Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Max-Pechstein-Straße

Billstedt (1971): Max Pechstein (31.12.1881 Zwickau – 29.6.1955 Berlin), Maler.


Max Pechstein war der Sohn der Büglerin Lina Pauline Pechstein, geborene Richter und des Appreturarbeiters in einer Textilfabrik Hermann Franz Pechstein.

Nach dem Besuch der Bürgerschule erlernte Max Pechstein von 1896 bis 1900 das Handwerk des Dekorationsmalers, anschließend studierte er von 1900 bis 1903 an der Kunstgewerbeschule Dresden, ab 1903 an der Königlich Sächsischen Akademie der bildenden Künste.

Konstanze Rudert schreibt in ihrem Porträt über Max Pechsteins beruflichen Werdegang u. a.: „1906 beteiligte er sich an der III. Deutschen Kunstgewerbeausstellung in Dresden, wo er von den Architekten William Lossow und Max Hans Kühne mit der Wanddekoration für einen Brunnen und für einen Altar beauftragt wurde; dafür entwarf er mehrere Wand- und Deckenbilder. Hier lernte er auch die Gründungsmitglieder der Künstlergemeinschaft ‚Brücke‘ kennen und trat der Gruppe schon im Mai 1906 bei. (…) 1908 (…) eröffnete [er] in Berlin sein erstes Atelier am Kurfürstendamm 152, wo er im Auftrag des Architekten Bruno Schneidereit Fassaden- und Innendekorationen ausführte.“ 1)

In dieser Zeit lernte er im Winter 1908/1909 Charlotte (Lotte) Kaprolat (1893-1955) im Berliner Atelier des Bildhauers Georg Kolbe (1877-1947) kennen, dem sie Modell stand. Sie wurde auch Pechsteins Modell und dann Lebensgefährtin. „Von 1909 bis 1920 war sie Pechsteins beliebtestes Modell. Sie ist auf seinen Werken unter anderem leicht daran zu erkennen, dass Pechstein sie als eine etwas füllige Erscheinung mit wulstigen Lippen und ausgeprägten Tränensäcken darstellte. Nicht nur auf vielen Zeichnungen aus den Jahren 1909–1910 blieb Lotte unerkannt, sondern sogar auf dem ‚Doppelbildnis‘, auf dem Pechstein Lotte als seine, ihm zugehörige Frau präsentiert. Sich selbst und Lotte in bürgerlicher Kleidung darstellend, demonstrierte Pechstein – heute wie damals verständlich – alleine durch die gleichgearteten Hüte seine tiefe Verbundenheit mit Lotte. Pechsteins Blick und die helle Farbgebung des Bildes vermitteln dem Betrachter darüber hinaus eine heitere Ausgeglichenheit und den seelischen Einklang eines Liebespaares.“2)

Bevor Pechstein 1911 die Ehe einging, wurde er: „Mitglied der ‚Berliner Secession‘ (1909) und beteiligte sich an deren Ausstellungen (…). Die Sommermonate verbrachte er wiederholt im ostpreußischen Nidden (lit. Nida). Als seine Bilder 1910 von der ‚Berliner Secession‘ abgelehnt wurden, gründete er mit Gleichgesinnten einen ‚Salon der Zurückgewiesenen‘, der die Keimzelle der ‚Neuen Secession‘ wurde, an deren Ausstellungen sich fortan auch die anderen ‚Brücke‘-Künstler beteiligten. In den Sommermonaten 1910 besuchte P. zunächst Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff [siehe: Schmidt-Rottluff-Weg] in Dangast bei Varel, bevor er sich dann im Juli gemeinsam mit Heckel und Kirchner zu einem ausgedehnten Studienaufenthalt in Moritzburg zusammenfand,“ 3) schreibt Konstanze Rudert

Nach der Hochzeit im Frühjahr 1911 begab sich das Paar auf eine Italienreise. „Als die übrigen ‚Brücke‘-Künstler auch nach Berlin übergesiedelt waren, gründete P. gemeinsam mit Kirchner [siehe: Kirchnerweg] das MUIM-Institut (Moderner Unterricht in Malerei), das jedoch wirtschaftlich scheiterte. 1912 stattete er den Speiseraum der Villa Perls, ein Werk des Architekten Mies van der Rohe, mit Wandbildern aus; es folgten noch mehrere Ausstellungen mit der ‚Brücke‘, u.a. gemeinsam mit dem ‚Blauen Reiter‘ in München und in Herwarth Waldens Berliner ‚Sturm‘-Galerie. Als die ‚Brücke‘ Ende 1912 aus der ‚Neuen Secession‘ austrat, um fortan nur noch gemeinsam als Gruppe auszustellen, hielt sich P. jedoch nicht daran. Es kam zum Zerwürfnis und P. schied aus der Künstlergruppe aus.“ 4)

Ein Jahr nach der Geburt des Sohnes Franz reiste Max Pechstein 1914 mit seiner Frau in die Südsee auf die Palauinseln, seit 1899 eine Kolonie des damaligen Deutschen Kaiserreichs. Es lag nicht in Pechsteins Vorstellungkraft, den Kolonialismus dort kritisch zu sehen. Er und seine „Brücke“ Künstlerkollegen übten Kritik an der modernen, westlichen Zivilisation und wollten dieser entfliehen, indem sie Orte fanden, wo die Einheit von Mensch und Natur nach ihrer Vorstellung noch gegeben war – für Max Pechstein in den deutschen Südsee-Kolonien. Eine 2021/2022 im Berliner Brücke-Museum gezeigte Ausstellung unter dem Titel "Whose Expression? Die Künstler der Brücke im kolonialen Kontext“ fragte „nach den Verflechtungen der Brücke-Künstler mit dem deutschen Kolonialismus (…). Die Ausstellung zeigt[e] unter anderem die Faszination der Künstler für Objekte, die aus den Kolonien in das Deutsche Reich geschafft wurden, wie zum Beispiel ein verzierter Dachbalken eines ‚Männerhauses‘, wie sie auf den Palau-Inseln üblich waren und der heute noch im Dresdner Museum für Völkerkunde ausgestellt wird.“ 5)

Matthias Beckonert äußert in seinem Artikel „Expressionismus und Kolonialismus. Anfang des 20. Jahrhunderts suchten Maler wie Emil Nolde oder Max Pechstein in den deutschen Kolonien nach Ursprünglichkeit. Von der Ausbeutung erzählen die Bilder nichts“: „Als der Expressionismus seine Erfolge feierte, war das Deutsche Kaiserreich mit seinen Kolonien in Afrika, Asien und dem Pazifik eine der wichtigsten Kolonialmächte der Welt. Und das stellte man in der Heimat stolz zur Schau. Etwa in den sogenannten Völkerschauen, in denen Kolonialisierte in Zoos auftraten, was sich die Brücke-Künstler gemeinsam anschauten, oder in den stetig anwachsenden Kolonialsammlungen der Völkerkundemuseen in Dresden und Berlin, wo die Künstler Dauergäste waren - vor allem deshalb, weil sie in den indigenen Kulturgütern die ursprünglichste Form der Kunst vor sich glaubten. (…) Während die Kolonialmächte sich an der Spitze der Zivilisation sahen, wiesen sie den kolonisierten Völkern den Status der Primitiven zu. Für die Brücke-Künstler war eben jener vermeintlich primitive und daher in ihren Augen ursprüngliche Ansatz der Grund, deren Kunst so intensiv zu studieren und deren Ästhetik in eigenen Kunstwerken zu imitieren (…).“ 6)

Auch Max Pechstein und Emil Nolde (siehe: Noldering) hatten keinen kritischen Blick auf den Kolonialismus, durch den die indigene Bevölkerung ausgebeutet und degradiert wurde. Dazu äußert Matthias Beckonert : „Die Handels- und Kriegsschiffe in den Häfen, die Telegraphenleitungen in der Landschaft oder die zum Arbeitsdienst gezwungenen Indigenen passten nicht zu der künstlerischen Suche nach Ursprünglichkeit, also wurden sie auf den Gemälden auch nicht abgebildet. (…)

Das Ehepaar Pechstein schien den kolonialen Kontext sogar aus ihrem Alltag auszublenden. Nach der luxuriösen Überfahrt auf dem Kreuzfahrtschiff zu den Palau-Inseln beschwerte sich Lotte Pechstein in ihrem Tagebuch vor allem über das drückende Klima und ihre Langeweile, und als die Japaner 1914 im Zuge des ausgebrochenen Ersten Weltkriegs die Inseln besetzen, zeigten Lotte und Max Pechstein sich überrascht und enttäuscht, dass die Indigenen sich nicht auf die Seite der Deutschen stellten.“6)

Max Pechstein hatte mit seiner Frau geplant, zwei Jahre auf der Südseeinsel zu verbleiben, doch es wurden nur sechs Wochen daraus, denn dann begann der Erste Weltkrieg.

„Nach seiner Rückkehr Ende 1915 wurde er in Zwickau zum Kriegsdienst eingezogen, (…). Bereits 1917 gelang es ihm mit Unterstützung von Freunden vorzeitig aus dem Kriegsdienst auszuscheiden und nach Berlin zurückzukehren. (…). Als Bekenner zur Novemberrevolution gründete er 1918 mit Heinrich Richter-Berlin, Cesar Klein [siehe: Cesar-Klein-Ring], Georg Tappert, Erich Mendelsohn, Fritz Belling und Moritz Melzer die ‚Novembergruppe‘ und wurde als Mitbegründer des Arbeitsrats für Kunst aktiv. (…) Im Oktober 1922 wurde er zum Mitglied der Preußischen Akademie der Künste berufen. Im Jahr darauf lernte P. seine zweite Frau [Marta Möller (1905-1976)] in Leba kennen, die er im September desselben Jahres heiratete und mit der er die Zeit bis zum Frühjahr 1925 überwiegend in der Schweiz und in Italien verbrachte.“7) 1926 wurde der zweite Sohn Max geboren.

Über Max Pechsteins Verhalten und Leben während der NS-Zeit gibt es unterschiedliche Ausführungen. So heißt es in der Neuen Deutschen Biografie: „1937 wurden 326 seiner Werke als ‚entartet‘ aus den deutschen Museen entfernt und gelten seither großenteils als verschollen. Am 6. Sept. desselben Jahres wurde P. wegen seiner prokommunistischen Haltung (Mitgl. in d. ‚Liga f. Menschenrechte‘ u. im ‚Bund d. Freunde d. Sowjetunion‘) aus der Akademie der Bildenden Künste in Berlin ausgeschlossen. Er zog sich bis 1945 fast völlig nach Leba zurück, wo er von Verkäufen seiner Werke im Ausland lebte. Nach Volkssturmeinsatz und Reichsarbeitsdienst geriet er mit seiner Frau kurzzeitig in russ. Kriegsgefangenschaft, bis er 1945 in sein zerstörtes Berliner Atelier zurückkehren konnte. Noch im selben Jahr wurde er wieder als Lehrer an die Hochschule der Bildenden Künste in Berlin zurückgeholt, starb jedoch, bevor eine breite Rezeption seines stark dezimierten Werkes begann.“ 8)

In Wikipedia steht zu Pechsteins Verhalten dem Nationalsozialismus gegenüber: „1933 wurde Pechstein seines Lehramtes enthoben. (…). Insgesamt bemühte sich Pechstein, während der Zeit, als die NSDAP ihre Herrschaft festigte, nicht aufzufallen. Bereits im März 1933 wurde der Vorwurf laut, Pechstein sei Jude. Diese Anschuldigung wurde von Emil Nolde [siehe: Noldering] gegenüber einem Beamten erhoben. Dies versuchte er mit einer Dokumentation seiner arischen Abstammung zu entkräften. (…)

Die Familie musste aufgrund der schlechten ökonomischen Situation auf die Ersparnisse zurückgreifen. Zwar konnte er einige Aquarelle in einer Ausstellung in Chemnitz verkaufen, dennoch gingen die Einkünfte erheblich zurück. In dieser Situation entschloss Pechstein sich, der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt und dem Nationalsozialistischen Fliegerkorps beizutreten.

Im Jahr 1937 wurde er aus der Akademie ausgeschlossen. Im Juli desselben Jahres wurden 16 seiner Bilder in der NS-Ausstellung Entartete Kunst diffamiert und 326 seiner Werke konfisziert. 1944 verbrannte ein großer Teil seiner Werke durch Kriegseinwirkungen.“ 9)

Isabel Fischer schreibt in ihrer Max Pechstein Biografie, die auf der Website des Brücke Museums nachzulesen ist, über Max und Martha Pechsteins letzte Jahre im nationalsozialistischen Deutschland und über die Zeit nach der Befreiung vom Nationalsozialismus: „Nach der Zerstörung seiner Berliner Wohnung zieht er im Frühjahr 1944 nach Leba in Pommern um. (…) Pechstein verdient sein Einkommen in der Nachkriegszeit in Leba mit Hilfsarbeiten für russische und polnische Soldaten. Am 30. September 1945 kehrt er nach Berlin zurück. Nur einen Tag später erhält er bereits von dem Maler und Hochschuldirektor Karl Hofer das Angebot, an der Berliner Hochschule für Bildende Künste zu unterrichten. Bereits im Jahr 1945 bemühen sich die Alliierten, die vom NS-Regime diffamierten Künstler zu rehabilitieren, unter ihnen auch Max Pechstein. So ist er bereits im Juli 1945 in der ersten 1. Ausstellung der Kammer der Kunstschaffenden, (…) Am 19. November 1949 wird er zum ordentlichen Professor und Leiter einer Meisterklasse für Malerei an der Berliner Hochschule berufen, wo er schon seit vier Jahren lehrt.“ 10)