Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Moses-Mendelssohn-Brücke

Harburg (1998): Moses Mendelssohn (6.9.1729 Dessau – 4.1.1786 Berlin), Philosoph der Aufklärung


Siehe auch: Geschwister-Mendelssohn-Stieg
Siehe auch: Reimarusstraße
Siehe auch: Schlegelsweg
Siehe auch: Mendelssohnstraße
Siehe auch: Fanny-Mendelssohn-Platz

Die Mendelssohn Gesellschaft beginnt die Beschreibung des Lebenswegs von Moses Mendelssohn folgendermaßen: „Seinen Buckel und sein Stottern soll der Sohn des Dessauer Synagogendieners Mendel dem verkrümmenden, lungenschwächenden Studium eines mittelalterlichen Religionsphilosophen verdanken: Mit zehn Jahren war Mausche mi Dessau in den Talmudschülerkreis seines Lehrers Fränkel aufgenommen worden, der das Hauptwerk des Moses Maimonides neu herausgibt, den ‚Führer der Unschlüssigen‘ – nachdem dieses Glauben und Vernunft verbindende Buch lange nicht zu haben war. Vor seinem Aufbruch nach Berlin arbeitet der 13-jährige Mausche beide Bände durch.

Als er im Alter von 14 Jahren, um seinem verehrten Dessauer Lehrer zu folgen, nach Berlin einreist, kontrollieren ihn auch jüdische Gemeindevertreter. Sie haben, auf Befehl der Obrigkeit, am Zuzug von Hungerleidern wenig Interesse. In Preußens Residenzstadt entwickelt sich der bettelarme Autodidakt zur Vermittler-Gestalt eines intellektuellen Netzwerkes. Er eignet sich alte und neue Sprachen des Abendlandes an, das Hochdeutsche und den europäischen Bildungskanon; was Konflikte mit den Rabbinern provoziert, die auf kulturelle Abgrenzung setzen. Sein Aufenthaltsstatus verbessert sich durch eine Hauslehrer-Stelle beim Textilfabrikanten Isaak Bernhard, in dessen Firma er bald als Buchhalter wirkt, zum Geschäftsführer, schließlich zum Teilhaber, zum Eigentümer aufrückt. Durch den ungeliebten Brotberuf sichert Moses Mendelssohn – diesen bürgerlichen Namen nimmt der Selfmade-Gelehrte an – sich selbst den Aufenthaltsstatus und seiner Familie den Lebensunterhalt.“ 1)

1750 war Mendelssohn Hauslehrer der Kinder des Seidenfabrikanten Isaak Bernhard geworden. „1754 trat er als Buchhalter und Korrespondent in die Firma ein und wurde nach Bernhards Tod 1768 Teilhaber an dem Geschäft, das er bis zu seinem Tod mit kaufmännischem Geschick führte.“ 2)
Warum Moses Mendelssohn, dessen Mutter aus einer Gelehrtenfamilie stammte, das Glück hatte, in Berlins Gelehrtenkreisen Fuß zu fassen, erklärt die Kuratorin Inka Bertz der 2022 im Jüdischen Museum Berlin gezeigten Ausstellung „Wir träumten von nichts als Aufklärung“: „Die Gelehrtengesellschaft, (…) war sehr offen, denn es gab in Berlin keine Universität, stattdessen eine Bürgeraufklärung. Es gab keine beamteten Gelehrten, die das Denken überwachten. Der Hof war weit weg. Die Bürger organisierten sich in Gelehrtengesellschaften wie der Mittwochsgesellschaft. Alles war viel offener.“3)

Moses Mendelssohn befreundete sich mit dem Dichter Gotthold Ephraim Lessing (siehe: Lessingstraße) und dem Verleger Friedrich Nicolai; sie waren „das Dreigestirn der Berliner Aufklärung“ 4) so die Mendelssohn Gesellschaft. Und weiter wird auf der Website der Mendelssohn Gesellschaft berichtet: „Moses Mendelssohn führt Denkansätze von Leibniz und Christian Wolff weiter, über Logik, Mathematik, Religion und die Harmonie der Welt; er hat beim Wettbewerb der Königlichen Akademie den ersten Preis zur Fragestellung nach einer ‚Evidenz in den metaphysischen Wissenschaften‘ (1763) gewonnen, gegen Kant [siehe: Kantstraße]. Dabei kombiniert er Erfahrung und Vernunft und betont den Primat der Alltagspraxis. Der Ästhetiker und Psychologe Moses möchte die moralische Aufgabe der Kunst als Darstellerin vernünftiger Erkenntnisse und eine Theorie von ihrer Autonomie mit einander verbinden, im ‚Spiel der Illusion‘. Er inspiriert durch Kontakte, Veröffentlichungen, Diskurse und Korrespondenzen die Verbreitung des Toleranzgedankens und der Universalität der Menschenrechte. Seine Ausstrahlung und seine charismatische, integre Persönlichkeit tragen dazu bei. Sein Freund Lessing nimmt ihn zum Vorbild für ‚Nathan den Weisen‘ in seinem gleichnamigen dramatischen Gedicht. (…)

Als gläubiger Jude und ‘Weltweiser‘ vereinbart er Gesetzesoffenbarung und aufgeklärte Vernunftreligion und motiviert zum Aufbruch aus dem geistigen Ghetto. Als Modernisierungshelfer berät er jüdische Gemeinden im Konflikt zwischen Tradition und Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft; auch preußische Beamte, denen der Abbau von Diskriminierungen wichtig ist. (…). In seinem Essay ‚Jerusalem. Über religiöse Macht und Judentum‘ ist er der eigenen Epoche mit Überlegungen zur Gewissensfreiheit, zur Trennung von Staat und Glaubensgemeinschaft weit voraus. Bahnbrechend erweist er sich als Vordenker der jüdischen Aufklärungsbewegung Haskala und ihrer Protagonisten (…). Die sich interreligiös öffnenden Reform-Projekte der Haskala tragen bei zur Integration der jüdischen Minderheit: zur Entstehung jener deutsch-jüdischen Moderne, aus deren Erfahrungen sich gesellschaftliche Ideale für die Gestaltung unserer pluralistischen Gegenwart ableiten.“ 5)

Mendelssohn musste aber auch Repressalien erleben. So ließ „Friedrich II. (…) den Gelehrten [zwar] nach Potsdam rufen, ohne ihn [aber] zu empfangen; ihm als Seidenhändler gewährt der König zwar Anerkennung und Bleiberecht, doch dem Philosophen verwehrt er die Akademie der Wissenschaften (…)“ 6)
Seit 1762 war Moses Mendelssohn mit Fromet Guggenheim (6.10.1737 Altona -5.3.1812 Altona) verheiratet. „Um nicht länger dem rechtlosen Stand der nichtprivilegierten Juden anzugehören, richtete M. 1763, ein Jahr nach seiner Eheschließung, an Friedrich II. ein Gesuch um ein Schutzprivileg, welches zumindest vor groben staatlichen Übergriffen wie z. B. Ausweisung aus der Stadt oder Konfiszierung des Vermögens Sicherheit gewähren sollte. Erst durch Vermittlung des Marquis d' Argens wurde dem Gesuch stattgegeben, obwohl M. bereits zu dieser Zeit als philosophischer Schriftsteller weit über die Grenzen Preußens hinaus Ansehen genoß.“ 7)

Das Ehepaar Mendelssohn bekam zehn Kinder. Vier von ihnen starben bereits im Kindesalter. Eine der Töchter, Brendel, später Dorothea, war die Ehefrau von Friedrich Schlegel (siehe: Schlegelsweg) und Literaturkritikerin sowie Schriftstellerin. Ein Sohn von Fromet war Abraham Mendelssohn Bartholdy und der Vater der Komponistin Fanny Hensel und ihres Bruders Felix Mendelssohn Bartholdy (siehe: Fanny- Mendelssohn-Platz, Geschwister-Mendelssohn-Stieg).
Kennengelernt hatten sich Moses Mendelssohn und die Kaufmannstochter Fromet Gugenheim, als Moses 1761 in Hamburg seinen Freund, den Augenarzt Aaron Gumpertz besuchte, der als Witwer bei den Gugenheims wohnte. Es muss bei Moses Mendelssohn Liebe auf den ersten Blick gewesen sein. Fromet hingegen soll, als sie Moses Mendelssohn zuerst gesehen hatte, in Tränen ausgebrochen sein wegen seiner in der Gesellschaft als unförmig bezeichneten Gestalt. Mendelssohn fragte sie deshalb: „Ist es wegen meines Buckels?“ und sie nickte. Mendelssohn soll ihr daraufhin eine Geschichte erzählt haben: „Wenn ein jüdisches Kind geboren wird, wird im Himmel der Namen verkündet, den das geborene Kind einst heiraten wird. Als ich geboren wurde, wurde auch meine zukünftige Frau genannt, aber zur gleichen Zeit wurde auch gesagt, dass sie selbst bucklig sein würde. ‚Oh Gott‘ sagte ich, ein verformt Mädchen wird verbittert und unglücklich werden. Gib mir den Buckel und mache sie schön.“ Fromet soll von dieser Geschichte sehr berührt gewesen sein. Seinen Heiratsantrag machte Mendelssohn seiner Angebeteten in einer Gartenlaube. Damit waren sie verlobt, ohne vorher den Vater der Braut um Erlaubnis gefragt zu haben. Dieser weilte nämlich zu der Zeit in Geschäftsangelegenheiten in Wien. Als er nach Hamburg zurückkehrte, war er vor vollendete Tatsachen gestellt, ohne dass das Brautpaar einen Ehevertrag gemacht hatte. Aus diesem Grunde kam es zwischen dem Brautvater und dem Schwiegersohn in spe, der sein Geld als Direktor einer Seidenmanufaktur verdiente und sich für die Rechte der Juden einsetzte, zu lautstarken Auseinandersetzungen.

Moses Mendelssohn schrieb über seine Braut an seinen Freund Gotthold Ephraim Lessing: „Ich habe die Thorheit begangen, mich in meinem dreißigsten Jahr zu verlieben. (…) Das Frauenzimmer, das ich zu heirathen Willens bin, hat kein Vermögen, ist weder schön noch gelehrt, und gleichwohl bin ich verliebter Geck so sehr von ihr eingenommen, daß ich glaube, glücklich mit ihr leben zu können.“

Liebesheiraten waren damals ungewöhnlich, zumeist entschieden die Väter über das Liebesglück ihrer Kinder, wozu Heiratsvermittler eingeschaltet wurden. Es dauerte noch ein Jahr, bis das Paar heiratete. In dieser Zeit schrieben sich die beiden zweimal in der Woche Briefe. Darin ging es „um Moses Mendelssohns Kritik am traditionellen jüdischen Ehevertrag, um die Niederlassungsrechte in Berlin, die der aus Dessau stammende Mendelssohn für sich und seine Hamburger Braut beantragen muss, bevor sie in Berlin heiraten dürfen, um den Haushalt, den sie in Berlin führen werden, aber auch um den intellektuellen Austausch zwischen dem verliebten Paar und ihren Freunden (…).“ 8)

In dieser Zeit „spornte Moses Mendelssohn [seine Braut] an, ihre Bildung zu vervollkommnen, und besorgte ihr den besten Sprachlehrer Hamburgs, den Übersetzer und Verleger Johann Joachim Christoph Bode (1730-1797).“ 9)

Nach der Hochzeit besorgte Fromet den Haushalt und die Erziehung der Kinder, und wenn ihr Mann abwesend war, kümmerte sie sich auch um die Geschäftskorrespondenz. Außerdem interessierte sie sich für Theater und Kultur. „Der Haushalt, den Moses und Fromet Mendelssohn in Berlin führten, zeichnete sich durch eine große Offenheit und ein reges geistiges Leben aus – die späteren Berliner Salons um Henriette Herz (eine Freundin von Fromets Tochter Brendel, später Dorothea Schlegel) und andere werden sich an Fromet Mendelssohn ein Beispiel genommen haben (…).“ 10)

Moses Mendelssohn erkrankte an einer langwierigen siebenjährigen Nervenkrankheit, die ausgelöst wurde durch „die Aufforderung des Theologen Lavater, sich taufen zu lassen, [was Mendelssohn zurückwies und die daraufhin] anhebende öffentliche Debatte um diese Provokation (…).. Als er, weitere sieben Jahre später, geschwächt durch eine Kontroverse um die Ehrenrettung seines verstorbenen Freundes Lessing, im Alter von 56 Jahren stirbt, gibt ihm Berlins ganze jüdische Gemeinde mit christlichen Freunden und Vertretern des Adels das Geleit, alle Geschäfte haben geschlossen.“ 11)

Nach dem Tod ihres Mannes im Jahre 1786 zog Fromet Mendelssohn zu ihrer Tochter Recha Meyer in Neustrelitz. Nachdem sich Recha Meyer von ihrem Mann hatte scheiden lassen, gingen die beiden Frauen nach Altona, der Heimat von Fromet Mendelssohn. Dort lebten in ihrem Haus während der napoleonischen Kriege auch ihr ältester Sohn Joseph, ein Bankier, mit seiner Familie. Dessen Sohn Felix und dessen Tochter Fanny, die beide später berühmte MusikerInnen wurden, wurden hier geboren.

Fromet Mendelssohn wurde auf dem jüdischen Friedhof in Altona bestattet.