Susettestraße
Ottensen, 1950: Susette Gontard, geb. Borkenstein. (6.2.1769 Hamburg–22.6.1802 Frankfurt am Main), Geliebte Hölderlins, seine „Diotima“
Siehe auch: Hölderlinsallee
Siehe auch: Hölderlinstraße
Früher hieß die Straße Ohlendorffs Allee, „benannt 1890 nach Freiherr H. J. B. von Ohlendorff und dessen Bruder A. von Ohlendorff. Beide Erbauer der Straße.“ (vgl.: Staatsarchiv Hamburg, Registratur Staatsarchiv AZ. 1521-1/5 Band 3-5: Straßennamen (neue Kartei), alphabetisch geordnet mit Hinweisen).
Bereits 1943 wurde die Susettestraße als Susette-Borkenstein-Straße als neuer Straßenname in der Liste „Umbenannte Straßen“ aufgeführt. Die Liste wurde im Hamburger Adressbuch von 1943 veröffentlicht und listet alle in der NS-Zeit umbenannten Straßen auf, auch diejenigen, bei denen die konkrete Umbenennung noch nicht vollzogen wurde. Bereits umbenannte Straßen wurden mit einem Stern gekennzeichnet.
Nach der Einführung des Groß-Hamburg-Gesetzes im Jahre 1937, durch das z. B. Altona, Wandsbek, Harburg-Wilhelmsburg, Lokstedt, Niendorf, Schnelsen, Rahlstedt, Bramfeld, Lohbrügge und andere Gebiete, die heute Hamburger Stadtteile sind, nach Hamburg eingemeindet wurden, ergaben sich bei den Straßennamen häufig Doppelungen. „Insbesondere Namen aus dem niederdeutschen Raum“ und „Personen der schleswig-holsteinischen Geschichte“ sollten bei der neuen Straßennamensvergabe berücksichtigt werden.
Viele der für eine Umbenennung in Frage kommenden alten Straßennamen wurden in der NS-Zeit aber nicht mehr umbenannt. Eine Umbenennung nach den 1943 aufgelisteten neuen Straßennamen erfolgte für diverse Straßennamen dann nach der Befreiung vom Nationalsozialismus. So wurde die Susette-Borkenstein-Straße als Susettestraße 1950 benannt.
Susette Borkenstein war das älteste von fünf Kindern der Susanne Borkenstein, geb. Brugier, eine Freundin von Klopstock (siehe: Klopstockstraße) und des Kommerzienrats und Lustspieldichters Heinrich Borkenstein aus Hamburg. 1786 heiratete die damals 17-jährige Susette den fünf Jahre älteren Frankfurter Bankier Jacob Gontard (1764–1808) und zog mit ihm nach Frankfurt. Zeitweilig besaß sie auch eine Sommerwohnung in Ottensen. Das Paar bekam vier Kinder: Henry (1787–1816), Henriette (1789–1830), Johanna Helene (1791–1820), Friederike Amalie (1791–1832).
1795 erhielt der damals 26jährige Hölderlin (siehe: Hölderlinsallee) eine Hauslehrerstelle bei den Gontards, um den Sohn Henry zu unterrichten. Susette Gontard und Hölderlin verliebten sich ineinander. Diese Liebe wurde für Hölderlin zum zentralen Ereignis seines Lebens und Susette wurde die „Diotima“ seines „Hyperion“. Seine Beziehung zu Susette empfand er als „eine ewige fröhliche heilige Freundschaft mit einem Wesen, das sich recht in dies arme, geist- und ordnungslose Jahrhundert verirrt hat“. Susette Gontard schrieb an Hölderlin: „Wenige sind wie Du! und was auch jetzt nicht würckt, bleibt sicher für künftige Zeiten.“ Zwischen Hölderlin und Susettes Mann kam es wegen dieser Liebesverbindung zu einer Auseinandersetzung, woraufhin Hölderlin 1798 Hausverbot bekam, die Familie Gontard verlassen musste und ins benachbarte Homburg zog.
Die beiden Liebenden konnten sich noch einige Male heimlich treffen. Als auch dies nicht mehr möglich war, verabredeten sie einen Tag im Monat, an dem Hölderlin von Homburg nach Frankfurt am Main wanderte und sich „an der Ecke zum Hirschgraben kurz seiner am Fenster im oberen Stockwerk wartenden Geliebten [zeigte] und [ihr] (…) dann einen Brief in ein unteres Fenster [legte], wofür er ein Schreiben von ihrer Hand vorfand. Im Sommer, wenn die Familie Gontard auf dem Adlerflychthof im Oeder Weg lebte, kommunizierten die beiden ‚durch die Hecke‘ vor dem Garten miteinander, wo sie ihre Briefe und ganz selten ein paar flüchtige Worte wechselten, ohne einander dabei sehen zu können. Am 7. November 1799 übergab Hölderlin seiner ‚Diotima‘ den gerade erschienenen zweiten Band des ‚Hyperion‘ mit der Widmung: ‚Wem sonst als Dir‘.
Angesichts des ständigen Ringens um ihr seelisches Gleichgewicht entschloss sich Susette im Frühjahr 1800 zur völligen Trennung von Hölderlin. Sie entsagte auch, weil sie an ihn als Dichter glaubte und mit ihrer Liebe seiner Karriere nicht hinderlich sein wollte. Am 8. Mai 1800 übergab Susette dem Geliebten am Adlerflychthof ihren von Tränen benetzten Abschiedsbrief. Hölderlin musste geloben, nie mehr zurückzukehren. Kurz nach diesem letzten Treffen verließ er Homburg.“ 1)
1802 erkrankte Susette Gontard, die seit längerem lungenleidend war, bei der Pflege ihrer an Röteln erkrankten Kinder und verstarb im Juni 1802. „Im Juli (..) erfuhr Hölderlin durch einen Brief seines Homburger Freundes Sinclair von Susettes Tod. Diese Nachricht gilt in der Forschung als Auslöser für das Abgleiten des Dichters in die Verwirrung. Nach fast 20-jähriger geistiger Umnachtung starb Hölderlin am 7. Juni 1843 in Tübingen. In seinen Papieren fand man Susettes Briefe, die er sorgfältig aufbewahrt hatte.“ 2)