Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Kümmellstraße

Eppendorf (1932): Prof. Dr. Hermann Friedrich August Paul Kümmell (22.5.1852 Korbach/Waldeck – 19.2.1937 Hamburg)
Leitender Oberarzt am Allgemeinen Krankenhaus Eppendorf


Siehe auch: Schedestraße

Hermann Kümmell war der Sohn von Dorothea Wilhelmine Karoline Kümmell, geborene Krüger und des Apothekers Friedrich Hugo Hermann Kümmell. Dieser starb, als Hermann Kümmell 15 Jahre alt war.

Nach dem Abitur studierte Kümmell von 1872 bis 1877 Medizin und wurde nach Studienende Arzt in Bad Soden. Über den weiteren Berufsweg Kümmells schreibt Kai Sammet: „1879 wechselte Kümmell an das erste Berliner Städtische Krankenhaus Friedrichshain, wo er anfänglich in der inneren Abteilung, sodann in der chirurgischen Abteilung unter Max Schede [siehe: Schedestraße] arbeitete, mit dem er 1880 nach Hamburg an die chirurgische Abteilung des Alten Allgemeinen Krankenhauses St. Georg kam. 1883 übernahm er die Leitung der chirurgischen Abteilung des Marienkrankenhauses (…).“1)

Nun Leiter einer chirurgischen Abteilung heiratete Kümmell 1889 im Alter von 37 Jahren die damals 23jährige Marie Cramer (25.8.1866 Hamburg – 9.9.1943 Freiburg/Breisgau). Kennengelernt hatte er sie, als er in ihrem Elternhaus ihren Schwager ärztlich behandelte.

Das Paar bekam drei Kinder (geboren: 1890, 1891, 1894). Kerstin Quelle schreibt in ihrer Dissertation über Hermann Kümmell auch über seine Ehefrau: „Nach der Schilderung des Sohnes Hermann war Marie Kümmell eine kluge, gebildete, künstlerisch begabte und mit ausgleichendem Temperament gesegnete Frau, das Musterbild einer Professorengattin, die ihren vielbeschäftigten Mann in allem unterstützte und ihm den Rücken freihielt, aber als Tochter aus großbürgerlichem Haus auch die gesellschaftlichen Pflichten, die mit der Stellung ihres Mannes einhergingen, perfekt meisterte.

Die junge Frau übernahm nicht nur die Rolle der Hausfrau und bald auch der Mutter, sie diente ihrem Mann auch als vielbeschäftigte Privatsekretärin. In dieser Eigenschaft hatte sie großen Anteil an der Veröffentlichung von Kümmells zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten, indem sie für seine Manuskripte alle anfallenden Schreibarbeiten erledigte, die erforderlichen Zeichnungen technischer Vorgänge anfertigte und sich um die termingerechte Drucklegung kümmerte. (….) Ebenfalls begleitete Marie ihren Mann auf Kongresse und war ihm besonders im Ausland wegen ihrer Mehrsprachigkeit eine ‚unentbehrliche Stütze‘ und ‚repräsentative Begleitung‘. (…)

Auch bei seinem Hobby, der Familienforschung, konnte Kümmell auf ihre Mitarbeit zählen. So zeichnete sie Wappen, entzifferte alte Kirchenbücher, trug Daten und Fakten zusammen und ordnete Rechercheergebnisse ein. Eine weitere Leidenschaft ihres Mannes war die ständige Verbesserung von Wohn- und Arbeitsräumen durch Um- und Ausbauten, (…). Hier übernahm sie bei den privaten Projekten sogar die Führung, indem sie Baupläne zeichnete und Lösungen für innenarchitektonische Probleme erdachte. (…)
Ihr künstlerisches Talent lebte sie besonders auf dem Gebiet der Porzellanmalerei aus (…).“ 2)

Und Kümmell machte weiter berufliche Karriere. Als er Vater von drei kleinen Kindern war, wurde er 1895 „Nachfolger Schedes als Leiter der I. Chirurgischen Abteilung im Neuen Allgemeinen Krankenhaus in Eppendorf.“ 3)
In der Deutschen Biographie steht über Kümmells weiteren Lebensweg: „Aufgrund seiner Verdienste um die Chirurgie wurde er 1907 mit dem Titel eines preuß. Professors ausgezeichnet. Im Weltkrieg diente er als Generalarzt des IX. Armeekorps. Nachdem er an der Errichtung der Univ. Hamburg tatkräftig mitgewirkt hatte, wurde er 1919 zum Ordinarius für Chirurgie berufen. Im gleichen Jahr war er der erste Dekan der neuen Med. Fakultät und 1921/22 auch Rektor der Universität.“ 4) Den Lehrstuhl hatte er bis 1923 inne.

In der Chirurgie hatte sich Kümmell besonders der urologischen Chirurgie sowie der Rückenmarks- und Gallenblasenchirurgie zugewandt. „Nur zwei Monate nach Wilhelm Conrad Röntgens [siehe: Röntgenstraße] Entdeckung schaffte er für das Eppendorfer Krankenhaus einen eigenen Röntgenapparat an. In der klinischen Medizin spricht man noch heute vom Kümmell-Punkt, einer druckschmerzhaften Stelle am Unterbauch bei Vorliegen einer Blinddarmentzündung,“ 5) so Kai Sammet.

1889 war Kümmell der erste Chirurg, der mit Erfolg eine Blinddarmoperation mit Bauchschnitt durchführte.

Jost Benedum weist in der Neuen Deutschen Biographie noch auf eine weitere Neuerung hin, die durch Kümmell eingeführt wurde: „K.s Ausbildungszeit fällt mit der antiseptischen Ära zusammen, und so fesselten ihn am Beginn besonders Fragen der Wundbehandlung, die ihn mit Arbeiten über die Einführung des Sublimats, der Luft- und Kontaktinfektion, der Sterilisation der Hände und der Verbesserung der Verbandtechnik zur Ausarbeitung der Aseptik führten. Ergebnis war u. a. seine Mahnung zu schnellem Operieren und zur Beschränkung auf wenige Hände, die mit der Wunde und den Instrumenten in Berührung kamen“ 6)

Neben seiner ärztlichen Arbeit war Kümmell auch politisch aktiv. In ihrer Dissertation über Hermann Kümmell befasst sich Kerstin Quelle auch mit Kümmells politischer Einstellung. Kümmell vertrat eine „patriotistische und monarchistische Überzeugung“, eine „kaisertreue vaterländische Gesinnung“ und „fühlte sich durch die Weltkriegsniederlage Deutschlands und die einschneidenden gesellschaftlichen Veränderungen durch die Abschaffung der Monarchie tief betroffen. (…). Kümmell wird (..) als Mitglied des 1891 gegründeten Alldeutschen Verbandes geführt, wann er dort eingetreten ist, war leider nicht mehr zu ermitteln. Die Vereinigung verfolgte laut Satzung deutsch-nationale Ziele wie die ‘Belebung des vaterländischen Bewußtseins‘, Förderung der Bildung ‚im Sinne des deutschen Volkstums‘, die ‚Pflege und Unterstützung deutsch-nationaler Bestrebungen‘ im Ausland und die Förderung deutscher Interessenpolitik, insbesondere der Kolonialbewegung. (…).“ 7)

Im Alldeutschen Verband waren Ärzte besonders stark vertreten, so auch der Direktor des Allgemeinen Krankenhauses Eppendorf, Hermann Lenhartz (siehe: Lenhartzstraße) und der Hafenarzt Bernhard Nocht (siehe: Bernhard-Nocht-Straße).

Kerstin Quelle schreibt weiter über Kümmels politisches Engagement: „Da seinem ausgleichenden Charakter das Extreme fernlag, dürfte er als klassischer Nationalkonservativer jedenfalls die zunehmende Hinwendung der Alldeutschen zur ‚völkisch-antisemitischen‘ Ideologie kaum mitgemacht haben. Auch in den direkt nach Kriegsende gegründeten Hamburger Nationalklub von 1919 trat Kümmell ein; Eintrittsdatum und Dauer seiner Mitgliedschaft sind nicht bekannt. Der Nationalklub war ein nationalistischer Herrenclub, dessen Mitglieder die Revolution von 1918 wie auch die Weimarer Republik ablehnten und sich die alte Ordnung zurückwünschten. (…) Schon früh wurden Kontakte zu den Nationalsozialisten geknüpft. Adolf Hitler erhielt Einladungen, ebenso Joseph Goebbels.

Parteipolitisch standen die meisten Mitglieder sowie der Vorstand der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) nahe. Auch Kümmell wandte sich dieser Partei zu. (…) Die DNVP, die kurz vor dem Hamburger Nationalklub von 1919 entstanden und aus verschiedenen älteren konservativen Parteien hervorgegangen war, bildete eine Art Sammelbecken der Republikgegner, die eine Revision des Versailler Vertrages verlangten und sich für die Wiederherstellung der Monarchie einsetzten. Nach der Abspaltung ihres radikal völkisch-antisemitischen Flügels im Jahr 1922 schlug die Partei einen gemäßigteren Kurs ein, auch wenn sich in ihrem Programm weiterhin rassistische Elemente fanden, und beteiligte sich 1925 sogar erstmals an der Reichsregierung. Vermutlich war es diese Annäherung an den republikanischen Staat, die Kümmell als staatstreuen Patrioten bewog, im selben Jahr in die DNVP einzutreten, mit deren nationalistischer Programmatik er grundsätzlich sympathisierte. Ebenso hatte es vermutlich mit dem erneuten Vordringen des Antisemitismus, den er ablehnte, und der Radikalisierung der Partei zu tun, daß Kümmell bereits fünf Jahre später wieder austrat, nachdem die Partei seit 1928 unter dem Industriellen und Medienmogul Alfred Hugenberg (1865-9 1951) in eine die Zerstörung der Republik anstrebende ‚Führerpartei‘ umgeformt und die gemäßigten Kräfte aus ihr verdrängt worden waren. Wie beim Alldeutschen Verband begnügte sich Kümmell auch in der DNVP offenbar mit der passiven Mitgliedschaft.“8)

Kerstin Quelle geht auch auf Kümmells Unterzeichnung des „Bekenntnisses der deutschen Professoren an den Deutschen Universitäten und Hochschulen ein und interpretiert diesen Akt wie folgt: „Der Name Kümmell erscheint auch in der nicht eindeutigen Form ‚Prof. Dr. Kümmell‘ unter den Unterzeichnern des „Bekenntnisses der Deutschen Professoren an den Deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat“ vom 11. November 1933, unter denen die Hamburger Hochschullehrer sehr stark vertreten waren. Dieses ‚Bekenntnis‘ sollte die Unterstützung der Akademiker Deutschlands zum Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund zeigen. Allerdings gibt es Zweifel an der Authentizität der Unterschriften, zumal es an zuverlässigen Quellen über das Zustandekommen der Liste, die unter großem Zeitdruck aufgestellt wurde, fehlt. (…) unsicher ist in unserem Fall überdies, ob sich der Name auf der Liste tatsächlich auf den Chirurgen Hermann Kümmell sen. bezog, der zu diesem Zeitpunkt schon seit zehn Jahren emeritiert war; allerdings befindet sich auch Bernhard Nocht [siehe: Bernhard-Nocht-Straße], gleichfalls seit einigen Jahren emeritiert, unter den Unterzeichnern. Theoretisch kämen aber sowohl Kümmells Sohn Hermann jun. als auch sein Neffe Richard in Frage, da sie zu dieser Zeit beide gleichfalls ‚Professor in Hamburg‘ waren. Die Publikation des ‚Bekenntnisses‘, die zunächst eine Anzahl von Ansprachen widergibt, endet mit einem ‚Ruf an die Gebildeten der Welt‘, auf den sich vermutlich die Unterschriften beziehen. Diesem Appell mit dem Tenor, ‚... man möge doch dem deutschen Ringen um diese ‚Freiheit, Ehre, Recht und Frieden‘ Verständnis entgegenbringen ..‘, hätten damals durchaus viele zustimmen können, betont Hans Fischer 1991, wenn man die Erwähnung von Adolf Hitler nur als Hinweis auf den Mann interpretierte, der das deutsche Volk ‚geeint‘ habe. Daß Kümmell jedenfalls mit der Verfolgung jüdischer Mitbürger durch die Nationalsozialisten nicht einverstanden war, zeigt sein oben erwähnter Rücktritt vom Vorstand des Hamburger Ärztlichen Vereins 1933 bei einer antijüdischen Satzungsänderung.“9)

Nach der Machübernahme durch die Nationalsozialisten trat Kümmell nicht der NSDAP bei. Weder in der NSDAP-Zentralkartei noch in der NSDAP-Gaukartei des Berlin Document Center im Bundesarchiv findet sich eine auf Kümmell ausgestellte Mitgliedskarte, sodass sich eine Parteimitgliedschaft darüber nicht nachweisen lässt.
Kümmell wurde in seiner Heimatstadt Krobach 1920 zum Ehrenbürger ernannt.