Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Liebermannstraße

Othmarschen (1947): Max Liebermann (20.7.1847 Berlin – 8.2.1935 Berlin), Maler, Radierer, Graphiker


Siehe auch: Kollwitzring
Siehe auch: Anita-Rée-Straße
Siehe auch: Trübnerweg
Siehe auch: Jacobs Treppe
Siehe auch: Herbstsweg
Siehe auch: Petersenkai

Vor 1947 hieß die Straße Wrangelstraße. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg 133-1 II, 26819/38 Geschäftsakten betr. Straßennamen B. Die große Umbenennung hamb. Straßen 1938-1946. Ergebnisse der Umbenennung in amtlichen Listen der alten und neuen Straßennamen vom Dez. 1938 und Dez. 1946), Preußischer Generalfeldmarschall, Oberbefehlshaber der deutschen Bundestruppen in Schleswig-Holstein. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg, Registratur Staatsarchiv AZ. 1521-1/5 Band 3-5: Straßennamen (neue Kartei), alphabetisch geordnet mit Hinweisen).

1711 Max Liebermann 1904
Max Liebermann im Jahre 1904; Quelle: Jacob Hilsdorf, gemeinfrei, via Wikimedia Commons

Max Liebermann war das zweite von vier Kindern des jüdischen Industriellen Louis Liebermann und dessen Frau Philippine Haller, Tochter eines Juweliers und dessen Ehefrau. Als sie 1859 in Begleitung ihres Sohnes das Malatelier von Antonie Volkmar (1827-1867) besuchte, entdeckte diese Liebermanns Zeichentalent. Max Liebermann war einer der wichtigsten Vertreter des deutschen Impressionismus; von 1920 bis 1932 Präsident (Rücktritt wegen ernsthafter Erkrankung), bis 1933 Ehrenpräsident der Preußischen Akademie der Künste, Präsident der Berliner Secession. Nachdem sich Liebermann als Jurymitglied der „Großen Berliner Kunstausstellung“ vergeblich für die Prämierung der Werke von Käthe Kollwitz (siehe: Kollwitzring) eingesetzt hatte, gründete er mit anderen Künstlern im Mai 1898 die „Berliner Secession“, einen Verbund, der sich als Gegenpart zum „verkrusteten“ Akademiebetrieb verstand. Max Liebermann war deren Präsident bis 1911.

Bezug zu Hamburg:
Der Direktor der Hamburger Kunsthalle, Alfred Lichtwark (siehe: Lichtwarkstraße), den Liebermann 1885 kennengelernt hatte, erkannte schon früh Liebermanns impressionistisches Talent und wurde einer seiner wichtigsten Förderer. Liebermann bekam mehrere Aufträge aus Hamburg. So entstand auch das berühmte Bild von der Terrasse des Restaurants Jacob in Nienstedten an der Elbe (1902), wo Liebermann während seines Aufenthalts in Hamburg wohnte.

Zur politischen Einstellung Max Liebermanns:
Wie viele Künstler war auch Max Liebermann vor dem Ersten Weltkrieg vom Patriotismus erfasst und unterstützte die Kriegspropaganda. Er unterzeichnete 1914 das „Manifest der 93“, „in dem Intellektuelle wie Professoren, Schriftsteller und Künstler in einem ‚Aufruf an die Kulturwelt‘ die dem deutschen Reich angelasteten Kriegsverbrechen mit einem sechsfachen ‚Es ist nicht wahr!‘ zurückwiesen und zur Solidarisierung mit dem deutschen Volk aufriefen. Nach Kriegsende bedauerte Liebermann diese Unterschrift“. 1) Da ging es ihm wie Käthe Kollwitz (siehe: Kollwitzring), deren einer Sohn als Soldat im Ersten Weltkrieg getötet wurde. Das machte sie zu einer Pazifistin.

1927 porträtierte Liebermann den Reichspräsidenten Hindenburg (siehe: Hindenburgstraße). Als ein nationalsozialistisches Blatt dazu schrieb, es sei „unerhört, dass ein Jude den Reichspräsidenten male“, äußerte Liebermann: „Über so etwas kann ich nur lachen. Ich bin überzeugt, wenn Hindenburg das erfährt, lacht er auch darüber. Ich bin doch nur ein Maler, und was hat die Malerei mit dem Judentum zu tun.“

Als am 30. Januar 1933, an dem Tag der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, ein Fackelzug der Nationalsozialisten an seinem Haus vorbeimarschierte, sagte Liebermann: „Ick kann jar nicht soville fressen, wie ick kotzen möchte.“ Doch er wehrte sich nicht gegen die neuen Machthaber, so wie z. B. die mit ihm befreundete Käthe Kollwitz, die 1932 zu den UnterzeichnerInnen des „Dringenden Appells“ gehörte. Liebermann legte im Mai 1933 die Ehrenpräsidentschaft, den Senatorenposten und die Mitgliedschaft in der Preußischen Akademie der Künste nieder und erklärte der Presse: „Ich habe während meines langen Lebens mit allen meinen Kräften der deutschen Kunst zu dienen gesucht. Nach meiner Überzeugung hat Kunst weder mit Politik noch mit Abstammung etwas zu tun, ich kann daher der Preußischen Akademie der Künste (…) nicht länger angehören, da dieser mein Standpunkt keine Geltung mehr hat.“

Liebermann zog sich aus der Öffentlichkeit zurück. Die meisten seiner Weggefährten standen ihm fortan nicht mehr bei. Käthe Kollwitz war eine der ganz wenigen, die noch zu ihm hielten und ihn besuchten.

1711 Martha Marckwald
Porträt der Martha Liebermann; Quelle: Anders Zorn, gemeinfrei, via Wikimedia Commons

Familienleben:
Seine Frau Martha, geb. Marckwald (8.10.1857 Berlin – 10.3.1943 Berlin), kannte Max Liebermann schon seit der Kindheit. Martha Marckwald war die Schwester seiner Schwägerin. Martha entstammte einer Familie, die im Wollhandel tätig war und ebenso wie die Familie Liebermann aus Märkisch-Friedland stammte. Die beiden Familien waren eng miteinander befreundet und zogen 1843 zur selben Zeit nach Berlin. „Martha Liebermanns Mutter Ottilie war eine geborene Pringsheim, Tochter eines Oppelner Gutsbesitzers, zu dessen Familie auch die Frauenrechtlerin Hedwig Dohm gehörte. Die beiden teilten die gleichen Ideale, allerdings trug Ottilie diese nicht so stark nach außen wie Hedwig Dohm, sondern wahrte die bürgerliche Fassade. Die Persönlichkeit Martha Liebermanns war jedenfalls stark von dieser Familientradition geprägt.“ 2) Nachdem Marthas Vater 1870 verstorben war, erbten die Witwe und ihre fünf Kinder zwar ein Vermögen, doch durfte sie als Frau das Erbe der Kinder nicht verwalten. Deshalb übernahm Max Liebermanns Vater die Vormundschaft für die Kinder, die mit ihrer Mutter in das Liebermannsche Palais am Brandenburger Tor einzogen. Zu dieser Zeit wohnte Max Liebermann allerdings nicht mehr zu Hause. Im Mai 1884 verlobten sich Max Liebermann und Martha Marckwald; vier Monate später fand die Trauung statt. Im August des folgenden Jahres wurde das einzige Kind der Liebermanns geboren: die Tochter Marianne Henriette Käthe (1885-1952). In dieser Zeit ging Max Liebermann ganz in der Rolle des Vaters auf, und es entstanden kaum Bilder. Kurz vor dem Tod seiner Mutter im September 1892 zog Max Liebermann mit seiner Familie in das elterliche Palais am Brandenburger Tor zurück. Sein Atelier hatte er in der Auguste-Viktoria-Straße. Dort ging er jeden Tag, nachdem er um 10 Uhr morgens das Haus verlassen hatte, bis 18 Uhr seiner Arbeit nach. Als sein Vater zwei Jahre später starb, wurde Max Liebermann Miterbe eines Millionenvermögens. 1910 bezog die Familie Liebermann die Wannseevilla. Hier malte Max Liebermann sehr häufig seine Frau, die allerdings nicht gerne Porträt stand. Es entstanden Bilder, die sie als Lesende, Ruhende, Schlafende zeigen. „Es entsprach seiner Auffassung, dass die Frau nicht für den Lebenskampf‘ da sei. Sie solle ‚Geistiges und Künstlerisches in sich aufnehmen, sich pflegen und schmücken und ein freundliches beglückendes Wesen, eine Augenweide sein.‘ Martha war bereit, all das zu sein und im Schatten ihres Mannes zu stehen. Doch war sie eine resolute Frau, die es auch wagte, dem empfindlichen Künstler zu sagen, was ihr an seinen Bildern nicht gefiel. Sie forderte von ihm, ‚in der Welt ein Löwe, zu Hause ein Schaf‘ zu sein, sagte Liebermann einmal,“ 3) schreibt Alan Posener in seinem Artikel „Martha Liebermann: Preußin, Bürgerin, Jüdin“. Ein anderes Mal soll sie über ihre Ehe mit Max Liebermann geäußert haben: „Es ist zwar eine Ehe, aber kein Vergnügen, mit Dir verheiratet zu sein.“ Anlass zu dieser Erkenntnis soll ein kleiner Vorfall gewesen sein, als sie bei einer Teerunde im Hause der Liebermanns selbst zur Teekanne griff, um dem Gast einzuschenken. Daraufhin soll Max Liebermann sie angefahren haben, warum sie dieses tue – denn die Bedienung des Gastes oblag nicht der Dame des Hauses, sondern dem Dienstpersonal.

Nach dem Tod von Max Liebermann 1935 zwangen die Nationalsozialisten Martha Liebermann, die Wannseevilla zu verkaufen. Sie zog in die Graf-Spree-Straße 32. „1938 wurde sie mehrfach zu ‚Sühneleistungen‘ und Zwangsabgaben genötigt, so dass sie schließlich ihr gesamtes Vermögen verlor. Nach der Pogromnacht ging ihre Tochter mit Mann und Kind ins Exil in die USA (…). Dadurch blieb Martha Liebermann bis auf zwei Haushaltshilfen fast gänzlich allein. Ihre Familie drängte sie zur Emigration, doch sie wollte nicht, konnte sich nicht von Berlin und dem Grab ihres Mannes trennen. Erst 1941 bemühte sie sich noch mit der Hilfe anderer, ein Visum für die Schweiz oder Schweden zu erlangen. Beides wurde ihr gewährt, doch man wollte sie nur gegen ein unglaublich hohes Lösegeld ausreisen lassen. Da sie bereits ihr gesamtes Vermögen verloren hatte, war es ihr nicht möglich, dieses zu zahlen. (…) Als sich am 5. März 1943 die Polizei an ihrer Tür ankündigte, um sie zur Deportation nach Theresienstadt abzuholen, nahm Martha Liebermann eine Überdosis Veronal, an der sie am 10. März im Jüdischen Krankenhaus starb,“ 4) schreibt Lea Herzig in ihrem Porträt über Martha Liebermann, für die in Berlin ein Stolperstein verlegt wurde.

Zu Liebermanns Frauendarstellungen
Der Kunsthistoriker Friedrich Gross schreibt über Liebermanns Bild „Die Konservenmacherinnen“ (1879): „Das Gemüseputzen zur Herstellung von Konserven kann als eine Art gewöhnlicher Küchenarbeit aufgefaßt werden, und so verwundert es nicht, daß hier Frauen tätig sind. Den kollektiven Prozeß verdeutlicht der Künstler, indem er zwei Sitzreihen der Arbeiterinnen am langen Tisch perspektivisch verschränkt; dennoch sind einzelne Frauen herausgehoben, nämlich die vordere der linken Bildseite, die auf einem Faß sitzt, oder die Stehende. Durch wechselseitiges Gespräch kann sich indessen auch eine Gruppe um die junge, hübsche Frau mit dem roten Kopftuch bilden. (…) Die einzelnen Persönlichkeiten der Proletarierinnen, ihr Alter, ihre Statur, ihre Arbeitshaltung sind treffend charakterisiert. Eine große Vielfalt zeigen die ärmlichen Arbeitskleider, die Hauben, Kopftücher, Blusen, Schürzen, Umhangstücker. Eine Atmosphäre des Fleißes, der Konzentration erfüllt den schuppenartigen Raum. Der beobachtende Blick des Malers sucht bei aller naturalistischen Objektivität das Humane dieser Frauenarbeit in beschränkten, ausbeuterischen Verhältnissen zu erfassen. Diesem Bestreben dienen die relativ hellen, lebendigen Farben der Proletarierinnen, die von der düsteren Umgebung abstechen.“5)

Und zu Liebermanns Bild „Die Netzflickerinnen“ (1887-89) schreiben Friedrich Gross und Sigrun Paas: „Ihre Züge sind zugleich durch Erschöpfung und ein erwachendes Bewußtsein ihrer Situation als Zuarbeiterin der Männer geprägt. In ihrem Aufrichten, das sich aus dem Zurechtziehen der Netze entwickelt, und in ihrem die Ferne suchenden Blick erscheint die Möglichkeit einer ganzen Klasse der Proletarierinnen angedeutet, aufzubrechen, sich zu erheben (…). Die dunklen, schmutzigen, wie ‚gemauert‘ wirkenden Farben des ‚oppositionellen Naturalismus‘, die das karge Milieu und die drückende Arbeit bei Wind und Wetter anschaulich charakterisieren, geben der jungen Heroine das Pathose der Lebenswahrheit. Wie diese Netzflickerin zu der sitzenden Alten der linken Bildseite kontrastiert, bildet sie eine paradigmatische Gegenfigur zu den traditionellen Verkörperungen weiblicher Schönheit (…) und zu müßigen Damen der gehobenen Gesellschaft (…).“ 6)