea Schlegel u. a. mit Henriette Herz (siehe: Henriette-Herz-Ring) und Rahel Varnhagen (siehe: Rahel-Varnhagen-Weg).

August Wilhelm Schlegel, der nach der Scheidung von Caroline im Jahr 1803 bis 1817 als literarischer Berater und Sekretär von Madame de Stael sowie Erzieher ihrer Kinder tätig war, heiratete nach dem Tod von Madame de Stael im Jahr 1817 Sophie Paulus. Die Ehe scheiterte nach kurzer Zeit. (Siehe dazu unter: Jean-Paul-Weg).

Text: Birgit Kiupel, Rita Bake