Noldering
Steilshoop (1962): Emil Nolde (7.8.1867 Nolde - 13.4.1956 Seebüll), Maler, Graphiker.
Siehe: Rosa-Schapire-Weg
Siehe: Modersohnstraße
Siehe: Max-Pechstein-Straße
Siehe auch: Kirchnerweg

Emil Nolde entstammte einer Bauernfamilie. Seine Mutter war die Bauerntochter Hanna Christine Hansen, geb. Hansen und sein Vater der Bauer Niels Hansen.
Über Emil Noldes Werdegang heißt es in der Neuen Deutschen Biographie: „Nach einer Lehre als Holzbildhauer in einer Flensburger Möbelfabrik arbeitete N. als Schnitzer und Zeichner in München, Karlsruhe und Berlin, seit 1892 sechs Jahre lang als Fachlehrer für farbiges und ornamentales Zeichnen und Modellieren am Industrie- und Gewerbemuseum in St. Gallen. In dieser Zeit entstanden Vorlageblätter für das Handwerk, Studien von Bergbauern und mit Typen, Landschaftsaquarelle mit topographisch genauen Ansichten und sein erstes, frei erfundenes Ölbild ‚Bergriesen‘ (1895/96), darüber hinaus die Reihe der Bergpostkarten mit balladenhaften Personifizierungen der Alpengipfel. (…); sie wurden in hoher Auflage gedruckt. Der finanzielle Erfolg ermöglichte es N., den Lehrberuf aufzugeben. In München besuchte er die Malschule von Friedrich Fehr, in Dachau die von Adolf Hölzel (1899), (…). Zur Jahrhundertwende lebte N. in Paris, widmete sich in der Académie Julian Aktstudien, im Louvre den alten Meistern (…). Im Sommer 1901 zog er sich nach Nordjütland in das Fischerdorf Lildstrand zurück, malte lichte Meeresstimmungen und Dünenlandschaften (…).“ 1)
1901 lernte Nolde seine spätere Ehefrau die dänische Schauspielerin Ada Vistrup (20.9.1879 Resen/Dänemark – 7.11.1946 Niebüll) kennen. Sie, die Tochter des Pastors Christian Johan Lodberg Vilstrup (1817–1891) und seiner zweiten Ehefrau Caroline Vilstrup geb. Tørsleff (1846–1911, lebte damals in Kopenhagen, wo sie Schauspiel- und Musikunterricht nahm, als Schauspielerin oder Sängerin wohl aber nie aufgetreten ist.
Nolde, der damals ein Atelier in Kopenhagen hatte, war damals noch ein unbekannter Maler. Doch „Ada erkannte in ihm bald das ‚Genie, noch ganz unerkannt‘, das zu fördern und zu Anerkennung zu bringen sie sich berufen sah. Nach viermonatiger Verlobungszeit heiratete sie am 25. Februar 1902 den zwölf Jahre älteren Hans Emil Hansen, der im Zusammenhang mit der Hochzeit seinen eigentlichen Familiennamen ablegte und sich fortan nach seinem Geburtsort ‚Emil Nolde‘ nannte. (…). Kurz nach der Hochzeit erkrankte Ada schwer. (…). Ada erholte sich nie ganz von ihrer Krankheit. (…).“ 2)
Das Paar lebte ab 1903 in einem Fischerhaus auf der Insel Alsen. Ab 1905 wohnten die Noldes im Winter meistens in Berlin. „Während Emil Nolde, beflügelt von der neuen Liebe, wie besessen malte, widmete Ada sich der Förderung der Kunst ihres Ehemannes und versuchte ihr zur Anerkennung zu verhelfen. (…)
In den folgenden Jahren reiste Ada zu bekannten Kunstsammlern, um ihnen Bilder ihres Mannes vorzuführen. Auch die Aufenthalte in den Sanatorien nutzte sie, um Kontakte zu knüpfen, die der Kunst ihres Mannes zu mehr Bekanntheit verhelfen sollten. Dabei half ihr die Aufmerksamkeit, die die zerbrechlich wirkende junge Frau mit ihrem extrovertierten Wesen und ihren extravaganten, selbst entworfenen Reformkleidern auf sich zog. Der erste Erfolg stellte sich ein, als sie Anfang 1906 das Bild Frühling im Zimmer aus dem Jahr 1904, auf dem Ada im geblümten Kleid lesend am Tisch dargestellt ist, an Karl Ernst Osthaus verkaufen konnte. Nur wenige Tage später schloss das Ehepaar Bekanntschaft mit dem Mäzen und Kunstsammler Gustav Schiefler und dessen Frau Luise, die ihnen bereits beim ersten Besuch drei Grafiken abkauften. Mit dem Ehepaar Schiefler und später auch mit dessen Kindern verband Ada und Emil Nolde fortan eine vierzig Jahre dauernde Freundschaft, (…)
Außer durch Kontaktaufnahme und -pflege unterstützte Ada Nolde ihren Mann auch durch praktische Mitarbeit: Als Sekretärin führte sie den Großteil seines Briefwechsels, korrespondierte mit Sammlern und Museen und erstellte genaue Verzeichnisse seiner Werke. Zudem vergoldete sie eigenhändig die Rahmen seiner Gemälde. Sie eignete sich auch Fähigkeiten als Druckerin an, so dass sie die Radierungen ihres Mannes auf einer eigenen Druckerpresse vervielfältigen konnte. Nach seinen Entwürfen stellte sie Textilien am Webstuhl her, die sie bei Kunstgewerbeschauen ausstellte und verkaufte. (…)“ 3)
1926 kaufte das Ehepaar eine Warft auf der deutschen Seite im damaligen Kreis Südtondern, die sie Seebüll nannten. Dort war auch Noldes Atelier und dort befindet sich auch der gemeinsame Begräbnisplatz des Ehepaares Nolde.
Die Noldes in der NS-Zeit
Sowohl Ada als auch Emil Nolde waren antisemitisch eingestellt. Bei Ada Nolde zeigte sich dies schon 1910, „als die Freundschaft mit der der Brücke nahestehenden Kunsthistorikerin und Mäzenin Rosa Schapire [Rosa-Schapire-Weg] angeblich an dem ‚Fremden, Jüdischen‘ zerbrach. Diese Aversion gegenüber dem Judentum wurde durch die Ablehnung von Noldes Kunst durch die Berliner Secession unter Max Liebermann [Liebermannstraße] und Paul Cassirer verstärkt, die die Noldes als eine seiner Kunst feindlich gegenüber stehende ‚jüdisch dominierte Kunstszene‘ erlebten.“ 4)
Michael Neubauer schreibt über Ada Noldes Nähe zum Nationalsozialismus: „Ada Nolde bewunderte die nationalsozialistische Bewegung von Anfang an. Hier fand ihre zutiefst antisemitische Einstellung Gehör. Sie richtete ihr ganzes Bestreben darauf, dass die Herrschenden des dritten Reiches die Kunst ihres Mannes anerkannten. Es gab durchaus ambivalente Reaktionen, die aber Berufs- und Malverbot nicht verhindern konnten. Auch seine Bilder waren entartet. Sich anbiedernd ‚besprach sie beispielsweise am 3. August 1933 (mit von Oppen, Kulturministerium) die gemeinsam mit ihrem Mann entwickelte Idee, einen Plan Noldes, der die territoriale Aussonderung der Juden aus der Gesellschaft vorsah, an Hitler zu übermitteln und damit eine Gesinnungstreue und sein Engagement zu belegen‘“ 5)
Und Hilda Lührig-Nockemann berichtet in ihrem Artikel „Ada Nolde Unterstützerin ihres Mannes auf dem Weg zum angestrebten NS-Staatskünstler“, dass nicht nur die Hakenkreuzfahne am Haus in Seebüll gehisst war, sondern Ada ihrem Mann auch begeistert von dem antisemitischen Film „Jud Süss“ berichtete, „durch den ihr das ‚ganze Tun‘ der Juden als ‚furchtbar‘ bewusst wurde. Nach der Goebbelsrede 1943, in der er die Ausschaltung aller Juden in Europa propagierte, hoffte sie, dass dadurch ‚einige Menschen zur Vernunft‘ gebracht würden. Auf der anderen Seite äußerte sie Unbehagen, als sie von einem Besucher ‚furchtbare wahre Sachen‘ aus Polen erfuhr. Dieses Unbehagen könnte auf positive Erinnerungen hindeuten, denn sowohl zu Emil Noldes Förderern wie auch zum gemeinsamen Freundeskreis gehörten mindestens bis 1930 jüdische Zeitgenossen. Ihr allgemeiner Freundeskreis distanzierte sich jedoch zunehmend von ihnen, und das Ehepaar Nolde sah sich in ihrer Begeisterung für das NS-Regime isoliert. In einem Brief an ihren Mann, erklärte Ada Nolde 1943, dass alle, die zu ihnen stünden, anderer politischer Meinung seien. ‚So stehen wir auf unserem Posten allein.‘ (…)
Aus Ada Noldes Sicht war nicht nachvollziehbar, dass der ‚deutscheste, germanische, treueste Künstler‘ 1941 aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen wurde. Ebenso empört hatte sie 1938 reagiert, als Nolde in den Flensburger Nachrichten im Gleichklang mit jüdischen Personen aus der Berliner Kulturszene genannt wurde. In einem Beschwerdebrief an den Schriftleiter stellte sie klar, dass ihr Mann schon seit 1930 gegen die ‚jüdischen Machenschaften in Berlin aufgetreten‘ und im Übrigen auch Parteimitglied sei.“ 6)
Schon Ernst Klee hatte 2009 in seinem Kulturlexikon zum Dritten Reich über Noldes Nähe und Einstellung zum Nationalsozialismus berichtet. Er schreibt: „(…). ‚Als Hitler an die Macht kam, begrüßte Nolde diese Erhebung gegen die Macht der Juden, die in sämtlichen Künsten die Herrschaft an sich gerissen hätten, und erwartete, nun als deutschester aller Künstler gefeiert zu werden.‘ (…) Am 19.8. 1934 Unterzeichner des Aufrufs der Kulturschaffenden zur Vereinigung des Reichskanzler- und Reichspräsidentenamts in der Person Hitlers. (…).“7)
Ein Teil der führenden Nationalsozialisten schätzten Noldes Kunst (Joseph Goebbels, Albert Speer), Adolf Hitler und Alfred Rosenberg lehnten Noldes Kunst jedoch ab. „In Fritschs Hetzwerk Handbuch der Judenfrage (1936) als expressionischer ‚Künstler aus dem nichtjüdischen Lager‘ aufgeführt, der es verdiene, ‚als Mittäter an dieser Kulturschande mit den Juden zusammen genannt zu werden‘. Juli 1937 in der Schandschau ‚Entartete Kunst‘ in München mit 36 Objekten vorgeführt, mit 1052 beschlagnahmten Werken ein Hauptopfer der NS-Kulturdiktatur. Ein Teil seiner Werke wurde bei der Gemäldeverbrennung (…) am 20.3.1939 im Hof der Berliner Feuerwache vernichtet. (…) 1941 Ausschluß Reichskammer der bildenden Künste, Arbeitsverbot.“ 8)
Ab den 2010er-Jahren wurde die Diskussion über Noldes Nähe zum Nationalsozialismus und seine antisemitische Einstellung nochmals heftig geführt. So schreibt Stefan Kaldehoff in seinem Artikel „Noldes Bekenntnis“ vom 10.10.2013 in Zeit-Online: „Dass er es war, belegt jetzt erneut ein bislang unbekanntes Dokument, das sich in Schweizer Privatbesitz befand und hier erstmals zitiert wird. Es ist ein sechsseitiges Typoskript. Der sauber getippte Text, den sein Verfasser an einigen Stellen handschriftlich ergänzt hat, trägt keine Anrede, bloß ein Datum: ‚6 Dez 1938‘. Seine Absicht ist überdeutlich. Schon der erste Satz lässt keinen Zweifel: ‚Wenn ich im Leben, so lange ich Künstler bin, gegen Ueberfremdung der deutschen Kunst, gegen den unsauberen Kunsthandel und gegen die übergrosse jüdische Vorherrschaft in allem Künstlerischen in offenem Kampf gestanden bin und nun seit Jahren von der Seite, für die ich mit und vorgekämpft habe, angegriffen und verfolgt werde – dann müssen Missverständnisse vorliegen, die eine [sic] Klärung bedürfen.‘ Was folgt, sind glühende Bekenntnisse zu ‚Führer‘, Volk und Vaterland.
Fast sechs Jahre nach Beginn der NS-Herrschaft und wenige Monate nachdem die Nazis 1052 seiner Werke aus deutschen Museen entfernt und 48 davon in der Schmähausstellung Entartete Kunst der Lächerlichkeit preisgegeben haben, fühlt sich der eigenem Selbstverständnis nach urdeutsche Maler immer noch missverstanden und ungerecht behandelt. Von keinem seiner Kollegen wurden so viele Werke beschlagnahmt wie von Nolde – und das, obwohl er an seiner Regimetreue nie einen Zweifel ließ.
Nolde hatte lange gehofft, dass die Nationalsozialisten den Expressionismus zur ‚nordischen‘ Staatskunst erklären und dass sie ihn, Nolde, aufs Podest heben würden (…). Tatsächlich gab es Vorstöße in die erhoffte Richtung: Ein Kreis um Goebbels, den späteren Kulturminister Bernhard Rust und Reichsjugendführer Baldur von Schirach versuchte, die Kunstpolitik des Regimes in diesem Sinne zu beeinflussen. Er konnte sich nicht gegen Hitlers Blut-und-Boden-Ideologen Alfred Rosenberg durchsetzen, vor allem aber nicht gegen das ‚größte Kunstgenie aller Zeiten‘: Hitler selber beendete nach den Olympischen Spielen 1936 in Berlin, bei denen er sich noch liberal geben wollte, die Debatte. Goebbels ließ daraufhin auch jene Nolde-Werke abhängen, die bis dahin seine Privatwohnung geschmückt hatten. 1937 folgten die Beschlagnahme der fortan verfemten Bilder in den Museen und ihre öffentliche Verspottung. (…)“ 9)
Stefan Kaldehoff zitiert aus dem 2013 aufgetauchten Dokument, das den Antisemitismus und die Begeisterung Noldes zum NS-Staat belegt „in jenem Schreiben vom 6. Dezember, das nun aufgetaucht ist, bekennt sich Nolde (…) uneingeschränkt zum NS-Regime: ‚Den Nationalsozialismus verehre ich als die besondere und jüngste Staatsform, die Arbeit ist zur Ehre erhoben. Und ich habe den Glauben, dass unser großer deutscher Führer Adolf Hitler nur für das Recht und Wohl des deutschen Volkes lebt und wirkt und auch dass er in ernsten Sachen von Grund auf die Wahrheit wissen will, [...] und trotz allem, was in jüngster Zeit gegen mich unternommen worden ist, bin ich stets und immer im In- und Ausland für die große deutsche nationalsozialistische Sache mit vollster Ueberzeugung eingetreten. Ich habe den Eindruck, dass meine um 1910 geführten Kulturkämpfe gegen die herrschende Ueberfremdung in allem Künstlerischen und gegen die alles beherrschende jüdische Macht, jetzt nur noch wenigen bekannt sein möge.‘
In übelster antisemitischer NS-Diktion stellt der 71-Jährige außerdem klar: ‚Es wird gesagt, dass meine Kunst von Juden gefördert und gekauft worden ist. Auch das ist falsch. Einzelne versprengte Bilder sind in den späteren Jahren durch den Kunsthandel zu Juden gekommen, im Allgemeinen jedoch bekämpfen sie mich. Die Reinheit und das ursprüngliche Deutsche in meiner Kunst haben sie bespöttelt und nie gewollt. Meine wesentlichen Bilder sind alle in deutschem Besitz, von Deutschen gekauft, die durchaus nicht fremdländisch angekränkelt, sondern bewusst Deutsche sind.‘“ 10)
1941 wurde er aus der Reichskammer der Bildenden Künste ausgeschlossen. Außerdem erhielt er Berufsverbot.
Der Direktor der Nolde Stiftung Seebüll, Dr. Christian Ring, gab 2014 eine Stellungnahme zur Diskussion „Nolde und der Nationalsozialismus“ ab. Sein Artikel „Nolde und der Nationalsozialismus“ erschien am 9. Mai 2014 in den Tageszeitungen des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages. Heute steht auf der Website des Nolde Museums Näheres über den Künstler Nolde im Nationalsozialismus. www.nolde-stiftung.de/der-kuenstler-im-nationalsozialismus/
Auch die Stadt Oldenburg beschäftigte sich im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung der Oldenburger Straßennamen mit Emil Nolde, da nach ihm dort eine Verkehrsfläche benannt ist. Folgende Einschätzung wurde gegeben: „Die Geschichte eines Künstlers, der von den Nazis seiner Kunst wegen verfolgt wurde und durch seine heimliche künstlerische Tätigkeit Widerstand gegen das Regime leistete, basierte zum großen Teil auf Emil Noldes (1867–1956) Selbstinszenierung, die er in seiner Autobiographie betrieben hatte. Wie neuere Forschungen erweisen, verschwieg Nolde darin einige Kapitel, die sein anfängliches Verhältnis zu den neuen Machthabern in ein anderes Licht rücken. Als Nordfriese in Dänemark machte sich Nolde für das Deutschtum stark und trat 1934 in die ‚Nationalsozialistische Arbeitsgemeinschaft Nordschleswig‘ NSAN ein, eine Organisation, die ‚im Frühjahr 1933 mit der Hoffnung auf Grenzrevision entstanden war‘. Im Jahre 1935 wurde die NSAN mit der NSDAPN (NSDAP Nordschleswig) gleichgeschaltet, und Nolde wurde somit NSDAPN-Mitglied. Er war kein Nationalsozialist, eher ein Volksdeutscher, doch wie einige, kürzlich erschienenen Äußerungen belegen, lag ihm das nationalsozialistische Gedankengut zumindest nicht fern. Das geht jedenfalls aus Noldes Autobiografie hervor, deren zweiter Band 1934 veröffentlicht wurde, und in dem rassistische und antisemitische Äußerungen vermehrt anzutreffen sind. Nolde schrieb u.a.: ‚Die Juden haben als Leistung die Bibel und das Christentum. Durch ihre unglückselige Einsiedlung in den Wohnstätten der arischen Völker und ihre starke Teilnahme in deren eigensten Machtbefugnissen und Kulturen ist ein beiderseitig unerträglicher Zustand entstanden‘. Angesichts von Noldes negativen Äußerungen über die Vermischung der Kulturen und Völker, über die ‚erschreckenden Beispiele der Rassenvermischung‘ in den Tropenländern, spricht der Historiker Uwe Danker von einem ‚schwitzenden kleinbürgerlich-deutschen Rassismus‘, der sich darin manifestierte. Zu Beginn der NS-Herrschaft gehörte Nolde zu den Künstlern, die sich durchaus der Gunst des Propagandaministers Goebbels erfreuten und von ihm als Vertreter der ‚neuen deutschen Kunst‘ gefördert wurden. (…)
Die im Jahre 1935 erfolgte öffentliche Ächtung der modernen Kunst durch Hitler entschied letztlich den innerparteilichen Streit um die ‚richtige‘ Kunst zwischen Goebbels und Rosenberg zugunsten des letztgenannten: Werke von Künstlern wie Nolde und Barlach wurden als „Entartete Kunst“ diffamiert, beschlagnahmt und verboten. Nolde wollte sich diesem Schicksal anfangs nicht fügen und versuchte mehrmals, über hohe Parteifunktionäre unter Betonung seiner Zugehörigkeit zu der NS-Bewegung seine Kunst zu erklären und sie der ‚Entartung‘ zu entziehen. Im Jahre 1938 bat er Goebbels in einem Brief, die ‚erfolgte Diffamierung aufheben zu wollen‘, da er bereits ‚vor Beginn der Nationalsozialistischen Bewegung als fast einziger deutscher Künstler im offenen Kampf gegen die Überfremdung der deutschen Kunst, gegen das unsaubere Kunsthändlertum und gegen die Machenschaften der Liebermann- und Cassirerzeit gekämpft habe, ein Kampf gegen eine große Übermacht, der [...] jahrzehntelange materielle Not und Nachteile brachte‘. Nolde betonte darin auch seine bewusste ‚Zugehörigkeit zum Deutschtum‘ sowie das Bekenntnis für Partei und Staat und zeigte sich ‚von der Weltbedeutung des Nationalsozialismus‘ überzeugt. (…)
Gewiss kann Nolde als ein Opfer des NS-Regimes angesehen werden. Der Künstler Nolde entschied sich jedoch nicht freiwillig für die Opferrolle, zog sich nicht aus eigenem Antrieb zurück. Er war eher ein ‚Opfer wider Willen‘“, da er sich dem nationalsozialistischen Gedankengut verbunden fühlte und deshalb die Behandlung seiner Person weder begreifen noch akzeptieren konnte. Die Kontroverse um die Bewertung von Noldes Rolle in dem Nationalsozialismus brachte Florian Illies 2008 auf den Punkt: ‚Bei Nolde offenbart sich die Naivität der deutschen Sehnsucht nach dem Entweder-oder. Weil Nolde später Opfer der Nazis war, darf er vorher kein geistiger Täter gewesen sein. (...) Doch erst wenn man Noldes Persönlichkeit in ihrer ganzen kruden Widersprüchlichkeit akzeptiert, kann man, wie etwa bei Gottfried Benn geschehen, seiner Kunst wirklich gerecht werden‘“ 11)
Die Zeit nach 1945
Nach dem Tod von Ada Nolde im Jahre 1946 empfand Nolde die Einsamkeit als unerträglich. Dann lernte er die 54 Jahre jüngere Jolanthe Erdmann (1921-2010) kennen und lieben und seine Stimmung schlug um. Ihre Jugend wurde sein Lebenselixier. Und so schrieb er 1947: „Ich male manches u. meine Bilder entstehen in Farben glühendjung, oft mich selbst überraschend“. Ein Jahr später heiratete der 80-jährige Nolde die 26-jährige Studentin Jolanthe Erdmann, älteste Tochter seines Freundes, des Komponisten und Pianisten Eduard Erdmann, die er seit ihrer Geburt kannte und die mit ihren Eltern nicht weit von Nolde in Langballigau lebte. Mit der Eheschließung gab Jolanthe ihr Studium in Kiel (Literaturwissenschaften) auf. Zuvor hatte sie in Freiburg ein Medizinstudium begonnen, welches sie ebenfalls aufgegeben hatte. Jolantha Nolde wurde Noldes Vertraute, Muse und Unterstützerin. Nolde malte seine Frau. Es gibt 30 Aquarelle und Porträts von ihr.
Nolde charakterisierte seine zweite Frau einmal so: „Lebhaft und klug, tiefdenkend, kunstliebend“ „Beide hegten höchste Erwartungen an ihre Liebe. Doch schon bei der Hochzeitsreise in die Schweiz trat Ernüchterung ein. Seine Frau sei sehr sprunghaft, klagte Nolde. Jolanthe dagegen bemerkte, wie verschlossen ihr Mann war. Die Ehe hielt acht Jahre. Noch zu Lebzeiten setzte Nolde seine Frau ins Kuratorium der Stiftung ein und vermachte ihr zwanzig Gemälde, zwanzig Aquarelle und zwanzig Graphiken.
Nach Noldes Tod 1956 zieht Jolanthe nach Heidelberg, nimmt ihr Medizinstudium wieder auf, schafft den Abschluss nicht. Probiert die Fotografie, hält die Ausbildung nicht durch. Sie heiratet kein zweites Mal. Trotz anfänglicher Differenzen mit der Nolde Stiftung Seebüll bleibt die Arbeit für das Werk die Konstante in ihrem Leben. Sie stirbt mit 88 Jahren. Vielleicht liegt es an den vielen Anfängen in der Biografie – am Ende tritt Noldes späte Liebe nicht aus dem Schatten ihres Mannes“, 12) schreibt Simone Reber.
2013/2014 wurde im Nolde Museum Berlin die Ausstellung „Emil Noldes späte Liebe – das Vermächtnis an seine Frau Jolanthe“ gezeigt. 2021 folgte wieder eine Ausstellung zu ihr, der Titel: „Späte Liebe – Jolanthe Nolde zum 100. Geburtstag“.
2010 widmete sich die von der Noldestiftung Seebüll in deren Dependance in Berlin gezeigte Ausstellung „Bewundert, gefürchtet und begehrt. Emil Nolde malt die Frauen“ dem Verhältnis Noldes zu Frauen. In der Ausstellungsbeschreibung heißt es: „Emil Noldes Frauen sind Mütter, Musen und Modelle, Ehefrauen und Tingel-Tangel-Mädchen, Engel und Dämonen, Heilige und Sünderinnen, Verführte und leidenschaftliche Verführerinnen. Nolde beschreibt in unterschiedlichen Zusammenhängen von mythologischen und religiösen Bildern bis hin zum klassischen Porträt Frauen in all ihren Facetten und in ihrer spannungsreichen Ambivalenz. In allen Schaffensphasen konzentriert er sich auf das Motiv der Frau, doch fassbar wird ihr Wesen für den Künstler nie. Nolde schreibt: ‚In Frauen innigstes Wesen mich einlebend entstanden meine Bilder. Wie nur konnte dies ein männlicher Mann? Unverständlich ist mir vieles ich brauche es nicht zu wissen.‘“13)