Schlinckstraße
Wilhelmsburg (1979): nach Dr. Heinrich Schlinck & Cie, Gründer eines Fettverarbeitungsbetriebes (Palminwerk).
Bereits 1943 wurde die Schlinckstraße als neuer Straßenname (alter Straßenname: Heinrichstraße) in der Liste „Umbenannte Straßen“ aufgeführt. Die Liste wurde im Hamburger Adressbuch von 1943 veröffentlicht und listet alle in der NS-Zeit umbenannten Straßen auf, auch diejenigen, bei denen die konkrete Umbenennung noch nicht vollzogen wurde. Bereits umbenannte Straßen wurden mit einem Stern gekennzeichnet.
Nach der Einführung des Groß-Hamburg-Gesetzes im Jahre 1937, durch das z. B. Altona, Wandsbek, Harburg-Wilhelmsburg, Lokstedt, Niendorf, Schnelsen, Rahlstedt, Bramfeld, Lohbrügge und andere Gebiete, die heute Hamburger Stadtteile sind, nach Hamburg eingemeindet wurden, ergaben sich bei den Straßennamen häufig Doppelungen.
Viele der für eine Umbenennung in Frage kommenden alten Straßennamen wurden in der NS-Zeit aber nicht mehr umbenannt. Eine Umbenennung nach den 1943 aufgelisteten neuen Straßennamen erfolgte für diverse Straßennamen dann nach der Befreiung vom Nationalsozialismus.
Bei der Schlinckstraße handelt es sich um einen in den 1970er Jahren neu angelegten Weg, der 1979 nach dem promovierten Chemiker Heinrich Schlinck (20.9.1840 Worms - 11.3.1909 Heildelberg) benannt wurde. Er kam aus Ludwigshafen. Sein Vater war Eisenbahn-Direktionsrat gewesen. Heinrich Schlinck hat, „ab 1908 die gleichnamige Palminfabrik H. Schlinck & Cie an der Jaffestraße [ge]leitet“.1) Der genaue Firmenname war: „Aktien-Gesellschaft H. Schlinck & Cie. Hamburg-Mannheim“.
Heidrun Pimpl schreibt über Schlinck und dessen Erfindung des Palmins: „Der 1840 in Worms geborene Schlinck zieht als Kind mit seiner Familie nach Ludwigshafen und studiert nach dem Abitur in Heidelberg. Dort wird er Assistent des berühmten Chemikers Robert W. Bunsen [siehe Bunsenstraße]. Auf einer Weltreise lernt Heinrich Schlink die Kokospalme kennen und beginnt anschießend 1866, im eigenen Labor in Ludwigshafen mit dem Fett der Kokosnuss zu experimentieren.“ 2)
1873 heiratete der damals 33-jährige Heinrich Schlinck die damals 20jährige Sibylla Mathilde Klingenburg (1853-?). Das Paar bekam 1875 einen Sohn.
Schlinck entwickelte „bald (…) eine Methode, das Fett der Kokosnuss zu extrahieren und einen Butterersatz zum Braten, Backen und Kochen herzustellen. 1882 meldet er das Verfahren an und gründet 1887 gemeinsam mit der Mannheimer Ölfabrik ‚P. Müller & Söhne‘ die ‚Mannheimer Cocosnussbutterfabrik P. Müller & Söhne‘ im Quadrat Z 5, 5 im Jungbusch. Das Fett wird zunächst in Eimern für Großbetriebe angeboten und seit 1900 in der heutigen Plattenform in Pergamentpapier verpackt. 1892 wird der als Markenzeichen geschützte Name ‚Palmin‘ geprägt, auf neueren Verpackungen findet sich davon abweichend der Verweis ‚seit 1894‘. Damit ist der bis heute gültige Name erfunden, denn der Begriff ‚Butter‘ darf für diese Ersatzprodukte nicht mehr verwendet werden.
Die Wolfsangel aus dem Mannheimer Wappen, die Packung in den Mannheimer Farben Weiß, Rot und Blau und das Signet von Schlink verbunden mit dem Schriftzug Palmin verweisen seit damals auf die Herkunft aus Mannheim, auch wenn bereits 1909 die Hauptproduktion nach Hamburg-Wilhelmsburg verlegt wird. Durch die direkte Anbindung an den Hafen kann die Firma Kosten und Transportwege sparen und wird bald zum Marktführer für Speisefett.
Vor dem Ersten Weltkrieg sind 325 Angestellte und 950 Arbeiter beschäftigt. Das Werk verarbeitet in einem Jahr Früchte von 6 bis 7 Millionen Kokospalmen oder produziert jährlich etwa 8.500 Tonnen Palmin. Kriegsbedingt wird 1917 die Herstellung in Mannheim aufgegeben. Doch wächst der Erfolg der Firma in der Weimarer Republik weiter. Auch steigt die Produktion trotz erneutem kriegsbedingtem Herstellungsverbot und mehrfachem Besitzerwechsel im Nachkriegsdeutschland stark an. Seit den 1970er Jahren wird sogar zeitweise in Mannheim wieder die traditionelle Palminplatte hergestellt, jetzt ‚mit Knick zum exakteren Portionieren‘“.3)
Die Gewinnung des Rohstoffes Kobra erfolgte in Teilen der kolonialisierten Regionen Afrikas unter Ausbeutung der Bevölkerung. U. a. wurde mit Reklamesammelbildern für das Produkt geworben, wobei die Bilder oft koloniale Motive zeigten. Solche Bilder: „kann man (…) dem Phänomen des ‚volkstümlichen Kolonialismus‘ zurechnen. Im Dienste der nationalen Kolonialpropaganda stehend, zielte dieser auf eine Stärkung des Kolonialgedankens.“ 4)
Unter www.freedom-roads.de/frrd/staedte.htm wird die Schlinckstraße als kolonialer Straßenname aufgeführt.