Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Tiecksweg

Eilbek (1904): Ludwig Tieck (31.5.1773 Berlin – 28.4.1853 Berlin), Dichter, Dramaturg.
Ergänzt 2017 um seine ebenso bedeutende Tochter Dorothea Tieck (März 1799 Berlin -21.2.1841 Dresden)
Neuer Erläuterungstext: benannt nach Ludwig T. (1773-1853) Dichter und Dramaturg, und dessen Tochter Dorothea T. (1799-1841), bedeutende Übersetzerin


Siehe auch: Marianne-Wolff-Weg
Siehe auch: Rahel-Varnhagen-Weg
Siehe auch: Reichardtstraße
Siehe auch: Bettinastieg
Siehe auch: Schlegelsweg.

Ludwig Tieck war der Sohn von Anna Sophie Tieck, die als Pflegekind in einem Pfarrhaus aufwuchs und des Seilermeisters Johann Ludwig Tieck.

„Ab 1792 studierte er Geschichte, Philologie, alte und neue Literatur (…). Das eigentliche Ziel des Studiums war ihm wohl die Ausbildung zum freien Schriftsteller (…).

Ende 1797 traf Tieck erstmals mit Friedrich Schlegel [siehe: Schlegelsweg] zusammen. Nachdem er 1798 in Hamburg Amalie Alberti [30.8.1769 Hamburg – 11.2.1837 Dresden], eine Tochter des Predigers Alberti, geheiratet und mit ihr das Kind Dorothea Tieck bekommen hatte, hielt er sich 1799–1800 in Jena auf, wo er zu den beiden Schlegel-Brüdern (Friedrich und August Wilhelm Schlegel), Novalis [siehe: Novalisweg], Clemens Brentano [siehe: Brentanostraße], Johann Gottlieb Fichte [siehe: Fichtestraße] und Friedrich Wilhelm Joseph Schelling [siehe: Schellingstraße] in freundschaftliche Beziehungen trat. Zusammen bildete der Kreis die sogenannte Jenaer Frühromantik. Für die von den Schlegels entwickelten Theorien lieferte Tieck die literarischen Beispiele (und umgekehrt). (…). 1801 zogen Tieck und Friedrich Schlegel nach Dresden.

1802 zog Tieck mit der Familie nach Ziebingen, östlich von Frankfurt (Oder), auf das Landgut seines alten Bekannten Burgsdorff; dieser hatte den Dichter eingeladen. Tieck wohnte dort bis 1819, wenn auch mit mehreren, teilweise längeren Unterbrechungen. Enger Kontakt bestand in dieser Zeit zu dem nahen Gut Madlitz westlich der Oder, das der mit Burgsdorff verwandten Familie von Finckenstein gehörte.Tieck ging dabei eine Beziehung ein zu Henriette von Finckenstein (1.7.1774–3.11.1847 Dresden), die ihn 1819 nach Dresden begleitete und zwei Jahrzehnte später schließlich auch nach Berlin. (…)

1819 bis 1842 lebte er in Dresden. (…) 1841 rief König Friedrich Wilhelm IV. den Dichter nach Berlin, wohin er im Herbst 1842 endgültig zog und wo er, durch Kränklichkeit zumeist an das Haus gefesselt und durch den Tod fast aller näheren Angehörigen sehr vereinsamt, ein zwar ehrenvolles und sorgenfreies, aber im Ganzen sehr resigniertes Alter verlebte. König Friedrich Wilhelm IV., der ihn sehr schätzte, berief ihn am 31. Mai 1842 in den neugegründeten preußischen Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste als Gründungsmitglied. (…)“ 1)

Ludwig Tieck und Louise Reichardt
Louise Reichardt [siehe: Reichardtstraße] kannte Ludwig Tieck bereits aus Kindertagen. 1788 war er in Berlin erstmals zu Gast bei ihrem Vater, dem königlichen Kapellmeister Johann Friedrich Reichardt, und seiner Familie gewesen, die in einem Haus in der Friedrichstraße lebten, von Tieck als „Kunstschule“ bezeichnet. Tiecks Klassenkamerad Wilhelm Hensler war Reichardts Stiefsohn und hatte Tieck nach Hause mitgebracht. Wilhelms Mutter Johanna, geb. Alberti (1755-1827), eine Hamburger Predigertochter, hatte Reichardt 1783 geheiratet, für beide war es die zweite Ehe. Johanna Albertis älteste Schwester, Amalia Alberti, lernte Ludwig Tieck bei den Reichardts kennen und heiratete ihn. Reichardt war somit Tiecks „Schwippschwager“, mit dem er eine Zeit lang künstlerisch eng zusammenarbeitete. Louise Reichardt war inspiriert von den jüngeren Poeten Novalis [siehe: Novalisweg] , Arnim [siehe: Arnimstraße] und Tieck, die sie im Hause des Vaters kennengelernt hatte. Dieser hingegen schätzte vor allem die Dichtungen Klopstocks [siehe: Klopstockstraße}, Goethes [siehe: Goethestraße] und Schillers [siehe: Schillerstraße]. Louise Reichardts Schwager Karl von Raumer erinnerte sich an Freiluftkonzerte in Gibiechenstein, bei denen Louise ihre Vertonungen von Novalis’ und Tiecks Dichtungen allein oder von den Schwestern und der Gitarre begleitete. Auch während ihres Wirkens als Musikpädagogin in Hamburg blieb sie Tieck verbunden; etliche Gedichte Tiecks erschienen von ihr in Musik gesetzt im Druck wie z. B. „Sieben romantische Gesänge von Tieck für Singstimme mit Pianoforte Op. 5“, Hamburg (Böhme) 1822.
Text: Birgit Kiupel

Die Schwester Sophie Tieck
Auch Tiecks Schwester Sophie (28.2.1775 Berlin – 1.10.1833 Reval) war Schriftstellerin. Doch so berühmt wie ihre zwei Brüder wurde sie nie. Ludwig, der spätere Schriftsteller, und Friedrich, der spätere Bildhauer, durften das Gymnasium besuchen und studieren, Sophie jedoch nicht. Sie musste im Haushalt und in der Werkstatt ihres Vaters helfen, um auf ihre künftige Rolle als Hausfrau und Mutter vorbereit zu sein. Dadurch wurde sie geistig eingeschränkt und durfte ihre intellektuellen Fähigkeiten nicht entfalten.

Monika Haberstok schreibt über Sophie Tieck unter http://www.sophie-tieck.de/KindheitJugend/KindheitJugend.htm: „Als ‚heiter und lebhaft, keck und leichtsinnig, schnell und scharf in ihrer Auffassung, schlagend in ihren Antworten‘ schildert sie der Ludwig-Tieck-Biograph R. Köpke. Trotz ihres hellen Verstandes blieb für die Tochter aber nur der Weg, sich ihr Wissen auf autodidaktischem Wege anzueignen oder zu sehen, dass sie soviel wie möglich vom Wissen Ludwigs (…) profitierte. Sie teilte die Leselust des Bruders, lernte mit ihm Sprachen und tat sich schon früh mit eigenen dichterischen Versuchen hervor. Durch die Literatur verbündeten sich die Geschwister im Geiste und bildeten eine enge Gemeinschaft, die empfindlich gestört wurde, als Ludwig 1792 das Elternhaus verließ, um zu studieren. Einsamkeit wurde nun für die Siebzehnjährige zur existentiellen Grunderfahrung und sollte ihr ganzes Leben bestimmen, wurde nur noch mal kurz aufgehoben, als sie 1795/1796 zusammen mit dem Bruder eine Sommerwohnung vor dem ‚Rosenthaler Thore‘ bezog und sich dort ein romantischer Kreis um die Geschwister versammelte. Hier begann die schriftstellerische Laufbahn Sophies, als sie 1795 anonym Erzählungen in der Zeitschrift ‚Straußfedern‘ veröffentlichte.“ 2)

Und Sulamith Sparre äußert über Sophie Tieck in fembo: „(…) sie hatte zeitlebens gegen das Gefühl des Gescheitert seins anzukämpfen. James Trainer schreibt von ihrem ‚oft traurigen, geistig unerfüllten‘ Leben, von der Schriftstellerin, die ‚nicht das erreicht hatte, dessen sie sich fähig fühlte‘. Die Belastungen eines unbefriedigenden, zudem aufreibenden Lebens machten sie oft krank, leidend: 1799 hatte sie den Freund und ehemaligen Lehrer des Bruders, August Ferdinand Bernhardi, geheiratet. Die Ehe war kalt und lieblos. Sophie floh, mit zwei Kindern: Bernhardi forderte die Herausgabe der Kinder – zuletzt mit Polizeigewalt, nachdem Sophie durch halb Europa geflohen war. Die Scheidung wird zu einem Skandal.“ 3)

Während ihrer Ehe mit Bernhardi hatte Sophie Tieck ein Liebesverhältnis mit August Wilhelm Schlegel (siehe: Schlegelsweg). Außerdem pflegte sie während ihrer Ehe eine Liaison mit dem baltischen Gutsbesitzer Baron Karl Gregor von Knorring. Letzteren heiratete sie 1810.

Vor ihrer Scheidung von Bernhardi lebte Sophie Tieck eine Zeitlang in Rom. Dazu heißt es bei Monika Haberstok: „Ende März 1805 ging es (…) über die winterlichen Alpen nach Italien, um möglichst vor den Nachstellungen des Ehemannes sicher zu sein. In Rom mietete man sich in einem weitläufigen Palazzo am Fuße des Monte Cavallo ein (…) und führte zusammen mit den Brüdern, die bald nachkamen, ein aufwändiges Leben. Man verkehrte mit deutschen Gelehrten und Künstlern, die sich gerade in Rom aufhielten, machte neue Bekanntschaften und pflegte die Geselligkeit. Sophie schrieb Gedichte und nahm ihr episches Gedicht ‚Flore und Blanscheflur‘ in Angriff.

Beeinträchtigt wurde das schöne Leben in Rom allerdings durch den aufsehenerregenden Scheidungsprozess, den August Ferdinand Bernhardi eingeleitet hatte, und einen erbitterten Kampf um das Sorgerecht für die Kinder. Es heißt, dieser Prozess habe die Berliner Romantik gespalten.“ 4)

Schließlich war alles Geld aufgebraucht und so musste Sophie Tieck 1807 mit ihren beiden Kindern zurück nach Deutschland. Von München zog es sie nach Prag und dann nach Wien, „um dort mit dem auf der Suche nach finanzieller Unterstützung befindlichen Baron von Knorring erneut zusammenzutreffen. In Wien mietete man sich wieder in einer eleganten Wohnung ein, besuchte die Vorlesungen A.W. Schlegels und pflegte Kontakte zu einflussreichen Persönlichkeiten, die die junge Frau beim Kampf um ihre Kinder unterstützen sollten. Dennoch erlebte Sophie Ende des Jahres 1808 in München das traumatische Ende des von ihr verlorenen Scheidungsprozesses. Sie sollte beide Kinder an Bernhardi abgeben, konnte aber einen Vergleich mit diesem schließen. Bernhardi war so ‚großmütig’, ihr den Sohn Felix Theodor zu lassen. Wilhelm ging mit dem Vater nach Berlin.

Dass Sophie eine mutige Kämpferin war, das hatte ihre Flucht mit den Kindern nach Italien bewiesen. Aber im April 1812 traf sie den äußerst unkonventionellen Entschluss, Knorring, den sie 1810 geheiratet hatte und der sich wegen Erbschaftsangelegenheiten in seiner Heimat aufhielt, mitten durch die Wirren der Napoleonischen Kriege nach Estland zu folgen. Zusammen mit einem Kammerdiener, dessen Frau als Zofe, einem Polen und ihrem zehnjährigen Sohn machte sie sich auf den Weg. (…). Acht Jahre wird Sophie Tieck nun in Estland, das damals russisch war, verbringen. Die zusammengeführte kleine Familie bewohnte zusammen mit Bediensteten das in Knorringschem Familienbesitz befindliche Gut Arroküll im Gebiet Ostjerwen (…). Sophie, die im fernen Estland schon als Schriftstellerin bekannt war, knüpfte zu dem Bibliotheksdirektor der Universität Karl Morgenstern einen engen Kontakt.

Das Gut befand sich bei Ankunft in ziemlich desolatem Zustand. Als Gutsherrin hatte die junge Frau völlig fremde Pflichten zu übernehmen, für die sie ein durchaus ernsthaftes Interesse entwickelte. (…). 1820 kehrte die damals 45jährige Sophie noch einmal mit Knorring und Felix nach Deutschland zurück, nachdem Arroküll verkauft worden war. Felix immatrikulierte sich an der Universität Heidelberg, und die Familie blieb zwei Jahre in dieser Stadt. Sophie hatte den Traum, das einstige romantische Bündnis wieder aufleben zu lassen. Aber selbst das einstige innige Verhältnis zum Bruder Ludwig ließ sich nicht wieder erneuern und zeigte die Entfremdung zwischen den Geschwistern.

1822 starb der Bruder Knorrings, der das Familiengut Erwita, das sich ganz in der Nähe von Arroküll befand, bewohnt hatte. Knorring und Sophie sahen sich gezwungen, die Erbschaftsangelegenheiten vor Ort zu regeln. Felix blieb in Heidelberg. Der ursprünglich geplante Kurzaufenthalt in Ostjerwen entwickelte sich zu einem Bleiben im Baltikum bis zum Lebensende Sophies. Wieder musste sich Sophie mit Dingen befassen, die mit ihren ‚natürlichen Neigungen‘ nicht übereinstimmten. Obwohl von ewiger Sehnsucht nach der Heimat gequält, war sie produktiv und arbeitete an ihrem dreiteiligen Roman Evremont, den Ludwig Tieck posthum herausgab. Mit Knorring verband sie eine gleichberechtigte Partnerschaft. Er brachte Beständigkeit in ihr Leben, obwohl er natürlich die Sophie bedrückende Einsamkeit der östlichen Einöde nicht auslöschen konnte.

Die letzten drei Jahre ihres Lebens lebten Sophie und Knorring in Reval, da Erwita versteigert werden musste.“ 5)

Monika Haberstock beschreibt Sophie Tieck als Schriftstellerin wie folgt: „Sophie Tieck wird in der Literatur als herrschsüchtig, heftig, aggressiv bezeichnet. ‚So wütent leidet kein Mann‘, hatte sie einmal an den Bruder geschrieben. Nur ihr rebellischer Geist gab ihr trotz fast dauernder Kränklichkeit die Kraft, gegen Konvention und aufoktroyierte Rolle anzukämpfen und ein umfangreiches literarisches Werk zu schaffen. Sie fühlte sich als Schriftstellerin, war aber bei der Veröffentlichung meist auf die Hilfe von Ludwig Tieck oder A.W. Schlegel angewiesen. Die Geschlechterdebatte und die damit verbundene weibliche Bestimmung wies die Frauen auf die Grenzen ihrer Wahl des Genres hin, d.h. auf Kleinformen wie den Brief, Lyrik und Erzählungen. Sophie Tieck ließ sich nicht festlegen. Bis zu ihrer Flucht nach Italien hatte sie schon Märchen, dramatische Phantasien, Sonette, Balladen, Gedichte geschrieben, die in damals aktuellen Literaturzeitschriften und beliebten Taschenbüchern veröffentlicht wurden. In diesen Beiträgen lässt sich eine Entwicklung von aufklärerischen zu romantischen Positionen feststellen.

In ihrem ersten Roman „Julie Saint Albain“, der 1801 anonym erschien, machte sie die Geschlechterdebatte zum Thema und klinkte sich in die empfindsame Tradition des Briefromans ein, während sie in dem in der Zeitschrift “Athenäum“ im Jahre 1800 (Dritter Band, zweites Stück) veröffentlichten Essay "Lebensansicht" eine philosophische Betrachtung über das Leben anstellte. Dagegen entwarf sie 1804 in Dramatischen Fantasien idyllische Zustände, die als Gegenwelt zur Wirklichkeit zu lesen sind und im Reich der Phantastik die Erfüllung sehnsuchtsvoller Liebeswünsche suchen. (…)

In den Jahren in Estland schließlich war sie von der Realität so absorbiert, dass der dort entstandene Roman ‚Evremont‘ erst nach ihrem Lebensende erscheinen konnte. In diesem Roman wendet sie sich von jeder Traum- und Märchenwelt ab. (…). Das dreibändige Werk wurde 1836 unter dem Namen des Bruders, Ludwig Tieck, herausgegeben.“ 6)

Das Verhältnis der Geschwister Ludwig und Sophie Tieck zueinander sowie Tiecks Verhältnis zu seiner Ehefrau Amalie und zu Henriette von Finckenstein
Die beiden Geschwister arbeiteten literarisch besonders in den Jahren 1795 bis 1796 eng zusammen. Geschichten, die Sophie verfasste, ließ ihr Bruder zu einem Teil unter seinem Namen veröffentlichten. So machte er es später auch bei seiner Tochter Dorothea.

Spekuliert wurde über das enge Zusammensein der beiden Geschwister. Und einige Menschen behaupteten, es sei möglicherweise inzestuös gewesen.

Der Autor Lothar Baus behauptet, dass die Geschwister gar keine wirklichen Geschwister gewesen seien, denn Ludwig Tiecks Vater sei Gothe gewesen.7)

Ludwig und seine Ziehschwester Sophie wollten heiraten. Doch Goethe stimmte dieser Verbindung nicht zu, hätte er dann doch seinen unehelichen Sohn öffentlich legitimieren müssen. „Mit Mühe gelang es dem Vater und dem väterlichen Freund Reichardt, Ludwig und Sophie von der Aussichtslosigkeit dieses Unternehmens zu überzeugen. Ludwig Tieck ‚beredete‘ später seine Ziehschwester Sophie und den Freund Bernhardi zur Heirat. (…) Ludwig heiratete wohl selber auf Einreden des väterlichen Freundes Reichardt dessen Schwägerin Malchen Alberti.“ 8) Beide Ehen wurden nicht glücklich.

Ludwig Tieck hatte Amalie Alberti (1769-1837) 1792 bei Johann Friedrich Reichardt kennengelernt. Das Paar heiratete. „Durch die Heirat mit Amalie Alberti wagte Ludwig 1798 den ersten Schritt zu einem bürgerlichen Dasein. Es scheint sich hierbei zunächst um einen nur halbherzigen Sozialisations- und Anpassungsversuch gehandelt zu haben. (…) Den Wunsch, dem wohl nicht sehr ‚glücklichen‘ Eheleben, den familiären und finanziellen ‚Krisen‘ zu entrinnen, belegen zudem seine sich fast nahtlos an die Vermählung anschließenden ‚Wanderjahre‘ (1799-1810) und seine (angeblichen) Flirts mit sehr verschiedenartigen jungen Damen.“ 9)

Amalie lebte nach der Hochzeit jahrelang von ihrem Mann getrennt. Tieck weilte z. B. seit 1802 in Ziebingen in der Neumark im Gut des Grafen Finckenstein. Tieck war auf Einladung Wilhelm Burgdorffs, einem Neffen des Grafen, den er seit Studientagen kannte, dort hingekommen. Mit seiner Frau lebte Tieck seit 1802 in Dresden. Doch die finanzielle Situation der beiden war schlecht. Tieck war deshalb u. a. froh, in Ziebingen Unterschlupft zu finden. Auch Amalie zog später nach und verliebte sich in Burgdorff. Aus dieser Verbindung wurde 1806 die Tochter Agnes geboren, sieben Jahre zuvor, d. h. ein Jahr nach der Hochzeit von Amalie und Ludwig Tieck, war deren gemeinsame Tochter Dorothea auf die Welt gekommen. Ludwig Tieck, der seit 1802 eine Liaison mit Henriette, der Tochter des Grafen Fickenstein, führte, nahm Agnes als sein eigenes Kind an.

Ludwig Tieck war weiterhin kaum bei seiner Frau Amalie. „Sophie verlangte von ihrem Bruder, daß er wieder gutmachen solle, was er ihr einst antat, indem er ihr Bernhardi zum Ehemann aufschwatzte. Ludwig begleitete sie auf ihrer Flucht nach Italien zuerst einmal bis München. Goethe war wiederum mit Ludwigs Handlungsweise nicht einverstanden, deswegen blieb Ludwig wahrscheinlich, weil er kein Geld hatte, in München zurück, während Sophie mit Baron von Knorring nach Italien weiterreiste. (…)“ 10)

Ludwig Tieck war in ständiger Geldnot. Goethe, der bisher an seinen Sohn Ludwig Tieck Unterhalt gezahlt hatte, unterstützte finanziell nur noch Amalie Tieck und die Kinder. Ludwig Tieck, der nie selbstverdientes Geld besessen haben soll, wurde ein Jahr lang von seiner Schwester Sophie finanziert – das Geld kam aus der Schatulle ihres Geliebten Baron von Knorring.

Die Geschwister gerieten wegen der Geldnöte in Streit. „Im Juli 1810 kam es zum endgültigen Bruch zwischen Ludwig und Sophie. Wiederum lebte Ludwig Tieck monatelang von dem Geld des Barons von Knorring. Die Reibereien zwischen Sophie und Ludwig wurden schließlich unerträglich, bis Baron von Knorring ein Machtwort sprach (…). [Ludwig Tieck reiste ab. Er] „unternahm (..) wiederum einen ‚Gang nach Canossa‘, d. h. nach Weimar zu seinem Vater. (Wiederum wurde darüber beratschlagt, wie man dem Sohn zu Einkünften verhelfen könne.) Nach dem ‚Kaiser Octavianus‘ und dem ‚Musenalmanach für das Jahr 1802‘, also von 1802 bis 1812, Beginn des Erscheinens des ‚Phantasus‘, wurden keine Werke Goethes unter dem Namen Ludwig Tiecks veröffentlicht. Dies ist ein klares Indiz für die Spannungen, in denen Vater und Sohn (…) lebten. Ludwig hatte in den Jahren von ca. 1802 bis ca. 1812 fast gar nichts getan, nicht einmal Werke seines Vaters ‚abgeschrieben‘, um sie Verlegern anzubieten. Die Abschrift von ‚Flore und Banscheflur‘ (ein Werk Sophies), die Ludwig Tieck in Rom auf Bitten der Schwester unternahm, soll (…), so fehlerhaft gewesen sein, daß sich Sophie zu einer Überarbeitung des Werkes entschließen musste. (…)“ 11)

1819 zog Tieck mit Henriette und Amalie plus Kindern gemeinsam nach Dresden, wo sie auch zusammen lebten. „Die Ehe zu dritt war zwar vom ‚Geruch des Skandalösen‘ umgeben, bedeutete aber ganz handfest eine ‚finanzielle Bereicherung‘ für die Familie.“ 12), denn Henriette unterstützte aus ihrem Vermögen den Haushalt der Familie, in der sie ja schließlich auch mit lebte.

Allerdings litten die Töchter Dorothea und Agnes unter dem Klatsch, dem sich die Menage-à-trois ausgesetzt sah.

Tieck hielt die Ehe mit Amalie wohl nur deshalb aufrecht, um keinen gesellschaftliche Eklat durch eine Scheidung zu verursachen. Einen diesbezüglichen Skandal wollte er vermeiden, wog dieser wohl noch schwerer als eine „Ehe zu dritt“. Es ging ihm um seinen Ruf.

Ludwig und Amalies Tochter Dorothea (1799-1841) wurde eine bedeutende Übersetzerin und fertigte mit ihrem Vater und Wolf Heinrich Graf von Baudissin viele Übersetzungen von Shakespeare an.

Dorothea Tieck hatte als Kind Französisch, Englisch, Italienisch und Spanisch gelernt, aber auch Griechisch und Latein. Seit die Familie Tieck ab 1819 in Dresden lebte, unterstützte Dorothea ihren Vater bei seinen Arbeiten. Aber auch sie selbst übersetzte Werke von Shakespeare und andere Werke aus dem Spanischen. Ihr Name wurde allerdings nie dabei genannt, sondern Ludwig Tieck setzte seinen Namen unter die Werke seiner Tochter. Dorothea, die – wie ihre Mutter – katholisch war, verfiel zeitweilig in schwere Depressionen angesichts des Verhältnisses ihres Vaters zu der Gräfin Finkenstein. Sie überlegte sogar, Nonne zu werden, verwarf jedoch diesen Gedanken, weil sie ihrer sich selbst auferlegten Verpflichtung nachkommen wollte, als älteste Tochter ihren Vater, der 1837 Witwer geworden war, zu umsorgen.

1841 starb Dorothea an Masern und wurde bei ihrer Mutter auf dem Alten Katholischen Friedhof in Dresden bestatte. Dort erinnert eine Gedenktafel an sie.

„Dorothea Tieck hielt sich bei ihrer Arbeit stets im Hintergrund. Über ihre Arbeit als Übersetzerin äußerte sie sich 1831 in einem Brief an Friedrich von Uechtritz: ‚Ich glaube, das Übersetzen ist eigentlich mehr ein Geschäft für Frauen als für Männer, gerade weil es uns nicht gestattet ist, etwas eigenes hervorzubringen.‘ (Dorothea Tieck an Friedrich von Uechtritz, Brief vom 15. Juli 1831). Dorothea Tieck blieb zeitlebens diesem Frauenbild verhaftet und veröffentlichte trotz ihres literarischen Talents keine eigenen Schriften. Sie akzeptierte das Zurücktreten hinter den Namen ihres Vaters und unterstützte die Geheimhaltung ihrer literarischen Tätigkeit sogar.“ 13)