Botenstieg
Marienthal (1950): nach den Postboten des nahegelegenen Postamtes.
Vorher hieß die Straße Postweg.
Siehe auch: Stephansplatz
Bereits in der NS-Zeit wurde der Straßenname „Botenstieg“ im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes für die Benennung der bis dahin bestehenden Verkehrsfläche „Postweg“ vorgeschlagen. (Staatsarchiv Hamburg: 133-1 II, 38: „Die neu vorgeschlagenen Straßennamen nach Stadtteilen geordnet, 1938.) Zur Benennung bzw. Umbenennung kam es dann 1950.
Laut Wikipedia gab es „Bis zum späten Mittelalter (…) keine öffentliche Post in Deutschland. Kaiser, Klerus und Reichsfürsten benutzten Boten und Reiter, die mit schriftlichen Nachrichten direkt zu den Zielorten geschickt wurden. Kaufmannschaft und Zünfte in den Städten beförderten ihre Briefe durch ortseigene Botenanstalten.“ 1)
Diese Boten waren mit dem Pferd unterwegs und waren ausschließlich Männer. Während des 30jährigen Krieges z. B. legte: „Der Fuhrunternehmer Rötger Hinüber in Hildesheim (..) mit Genehmigung der Höfe in Braunschweig, Hannover und Kassel eine Postverbindung zwischen Hamburg, Bremen, Hannover, Braunschweig und Kassel an und wurde 1641 zum herzoglich braunschweig-lüneburgischen Postmeister in Hildesheim ernannt. (…)
In Hamburg kam es 1797 zur Gründung einer privaten Stadtpost, ebenso wie in Berlin im Jahr 1800, die jedoch beim Einzug der Franzosen in die Stadt wieder einging. (…)
Am 15. September 1874 begann in Bern ein Postkongress, bei dem auf Vorschlag des deutschen Generalpostmeisters Heinrich von Stephan [siehe: Stephansplatz] am 9. Oktober 1874 der Allgemeine Postverein (ab 1878 Weltpostverein) gegründet wurde. Der Postverein regelte auf seinen Postkongressen die internationale Zusammenarbeit der nationalen Postverwaltungen. (…)
Das Postwesen wurde ständig verbessert. 1896 wurden Fahrräder, ab 1898 versuchsweise Kraftwagen im Postdienst eingesetzt. (…) Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Reichsministerium für das Postwesen gebildet. (…).“ 1)
In Hamburg kann man die Entwicklung des Postwesens gut am Gebäude der ehemaligen Oberpostdirektion am Stephansplatz 1 erkennen, welches zwischen 1883 und 1887 erbaut wurde.
Die kaiserliche Oberpostdirektion befand sich an der Dammtorstraße, das kaiserliche Telegraphenamt am Gorch-Fock-Wall (früher Ringstraße genannt). Zum Dammtorwall war die Fassade einfacher gehalten als an der Dammtorstraße und am Gorch-Fock-Wall.
Das gesamte Gebäude hat eine Länge von rund 300 Metern und galt damals mit diesen Maßen als das größte Postgebäude des Deutschen Reiches.
Zum Bau war es gekommen, weil „die Begründung des Norddeutschen Bundes 1867, die Begründung des Deutschen Reiches 1871 und der Anschluss des Stadtstaates Hamburg an das Zollgebiet des Deutschen Reiches mit der Einrichtung eines Freihafens (Zollanschluss 1888) (...) für die Förderung der Hamburger Wirtschaft die allergünstigsten Wirkungen [gehabt hatte: So war es] (...) zu einer starken Zunahme der Einwohnerzahl von Hamburg und des Post- und Fernmeldeverkehrs [gekommen]. Die Postverwaltung suchte durch raschen Ausbau und durch Verbesserung der Post- und Fernmeldedienste den Forderungen des Verkehrs gerecht zu werden.“2) Dies sollte durch eine Vereinheitlichung des deutschen Postwesens geschehen, was bis zur Gründung des Deutschen Reichs im Jahre 1871 nicht gegeben war. So hatte Hamburg damals sieben nebeneinander bestehende Postverwaltungen. „Diejenigen hamburgischen Geschäftshäuser und Privatpersonen, die einen ausgedehnten Briefwechsel unterhielten, waren (…) genötigt, ihre Sendungen bei 7 verschiedenen Postämtern aufzuliefern; 7 verschiedene Briefträger brachten ihnen täglich die Briefe, 7 andere die Pakete und Geldsendungen. Jedes Postamt verfuhr nach den bei seiner heimatlichen Verwaltung gültigen Gesetzen, Taxen und Dienstvorschriften. Unter diesen Verhältnissen war es von größter Tragweite für die Förderung der Verkehrsbelange, dass die Verfassung des Norddeutschen Bundes das Post- und Telegraphenwesen der dem Bunde angehörenden Staaten zu einheitlichen Verkehrseinrichtungen machte. (…) Mit der Einführung des Gesetzes über das Postwesen des Norddeutschen Bundes kamen die politischen Schranken für den Verkehr in Wegfall: Der Norddeutsche Bund wurde ein einziges großes Post- und Telegraphengebiet, das einige Jahre später mit der Gründung des Deutschen Reiches noch an Ausdehnung gewann.“3)
Diese Vereinheitlichung bedeutete auch eine Zentralisierung (Zusammenlegung) von Verwaltungs- und Hauptbetriebsstellen. So sollten die Oberpostdirektion (gegründet 1873) und die Hauptbetriebsstellen (Postamt 1, Paketpostamt und Telegraphenamt) zusammen in einem Gebäude untergebracht werden. Und so wurde zwischen 1883 und 1886 die Oberpostdirektion auf einem Grundstück zwischen Gorch-Fock-Wall und dem Dammtorwall errichtet. Der Platz vor dem Gebäude wurde nach dem Begründer der Deutschen Reichspost Heinrich von Stephan (1831–1897 (siehe: Stephansplatz), wirklicher Geheimer Rat und Staatsekretär im kaiserlichen Reichspostamt), benannt.
Damals waren bei der Post in Hamburg 1250 Beamte und 1400 Unterbeamte, 66 Postillione und 102 Pferde beschäftigt.
In den Räumlichkeiten zur Dammtorstraße residierten die Oberpostdirektion, das Briefpostamt und die Ober-Postkasse. Außerdem gab es hier je eine Wohnung für den Oberpostdirektor und den Vorsteher des Fahrtpostamtes. Das Briefpostamt nahm fast das gesamte Erdgeschoss ein, dessen Mittelpunkt die in den vorderen Lichthof eingebaute Schalterhalle war. Zu dieser gelangte man durch ein großes Portal an der Dammtorstraße und durch ein Festibül, in dem Bildnisse vom damaligen Reichskanzler Otto von Bismarck (1815–1898) (siehe: Bismarckstraße) und von Heinrich von Stephan in Terrakotta zu bewundern waren. Eine dreiarmige Treppe führte vom Festibül in die Schalterhalle, die mit einem Glasdach überdacht war. Zwischen den gusseisernen Säulen, die das Dach hielten, waren die Schalter eingebaut. Links befanden sich die Annahmestellen für Briefe, Postanweisungen und Briefeinwürfe. Rechts waren die Ausgabestellen für Briefe, Postanweisungen und die Annahme von Telegrammen.
Im Gebäudeflügel am Dammtorwall lag die Abfertigungshalle für angelieferte Sendungen. Von dort gelangte man in die den Mittelflügel zwischen den zwei Lichthöfen einnehmende Entkartungsstelle für angekommene Postsendungen. An Letztere schloss sich in dem am Gorch-Fock-Wall gelegenen Flügel der Saal für das Sortiergeschäft, die so genannte Haupt-Stadtpost (Dienststelle zur Bearbeitung und Verteilung der angekommenen Sendungen) nebst Briefträgerabfertigung und die Briefkastenentleerung an.
In der zweiten Etage lagen die Diensträume der Oberpostdirektion und der Oberpostkasse sowie ein großer Briefträgersaal.
Die Oberpostkasse hatte ihre Räume nach der Seite Dammtorwall. Den Zugang dazu bildete die Treppe im Eckturm an der Einfahrt zum Posthof. In der dritten Etage befanden sich die Dienstwohnungen und noch mehr Räume der Oberpostdirektion. Im Mittelbau des Hauses war das Fahrtpostamt. Im Erdgeschoss befand sich die Postkammer, in der zweiten Etage Büroräume. Dort, wo der Bau an den östlichen Flügel anstößt, lag im Erdgeschoss die Paketausgabe, die sowohl vom Gorch-Fock-Wall als auch vom Posthof aus zugänglich war. Ähnlich dem Ostbau gruppierten sich auch die Räume des westlichen rechteckigen Flügels an zwei Lichthöfen, die allerdings hier im Keller und in der ersten Etage in die bebaute Fläche miteinbezogen waren. Im Kellergeschoss befand sich die Packkammer für abgehende Pakete. Den Hauptzugang zum Erdgeschoss bildete das große Portal am Gorch-Fock-Wall. Durch ihn kam man über die Haupttreppe auf einen Flur, der nach links zur Geldannahme und -ausgabe, nach rechts zur Telegraphenannahme führte. Geradeaus lagen die Zahlstellen für die Paketanlieferung, die zu beiden Seiten der Zahlstellen an Tischbanden und in dem am Dammtorwall gelegenen Zollrevisionssaal, der an dieser Seite einen eigenen Zugang hatte, bearbeitet wurde. In der zweiten Etage lagen die Telegraphen-Apparatesäle, das Zimmer für die Rohrpoststation, das Fernsprechzimmer und weitere zum Telegraphenamt gehörende Räume. In der dritten Etage war die Dienstwohnung des Telegraphendirektors.
„Die dem Hauptgebäude auf der mit Privathäusern bestandenen Seite der Dammthorwallstraße gegenüberliegenden beiden Remisengebäude [waren] zur Unterstellung des Postwagenparks bestimmt. Es war notwendig, für diesen Zweck ein Grundstück zu gewinnen, welches in möglichster Nähe sowohl des Postgebäudes wie der Posthalterei lag. Diesen Anforderungen entspricht der nun angelegte Postwagenhof (…), da er einerseits mit dem Posthofe über die Dammthorwallstraße hin, andererseits mit der Posthalterei in unmittelbarer Verbindung steht. Die Posthaltereigebäude, welche früher Teil des jetzigen Wagenhofes einnahmen, sind nach der Großen Drehbahn hin zurückgelegt worden. Die unmittelbare Verbindung zwischen den Pferdeställen des Posthalters und den Wagenremisen macht es möglich, dass die für den Postbetrieb erforderlichen Fuhrwerke jederzeit zur Hand sein können.“4)
Über die Posthalterei heißt es in dem Buch „100 Jahre Oberpostdirektion 1873 bis 1973“: „Damals war die Posthalterei auf dem Staatsgrundstück Dammtorwall-Drehbahn untergebracht. Die Postwagen (Güter- und Karriolpostwagen sowie Paketzustellwagen) waren in der Regel Eigentum der Deutschen Reichspost. In Hamburg wurden sie jedoch von der Wagenbaufirma Gebrüder Kruse gegen Vergütung gestellt und unterhalten. Der Posthalter [damals der Reitschulbesitzer Max Puls] hatte also nur die Postillione, die Pferde und das Geschirr bereitzuhalten. Er zahlte den Postillionen den Lohn und gab ihnen ihre vorschriftsmäßige Dienstkleidung.
Der Postillion stand in einem doppelten Dienstverhältnis. Dem Posthalter gegenüber galt er als vertraglich verdingter Arbeiter, der zu jeder Zeit entlassen werden konnte, in seiner Tätigkeit aber wurde er zu den beamteten Personen gerechnet. Er hatte deshalb bei Amtsvergehen mit härteren Strafen als Privatpersonen zu rechnen und stand unter der Strafgewalt der Reichspost.
Postillione, die sich gut führten, erhielten nach längerer Beschäftigungsdauer von der Reichspost Auszeichnungen (goldene Tressenstreifen, Ehrenposthorn, Ehrenpeitsche) und Belohnungen in barem Geld. Bei besonderer Bewährung konnten sie sogar ins Beamtenverhältnis übernommen werden.“5)
Während des Ersten Weltkriegs waren viele Postillione zum Heeresdienst und die Pferde an die Heeresverwaltung abbestellt worden. Deshalb wurden 1916 erstmals auch Frauen als Postillione zugelassen.
Zwischen 1989 und 1994 kam es zu einer Umstrukturierung des Staatsbetriebes Post. Die Deutsche Post AG verkaufte das Post- und Telegraphengebäude am Stephansplatz an den Hamburger Kaufmann Johann Max Böttcher, was zu einer veränderten Nutzung des Gebäudes führte. 2007 wurde das Gebäude wieder verkauft. Es entstand eine Mischung aus Büros und einem medizinischen Zentrum.