Roseliusweg
Wilhelmsburg (1951): Ludwig Roselius (2.6.1874 Bremen – 15.5.1943 Berlin), Bremer Kaufmann, Kaffeehändler, Gründer der Firma „Kaffee Hag“, Mäzen, Förderer der Worpsweder Künstler.
Über Roselius Herkunft und beruflichen Schritte heißt es in Wikipedia u. a.: „Roselius war das zweite Kind des Bremer Kaufmanns und Kaffee-Importeurs Dietrich Friedrich Rennig Roselius (1843–1902). (…).“1) Er hatte auch eine Mutter, diese hieß Elise, geborene Windmüller (1844-1901).2)
„Er absolvierte von 1890 bis 1893 eine Lehre in der Kolonialwaren-Großhandlung von Ernst Grote in Hannover, der ein Geschäftsfreund seines Vaters war. Anna Grote [1874-1926] als zweite Tochter von Ernst Grote heiratete Roselius 1899. 1894 war Roselius in das väterliche Geschäft Roselius & Co. in Bremen eingetreten. Einige Jahre später wurde er zum Teilhaber des Unternehmens, das zunächst neben Kaffee auch Kolonialwaren führte. Roselius junior weitete das Geschäft aus; 1901 wurde eine Filiale in London gegründet, 1902 eine weitere in Utrecht, 1903 folgte die Übernahme der Firma Friedrich Baur in Hamburg und 1905 die Gründung einer Zweigstelle in Wien.“ 3)
Ludwig Roselius profitierte als Kaufmann vom Kolonialismus. Gönna Jensen schreibt dazu: „Der Bremer Kaufmann Ludwig Roselius errichtete im Jahr 1944 ein Museum in Bremen mit dem Zweck, für die Rückforderung der Kolonien zu werben. Das Museum war benannt nach Adolf Lüderitz, welcher Namibia kolonialisierte. Ludwig Roselius profitierte durch den Kolonialismus, da er ein Kolonialgut handelte, wie schon sein Vater vor ihm.“ 4)
Philipp Schallberger schreibt über den Zusammenhang zwischen Kolonialismus und Kaffee u. a. „Kaffee wird heute in mehr als 60 Ländern produziert. In allen diesen Ländern, ausser dem heutigen Äthiopien und Südsudan, war Kaffee ursprünglich kein einheimisches Gewächs, sondern wurde von den Kolonialmächten mitgebracht. Verwalter und Missionare waren es oft, die Kaffeesamen in den Subtropen angepflanzt haben. (…). Reisende, Wissenschaftler und Kaufleute, die einer Kolonialmacht angehörten, haben Kaffee aktiv verbreitet, indem sie Samen und Pflanzen per Seefracht auf andere Kontinente brachten.
Die Ziele waren sowohl die ökonomische Ausbeutung als auch die botanische Erforschung einer bisher unbekannten Pflanze. (…) Der Anbau von Kaffee in den neuen Kolonien bedingte zumeist die gewalttätige Ansichnahme von Land mitsamt der forcierten Arbeit auf den Plantagen.“5)
Ludwig Roselius ließ als Erster ein Verfahren entwickeln, das den Kaffeebohnen das Koffein entzog, denn – so die Legende – sein Vater soll deshalb bereits im Alter von 59 Jahren gestorben sein, weil dieser zu viel Kaffee getrunken habe. 1906 ließ Roselius Junior das Verfahren für koffeinfreien Kaffee patentieren und gründete die Kaffee Handels Aktien Gesellschaft (Kaffee HAG).
Aus seiner ersten Ehe hatte Roselius zwei Töchter. Die Tochter Hildegard (1901-1963) wurde Zeichnerin und Schriftstellerin und veröffentlichte unter dem Pseudonym: Bettina Amberg. „Sie hatte Adolf Hitler beim Tee kennengelernt und (…) keinen Blick für die Dimensionen der Gräueltaten ihres mächtigen Gegenübers. ‚Wir werden doch förmlich überschwemmt von Leuten, die im Konzentrationslager waren. Wenn alles wirklich so schlimm war, dann frage ich mich, wo die jetzt alle herkommen‘, soll Amberg später zu einer Freundin gesagt haben.“ 6)
Zwei Jahre nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete Roselius 1928 in Paris Martha (Marthe) Petrouschitz (geb. 1903). Das Paar bekam einen Sohn.
Roselius‘ engste Vertraute war seine Privatsekretärin Barbara Goette (26. Juli 1908 - 23. Oktober 1997). Barbara Goette, die Mathematik, Physik und Philosophie studiert und ihr Studium 1934/35 mit den Staatsprüfungen abgeschlossen hatte, war eine angeheiratete Verwandte von Roselius: Ihr Bruder hatte die jüngste Tochter Roselius‘ geheiratet. 1935 begann Barbara Goette für Roselius zu arbeiten und blieb in seinen Diensten bis zu seinem Tod 1943. Die letzte Zeit seines Lebens pflegte sie den kranken Roselius. Nach seinem Tod begann sie mit ihrer Doktorarbeit. In Kiel traf sie den englischen Dozenten Dr. JP Leidig. Das Paar heiratete im Februar 1945. 1950 zog es nach Adelaide/Australien. Das Paar bekam zwei Söhne. 1957 wurde Barbara Leidig Witwe. Sie unterrichtete Mathematik in Woodlands. 7)
Roselius Cousine war die Pädagogin Johanne Marie Roselius (12.2.1869–10.7.1951 Bremen). Sie arbeitete als pädagogische Leiterin der Steilschen Anstalt bzw. der bremischen höheren Mädchenschule. Über Johanne Marie Roselius hat Elisabeth Hannover-Drück vom Frauenmuseum in Bremen eine Vita verfasst: „Johanne war die Tochter des Bremer Kaufmanns Ludwig Roselius (1836-1908) und der Marie Schramme (1842-1907). (…). Als Zehnjährige zog sie mit ihren Eltern nach Kassel, wo sie nach entsprechender Ausbildung 1887 die Prüfung für das Lehramt an mittleren und höheren Mädchenschulen ablegte.“ 8) Sie arbeitete dann als Privatlehrerin, so auch in Berlin, wohin sie ihren Eltern folgte, als diese dorthin gezogen waren. Schließlich bekam sie die Gelegenheit, in Bremen an der Höheren Mädchenschule von Mathilde Steil zu unterrichten. Bereits ein Jahr, nachdem sie dort ihre Stellung angetreten hatte, übernahm sie 1908 die Schule. Doch vorerst bekam die Schule nicht die angestrebte Anerkennung als Höhere Mädchenschule. Schließlich gelang es Johanne Marie Roselius doch noch, die begehrte Anerkennung zu erhalten. 9)
Noch eine Frau spielte in Roselius Leben eine Rolle: Rebecka Pennmeyer (17.5.1832 Bremen – 6.5.1916 Bremen). Christine Holzner-Rabe hat ihr eine Vita gewidmet. Rebecka Pennmeyer lernte Roselius in ihrem Haus in der Böttcherstraße kennen. Das Haus hatte ihr Vater ihr und seiner Enkelin vererbt. „Da beide Frauen unverheiratet und kinderlos waren, sie sich außerdem für die Haushaltung zu alt fühlten, suchten sie eine Möglichkeit, ihr Haus vor dem Verfall oder der billigen Versteigerung zu retten. In Ludwig Roselius sahen sie einen finanzkräftigen, kunstverständigen Mann, der als Käufer in Frage kam.“ 10). Roselius kaufte das Haus Böttcherstraße 6, in dem Roselius 1928 das nach ihm benannte Sammlermuseum eröffnete. 11)
Als Mäzen förderte Roselius u. a. die Malerin Paula Becker-Modersohn (siehe Modersohnstraße)
Roselius und seine Beziehung zum NS-System
Roseilus war in das NS-System verstrickt: Erst Klee schreibt dazu: „1917 Mitbegründer der antisemitischen Deutschen Vaterlandspartei. Ließ ab 1924 die Bremer Böttcherstraße neu bauen. (1944 von Bomben zerstört). ‚Die Wiedererrichtung der Böttcherstraße ist ein Versuch, deutsch zu denken.‘ Gast im Hause Wahnfried, Förderer des Malers Hoetger [Sympathisant des Hitler-Regimes, wurde aber 1938 aus der NSDAP ausgeschlossen und emigrierte 1943 in die Schweiz, R. B.] und des Pseudogelehrten Herman Wirth, Autor: Vom Ursprung und Sinn des Hakenkreuzes. Roselius 1933 in seinem Buch Briefe und Schriften zu Deutschlands Erneuerung über Hitler: ‚Der hehre Schwung seiner Seele, die Reinheit seines Gefühls für die deutsche Sache wird zur Erhabenheit.‘ Mitglied der Akademie für Deutsches Recht, Förderndes Mitglied SS. Hitler am 9.9.1936 auf dem NSDAP-Reichsparteitag: ‚Der Nationalismus lehnt diese Art von Böttcherstraßen-Kultur schärftens ab.‘ Dennoch 1937 auf der ersten Großen Deutschen Kunstausstellung im Münchner NS-Musentempel Haus der Deutschen Kunst als Ehrengast eingeladen.“ 12)
Roselius Antrag auf Mitgliedschaft in die NSDAP wurde zweimal abgelehnt. „Roselius, der die ‚Machtübernahme‘ der NSDAP enthusiastisch begrüßte, schrieb im November 1933 an Franz X. Schwarz, den Schatzmeister der NSDAP: ‚Ich habe unserm Führer ewige Treue geschworen und bin stets bereit, das zu tun, was er über mich bestimmt. Ich möchte es deshalb Ihnen überlassen, falls Sie es für gut halten, mich als Mitglied in die Partei einzureihen.“ 13)
In der Neuen Deutschen Biographie heißt es über Roselius Einstellung zum Nationalsozialismus: „Über die Vorstellungen vom nordischen Menschen und Wesen näherte er sich dem Nationalsozialismus; er organisierte 1933/34 Kongresse unter Beteiligung dt. und ausländischer Vorgeschichtsforscher und Nordisten zu Themen wie der Urbevölkerung Nordwestdeutschlands, der Germanischen Völkerwanderung oder der Einwohner Germaniens, die er ‚nordisches Thing‘ nannte. In Veröffentlichungen begrüßte er die ‚Machtergreifung‘. Die ‚Böttcherstraße‘ wurde seit 1935 von der NS-Propaganda diffamiert, auf Hitlers Beschluß als Beispiel für ‚entartete Kunst‘ jedoch unverändert belassen.“ 14)
Über Roselius völkische Einstellung, die sich in der Architektur der Böttcherstraße ausdrücken sollte, hat der Journalist und Autor Arn Strohmeyer 2008 einen Vortrag vor Religionswissenschaftlern im Himmelssaal des Hauses Atlantis in der Böttcherstraße gehalten, siehe unter: www.arnstrohmeyer.de/zeitgeschehen/verschiedenes/ludwig-roselius-und-das-haus-atlantis-in-bremen-ein-voelkisches-bauwerk/
In Wikipedia steht zu Roselius‘ politische Einstellung: „Politisch konservativ stand Roselius dem Nationalsozialismus positiv gegenüber und unterstützte Hitler, den er 1922 privat in Bremen getroffen hatte. Das von ihm verfolgte völkisch bzw. nordisch-germanische Gedankengut mit seinem Glauben an den unersetzlichen Wert der nordisch-niederdeutschen Rasse unter dem Einfluss der Ideologen Julius Langbehn und Hermann Wirth fand aber nur teilweise dessen Zustimmung. Die Böttcherstraße sollte diese Ideenwelt veranschaulichen (…). Wie schwer die Persönlichkeit Roselius einzuordnen ist, macht ein Artikel von Alfred Faust aus dem Jahr 1924 deutlich. Faust schreibt u. a.: ‚Er ließ sich von verschuldeten Königen und von notleidenden Kommunisten anpumpen; er korrespondierte mit dem Hakenkreuz-Grafen Reventlow und mit dem Juden Rathenau [siehe: Rathenaustraße], mit Wilson [siehe: Wilsonstraße] und König Ferdinand, mit Stresemann [siehe: Stresemannstraße] und Kakowski (als die rumänischen Delegierten vom Internationalen Hamburger Sozialistenkongreß zurückkehrten, besuchten sie nicht die Partei, sondern Roselius). Hatte er in Holland Geschäfte, so lud ihn der tennisspielende Exkronprinz zu sich, und als er in Bremen zurück war, lud er der roten Präsidenten Ebert [siehe: Friedrich-Ebert-Damm] zu Gast. Der Sozialdemokrat und Bodenreformer Emil Felden war ihm ein ebenso erwünschter Gesprächspartner wie der deutschnationale Hilfstrompeter Freiherr v. Hünefeldt.‘ (…)“ 15)
Alfred Faust, ein Freund von Roselius, der 1914 Werbeleiter bei Kaffee HAG wurde, war zwischen 1920 und 1933 Abgeordneter der Bremischen Bürgerschaft (zuerst für die USPD, später für die SPD) gewesen und 1932 in den Reichstag gewählt worden. 1934 wurde er von den Nationalsozialisten verhaftet, kam ins KZ und später in weitere Haft. Nach dessen Entlassung aus dem Konzentrationslager und der Haft verschaffte Roselius ihm eine Anstellung beim Roselius‘ eigenem Angelsachsenverlag.
Über Roselius Beziehung zum Nationalsozialismus veröffentlichte Jan Paul Koopmann in der taz Bremen einen Artikel (29.12.2014) und zitiert darin Roselius, der in seiner Bewerbung für die Aufnahme in die NSDAP schrieb: „Nationalsozialist bin ich seit 1918“. 16)
Jan Paul Koopmann weist in seinem taz Artikel auch darauf hin, dass sich Hitler und Roselius: „Trotz der viel debattierten kulturellen Meinungsverschiedenheiten [doch] einig geblieben [sind], wo es wirklich darauf ankam: beim Krieg. Zu Roselius’ Imperium gehörte auch der Flugzeugbauer Focke-Wulf.
Die AG wurde 1936 in eine GmbH umgewandelt, musste ihre Zahlen nicht mehr veröffentlichen und konnte darum im Verborgenen wirtschaften. Nach einer gewaltigen Kapital-Aufstockung begann noch im selben Jahr der geheime Aufbau einer deutschen Luftwaffe.“ 17)