Thomas-Mann-Straße
Bramfeld (1961): Thomas Mann (6.6.1875 Lübeck -12.8.1955 Zürich), Schriftsteller.
Siehe auch: Erika-Mann-Bogen
Siehe auch: Ida-Boy-Ed-Straße
Siehe auch: Erna-Stahl-Ring
Siehe auch: Königskinderweg
Siehe auch: Therese-Giehse-Bogen
Siehe auch: Buddenbrookweg
Entsprechend der Schwerpunktsetzung dieser Datenbank wird das Hauptaugenmerk auf die Frauen hinter Thomas Mann gelegt. Über die Mann-Familie ist viel geschrieben und veröffentlicht worden. Im Folgenden sollen ausführliche Zitate aus unterschiedlichen Veröffentlichungen präsentiert werden.
Thomas Manns Herkunft und die Mutter
Im Wikipedia-Eintrag zu Thomas Mann heißt es über dessen Herkunft: „Thomas Mann war der zweite Sohn des Kaufmanns und Lübecker Senators Thomas Johann Heinrich Mann. (…). Seine Mutter Julia (geborene da Silva-Bruhns) war mütterlicherseits brasilianischer Herkunft. Aus der Ehe gingen außer dem Bruder Heinrich (1871–1950) noch die Geschwister Julia (1877–1927, Suizid), Carla (1881–1910, Suizid) und Viktor (1890–1949) hervor. Die Familie zählte zu den ersten Kreisen Lübecks. Seine Kindheit hat Thomas Mann später als ‚gehegt und glücklich‘ bezeichnet.“ 1)
Stefanie Grossmann charakterisiert Mutter und Vater von Thomas Mann: „Der Vater, ein hanseatischer Patrizier, repräsentiert das bürgerliche Lübeck. Als Kaufmann führt er erfolgreich den Familienbetrieb, ist Konsul und schließlich Senator. Ganz anders die Mutter: Sie verkörpert das genaue Gegenteil des Vaters. Thomas Mann beschreibt seine Mutter als ‚... außerordentlich schön, von unverkennbarer spanischer Turnüre, ...‘. Ihr südländisches Temperament und ihr Interesse an Musik und Literatur bilden einen Kontrast zur kaufmännischen Repräsentation des Vaters.“ 2)
Über Julia Manns Leben steht in deren Wikipedia-Eintrag: Julia Mann, geb. da Silva-Bruhns (14.8.1851 Paraty/Brasilien – 11.3.1923 Weßling) „war eine Tochter des 1837 nach Brasilien ausgewanderten Lübecker Farmers Johann Ludwig Hermann Bruhns (1821–1893) und der Brasilianerin Maria Luísa da Silva (gest. 1856), Tochter eines Großgrundbesitzers portugiesischer Herkunft. Sie hatte mehrere Geschwister. (…) Ihre Mutter starb, als Julia da Silva-Bruhns fünf Jahre alt war, bei der Geburt ihres sechsten Kindes. Die Kinder kamen zunächst zu den Eltern der Mutter vor Ort. Ein Jahr nach dem Tod der Mutter entschied ihr Vater, seine Kinder nach Deutschland zu schicken. (…). Bis sie vierzehn Jahre alt war, lebte sie in einem Internat in Lübeck (…). Ihr Vater kümmerte sich währenddessen in Brasilien um die Plantagen und versorgte sie finanziell.
1869 heiratete sie den elf Jahre älteren späteren Senator Thomas Johann Heinrich Mann. Julia Manns Ehemann starb 1891 an Blasenkrebs. Seine Firma wurde aufgrund seiner testamentarischen Verfügung aufgelöst und das Wohnhaus verkauft, denn er schätzte seine Söhne für die Weiterführung des Unternehmens als nicht geeignet ein. Die Erlöse wurden durch den Testamentsvollstrecker Krafft Tesdorpf angelegt. (…). 1893 zog sie, allgemein ‚Frau Senator Mann‘ genannt, mit ihren Kindern nach München, später mit dem jüngstgeborenen Viktor weiter nach Augsburg (…). Dort lebte sie von 1903 bis 1906 von den Zinserträgen, woraus auch Heinrich und Thomas Mann eine geringe Rente erhielten.“ 3)
„Julia Mann wechselte im Alter häufig den Wohnsitz. Die Inflation hatte das hinterlassene Vermögen aufgezehrt, und sie musste sich immer preiswertere Unterkünfte suchen. Die angebotene Unterstützung ihrer Söhne nahm sie aus Stolz nicht an. Sie starb 71-jährig in einem Hotelzimmer in Weßling südlich von München im Kreise ihrer Familie (…).“ 4)
Die Autorin Susanne Lenz führte 2020 ein Interview mit der Germanistin Veronika Fuechtner aus dem u. a. hervorgeht, wie wichtig für Julia Mann ihre brasilianischen Wurzeln waren und wie Thomas Mann dieses Nicht-Deutschsein verarbeitet hat. Über Julia Manns Kindheit berichtet Veronika Fuechtner: “‘Julia hatte engen und herzlichen Kontakt zu den Sklavinnen, die sie erzogen haben. Vor allem zu der Sklavin Anna aus Mosambik. Nachdem Julias Mutter früh gestorben war, wurde sie zu einer Mutterfigur. Der afro-brasilianische und afrikanische Einfluss war also sehr wichtig. Sie ist dann aus dieser von ihr als idyllisch empfundenen Kindheit herausgerissen worden, da ihr Vater sie nach dem Tod der Mutter lieber in Lübeck aufwachsen lassen wollte. Sie kam dort mit ihrer Schwester in ein Internat, ihr Vater blieb in Brasilien. Sie hat auch dann erst, mit sieben Jahren, Deutsch gelernt. In ihren Memoiren beschreibt sie das als das große Trauma ihres Lebens, dieses Herausgerissenwerden aus dem Kindheitsparadies.‘ (…)
Thomas Mann hat seinen Gang ins Exil politisch begründet, spielte seine Herkunft dabei überhaupt eine Rolle?
Es gab rassistische Attacken auf ihn. In der Zeitung ‚Angriff‘ hieß es 1932 über Mann: „Wir müssen mit aller Schärfe verlangen, daß diese schreibende Mischung zwischen Indiane‘n, Negern und Mauren und weiß der Teufel was sonst noch sich nicht mehr ,deutscher Dichter und Schriftsteller‘ nennen darf.‘ Es wird unterschätzt, dass das Exil für ihn auch in Bezug auf die Rassenpolitik der Nationalsozialisten bedeutsam war. (…)
Hat sich seine Herkunft in seinem Werk niedergeschlagen?
In seiner Beschäftigung mit dem Norden und dem Süden etwa, die sich durch sein ganzes Werk zieht. Die Denkfigur des Südländischen als etwas Gebrochenes, Artistisches gibt es auch bei anderen Schriftstellern, aber bei ihm hat das eine ganz andere Resonanz. Seine Mutter spiegelt sich in vielen Frauenfiguren, und im ‚Doktor Faustus‘ gibt es das Motiv der Hetaera esmeralda, eines brasilianischen Schmetterlings. Aber es ist eben alles verdeckt. Sein Bruder Heinrich hat sich offener mit seiner ‚Latinität‘ identifiziert und sie viel mehr nach außen gelebt. (…).“ 5)
Thomas Mann: Bruder zweier Schwestern
Julia (Lula) Mann, verheiratete Löhr (13.8.1877 Lübeck – 10.5.1927 Starnberg)
Auf der Autorenseite des Fischer Verlages ist über Julia Mann zu lesen: „Thomas Mann (…) sympathisierte (..) mit der aufstiegsorientierten Einstellung seiner Schwester: Aufstieg durch Heirat. In Kindertagen war Lula der Schwarm von Armin Martens, nach eigenem Bekunden Thomas Manns war es seine erste Liebe. Sie heiratete als erstes der Mann-Kinder, die es ja zusammen mit der Mutter nach München verschlagen hatte - nämlich im Jahr 1900 den Münchner Bankier Josef Löhr, der als Kunstgelehrter Dr. Institoris im Doktor Faustus Eingang fand. (…).“ 6)
Im Wikipedia Eintrag zu Julia Löhr steht: Der „fünfzehn Jahre ältere Bankdirektor Josef Löhr, [wurde] von der Familie Mann mit Vorbehalten betrachtet […], obwohl er seiner Frau eine finanziell gesicherte Position bot. Mit ihm hatte sie drei Töchter, 1901 wurde die Tochter Eva Maria geboren, die Zwillinge Ilsemarie und Rosemarie kamen 1907 zur Welt. Zu diesem Zeitpunkt hatte Julia Mann vermutlich schon mehrere außereheliche Beziehungen, zudem galt sie als morphiumabhängig. Golo Mann schrieb dieses Abgleiten in die Drogensucht dem Ekel zu, den seine Tante vor ihrem Gatten und dessen Ansprüchen gehabt habe. Nach dessen Tod 1922 verlor sie durch die Inflation ihren Lebensunterhalt und erhängte sich 1927.
Seiner Schwester Julia verdankte Thomas Mann vermutlich einen ausführlichen schriftlichen Bericht über die gemeinsame Tante Elisabeth, das Urbild der Tony Buddenbrook [siehe: Buddenbrookstraße]. Offensichtlich hatte Julia Talent zum Schreiben, konnte aber keinen Beruf daraus machen. (…).“ 7)
„Wie viel Thomas Mann seine Schwester bedeutet hat, lässt sich am Ausspruch ablesen, sie sei gleichsam sein ‚weibliches Neben-Ich‘ gewesen.“ 8)
Carla Auguste Olga Maria Mann (23. September 1881 Lübeck - 30. Juli 1910 Polling)
Über Carla Mann heißt es auf der Autorenseite des Fischer Verlags: „Trotz aller Sympathien für Julia war Carla Mann die Lieblingsschwester von Thomas und vor allem von Heinrich Mann. Sie war eine von ihnen, eine künstlerische Existenz. Carla Mann behauptete sich als moderne und unabhängige Frau, die rauchte, sich schminkte und dem unbürgerlichen Beruf einer Schauspielerin nachging. Allerdings scheiterte ihre Karriere mangels schauspielerischen Esprits, und Engagements in Provinztheatern nahm sie nicht an.
(…) Nach einem Fehltritt mit einem bekannten Schürzenjäger versuchte dieser, sie zu erpressen. Ihre Ehre als unbescholtene Frau stand auf dem Spiel. Im jungen elsässischen Industriellen Arthur Gibo schien sie den Mann ihres Lebens gefunden zu haben; dieser verhielt sich zögerlich und ließ sich von seiner Familie leiten, die Carla nicht gern als zukünftige Schwiegertochter sehen wollte. Angesichts der Erpressungsversuche nahm sie sich am 30. Juli 1910 in der Wohnung der Mutter in Polling in deren Anwesenheit durch Zyansäure das Leben.
Beide Brüder hat dieser Tod stark bewegt und zum Schreiben herausgefordert: Über die tragischen Umstände ihres Todes sind wir aus Heinrich Manns Bericht Carla, Thomas Manns Lebensabriss und dem 35. Kapitel des Doktor Faustus informiert, in dem er seine Schwester als Clarissa in Literatur verwandelt und die junge Schauspielerin in Pfeiffering Hand an sich legen lässt.“ 9)
In einer anderen Darstellung heißt es über das Leben von Carla Mann: „Carla war ein Neben-Ich der beiden Brüder [Thomas und Heinrich Mann], (…). Nur durch eine bürgerliche Partie oder einen einträglichen Beruf hätte sie sich von ihrer finanziellen Abhängigkeit befreien können. Aber für beides war sie nicht geschaffen; sie wählte die Kunst. Sie sprach am Münchner Hoftheater vor – und wurde angenommen. Eine zehnjährige Odyssee verschlug sie auf Bühnen vor allem der Provinz. (…).
Ihre Ausstattung hatten die Damen selbst zu besorgen. Wenn elterliches Vermögen nicht ausreichend zur Verfügung stand, mussten den jungen Künstlerinnen Gönner, sprich: Liebhaber weiterhelfen. (…). Carla Mann war am Ende ihres wechselvollen Bühnendaseins entmutigt, sie hatte ihre Selbstachtung verloren und überlegte gar, sich in einem Tingeltangel von Philadelphia zu verdingen. (…)
Die stärkste Wirkung auf sie übte jedoch der Bruder Heinrich Mann aus. Sie bot ihm ihre dramatischen Episoden und Intrigen auf der Bühne als Stoff für seine Novellen und Romane an – und er machte reichlich Gebrauch davon. Einige Prosastücke enthalten geradezu ein Stichwortregister ihrer Existenz: das Spiel der Nerven, narzisstischer Stolz, Einsamkeit erotische Abenteuer, aber auch Lebensferne und hinter allem das Spielertum hier wie dort. (…).
Seine Schwester hatte ihm literarisch genützt, in ihren letzten Prüfungen war sie allein. Sie wiederum sonderte sich, ihr Scheitern auf der Bühne vor Augen und als ‚Gefallene‘ geltend, von der Mutter und ihrem Bruder Thomas ab, war nicht einmal auf seiner Hochzeit zugegen.
Sie probte den Rückweg ins bürgerliche Dasein, verlobte sich mit dem Industriellensohn Arthur Gibo, einer seltsam konturenlosen Figur, hatte wohl auch noch eine Affäre mit einem Arzt. Dann der Selbstmord, ohne Abschiedsbrief, ohne Erklärung. (…),“ 10) schreibt Wilfried F. Schoeller.
Thomas Mann: der Ehemann
Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki äußerte über Katia Mann, dass sie:, „indem sie zwischen Thomas Mann und der Umwelt, zwischen seinem Werk und dem täglichen Leben vermittelte, sein Werk erst ermöglichte und damit zu den oft unterschätzten Frauen gehört, denen Deutschland unendlich viel zu verdanken hat“. 11)
Und Katia Mann selbst, wie sah sie ihr Leben?: „Ich habe tatsächlich mein ganzes, allzu langes Leben immer im strikt Privaten gehalten. Nie bin ich hervor getreten, ich fand das ziemte sich nicht. Ich sollte immer meine Erinnerungen schreiben. Dazu sage ich: In dieser Familie muß es einen Menschen geben, der nicht schreibt.“ 12).
Die Heirat von Katia Pringsheim und Thomas Mann 1905: „markiert den Anfang einer erfüllten Alltagspartnerschaft auf Lebenszeit. Katia wird ihm bis zu seinem Tod den Rücken freihalten – und das so aufopferungsvoll, dass auf ihrem Briefkopf nicht der eigene Name prangt, sondern ‚Frau Thomas Mann‘.
Dass ihr Gatte immer wieder ein Auge auf junge Männer wirft – laut Thomas Mann eine rein ästhetisch motivierte Schwärmerei –, stört Katia offenbar nicht weiter. Glaubt man den Schilderungen der sechs Kinder, muss die Ehe der Eltern durchaus glücklich gewesen sein.“ 13)
Katia Mann scheint, so die Literaturwissenschaftlerin Prof. Dr. Inge Stephan, „keine Probleme mit ihrer Rolle als Frau an der Seite eines berühmten Mannes (…) gehabt zu haben, wenn man ihren ‚ungeschriebenen Memoiren‘ Glauben schenken darf. Und doch findet sich darin der Satz: ‚… ich habe in meinem Leben nie tun können, was ich hätte tun wollen.‘ Dass ihr dieser Verzicht nicht immer leichtgefallen ist, lässt sich nur indirekt aus anderen Zeugnissen erschließen. So warnte Katia Mann Anfang der dreißiger Jahre zum Beispiel Ninon Ausländer, deren Hochzeit mit Hermann Hesse unmittelbar bevorstand, eindringlich davor, ihre Eigenständigkeit in der Beziehung aufzugeben, und ermunterte die Freundin, sich eigene Arbeitsbereiche in der Ehe zu schaffen. 14)
Katharina Hedwig „Katia“ Mann geborene Pringsheim (24.7.1883 Felafing bei München – 25.4.1980 Kilchberg bei Zürich)) war die Tochter „des Mathematikprofessors Alfred Pringsheim und dessen Ehefrau Hedwig Pringsheim. Ihr Vater stammte aus der reichen schlesischen Kaufmannsfamilie Pringsheim. Ihre Mutter war eine Tochter der bekannten Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Hedwig Dohm, geborene Schleh (eigentlich Schlesinger). (…) Die Familie Pringsheim war (…) jüdischer Herkunft;. (…)
Katia Pringsheim und ihre Geschwister wuchsen in äußerst wohlhabenden und liberalen Verhältnissen auf. (…).
Während ihre Brüder das Gymnasium besuchten, erhielt Katia vom siebten Lebensjahr an Privatunterricht und legte 1901 als erste Frau das Abitur in München ab. (…). Von der Münchener Universität, an der ihr Vater lehrte, wurde ihr auf Antrag die Erlaubnis erteilt, Vorlesungen zu besuchen. Erst ab 1903 war in Bayern den Frauen, und damit auch ihr, ein reguläres Studium möglich. Katia Pringsheim gehörte zu den ersten sogenannten aktiven Studentinnen und interessierte sich hauptsächlich für die naturwissenschaftlich-mathematischen Fächer, hörte jedoch auch Vorlesungen in Philosophie.
Im Frühjahr 1904 lernte sie durch Vermittlung der gemeinsamen Bekannten Elsa Bernstein [diese schrieb nach 1945 ihre Erinnerungen an das Prominentenhaus im KZ Theresienstadt auf. Das Buch Elsa Bernstein: Das Leben als Drama ist in der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg erhältlich, R. B.] den sieben Jahre älteren Thomas Mann kennen. [Dieser warb ums sie, sie hingegen wollte ihr freies Leben noch nicht aufgeben, R. B.]
Im November 1904 willigte Katia Pringsheim schließlich in die Ehe ein. Das Paar heiratete am 11. Februar 1905 standesamtlich in München. [Und Katia Mann gab ihr Universitätsstudium auf, R. B.].
Katia und Thomas Mann bezogen nicht weit von Katias Elternhaus eine Etagenwohnung, die Alfred Pringsheim ihnen eingerichtet hatte. Bereits im November 1905 kam ihre erste Tochter zur Welt. Innerhalb von fünfzehn Jahren wurden sechs Kinder, Erika (1905–1969), Klaus (1906–1949), Golo (1909–1994), Monika (1910–1992), Elisabeth (1918–2002) und Michael (1919–1977) geboren. (…) Um den Lebensunterhalt für seine stetig wachsende Familie finanzieren zu können, ging Thomas Mann regelmäßig auf längere Lesereisen. (…),“ 15) heißt es im Wikipedia Eintrag zu Katia Mann.
Wahrscheinlich aus Überlastung durch Hausarbeit und Kindererziehung flüchtete Katia Mann wegen körperlicher Beschwerden immer mal wieder in ein Sanatorium nach Davos.
Thomas Mann, der sich 1930 in einer Rede den Nationalsozialismus kritisiert hatte, nahmen nach 1933 zuerst Zuflucht in Südfrankreich, später in der Schweiz. Thomas Mann ging wieder auf Leserreise und Katia Mann begleitete ihn. 1934 wurde ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. 1938 emigrierten sie in die USA. „Thomas Mann hatte dort mit der Filmgesellschaft Warner Brothers einen Autorenvertrag abgeschlossen, der ihnen nicht nur die finanzielle Unterstützung ihrer Kinder, sondern auch den Unterhalt eines großen Anwesens am San Remo Drive 1150 in Pacific Palisades einschließlich Personal ermöglichte. (…)
Katia Mann war bereits 1942 an der Gebärmutter operiert worden, und 1950 folgte eine weitere Operation am Unterleib. Kurz darauf ließ sich die vierfache Großmutter (…) mit fast 67 Jahren die Brüste straffen. (…),“ 16) ist im Wikipedia Eintrag über Katia Mann nachzulesen.
Nachdem das Ehepaar Mann 1952 nach Zürich zurückgekehrt waren, wurde Thomas krank und starb 1955 an den Folgen von Arteriosklerose.
Katia Mann lebte zurückgezogen im Kilchberger Haus. Dorthin war auch Golo Mann gezogen, der dort als freischaffender Historiker wirkte. Ihre anderen Kinder besuchten sie zeitweise.17) Katia Mann wurde sehr alt und musste den Tod einiger ihrer Kinder verkraften. Dazu äußerte sie einmal: „Wer so lange lebt, muß viele überleben.“
Thomas Mann: der Vater dreier Töchter
Thomas Mann wurde Vater von sechs Kindern: Erika (9.11.1905 München – 27.8.1969 Zürich), Klaus (18.11.1906 München - 21.5.1949 Cannes), Golo (27.3.1909 München- 7.4.1994 Leverkusen), Monika (7.6.1910 München-17.3.1992 Leverkusen), Elisabeth (24.4.1918 München - 8.2.2002 St. Moritz) und Michael (21.4.1919 München - 1.1.1977 Orindo/Kalifornien). Die Kinderzeugung vollzog sich also zwischen Thomas Manns 30. und seinem 44. Lebensjahr.
Erika Mann
Seine Tochter Erika (siehe: Erika-Mann-Bogen) nannte er „mein begabtes Kind“ und erkor sie neben seiner Tochter Elisabeth zu seinem Lieblingskind. „Das war ihr nicht an der Wiege gesungen. Als Erika Mann am 9. November 1905 als erstes von sechs Kindern zur Welt kam, zeigte sich der 30-jährige Vater nicht eben erfreut. ‚Es ist also ein Mädchen: eine Enttäuschung für mich‘, schrieb Thomas Mann – ‚unter uns‘– an den Bruder Heinrich. Und: ‚Ich empfinde einen Sohn als poesievoller, mehr als Fortsetzung und Wiederbeginn meiner selbst unter neuen Bedingungen.“ 18)
Erika wurde des Vaters „‚letzte Instanz, an die der ewig Zaudernde und Zögernde sich wandte, wenn er nicht weiter wußte‘“. 19) Doch so sehr sich Thomas Mann auch auf seine Tochter verließ und auf sie hörte, „ihre aufbrausende, kompromisslose Art brachte Thomas Mann nicht selten zwischen die Fronten. Sowohl im politischen, gesellschaftlichen als auch im privaten Umfeld.“ 20)
Erika Manns kompromisslose Haltung gegen den Nationalsozialismus und ihrer hartnäckigen Forderung an ihren Vater, öffentlich Stellung gegen das NS-Regime zu beziehen, ist es zu verdanken, dass er endlich Anfang Februar 1936 in der NZZ (Neue Zürcher Zeitung) einen offenen Brief veröffentlichen ließ, in dem er gegen den Nationalsozialismus wandte.
Dieser öffentlichen Stellungnahme vorausgegangen war ein heftiger Disput zwischen Thomas Mann und seiner Tochter Erika. Sie und ihr Bruder „Klaus setzten ihn emotional schwer unter Druck“ 21). Erika drohte mit Liebesentzug, „so dass er sich schließlich – wenn auch erst nach heftigem inneren Widerstreit und seitenlangen Briefen – auf die Seite der Emigration schlug“. 22) Doch selbst in dieser Krise zwischen ihm und seiner Tochter war sich „Thomas Mann (…) der Zuneigung seiner Tochter Erika offenbar (…) sicher. Ihre Drohung mit Liebesentzug nahm er nicht sehr ernst: ‚Du bist viel zu sehr mein Kind Eri, auch noch in Deinem Zorn auf mich, als daß sie sich so recht erfüllen könnte.‘ Das beruhe, schrieb er ihr in selbstgewisser Offenheit, ‚auf dem väterlichen Gefühl, daß das alles eine kindliche Verlängerung meines eigenen Wesens ist‘. (…) Noch im Alter war es der Wunsch Thomas Manns, daß seine Tochter Erika als ‚Sekretärin, Biographin, Nachlaßhüterin, Tochter-Adjutantin‘ bei ihm lebe, und am Ende seines Lebens schrieb er ihr: ‚Ich sehe da eine väterlich-töchterliche Verwandtschaft der Naturen.‘“ 23)
Monika Mann
Der Bayerische Rundfunk Kultur berichtet in einem wunderbar informativen Beitrag über Monika Mann in der Serie „Die Kinder der Manns“ vom 3.11.2011 unter dem Titel „Die stille Ungeliebte“: „Monika war das ungeliebte Kind der Manns, von der eigenen Mutter wurde sie als ‚muffig und unerfreulich‘ bezeichnet. Nach der Emanzipation von der Familie fand sie ihr Glück auf Capri.“ 24)
Über ihren Lebensweg und das wenige Interesse ihrer Eltern an sie heißt es in diesem Beitrag: „Dem Kleinkind stellte Mutter Katia noch ein blendendes Zeugnis aus: ‚Monika ist sehr niedlich.‘ Später wurde Monika Mann zu einer für die Familie lästigen Sachfrage. Ihre Schwester Erika Anfang der 40er-Jahre: ‚Moni ist ein ganz unseliges Problemata.‘ Die Eltern, bei denen sie damals in Kalifornien nach schier unglaublich überstandener Schiffskatastrophe wohnte, sahen es genauso. Thomas Mann schrieb in sein Tagebuch: ‚Zerwürfnis mit Moni ... Drang auf ihre Entfernung.‘ Nun, Monika Mann entfernte sich von der Familie und fand - vermutlich deshalb - ihr Lebensglück. Sie zog nach Capri und lebte mehr als 30 Jahre auf der Insel mit einem Fischer. (…)
Katia Mann charakterisierte in ihrem ‚Moni-Büchlein‘ die zweite Tochter als ‚liebebedürftig und verwöhnt, trotzig und eigensinnig, schwatzhaft und phantasievoll.‘ (…) Als 1918 die nächste, in den Augen des Vaters noch niedlichere Tochter geboren wurde, war für die achtjährige Monika Mann die ‚Kindheit beendet‘, wie sie später in ihren Erinnerungen formulierte. Die erste Anwartschaft auf elterliche Liebe hatte von da an Elisabeth.
Rückblickend schrieb Monika Mann über ihre Jugend: ‚Das inständig ichwärts gekehrte väterliche Wesen wirkte einschüchternd und beklemmend auf uns und gewährte uns gleichzeitig eine große Freiheit.‘ Diese Freiheit nahm sie sich beim Schulbesuch: In der Volksschule noch brillant, flog sie – ‚faul und renitent‘ (Katia Mann) - aus der verhassten ‚Höheren Töchterschule‘. Auf der Beliebtheitsskala innerhalb der Familie war die 14-jährige Monika Mann nun ganz unten angekommen. Mutter Katia: ‚Aus dem Haus musste und sollte das Kind, so muffig und unerfreulich, wie es war.‘ Man verfrachtete es in das reformpädagogische Institut Salem nahe des Bodensees. (…)
Im Januar 1934 übersiedelte Monika Mann nach Florenz zu einem privaten Klavierstudium (…). Monika Mann verliebte sich (…) in Jenö Lányi [ein] (…) ungarisch-jüdische[r] Kunsthistoriker […]. 1938 gingen Lányi und Monika Mann nach London, (…). In England heiratete Monika Mann Lányi, (…): 1940 startete Nazi-Deutschland seine Luftoffensive gegen England (…). Das Ehepaar entschloss sich zur Überfahrt nach Amerika. Nachdem der inzwischen in den USA lebende Thomas Mann für seine Tochter und Lányi ein kanadisches Visum erwirkt hatte, gingen beide am 13. September 1940 in Liverpool an Bord (…). Vier Tage später - mitten im Atlantik, (…) - wurde das Schiff von einem deutschen U-Boot-Torpedo getroffen und sank sofort. Die meisten der etwa 400 Passagiere ertranken, auch Jenö Lányi. (…). Sie selbst trieb 20 Stunden lang im Ozean, in einem winzigen Rettungsboot, bis ein englisches Kriegsschiff die wenigen Überlebenden aufnahm und nach Schottland brachte. (…). [Von dort kam Monika Mann schließlich zu ihren Eltern.R.B.]. (…). Dort störten aber die alten Differenzen bald wieder den Familienfrieden, es kam zum (…) Zerwürfnis. 1942 ging sie zurück nach New York, (…). In New York entdeckte auch Monika Mann das Schreiben und verfasste Essays und Feuilleton-Geschichten.
Auf Dauer bekam Monika Mann das ‚wilde Emigrantenleben‘ in den USA nicht gut [und geht, einem Tipp eines Freundes folgend, auf die Insel Capri in das Haus des Fischers Antonio Spadaro, R. B.]. Monika Mann blieb dort gut 30 Jahre lang. (…) Auf Capri, beim einfachen Fischer Spadaro, scheint sie die menschliche Wärme gefunden zu haben, die ihr im amerikanischen Exil fehlte.
Monika Mann, die auf Capri ihre im Exil begonnene journalistische Tätigkeit fortgeführt hatte, (…) verfasste unter anderem eine Reihe von Texten über ihre Familie. Die ‚Erinnerungen‘ brachten ihr publizistischen Erfolg ein, weitere Bücher folgten. Aus dem Insel-Paradies wurde sie jedoch jäh vertrieben, als 1985 Antonio Spadaro starb. Monika Mann musste die Villa Monacone innerhalb eines halben Jahres verlassen. 1986 zog sie ins elterliche Haus nach Kilchberg in der Schweiz, wo Golo Mann wohnte. Doch es wurde ein kurzes Intermezzo, die Geschwister kamen nicht miteinander aus. Monika Mann verließ Kilchberg und fand Zuflucht bei der Familie von Golos Adoptivsohn Hans Beck-Mann in Leverkusen, wo sie am 17. März 1992 starb,“ 25) ist in einem Artikel mit dem Titel „Unser unmündiger Vater“ im „Der Spiegel“ aus dem Jahr 1996 nachzulesen.
Elisabeth Mann
„Elisabeth Mann Borgese wurde [am 24.4.] 1918 in München als 5. Kind von Katia und Thomas Mann geboren. 1939 heiratete sie Giuseppe Antonio Borgese. Sie arbeitete als Professorin für Politologie an der Technischen Universität von Halifax/Kanada und war Expertin für Seerecht. Elisabeth Mann-Borgese gründete das International Ocean Institute auf Malta. Die Erlöse der Bücher ihres Vaters investierte sie in die Rettung der Meere laut ihrem Motto: ‚Wir müssen die Ozeane retten, wenn wir uns selbst retten wollen.‘ teil. Ihrem Engagement wird zugeschrieben, dass im heutigen Seerecht die Meere als Gemeinerbe der Menschheit angesehen werden, wie auch die Einrichtung des Internationalen Seegerichtshofs in 1996 Hamburg. Ihr Buch Das Drama der Meere, erschienen 1976 wurde in 13 Sprachen übersetzt. Elisabeth Mann-Borgese war lange Zeit einziges weibliches Mitglied des Club of Rome, den sie mitbegründete. 1993 erhielt sie in Assisi den Internationalen Umweltpreis des Franziskanischen Zentrums für Umweltstudien. Elisabeth Mann-Borgese starb am 8. Februar 2002 in St. Moritz.“ 26) So beschreibt die Zeitschrift „Mare“ den Lebensweg von Elisabeth Mann.
Andrea Westhoff erzählt zum 100. Geburtstag von Erika Mann deren Lebensweg für den Deutschlandfunk u. a. wie folgt: „Sie war das Lieblingskind von Thomas Mann und ist von ihm auch in der Literatur verewigt worden.“ 27)
In einem Beitrag des Bayerischen Rundfunks zu den Kindern der Manns heißt es zur Tochter Elisabeth: „Väterliche Kälte, die andere Mann-Kinder zu spüren bekommen, bleibt ihr erspart. Im Gegensatz zum ein Jahr später geborenen Michael wird ihr offenbar das Gefühl gegeben, erwünscht und geliebt zu sein. Als ‚Prinzessin Dulala‘ oder ‚Medi‘ genießt sie beim Vater eine Vorzugsstellung, durch die sie - im Unterschied zu den meisten ihrer Geschwister - später eine stabile Persönlichkeit entwickeln kann. (…).“ 28)
Elisabeth Mann machte ihr Lehrdiplom als Pianistin. „Gleichzeitig begeistert sie sich für die antifaschistischen Schriften des italienischen Historikers und Literaturprofessors Giuseppe Antonio Borgese: ‚Die hab ich dann studiert noch in Zürich und dann schon beschlossen, das wäre der Mann, den ich heiraten will.‘ (…)
Tatsächlich treffen die Manns, als sie 1938 nach Princeton gehen, auf den ebenfalls in die USA emigrierten Borgese. Elisabeth heiratet den 36 Jahre älteren Mann und bekommt zwei Töchter. Nach dem Krieg kehren sie zusammen nach Italien zurück. (…).“, 29) schreibt Andrea Westhoff.
Über die Ehe von Elisabeth Mann und Borgese heißt es in dem Beitrag des Bayerischen Rundfunks: „Nach dem Zweiten Weltkrieg setzt Borgese in den USA sein idealistisch-politisches Engagement fort. Nach der Erfahrung des Versagens des Völkerbundes (Vorläufer-Organisation der UN) gegenüber dem Nazi-Faschismus fordert er das Ende der Nationalstaaten und entwickelt eine utopische Vision einer humanen, sozialistisch ausgerichteten ‚Weltregierung‘, die dem Friedensgedanken und der Beendigung wirtschaftlicher Ungerechtigkeit verpflichtet ist. Dazu gründet er 1946 mit Hilfe von Forschungsgeldern ein ‚Komitee für die Weltverfassung‘. (…)
Elisabeth Mann Borgese, (…), unterstützt ihren Ehemann als Sekretärin, aber auch, indem sie Geld und Unterschriften von Prominenten sammelt (…).
Als 1950 eine internationale Vereinigung von Welt-Föderalisten gegründet wird, übernimmt sie [Elisabeth] - 32-jährig - das Amt der Präsidentin. Ohne jeglichen akademischen Titel, aber mit Charme und diplomatischem Geschick ist Elisabeth Mann zu einer starken Frau mit viel Organisationstalent gereift. Für Borgese offenbar zu stark: Der nach außen hin liberale und fortschrittliche Demokrat gibt im häuslichen Bereich das dominante Familienoberhaupt. Er bevorzugt die traditionelle Rollenverteilung, der sich seine emanzipatorisch gesinnte Gattin aber kaum fügen will. Zudem beginnt der 70-Jährige seiner jungen Frau die wachsenden Erfolge zu neiden.
Aus Spannungen erwächst eine handfeste Krise, zumal sich Elisabeth einen Seitensprung genehmigt und Borgese extrem eifersüchtig ist. Das Leben mit ihm wird ihr zur Qual. Sie will ihn eigentlich verlassen, bringt es aber nicht fertig und macht letztlich ihren Frieden mit ihm.
1952 erhält Borgese überraschend einen Ruf nach Mailand. Die Universität gibt ihm die Professur zurück, die ihm die Faschisten genommen haben. Die Familie - seit 1940 bzw. 1944 sind die Töchter Angelica und Domenica auf der Welt - zieht im Herbst 1952 nach Florenz. Aber das neue Glück in Italien währt nur kurz: Wenige Monate später stirbt Borgese an einer Gehirnthrombose und hinterlässt eine 34-jährige Witwe.
Nach dem Tod ihres Mannes betreut Elisabeth Mann Borgese zunächst in Florenz zwei Kulturmagazine und schafft es so, finanziell auf eigenen Beinen zu stehen. Daneben beginnt sie zu schreiben. Dabei wird sie von Corrado Tumiati unterstützt. Der italienische Autor, der - wie sollte es anders sein - wesentlich älter ist als sie, wird ihr Lebensgefährte für die nächsten 15 Jahre, in denen sie sich vorwiegend mit Literatur und Kunst beschäftigt.
1967 stirbt Tumiati. Elisabeth Mann Borgese zieht zunächst ins kalifornische Santa Barbara um. Sie nimmt dort eine Einladung an, an einem politischen Forschungszentrum mitzuarbeiten. Die zündende Begegnung aber findet 1967 statt, als sie Arvid Pardo bei einem Vortrag kennen lernt. Der UN-Botschafter Maltas setzt sich dabei leidenschaftlich gegen die Verschmutzung und die Überfischung der Weltmeere ein - und er lässt damit ein Leitmotiv in Elisabeth Manns Leben wieder anklingen: das Interesse an den Meeren.
Sie ist von Pardos Plänen begeistert und lädt ihn nach Santa Barbara ein. Gemeinsam arbeiten sie einen Entwurf für eine Seerechtsverfassung aus. Auch privat ist die nun über 50-Jährige von dem streitbaren Antifaschisten angetan, der für seine Überzeugungen im Gefängnis saß und - überraschenderweise - nur wenig älter als sie ist. Wieder gehen Liebe und Arbeit Hand in Hand. Doch der in Europa verheiratete Pardo verlässt seine Frau nicht, Elisabeth Mann sieht ihn nur etwa dreimal pro Jahr auf Kongressen.
Die gemeinsame Arbeit trägt Früchte: Nach 14-jährigem Kampf für die Seerechtskonvention wird sie 1982 von 159 UN-Staaten ratifiziert. Zwar erklären sie nicht - wie von Pardo ursprünglich gefordert - die gesamten Ozeane zum "Gemeinsamen Erbe der Menschheit", aber den Tiefseeboden und seine Ressourcen. Außerdem wird die Souveränität der Küstenstaaten begrenzt.“ 30)
Thomas Mann und Homosexualität
Thomas Mann verbarg seine homoerotischen Neigungen. Kurz vor seiner Hochzeit mit Katia Pringsheim war er in den jungen Maler Paul Ehrenberg verliebt gewesen. Doch dieser erwiderte seine Liebe nicht. „Schon in der Lübecker Zeit hatte er seine Neigung entdeckt, es waren immer blonde, heterosexuelle Männer, die ihn anzogen. (…) Thomas Manns Heirat mit Katia Pringsheim im Jahre 1904 gab ihm, wie er einmal sagte, "eine Verfassung" - aber seine Sehnsucht nach dem männlichen Körper blieb bestehen,“ 31) schreibt Marianne Krüll in ihrem Artikel über Thomas Mann.
1922 unterschrieb Thomas Mann die Hirschfeld-Petition zur Abschaffung des § 175. Anlässlich seines 50. Todestag 2005 zeigte das „Schwules Museum“ in Berlin eine Ausstellung über Thomas Mann. Der Kurator Wolfgang Theis schreibt dazu: Thomas Mann: „war, wie kaum ein anderer Schriftsteller des 19. und 20. Jahrhunderts, eine Identifikationsfigur für homosexuelle Männer. (…) Thomas Manns Homosexualität war dem gebildeten Urning nicht verborgen geblieben. Seine 1912 erschienene Novelle Tod in Venedig ist fester Bestandteil des schwulen Bildungskanons. Thomas Mann hat seine Homosexualität nie ausgelebt, sondern sublimiert. Dieser Kulturleistung ist ein umfangreiches Werk voller Anspielungen und Verweise zu verdanken. Vor allem in Zeiten gesellschaftlicher Unterdrückung diente dieses Werk der Selbstversicherung homosexueller Identität.
(…). Gleich drei seiner Kinder: Erika, Klaus und Golo teilten sein eigenes Triebschicksal, lebten es aber, anders als der Vater, mehr oder weniger öffentlich. In diesem familiären Spannungsfeld entstand ein umfangreiches erzählendes und essayistisches Werk, das sich auch immer wieder mit der Homosexualität auseinandersetzt. (…).“ 32)
Erwin in het Panhuis schreibt über Thomas Manns Homosexualität: „Seine Schwärmereien für Jünglinge bzw. junge Männer fanden auch in seinem literarischen Werk ihren Niederschlag, wie in ‚Buddenbrooks‘ (Hanno Buddenbrook / Kai Graf Mölln), ‚Tonio Kröger‘ (Tonio Kröger / Hans Hansen) und ‚Der Zauberberg‘ (Hans Castorp / Pribislav Hippe). In seiner Novelle ‚Der Tod in Venedig‘ (1911) (…) sind die homoerotischen Aspekte in der Beziehung zwischen Gustav von Aschenbach und Tadzio von zentraler Bedeutung.
Seine homoerotischen Vorlieben, die Thomas Mann vermutlich nie ausgelebt hat, wurden posthum auch durch seine Briefe und Tagebücher deutlich. Sie veranschaulichen, dass er der Liebe zu jungen Männern eine zentrale Bedeutung in seinem Leben beigemessen hat. (…).“ 33)
Erwin in het Panhuis zitiert in seinem Artikel über Thomas Mann einen Brief, den dieser am 4., Juni 1920 an den befreundeten Schriftsteller und Lehrer Carl Maria Weber (1890-1953) schrieb und in dem sich Thomas Mann über seine homosexuellen Neigungen äußert: „Ich bin […] Familienvater von Instinkt und Überzeugung. Ich liebe meine Kinder […], – da haben Sie den Bürger[lichen]. Soll nun aber vom Erotischen, vom unbürgerlichen, geistig-sinnlichen Abenteuer die Rede sein, so stellen die Dinge sich doch ein wenig anders da. [Zum] Problem des Erotischen [habe ich] Andeutungen gemacht an einer Stelle, wo man es nicht hätte erwarten sollen [in den ‚Betrachtungen eines Unpolitischen‘]. Zwei Welten, deren Beziehung erotisch ist, 'ohne daß die Geschlechtspolarität deutlich wäre', ohne daß die eine das männliche, die andere das weibliche Prinzip darstellte […]. Der Geist, welcher liebt, ist nicht fanatisch, er ist geistreich, er ist politisch, er wirbt […]. Sagen Sie mir, ob man sich besser 'verraten' kann. Meine Idee des Erotischen […] ist hier vollkommen ausgedrückt. […] was liegt hier anderes vor, als die Übersetzung eines [der] schönsten Liebesgedichtes der Welt ins Kritisch-Prosaische, des Gedichtes, dessen Schlußstrophe beginnt: 'Wer das Tiefste gedacht, liebt das Lebendigste'. Dies wunderbare Gedicht enthält die ganze Rechtfertigung der in Rede stehenden Gefühlsrichtung und die ganze Erklärung dafür, die auch die meine ist. (…).‘ (…)
In Bezug auf Homoerotik findet Thomas Mann keine direkten bzw. deutlichen Worte und verwendet Ausdrücke wie ‚Dinge‘, "der in Rede stehenden Gefühlsrichtung, ‚Gegenstand‘ und ‚Problem‘. Diese geschwurbelte Sprache lässt sich mit etwas gutem Willen als kreativ, aber ebenso als ängstlich und sprachlich gehemmt bezeichnen. Dabei gilt ausgerechnet der Verfasser dieser Zeilen (zu Recht) als einer der bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, der für seine Fähigkeit, sich schriftlich auszudrücken, einen Nobelpreis für Literatur bekam. (…).“ 34)
Thomas Mann und Antisemitismus
Der Historiker Felix Sassmannshausen schreibt in seinem für das Land Berlin verfassten Dossier über Straßen- und Platznamen mit antisemitischen Bezügen in Berlin: „Mann formuliert insbesondere in seinen früheren Jahren antisemitische Motive in seinen Schriften und Aufsätzen. In einem Streit mit Theodor Lessing bediente Mann sich offen antisemitischer Ressentiments. Allerdings wandelte er sich im Verlauf der NS-Herrschaft zu einem Gegner des Antisemitismus.“ 35) Sassmannshausen gibt als Handlungsempfehlung für den Umgang mit diesem Straßennamen: „Digitale Kontextualisierung.“ 36)