Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Roonstraße

Hoheluft-West (1874): Generalfeldmarschall Graf Albrecht von Roon (30.4.1803 Pleushagen – 23.2.1879 Berlin), preußischer Kriegsminister.


Siehe auch die anderen Straßen im „Generalsviertel“ in Hamburg Eimsbüttel: Mansteinstraße, Wrangelstraße, Bismarckstraße, Tresckowstraße, Kottwitzstraße, Contastraße, Tegetthoffstraße, Gneisenaustraße, Goebenstraße, Moltkestraße.

In der NS-Zeit sollte die Straße im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes in Guillemontstraße umbenannt werden, da nun das bisherige Staatsgebiet Hamburg um benachbarte preußische Landkreise und kreisfreie Städte erweitert worden war und es dadurch zu Doppelungen bei Straßennamen kam. Bedingt durch den Krieg kam es nicht mehr zu dieser Umbenennung und es blieb bei Roonstraße. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg: 133-1 II, 38. Anlage 2. Große Umbenennung von 1938. Die neu vorgeschlagenen Straßennamen nach Stadtteilen geordnet unter Angabe der verwendeten Benennungsmotive)

„Albrecht von Roon war der Sohn Heinrich Friedrichs von Roon (17. Oktober 1768 in Berlin -15. Oktober 1808 in Pleushagen), preußischer Sekondeleutnant a. D., herzoglich-braunschweigischer Kammerjunker sowie Herr auf Pleushagen, Kreis Fürstenthum, und dessen Ehefrau Johanna Constantia Ulrike Albertine, geborene von Borke, verwitwete Schmied von Schmiedeseck (August 1773 in Schwochow - 4. Oktober 1823 in Friedensburg),“ 1) heißt es in Wikipedia.

Roon war seit 1836 mit Anna Rogge (8.9.1818 Groß Tinz –8.3.1885 Krobnitz) verheiratet. Sie war die Tochter des preußischen Militärpfarrers Wilhelm Rogge (1790–1870) und dessen Ehefrau Auguste Wolfram. Graf Albrecht von Roon hatte Anna Rogge 1835 bei einem Besuch von Verwandten in Groß-Tinz (Kreis Neumarkt) kennengelernt. Das Paar bekam fünf Söhne und zwei Töchter, geboren: 1837, 1838, 1840, 1842, 1843, 1844, 1852.

Bereits 1983 forderte die SPD-Eimsbüttel, die Roonstraße umzubenennen. Die Verkehrsfläche befindet sich im „Generalsviertel“, so benannt, weil dort viele Straßen nach ehemaligen Militärs benannt sind. In einer Broschüre mit dem Titel „Machen wir aus dem Generalsviertel ein Friedensviertel! Für Straßen des Friedens!“ schrieb die SPD-Eimsbüttel damals: „Wir wollen damit niemanden ärgern. Für uns ist dieser Vorschlag von wichtiger inhaltlicher Bedeutung. Wrangel, Moltke – und Mansteinstraße – dies sind keine Straßennamen wie viele andere. Bismarck, Goeben und Roon sind keine unbeschriebenen Blätter. Die Straßen des ‚Generalsviertels‘ sind benannt nach Politikern und Militärs, die u. a. für tausende und abertausende Kriegstote, die Unterdrückung von Freiheit und Demokratie mitverantwortlich zeichnen.“ 2)

Über Roon heißt es in dieser Broschüre: „mitverantwortlich für die Kriege gegen Dänemark (1864) und Österreich (1866). 1870/71 setzte er im deutsch-französischen Krieg die Beschießung von Paris durch“. 3)

Der Historiker Dierck Walter schrieb 2007 im Auftrag der Deutschen Kommission für Militärgeschichte und des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes über Roon:.
„Roon war (…) ein Außenseiter der nach oben wollte. Aus nicht-preußischer und noch dazu fast sicher nichtadliger Familie stammend, beziehungslos und von schwächlicher Gesundheit, hatte sich der 1803 geborene Roon durch seine nicht unerheblichen Geistesgaben über den Generalstabsdienst, die Kriegsschule und die Historische Abteilung bis Mitte der 1850er immerhin bis zum Generalmajor und Brigadekommandeur hochgedient. (…)

1849 [war er] erstmals mit dem Prinzen von Preußen in dienstlichen Kontakt gekommen. Roon ergriff daher mit beiden Händen die Aufstiegschance, die sich ihm bot, als der Prinzregent ihn im Sommer 1858 aufforderte, eine schriftliche Ausarbeitung zu einer allfälligen Armeereorganisation einzureichen. Ohne Hintergrundkenntnisse, (…) schluderte er in seinem Badeurlaub in Kolberg die ‚Bemerkungen und Entwürfe‘ zusammen, die sich nach dem Eingeständnis selbst wohlwollender Kommentatoren ‚leider nicht nur große Klarheit und Durchsichtigkeit‘ auszeichneten, technisch im Vagen blieben und die finanziellen Auswirkungen der vorgeschlagenen Reform geradezu katastrophal unterschätzten. (…)“4)

Dennoch punkte er durch weiteres Agieren beim Prinzregenten und erhielt schließlich eine Division: die Düssseldorfer 14 und schlussendlich das Kriegsministerium.

Dierck Walter analysiert: „Roons Rolle im Umfeld von Heeresorganisation und Verfassungskonflikt war (…) durchweg eine politische, nicht eine militärfachliche; er war der eiserne Knüppel des Monarchen in Regierung und Parlament. Wann immer er versuchte, inhaltlich aktiv zu werden, Gestaltungsspielräume auszuloten, Kompromissvorschläge zu machen – und Roon konnte kompromissbereit bis zum blanken Opportunismus sein – wurde er von Wilhelm zurückgepfiffen. (…)“. 5)

Als Roon Kriegsminister war, hielt er am 12. September 1862 im preussischen Abgeordnetenhaus eine Rede, in der u. a. Folgendes sagte: „Wenn ich die Geschichte mit Nutzen gelesen habe, so ist der Hauptinhalt der Geschichte nichts andres als der Kampf um Macht und Machterweiterung [...], sowohl zwischen den einzelnen Staaten als innerhalb der einzelnen Staaten [...].“6). Dazu äußert Niklaus Meier in seiner Dissertation „Warum Krieg? Die Sinndeutung des Krieges in der deutschen Militärelite 1871-1945“: „(…) Roons (…) Zitate deuten wesentliche Aspekte einer machtstaatlich fundierten Kriegsdeutung an: Der auf sich selbst gestellte Staat als Machtstaat, der sich im Machtkampf mit anderen Machtstaaten behaupten und allenfalls seine Macht (gewaltsam) erweitern muss. Den Dreh- und Angelpunkt bildete die Idee des nationalen Machtstaates, die im 19. Jahrhundert eine essentielle Wirkung entfaltete, die staats- und geschichtsphilosophischen wie auch die (völker-) rechtlichen Diskurse entscheidend prägte und die liberalen, kosmopolitischen Vorstellungen der Aufklärung nachhaltig erschütterte.“ 7)

Kritisch mit Roon beschäftigt sich auch das Dorsten Lexikon, da es im dortigen Holsterhausen eine Roonstraße gibt. Hier heißt es: Nach Roon, „(…) der verschiedene Kriegszüge als Oberbefehlshaber anführte, auch 1848 als innenpolitische Aktion gegen die aufmuckende Demokratiebewegung in Berlin, indem er die Berliner Nationalversammlungauflöste [und auch mit dabei war]( …) die Ruhr-Aufstände niederzuschlagen. Nach ihm sind in Deutschland etwa 95 Straßen benannt. (…)

Albrecht von Roon wurde von seinem König beauftragt, das Heer zu reformieren. Die bürgerlich geprägten Landwehren, die es seit 1814 gab, (…) wurden abgelöst durch eine ‚Königsarmee‘, (…), mit Soldaten, die monarchistisch gesinnt waren. Roon stellte die Forderung aus, die Armee auch innenpolitisch einzusetzen, gegen die eigenen Bürger. Man wollte monarchisch gesinnte Soldaten und keine Bürger in Uniform.

Ende 1859 trat dann eine Kommission zur Heeresreform unter dem Vorsitz des Feldmarschalls von Wrangel [siehe: Wrangelstraße] zusammen, der Roon angehörte. (…). Zur Umsetzung und Durchsetzung der neuen Heeresstruktur gegenüber dem preußischen Landtag ernannte König Wilhelm seinen Roon am 1859 zum preußischen Kriegsminister. Roon baute eine schlagkräftige preußische Armee mit Friedensstärke von 220.000 Mann mit dreijähriger Dienstpflicht auf. Der durch die Fortschrittspartei liberal dominierte preußische Landtag sah darin einen Verfassungsbruch und leistete Widerstand, weil Roon das Heer zu einem innenpolitischen Machtmittel des Monarchen zu machen beabsichtigte. Als der König von Preußen den Kampf um die Heeresreform mit dem preußischen Landtag aufgeben wollte, sandte Roon an Bismarck [siehe: Bismarckstraße] am 1862 ein denkwürdiges Telegramm mit dem Satz: ‚Periculum in mora. Dépêchez-vous!‘ (‚Gefahr im Verzug! Beeilen Sie sich!‘). Das Telegramm veranlasste Bismarck, von seinem Pariser Botschafterposten nach Berlin zurückzukehren, wo der König ihn zum Ministerpräsidenten ernannte. Bismarck, Roon und der König führten die ‚Reform‘ dann gegen das Parlament durch.“ 8)

„Den Höhepunkt seiner Karriere ereichte er mit dem Krieg gegen Frankreich 1870, als Roon eine Bundesheeresstärke von 1.180.000 Mann ins Feld stellen konnte. Für seine Verdienste ernannte ihn der nunmehrige Kaiser Wilhelm I. 1873 zum Generalfeldmarschall. Roon erkrankte, nahm seinen Abschied und zog sich auf das Schloss Neuhof bei Coburg in Franken zurück. In Niederschlesien kaufte er am 1873 das Schloss Krobnitz bei Görlitz. Dort verbrachte Roon seine letzten Lebensjahre und wurde 1879 in der Familiengruft bestattet. (…).“ 9)