Schurzalleebrücke
Rothenburgsort (1930): Carl Schurz (2.3.1829 Liblar – 14.5.1906 New York), Revolutionär (Bürgerliche Revolution von 1848), Innenminister der USA. Freimaurer
Siehe auch: Stockmeyerstraße
Siehe auch: Fröbelstraße
Siehe auch: Traunweg
Siehe auch: Schurzallee-Mitte
Siehe auch: Schurzallee-Nord
Die Verkehrsfläche könnte auch nach der Ehefrau Margarethe Schurz (27.8.1833 Hamburg – 15.3.1876 New York), auch Meyer Schurz genannt, mitbenannt werden. Sie war die Wegbereiterin des Kindergartens in den USA. Deshalb tragen die Kindergärten in den USA auch den deutschen Namen „Kindergarten“. Siehe auch den Artikel; „Verschwiegene Frauen“ auf der Startseite dieser Datenbank.
Eine entsprechende Eingabe an die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte wurde am 22.6.2021 gestellt. Die Eingabe wurde von der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte unterstützt. Allerdings: Aktuell gibt es in den USA eine Diskussion um den derzeitigen Namensgeber der Hamburger Schurzalleebrücke, Carl Schulz, und seine Rolle bei der jahrzehntelangen Zwangsverschickung indigener Kinder und deren Umerziehung in staatlichen Internaten. Dabei werden ihm Rassismus und versuchter Ethnozid an indigenen Gemeinschaften vorgeworfen. In diesem Zusammenhang wurde bereits die Einweihung einer Büste zu Ehren von Carl Schurz durch Bundespräsident Steinmeier im Schloss Bellevue abgesagt. Auch wenn diese Vorwürfe nicht Margarethe Meyer-Schurz betreffen, erscheint eine Mitbenennung nach ihr zum jetzigen Zeitpunkt nicht sinnvoll. Aufgrund der derzeitigen Diskussion um Carl Schurz ist der Bezirk vom Staatsarchiv gebeten worden, eine Mitbenennung zunächst zurückzustellen und alle beteiligten bezirklichen Stellen entsprechend zu informieren. (Stand: Februar 2024).
Carl Schurz war der Sohn von Marianne Schurz, geb. Jüssen und des Landschullehrers Christian Schurz.
In der Neuen Deutschen Biographie heißt es über seinen Werdegang: „studierte seit 1847 in Bonn Philologie und Geschichte und war Mitglied der Burschenschaft Frankonia. Er schloß sich 1848 der demokratischen Bewegung an, gründete mit Gleichgesinnten einen demokratischen Club (…). 1849 nahm er am pfälz.-bad. Maiaufstand teil und floh nach der Kapitulation der bad. Festung Rastatt am 21.7.1849 in die Schweiz. (…). Über Frankreich emigrierte er nach Großbritannien, von wo er 1852 kurz nach der Heirat mit seiner Frau in die USA ging. Anfangs ließ er sich in Philadelphia, 1855 als Farmer in Watertown (Wisconsin) nieder, wo seine Frau 1856 den ersten Kindergarten in den USA gründete. Nach dortiger Tätigkeit im Stadtrat, als Landagent, Notar (seit 1856) und Publizist begann S. 1858 als Anwalt in Milwaukee zu arbeiten. Als Gegner der Sklaverei schloß er sich schon frühzeitig (1856) der 1854 gegründeten Republikanischen Partei an. (…) 1868 als Senator für Missouri in den amerik. Kongreß gewählt, wurde S. 1872 aus Protest gegen die Korruption in der eigenen Partei Mitbegründer der Liberal Republican Party, wandte sich aber nach dem Ende seiner Amtsperiode 1875 bald wieder (…) der Republikanischen Partei zu und wurde 1877 von Präsident Rutherford Hayes zum Innenminister ernannt. In dieser Funktion leitete er gegen die vorherrschende Praxis politischer Ernennungen eine Reform des öffentlichen Dienstes zu einem professionellen Verwaltungsapparat ein, verbesserte die Arbeitsweise des Bureau of Indian Affairs und setzte sich, dem allgemeinen Zeitgeist reformerischer Kreise entsprechend, für die Eingliederung der Indianer in die angloamerik. Gesellschaft ein. Nach seinem Ausscheiden aus dem Amt 1881 war er wieder als Herausgeber (bei d. New York Evening Post), als Journalist (u. a. für Harper's Weekly u. The Nation), aber auch als Buchautor (…) tätig; 1888-92 hatte er die Generalvertretung der ‚Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Aktiengesellschaft‘ (HAPAG) in New York inne. (…).“ 1)
Julius Wilm, der als Postdoc an der Universität Leipzig zu Demokratisierung und imperialer Politik der USA am Übergang zum 20. Jahrhundert forscht, veröffentlichte im April 2022 im Online-Magazin Geschichte der Gegenwart einen kritischen Beitrag über Carl Schurz und dessen Verhalten und Einstellung zu indigenen Völkern. Julius Wilm schreibt dazu u. a. „Im Kontrast zur hiesigen Begeisterung [über Carl Schurz, R. B.] sind Teile von Schurz’ Lebenswerk in den USA aktuell ein Thema kritischer historischer Aufarbeitung: Anfang April legte die von US-Innenministerin Deb Haaland beauftragte Federal Boarding School Initiative in Washington einen Bericht zur jahrzehntelangen Zwangsverschickung indigener Kinder und deren Umerziehung in staatlichen Internaten vor. Haaland, die aus Arizona stammt und zum Laguna Pueblo gehört, ist die erste indigene Innenministerin. Die Juristin schreibt: ‚Dieser Versuch, die Identität, Sprache und Kultur der Native Americans auszulöschen, zeigt sich nach wie vor in den Ungleichheiten, mit denen unsere Gemeinschaften konfrontiert sind. Dazu gehören langanhaltende generationenübergreifende Traumata, Zyklen der Gewalt und des Missbrauchs, Verschwinden, vorzeitige Todesfälle und weitere nicht dokumentierte physische und psychische Auswirkungen.‘ Am Aufbau dieser brutalen Assimilierungsanstalten, ebenso wie am erzwungenen Ausverkauf der verbliebenen Reservate, hatte Schurz als Innenminister von 1877 bis 1881 einen herausragenden, wenn nicht sogar einen entscheidenden Anteil. Als Senator arbeitete er zudem der Einführung der Rassentrennung im Süden zu. In Deutschland sind diese Seiten des gefeierten Vorbildes bis heute nahezu unbekannt. (…).“ 2)
Julius Wilm stimmt dieser Einschätzung zu und erklärt: „Während des US-amerikanischen Bürgerkriegs und unmittelbar danach trat Schurz als energischer Vertreter einer robusten Reconstruction der besiegten Südstaaten auf: Bundestruppen sollten die politische Teilhabe und Freiheit der eben befreiten ehemaligen Versklavten sicherstellen. Bereits 1871 vollzog Schurz jedoch als Senator eine Kehrtwende: Entgegen der republikanischen Parteilinie warb er nun offensiv für den Rückzug der Bundestruppen und die Wiederherstellung der ‚politischen Selbstbestimmung‘ der Südstaaten. Ein Gesetz zur Verfolgung des Ku-Klux-Klans lehnte er ab. Die Intervention des Bundes im Süden stelle eine gefährliche Ansammlung staatlicher Macht dar, die Korruption alle Türen öffne, argumentierte Schurz. Zudem verhindere die ungerechte politische Ausgrenzung der südlichen Eliten, dass sich ein gedeihliches Miteinander von Schwarzen und Weißen einstellen könne. Der Historiker Eric Foner schreibt dazu: ‚Schurz glaubte aufrichtig, dass die Rechte der Schwarzen unter einer solchen Regierung sicherer sein würden als unter dem Regime der Reconstruction. Aber ob er sich dessen bewusst war oder nicht, sein Programm hatte keine andere Bedeutung als eine Rückkehr zur weißen Vorherrschaft‘“ 3), resümiert Julius Wilm und gibt weitere Beispiele für Schurz‘ Ansichten und Handeln gegenüber indigenen Völkern. So schreibt Julius Wilm: „ (…) 1879 schickte Schurz einen Gesetzentwurf an den Kongress, demzufolge Reservate unter Indigenen in 65-Hektar-Parzellen aufgeteilt und der Rest Siedlern zum Verkauf angeboten werden sollte. Der Verkauf sollte zwangsweise erfolgen – trotzdem folgte der Schritt angeblich nur den Wünschen von Indigenen selbst, so Schurz (… ‚Von allen Seiten werden Anfragen von Indianern an das Ministerium herangetragen,‘ ihnen individuelle Eigentumstitel zuzuteilen. Die Berufung auf indigene Bedürfnisse war eine offensichtliche Lüge, wie auch zeitgenössische Kritiker:innen bemerkten, denn schon unter dem geltenden Recht war es Indigenen möglich, individuell einen verkaufbaren Landtitel zu erwerben. (…).“ 4) Julius Wilm zitiert dazu den Ethnologen Lewis H. Morgan, der 1881 äußerte:. „Das notwendige Resultat der Parzellierung und der freien Verkäuflichkeit von Land wäre ‚unzweifelhaft, dass die Indianer sich in kürzester Zeit von jedem Fuß Land trennen und in Armut verfallen würden‘.“ 5)
In welcher Überheblichkeit sich Schurz über die indigenen Völker äußerte, beschreibt Julius Wilm u. a. wie folgt: „Im Gegensatz zu seiner Berufung auf angeblichen Zuspruch, hielt Schurz an anderer Stelle fest, dass selbstverständlich keine Rücksicht genommen werden könne auf die Ansichten ‚unzivilisierter Indianer‘. Es sei ‚nicht zu erwarten, dass sie aus ihrem eigenen Bewusstsein heraus verstehen, was das Beste für ihr Wohlergehen ist. Wir müssen in hohem Maße die notwendigen Überlegungen für sie anstellen und sie dann auf möglichst humane Weise dazu bringen, unsere Schlussfolgerungen zu akzeptieren.‘ Auch wenn Schurz Wert darauf legte, dass Indigene über Zeit weiße Kulturtechniken freiwillig übernehmen würden, ging er keineswegs davon aus, dass Assimilation zu einer Integration auf Augenhöhe führen könne. Vielmehr war die Aufnahme der Indigenen in die Mehrheitsgesellschaft in niederen Positionen vorgesehen: ‚Wir können aus einem Indianer nie etwas anderes machen als einen (auf Reservaten eingesetzten, J.W.) Polizisten oder einen zweitklassigen Farmer. Durch das System, das wir so erfolgreich auf den Weg gebracht haben, können wir getrost darauf hoffen, die Indianer so lange zu absorbieren, bis sie in der großen weißen Familie völlig verschwunden sind.‘” 6)
Carl Schurz Ehefrau Margarethe Meyer Schurz (27.8.1833 Hamburg – 15.3.1876 New York) war die Wegbereiterin des Kindergartens in den USA. Ein Erinnerungsstein steht im Garten der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof.
Sie war keine gefürchtete Verschwörerin, sie war keine geschmähte Revolutionärin – wenn sie zu Lebzeiten auch als solche hier in Deutschland von verschiedenen staatlichen Stellen, insbesondere der Geheimpolizei Preußens, beobachtet wurde. Sie war eine freisinnige Frau, Mutter und Partnerin. Ihr Name ist in Deutschland, in ihrer Geburtsstadt Hamburg, die sie nie aus dem Herzen verloren hatte, nahezu vergessen. Auf dem Friedhof Ohlsdorf hatte sie einst ihre letzte Ruhestätte finden sollen. Das Grab wurde vor einer Anzahl von Jahren oberirdisch abgeräumt. Niemand hier wie auch niemand in den USA lehnte sich damals dagegen auf, dass damit die Erinnerung an eine der großen Frauenpersönlichkeiten aus dem Bereich des Bildungs- und Erziehungswesens gelöscht wurde. Wer heute im Gespräch den Namen von Margarethe Meyer Schurz erwähnt, wird zumindest fragend bis ungläubig angeschaut. Nur wenige Menschen verbinden mit dem Namen dieser Frau eine Vorstellung von ihrem Leben und Wirken. Die tiefgehenden Umwälzungen und Umstürze in ihrem Geburtsland, insbesondere in der ersten Hälfte des uns noch gegenwärtigen 20. Jahrhunderts, trugen dazu bei, dass man sich dieser früh vollendeten Frau in Deutschland kaum erinnerte. Wer sich der Persönlichkeit von Margarethe Meyer Schurz nähert, kommt auch mit ihrem Mann Carl Schurz in Berührung, dem deutschen 1848er-Revolutionär, US-amerikanischen Staatsmann und Reformer. An seiner Seite hat Margarethe Meyer Schurz für die Nachwelt immer im Schatten gestanden – doch diese Sicht verkennt in der fortwährenden Überlieferung, dass Carl Schurz seine Frau um 30 Jahre überlebte und sein höchstes politisches Amt erst nach ihrem Tode erlangte. Beide Ehepartner standen für die Forderungen nach Freiheit, Gleichheit und Bildung, erlebten die hieraus entstehenden Bedrängnisse durch Obrigkeit und Gesellschaft im Familien- oder Freundeskreis und auch an der eigenen Person. Sie erlebten beide die deutschen Revolutionsbewegungen von 1848/49 und die damit verbundenen Verfolgungen, sie wurden beide Teil des politischen Ventils der Auswanderung.
Margarethe Meyer Schurz wurde am 29. August 1833 geboren. Sie war das jüngste von elf Kindern in der Familie Meyer [siehe: Stockmeyerstraße], von denen sieben das Erwachsenenalter erreichten. Ihre Mutter Agatha Margaretha starb im Wochenbett wenige Stunden nach Margarethes Geburt im Alter von 39 Jahren. Margarethes Vater Heinrich Christian Meyer, in Hamburg unter dem Spitznamen „Stockmeyer“ bekannt geworden, war in seinen sozialen und persönlichkeitsbezogenen Aktivitäten ein prägendes Vorbild für seine jüngste Tochter. Der freisinnige, kritische und liberale Lebensansatz von Margarethe Meyer Schurz war auch ein Erbe ihres Elternhauses und ihrer Familie. Durch ihre älteren Schwestern Amalie und Bertha [siehe: Traunweg] kam sie sehr früh mit den drängenden Fragen der Zeit um Demokratie, Freiheit, Bürgerrechte, Frauenbildung und Kindererziehung nach Fröbels [siehe: Fröbelstraße] Leitsätzen in Berührung. 1849/50 war sie eine von 22 Schülerinnen Friedrich Fröbels in Hamburg und besuchte hier auch die Hochschule für das weibliche Geschlecht. Dort begegnete sie Malwida von Meysenbug und schloss mit ihr Freundschaft. Im Hause ihrer nach London emigrierten Schwester Bertha lernte sie 1852 auch den deutschen 1848er-Revolutionär Carl Schurz kennen, der aus politischen Gründen aus Deutschland geflohen war. Noch in jenem Jahre heirateten sie dort im Exil und wanderten in die USA aus. Zu dem geistigen Gepäck, das Margarethe Meyer Schurz in die USA mitgenommen hatte, gehörten die Grundsätze um Friedrich Fröbels Menschenerziehung, die sie in Hamburg wie auch im Hause ihrer Schwester Bertha in London praktisch erfahren hatte. In den USA war sie damals die einzige Frau, die dem „Erfinder des Kindergartens“ persönlich begegnet und in Hamburg von ihm in den Grundlinien seiner Menschenbildung unterrichtet worden war. Der Kindergarten war ein erster und grundlegender Schritt auf dem Weg einer „neuen Erziehung“, und Margarethe Meyer Schurz brachte ihn nach Amerika. In Watertown im US-Bundesstaat Wisconsin gründete sie im August 1856 in ihrem Wohnhaus einen Kindergarten. Sie lud ihre vier Nichten zum Spielen mit ihrer Tochter Agathe ein und, als es draußen kalt wurde und der Winter kam, gesellten sich weitere Kinder von Verwandten, Freunden und Nachbarn dazu. Da die Kindergruppe für das Schurz‘sche Haus bald zu groß war, wurde fortan ein kleines Haus im Stadtzentrum genutzt – das war der erste Kindergarten in den USA. Bedingt durch die politische Karriere von Carl Schurz verließ die Familie zwei Jahre später die Stadt.
Die Ehe von Carl und Margarethe Schurz hatte ein Vierteljahrhundert bis zu Margarethes Tod Bestand. Diese Verbundenheit war häufigen Belastungen ausgesetzt, sollte sich aber auf allen Wegen des gemeinsamen Lebens bewähren. Margarethe Meyer Schurz führte nach dem Fortgang aus Watertown ein Leben zwischen ihrer Familie in den USA und ihren Angehörigen in Europa. Einer Einladung ihres Bruders Heinrich Adolph Meyer folgend, reiste die Familie Schurz im Mai 1875 in die Alte Welt. Sie besuchten zunächst ihre Verwandten in Hamburg, danach fuhren sie weiter nach Kiel in das Haus ihres Bruders. Für Margarethe war es das letzte Wiedersehen mit Deutschland, mit ihrer Heimat, mit ihren Verwandten. Sie starb am 15. März 1876 nach der Geburt ihres 5. Kindes an Kindbettfieber in New York. Doch sie sollte ihre letzte Ruhestätte nicht in den USA erhalten, sondern in ihrer Geburtsstadt Hamburg, der sie im Herzen ihr Leben lang verbunden war. Der Sarg wurde nach Deutschland überführt und 1876 im Meyerschen Grabgewölbe auf dem St. Petri-Friedhof in Hamburg beigesetzt, wo seit 1863 auch der Leichnam ihrer Schwester Bertha Ronge seinen Platz gefunden hatte. 1914 erfolgte die Umbettung von Margarethes Sarg auf den Ohlsdorfer Friedhof. Die Grabstätte wurde im Jahre 1965 oberirdisch abgeräumt. Margarethe Meyer Schurz hat in ihrem Leben dazu beigetragen, den Kindergarten-Gedanken in die Welt hinauszutragen. Sie hat der Menschenbildung in der freien Entfaltung des Kindes in Amerika den Weg gewiesen. Im Jahre 2001 besuchten 3,7 Millionen Kinder zwischen vier und sechs Jahren in den USA einen Kindergarten, 60 Prozent einen Ganztagskindergarten. 7)
Text über Margarethe Meyer Schurz: Gerd Stolz