Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Grundherrenstraße

Rahlstedt, seit 1950: "nach den adligen holsteinischen Familien des Hamburger Domkapitels, die Besitzer von Grund und Boden waren, von den Bauern Zins- und Sonderleistungen erhielten und Recht sprachen." 1)


Siehe auch: Bauerberg
Siehe auch: Bauernvogtkoppel
Siehe auch: Bantschowstraße

Früher hieß die Straße Böckmannstraße. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg, Registratur Staatsarchiv AZ. 1521-1/5 Band 3-5: Straßennamen (neue Kartei), alphabetisch geordnet mit Hinweisen).

Das Domkapitel befand: „über alle Angelegenheiten der Pfarrkirchen und Kapellen (…). Es bestand aus zwölf Domherren und vertrat in Hamburg den Erzbischof. Es hatte somit die geistliche Gerichtsbarkeit inne. Dabei entschied es nicht nur über Glaubensfragen, sondern es war das Gericht, von dem sämtliche Vergehen von Geistlichen geahndet wurden. Über diese Gerichtsbarkeit und über die Beteiligung des Domkapitels am Erhalt der Stadt sind Rat, Bürgerschaft und Domkapitel mehrfach in schwerwiegende Konflikte geraten Die Domherren gaben die Besetzung von Pfarrstellen vor, der Domscholasticus bestimmte inhaltlich, personell und finanziell über das Schulwesen in der Stadt.“ 2)

Die Domherren entstammten meist adligen holsteinischen Familien.

Laut Duden war eine Grundherrschaft im Mittelalter: „das Herrschaftsprinzip im Mittelalter, das sich im Lehnswesen niederschlug. Grundherr konnte ein Mitglied des Adels oder ein Kloster sein. Der größte Grundherr war aber der König. Durch Schenkungen und Stiftungen kamen Bischofskirchen, Klöster und Pfarrkirchen zu teilweise sehr großem Grundbesitz.

Die Grundherren versprachen, den Bauern Schutz zu gewähren. Unfreien Bauern und ihren Familien, Hörige genannt, überließen sie einen Hof zur Nutzung. Dafür waren die Bauern zu Gegenleistungen verpflichtet, den Frondiensten. Daneben hatten sie regelmäßig Abgaben zu leisten. Dies geschah meist im Herbst nach der Ernte, indem die Bauern dem Grundherrn einen Teil des Ertrags überlassen mussten. Ab dem 13. Jahrhundert kamen bereits auch Zinszahlungen in Geld vor. Diese Abgaben sind mit unseren heutigen Steuern zu vergleichen.“ 3)
Und in Wikipedia steht ausführlicher über die Grundherrschaft und den Grundherren: „war eine vom Mittelalter bis zum Jahr 1848 und der Bauernbefreiung vorherrschende rechtliche, wirtschaftliche und soziale Besitzstruktur des ländlichen Raums. (…)

Dem Grundherrn oblag die rechtliche Verwaltung und Nutzungsvergabe von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen und die Ausübung öffentlich-rechtlicher Befugnisse, wie der Polizeigewalt und der Gerichtsbarkeit in ihren verschiedenen Ausprägungen der Bestrafung bei Aufständen der zu Leistungen verpflichteten Untertanen. Er hatte das Recht, in religiösen oder besitzrechtlichen Fragen über seine Untertanen zu bestimmen. (…).

Jeder Grundherr hatte Pflichten (…). Er sollte den Abhängigen wirtschaftliche Grundsicherung und Unterstützung bei Krankheit, Missernten oder Katastrophen gewähren, Schutz vor dem Abwerben als Söldner für fremde Kriegsherren bieten und der Familie eine Bestattungsfürsorge zukommen lassen. Innerhalb seiner Herrschaft hatte seine Verwaltung für den religiösen Frieden zu sorgen, Streit zu schlichten und Friedensbrecher mit Hilfe eines Schiedsgerichtes, wenn nötig, zum Tode zu verurteilen.

(…)

Naturalabgaben spielten bis zum Ende der Grundherrschaft eine wichtige Rolle, verloren aber seit dem Spätmittelalter an Bedeutung, da das Interesse des Grundherrn an Bargeld wuchs und so Sachleistungen in Geldzahlungen, eine Art Steuer umgewandelt wurden. Aus Sicht des Grundherrn lohnte es sich aber auch weiterhin, Naturalabgaben zu fordern, wie den Zehnten ‚in natura‘ einzuziehen oder Frondienste statt eines Dienstgeldes zu verlangen.

In Frankreich und dem Rheinland (linksrheinisch) wurde die Grundherrschaft im Laufe der Französischen Revolution abgeschafft.

Das Gebiet des heutigen Deutschland folgte ab 1807 infolge des Oktoberedikts bzw. durch die französischen Reformgesetze nach 1808. (…). Einen weitgehenden Abschluss erfuhren die Reformen durch die Revolution von 1848. Sie endeten mit der Übertragung des Rustikalbesitzes gegen Entschädigung auf die Bauern, während der direkt bewirtschaftete Dominikalbesitz privates Grundeigentum und vielfach Großgrundbesitz wurde. (…).4)

Das Recht der ersten Nacht: Vergewaltigung des Mädchens durch den Grundherren
Das Recht der ersten Nacht gab es nicht nur auf der Opernbühne, so in der Oper Figaros Hochzeit (Mozart). Es soll es auch in der Realität gegeben haben. Doch darüber streiten sich die historisch versierten Persönlichkeiten. In Wikipedia heißt es dazu: „Das Ius (auch: Jus) primae noctis (deutsch Recht der ersten Nacht; (…) bezeichnet das angebliche Recht eines Gerichtsherrn, bei der Heirat von zwei seiner Herrschaft unterstehenden Personen die erste Nacht mit der Braut zu verbringen oder einen Geldersatz (Stechgroschen) zu verlangen. Die Rechtsgepflogenheit beziehungsweise die zugehörige erotische Machtfantasie ist in der Frühen Neuzeit und Aufklärung in literarisch-politischen Publikationen publikumswirksam und verkaufsfördernd dargestellt worden. Ob sie jemals tatsächlich bestand, ist stark umstritten. (…)

Voll ausgeprägt erscheint diese Verhaltensform eines bestehenden Herrenrechts im Baudouin de Sebourc, einem um 1350 in Nordfrankreich verfassten Roman der Kreuzritterzeit. Die Entstehung dieser literarischen Veröffentlichungen war eng verbunden mit der Ablehnung der als ungerecht empfundenen Mitgiftsteuer, die bei der Eheschließung an den Gerichtsherrn entrichtet werden musste. Durch diesen Versroman wurde ein seit dem Hochmittelalter existierendes Herrenrecht auf die erste Nacht mit der Braut eines bäuerlichen Paares vermutlich in ganz Europa bekannt. (...)

Seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts soll die Vorstellung eines herrschaftlichen Vorrechts auf die Brautnacht erstmals Verbreitung im ländlichen Gewohnheitsrecht gefunden haben. Sie sei von Herren oder deren Verwaltern in das Rechtsleben von Herrschaften integriert worden. Mit der Verschriftlichung habe es sich kontinuierlich von der Aufzeichnung ländlicher Gewohnheitsrechte bis zum geschriebenen Recht der Erbuntertänigkeit weiter entwickelt. Das Herrenrecht sei dahin erweitert worden, Abgabenzahlungen anlässlich einer Hochzeitsfeier von Untertanen als Gerichtsherr zu legitimieren und Ersatzhandlungen für die Nichtzahlung einer geforderten Abgabe in Geld zu veranlassen. (…)

Der im ausgehenden Spätmittelalter an manchen Orten verbreitete Glaube an ein Herrenrecht der ersten Nacht erreichte in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine gewisse Popularität, so dass mancherorts aus der mündlichen Tradition auch symbolische Rechtshandlungen erwuchsen.“ 5)

Das wohl zuletzt erschienene Buch über das Thema „Recht der ersten Nacht“ wurde von Jörg Wttlaufer verfasst („Das Herrenrecht der ersten Nacht“) und erschien in 1. Auflage 1999 sowie in 2. Auflage 2020. Maren Lorenz von der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur verfasste darüber eine Rezension, in der sie wichtige Fragen stellte: „Wir wissen nun, dass das jus primae noctis auf frühfeudale Abgabenansprüche zurückgeht, und dass im Spätmittelalter Bauern wie Grundherren an die Tradition solcher Praktiken geglaubt haben. Wir wissen immer noch nicht, ob es die Praxis im Mittelalter wirklich gegeben hat und auch nicht, ob der bis zum Ende des 18. Jahrhundert nachweisbare Glaube daran in der Frühen Neuzeit zur sozusagen verspäteten Umsetzung eines solchen Rechtstitels geführt hat.“ 6)