Novalisweg
Winterhude (1928): Freiherr Georg Philipp Leopold von Hardenberg (2.5.1772 Schloss Oberwiederstedt – 25.3.1801 Weißenfels), Dichter.
Siehe auch: Reichardtstraße
Siehe auch: Schlegelsweg
Siehe auch: Tiecksweg
Die Sängerin, Komponistin und Musikpädagogin Louise Reichardt (1779-1826) (siehe: Reichardtstraße) lernte Novalis auf Gut Giebichenstein kennen, in der sogenannten „Herberge“ der Romantik. Diese romantische Geselligkeit auf dem Landsitz ihres Vaters wurde ermöglicht durch den Einsatz von Louise und ihren Schwestern. Von früh bis spät bewirteten sie die Gäste und fanden noch Zeit und Kraft, deren künstlerische Produktionen mit Leidenschaft zu rezipieren. Louise schätzte die Dichtungen von Novalis, die sie vertonte und selbst vortrug, zur Bewunderung des fein gestimmten Publikums. Novalis „Geistliche Lieder“ setzte sie in Musik, ebenso wie ihre Kollegen Franz Schubert und Carl Loewe.
Novalis, der Entdecker der blauen Blume der Romantik, die in seinem Roman „Heinrich von Ofterdingen“ vorkommt, in dem es heißt: „Was ihn mit voller Macht anzog, war eine hohe lichtblaue Blume, die ihn mit ihren breiten, glänzenden Blättern berührte. Rund um sie her standen unzählige Blumen von allen Farben, und der köstliche Geruch erfüllte die Luft. Er sah nichts als die blaue Blume, und betrachtete sie lange mit unnennbarer Zärtlichkeit,“ war der Sohn von Auguste Bernhardine Freifrau von Hardenberg, geborene von Bölzig und von Heinrich Erasmus von Hardenberg, Direktor der Salinen in Dürrenberg.
Novalis hatte zehn Geschwister, von denen neun noch zu Lebzeiten von Novalis verstarben.
Zu seiner Mutter pflegte Novalis eine innige Beziehung. So schrieb er 1791 an sie.: „Ich weiß, daß Du es so gern siehst, wenn ich an Dich schreibe, ob ich Dich gleich versichre, daß auch gewiß sonst die Erinnerung an Dich mir die glücklichsten meiner Stunden macht, wenn meine Fantasie schwelgt und Dein Bild lebendig mir vorschwebt. Wenn alle die schönen Szenen der Vorzeit und Zukunft, die ich mit Dir erlebte und erleben werde vor mir stehn und jeder Zug in ihnen beseelt ist: Wenn gar der blaue Schleyer der Zukunft sich hebt und ich Dich als Schöpferinn aller jener kühnen Entwürfe sehe, die eine allzukühne Zuversicht in meine Kräfte wagte. Denn wem dankten alle Männer beynah, die etwas großes für die Menschheit wagten, Ihre Kräfte; Keinem als ihren Müttern. Du trugst beynah alles zur Entwicklung meiner Kräfte bey, und alles was ich einst gutes wage und thue, ist Dein Werk und der schönste Dank, den ich Dir bringen kann. Wie befindest Du Dich denn izt, doch so, wie ich hoffe und wünsche, daß Du Dich noch eine lange Reihe Jahre befinden magst um uns allen nicht die höchste Zufriedenheit zu rauben, die an Dich geknüpft ist.“ 1)
Novalis Mutter hatte einen großen Einfluss auf die Gemütslage ihres Sohnes. So schreibt Brigitte Kohn in ihrem Beitrag „Der Dichter Novalis und die Romantisierung der Welt“: „Mütter haben eine starke Stellung in Novalis‘ Werk. Sie sind ein Hort der Liebe und Geborgenheit. (…)
Der Liebe der Mutter verdankt Novalis die tiefe Überzeugung von der inneren Schönheit und Harmonie der Welt, die sein gesamtes Werk durchzieht.“ 2)
Zuerst von Hauslehrern unterrichtet, besuchte Novalis später ein Gymnasium und begann 1790 in Jena Jura und Kameralistik zu studieren.
„In Jena lernte er Friedrich Schiller [siehe: Schillerstraße] kennen, bei dem er Vorlesungen in Geschichte hörte, in Leipzig traf er auf den Studienkollegen Friedrich Schlegel [siehe: Schlegelsweg] und einige andere Vertreter der frühen Romantik, und diese Begegnungen sowie die Lektüre der zeitgenössischen Theoretiker mochten ihn zum Schreiben motivieren, Einfluss auf seine Berufswahl hatten sie nicht.“ 3)
Nach Abschluss seines Studiums trat Novalis 1794 eine Stelle als Aktuarius beim Kreisamt in Tennstedt an. Im selben Jahr lernte er im nahen Grüningen die damals zwölfjährige Sophie von Kühn (17.3.1782 – 19.3.1797 auf Schloss Grüningen) kennen. Novalis verliebte sich Hals über Kopf in das junge Mädchen.
„Für Lust und Leidenschaft ist Sophie zu jung. Und offensichtlich braucht Novalis etwas anderes, nämlich kindliche Unschuld und Naivität, Stabilität und Beruhigung für sein hochgespanntes Ich. Die Familie willigt in die Verlobung ein, und Novalis kommt häufig zu Besuch. Aber sein Tagebuch lässt daran zweifeln, dass es Sophie in dieser Beziehung gut geht. Das junge Mädchen scheint sich vereinnahmt zu fühlen, überfordert zu sein.“ 4)
Ein Jahr nach dem Kennenlernen verlobten sie sich. Doch 1797 starb die knapp fünfzehnjährige Sophie von Kühn an Tuberkulose. Novalis war sehr betroffen, entwickelte eine Todessehnsucht, wünschte mit der Geliebten im Jenseits wieder vereint zu werden. Brigitte Kohn schreibt dazu: „Mit Sophies Tod hat Novalis freie Bahn für grenzenlose Idealisierungen. Sie weist ihm den Weg zu einem höheren Bewusstsein, wird ihm zur Repräsentantin einer höheren Menschheit, eine Mittlerin zum Jenseits wie Christus, Sinnbild für eine neue und umfassende Erfahrung der Transzendenz.“5)
Dennoch blieb Novalis auf dem Boden der profanen Alltäglichkeit und entschloss sich noch im Todesjahr von Sophie von Kühn zu einem Studium der Geologie.
Seine zweite Verlobung ging er 1798, ein Jahr nach dem Tod von Sophie von Kühn, ein. Die Auserwählte war Julie von Charpentier (16.3.1778-1811), Tochter des Berghauptmanns und Freiberger Professors Johann Friedrich Wilhelm von Charpentier.
Hans Joachim Mähl schreibt dazu in der Neuen Deutschen Biographie: „Diese zweite Bindung ist von ihm selbst als schweres Problem empfunden worden, denn die Liebe zu Sophie und die Gewißheit ihrer künftigen Wiedervereinigung blieben davon unberührt. Doch ist für das Verständnis des Dichters und sein Leben zwischen den beiden Welten vielleicht nichts so wichtig wie die Tatsache dieser erneuten Verlobung. Er fühlte sich auf einer Mission, ‚zur Bildung der Erde sind wir berufen‘. In dieser Hinsicht wurde ihm Julie zur Gefährtin des irdischen Lebens, während Sophie die Mittlerin der ‚höhern Welt‘ blieb, die ins Diesseits überführt werden sollte. Der zweiten Gefährtin verdankte er es, daß er sich noch einmal ‚mit voller Seele‘ der empirischen Welt zuwenden und sich auch in seinen literarischen Plänen zur ‚bürgerlichen Baukunst‘ bekennen konnte. ‚Ich bin dem Mittage so nahe, daß die Schatten die Größe der Gegenstände haben – und also die Bildungen meiner Phantasie so ziemlich der wirklichen Welt entsprechen.‘(…).“ 6)
Im selben Jahr, als Novalis sich mit Julie von Charpentier verlobte, erschienen seine ersten Fragmente unter dem Titel „Blüthenstaub“; außerdem verwendete er fortan den Namen Novalis. Ebenso im Jahr 1796: „trat er nach einem vierzehntägigen Kursus in Chemie eine Stelle als Akzessist bei der Salinendirektion in Weißenfels an und sein Vater wurde sein Vorgesetzter, der sich jeder Neuerung hartnäckig widersetzte, was reichlich Stoff zu Konflikten gab.“ 7)
Über Novalis weiteren kurzen Lebensweg bis zu seinem frühen Tod im Alter von 29 Jahren heißt es in Wikipedia: „Ab Pfingsten 1799 arbeitete Novalis wieder in der Lokalsalinendirektion und wurde bereits im Dezember desselben Jahres zum Salinenassessor und Mitglied des Salinendirektoriums ernannt. In dieser Funktion trug er zur Erschließung der Braunkohlelagerstätten in der Gegend um den heutigen Tagebau Profen bei, da Braunkohle als Heizmaterial für die Salzpfannen der Salzwerke in Artern, Dürrenberg und Kösen benötigt wurde. Im Spätherbst 1799 traf er in Jena auf andere Schriftsteller der sogenannten Jenaer Romantik, nachdem er im Juli bereits die Bekanntschaft von Ludwig Tieck gemacht hatte. Schon im darauffolgenden Jahr, am 6. Dezember 1800, erfolgte die Ernennung des nun 28-Jährigen zum Supernumerar-Amtshauptmann für den Thüringischen Kreis, eine Anwartschaft auf eine Beamtenstellung (…).“8)
Nach dem Tod Novalis‘ heiratete Julie von Charpentier 1804 einen ungarischen Adligen.
Novalis, so resümiert Brigitte Kohn, war der Überzeugung, dass „der Mensch (…) lernen [müsse], sich als Teil der kosmisch-göttlichen Ordnung zu begreifen, statt die Natur auszubeuten und zu vernichten. In seinem Roman ‚Heinrich von Ofterdingen‘ lernt der Held, seine Sinne für die Schönheit der Natur zu schärfen.
Novalis ist kein Ökologe im modernen Sinne. Dem Fremden, Wilden, dem Unberechenbaren der Natur lässt er nur wenig Spielraum. Doch er weiß, dass allein Liebe und Verbundenheit mit der Natur und dem Kosmos den Menschen vor dem Abgrund retten kann, der sich in der Moderne vor ihm auftut.“ 9)