Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Hallerstraße

Rotherbaum (1868): Dr. Nicolaus Ferdinand Haller (21.1.1805 Hamburg – 10.10.1876 Hamburg), Jurist, Bürgermeister von Hamburg, gewählt 1863.


Siehe auch: Hallerplatz
Siehe auch: Martin-Haller-Ring
Siehe auch: Heckscherstraße
Siehe auch: Arningkai

Unter der Herrschaft der Nationalsozialisten wurde die Hallerstraße 1938 umbenannt in Ostmarkstraße. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wurde der Platz 1945 rückbenannt in Hallerstraße. Dazu erläutert die Historikerin Inge Grolle: „Die nationalsozialistische Propaganda machte sich die symbolische Wirkung von Straßennamen zunutze. Schon 1933 wurde der Hamburger Rathausmarkt in Adolf Hitler-Platz umbenannt, die Bebelallee in Adolf-Hitler-Straße. Die Straßenschilder mit Namen von politischen Gegnern wurden durch solche ersetzt, die Helden der nationalsozialistischen Bewegung ehrten. Auch nach Juden benannte Straßen sollten umgewidmet werden. Dazu gehörten die Straße sowie der Platz und die U-Bahn-Station, die den Namen ‚Haller‘ trugen. Sie hießen nach Nicolaus Ferdinand Haller (1805–1876). Der aus einer jüdischen Familie stammende, christlich getaufte Haller war 1844 als erster Hamburger jüdischer Herkunft in den Senat und später zum Bürgermeister gewählt worden. Obwohl bürgerlich christlich akkulturiert, blieb sich Ferdinand Haller zeitlebens seiner jüdischen Wurzeln bewusst. Als 1868 eine neue wichtige Hamburger Straße nach ihm benannt wurde, konnte er darin eine persönliche Anerkennung durch die Stadt Hamburg und eine Krönung seines Lebenswerkes sehen.“ 1)

Über den Standort der Hallerstraße und des Hallerplatzes und deren Bedeutung schreibt Inge Grolle: „In der sogenannten Gründerzeit Ende des 19. Jahrhunderts gewann die Stadt Hamburg wertvolles Bauland durch die Umnutzung der ehemaligen Ländereien des Klosters Harvestehude. In die dort entstehenden Villen und geräumigen Etagenhäuser zogen viele Juden, die dank der Verfassung von 1860 Freizügigkeit genossen und so die Enge ihrer jüdischen Quartiere in der Innenstadt verlassen konnten. Die Hallerstraße bildete die südliche Grenze zwischen dem vornehmen Viertel Harvestehude und dem volkstümlich jüdisch geprägten Grindel. Bei der Hausnummer Hallerstraße 72, (…) zweigten die etwa 15 Häuser des Hallerplatzes ab, im Westen kreuzte die Hallerstraße die zum Dammtor führende Rothenbaumchaussee. An dieser Stelle entstand 1926 an der Linie 1 der neue U-Bahnhof Hallerstraße. So symbolisierte der Name ‚Haller‘ in Hamburg einen städtischen Schnittpunkt für Verkehr und Kommunikation.“ 2)
Welche Bedeutung der Name Haller in der Stadt Hamburg hatte darüber äußert Inge Grolle: „Das Gewicht dieses Namens wurde noch verstärkt durch die hervorragende Bedeutung des Sohnes von Ferdinand, des Architekten Martin Haller, der maßgeblich beteiligt war am Bau des neuen Rathauses, der Musikhalle und vieler vornehmer Villen. Nach ihm wurde 1929 der Martin-Haller-Ring am Rande der Jarrestadt benannt. Die Eliminierung des Namens ‚Haller‘ und sein Ersatz durch ‚Ostmark‘, wie Österreich seit dem ‚Anschluss‘ ans Deutsche Reich im März 1938 genannt wurde, war so spektakulär, dass die Presse sogar mit einem Foto davon Kenntnis gab.“ 3)

1071 Nicolaus Ferdinand Haller
Nicolaus Ferdinand Haller; Quelle: gemeinfrei, via Wikimedia Commons

Nicolaus Ferdinand Haller war der Sohn von Martin Joseph Haller, Richter und Gründer eines Bank- und Warengeschäftes, später Bankhaus Haller, Söhne & Co. in Hamburg und Elisabeth, geb. Gottschalk.
Verheiratet war er mit Phillipine Adele Oppenheimer (8.1.1807 Hamburg – 20.5.1873 Hamburg), Tochter des Hamburger „Kaufmanns und Teilhabers des Bankhauses Heckscher & Co. Jacob Amschel Oppenheimer (1778–1845) und seiner Frau Esther, geb. Heckscher, einer Tante von Johann Gustav Heckscher [Heckscherstraße].“ 4) Über Adele Oppenheimer schreibt Karin von Behr in ihrem Buch über Martin Haller (Martin-Haller-Ring), dem Sohn,: Adele ist „obwohl sie keine Schule besucht hat, eine kulturell und literarisch gebildete Frau, die auch selbst schreibt. Sie profitiert vom Hausunterricht ihrer Brüder und bringt sich, was sie interessiert, selbst bei. Trotz ihrer zarten Konstitution steht sie sieben Schwangerschaften durch. Zwei ihrer Kinder sterben in jungen Jahren.“ 5)
Nicolaus Ferdinand Haller studierte Jura in Heidelberg und Göttingen und war nach dem Studium mit Abschluss zum Dr. jur. ab 1827 als Rechtsanwalt in Hamburg tätig. Sein Schwerpunkt war Handelsrecht.

Als ehetauglich wurde Haller sowohl von seinem Vater als auch vom Vater der Braut erst dann angesehen, als er finanziell so gestellt war, dass er eine Familie standesgemäß ernähren konnte. Deshalb gab es auch eine vierjährige Verlobungszeit (1827-1831) mit Adele Oppenheimer, die vor der Öffentlichkeit geheim gehalten wurde. Als es dann ans Heiraten ging, wurde von den beiden Vätern ein Ehevertrag aufgesetzt.

Die Familien Haller und Oppenheimer waren miteinander entfernt verwandt. Adele Oppenheimer, die befreundet war z. B. mit Amalie Sieveking (Amalie-Sieveking-Weg) und Emma Poel (Emma-Poel-Straße), war im Gegensatz zu ihrem Vater mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern vom jüdischen zum lutherischen Glauben konvertiert.
Nach der Geburt des ersten Kindes erlitt Adele Haller eine postpartale Depression, die sie während einer Kur in Bad Kissingen zu kurieren versuchte. Dass es sich um diese Erkrankung handelte, war weder Adele Haller noch ihrer Umgebung bewusst. Ihr Krankheitsbild zeigte sich durch Nervosität und allgemeine Schwäche. Von ihrer Umgebung wurde ihre Erkrankung „als exzentrischer Spleen einer verwöhnten Frau abgetan, der es nach materiellen Aspekten zu gut ging 6)“ schreibt Claudia Schnurmann.

1844 wurde Haller Mitglied des Hamburger Senats, ab 1860 Finanzsenator und dann 1863, 1864, 1866, 1867, 1870 und 1873 Erster Bürgermeister sowie 1869, 1872 und 1875 Zweiter Bürgermeister von Hamburg. Damals wechselten gemäß damaliger Hamburger Verfassung jährlich die Bürgermeister.

„In den letzten Lebensjahren erfuhr H. viele schwere Prüfungen und neben dem Verluste seiner Gattin auch eigene körperliche Leiden schmerzhaftester Art. Zeitweise durch Gicht völlig gelähmt, verließ ihn indessen auch auf dem Krankenlager niemals die ihm angeborene Frische seines regen Geistes. Vom Bette aus hielt er Vorträge, ertheilte Rathschläge, dictirte Denkschriften und ließ in einsamen Stunden seinen selten schlummernden Humor in witzigen Epigrammen und heiteren Scherzgedichten aussprudeln, die er dann wohl den besuchenden Freunden lächelnd recitirte. Sobald er sich jedoch von seines Uebels Unheilbarkeit überzeugt hatte, bat er, jüngeren Kräften willig weichend, um Entlassung von seinem länger als 30 Jahre mit Eifer und Freudigkeit geführten Amte,“ 7) schreibt Otto Beneke. 1876 schied er aus dem Senats aus und verstarb im selben Jahr.