Bugenhagenstraße
Altstadt (1909): Prof. Dr. Johannes Bugenhagen (24.6.1484 Wollin - 20.4.1558 Wittenberg), Theologe, Freund Luthers, Reformator
Siehe auch: Am Mariendom, Cäcilienstraße, Mette-Harden-Straße
Siehe auch: Luthergrund
Siehe auch: Johann-Wenth-Straße
„Nach Besuch der Schule in Wollin bezog Bugenhagen bereits mit 17 Jahren die Universität Greifswald, um Theologie zu studieren. Noch nicht 20 Jahre alt, wurde er als Rektor an die Schule in Treptow a.d. Rega berufen. Gleichzeitig lehrte er seit 1505 in dem benachbarten Kloster Belbuck. 1509 wurde Bugenhagen zum Priester geweiht. (…) Bugenhagens Haltung Luther gegenüber war zunächst ablehnend. Erst nach mehrfacher Lektüre der Schrift Luthers Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche entschied er sich für die Reformation. (…) 1521 begab sich Bugenhagen nach Wittenberg, um hier zu studieren und zu lehren. 1523 wurde er Stadtpfarrer von Wittenberg. Zu seiner Gemeinde gehörte auch Luther, dessen Seelsorger Bugenhagen in hohem Maße gewesen ist. Luther brauchte Bugenhagen aber auch als den Mann, der das von ihm übersetzte Bibelwort ins Plattdeutsche übertragen musste (1534 die Bugenhagenbibel), damit die Frucht der Reform auch dem Volk in der norddeutschen Tiefebene zugeleitet werden konnte. [Ab 1525 setzte sich die Reformation in Hamburg zunehmend durch, Johannes Bugenhagen wurde in die Stadt berufen und erarbeitete eine neue Kirchenordnung. Die Zisterzienserinnen des Klosters St. Johannis widersetzten sich einer Reform, 1530 kam es zum Eklat. Die Nonnen, von Bugenhagen Lügenbräute Gottes genannt, wurden aus Harvestehude vertrieben, die Gebäude auf Weisung des Hamburger Rats und der Bürgerschaft zerstört und abgebrochen. Auch die Dominikaner im Stadtkloster St. Johannis beim heutigen Rathausmarkt waren 1528 vertrieben worden. Das nun leerstehende Gebäude wurde den heimatlos gewordenen Frauen von der Stadt angeboten, unter der Bedingung, dass sie zum evangelischen Glauben übertreten und sich nicht mehr als Nonnen bezeichneten. So wurde das Haus kurze Zeit später von neunzehn konvertierten Nonnen unter der Äbtissin Cäcilie von Oldessem [siehe: Cäcilienstraße] bezogen, die fortan Jungfrau Domina genannt wurde. 1536 wurde so das Evangelische Conventualinnenstift für unverheiratete Hamburger Patrizier- und Bürgertöchter gegründet. Zudem wurde in einem Rezess bestimmt, den großen Güterbesitz des ehemaligen Klosters Herwardeshude zu erhalten und unter der Klosterstiftung zu verwalten. Damit war das alte Kloster Herwardeshude in ein evangelisches Damenwohnstift übergegangen, die Verwendung der Klostereinkünfte hatten fortan den Zweck, Unterbringung und Unterhalt lediger Hamburger Bürgertöchter zu bestreiten, (…)“ schreibt Johann Schmidt in seinem Portrait über Bugenhagen. 1)
Auch der evangelische Reformator kam mit den damaligen Hexenverfolgungen ins Gehege. 1528 war er mit seiner Familie nach Hamburg gezogen und im Haus des Domdekans Berthold Moller, der Hamburg verlassen lasse, einquartiert. Die Historikerin Roswitha Rogge schreibt: „Von dem Hauspersonal übernahmen die Bugenhagens die Köchin, eine betagte Frau. Kurz darauf wurde die alte Köchin der Zauberei verdächtigt; man warf ihr vor, die Bewohner des Hauses vergiften zu wollen. Sie habe unter den Augen der schwangeren Frau Bugenhagen mit Safran, der zwar als Heilmittel galt, aber dem auch gefährliche tödliche Wirkung zugeschrieben wurde, bereitete Getränke ausgespuckt.“ 2) Mit dem Ausspucken, so Roswitha Rogge, „assoziierte der Volksglaube die Ausscheidung von gefährlichen Stoffen. Die Köchin wurde gefangengenommen und gefoltert, nach mehreren Tagen aber auf Bugenhagens Bitte wieder freigelassen. Als Frau Bugenhagen dann eine Todgeburt hatte, erneuerte sich der Verdacht. Der Kindskörper wurde von den Nachbarinnen begutachtet, es zeigten sich aber keine Anzeichen von Hexerei. Als Dienstmagd des vorherigen Dienstherren, einem Domdekan, hatte die Köchin bei der neuen Reformatorenfamilie wahrscheinlich keinen leichten Stand. Vielleicht machte die Köchin der neuen Familie auch hin und wieder deutlich, dass das, was die neue Familie an Wünschen äußerte, der vorherige Dienstherr aber ganz anders gesehen hatte. Hinzu kam dann auch noch, dass eine Köchin, die für die Speisen und Getränke zuständig ist, leicht in Gefahr geraten konnte, als Hexe verdächtigt zu werden, wenn im Hause Krankheit und Schwangerschaft auftraten.“ 2) Das Kind wurde totgeboren.
Bugenhagen war seit 1522 verheiratet mit Walpurga, geb. Triller (1.5.1500 Torgau -28.7.1569 Wittenberg), eine ehemalige Magd. Das Paar bekam fünf Söhne und vier Töchter.
Bugenhagen gehörte zu den ersten Priestern, die den Zölibat aufkündigten. Mit einer Eheschließung: „bewegten sich [Priester] in den frühen zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts (…) in einem rechtsfreien und gesellschaftlich noch nicht anerkannten Raum. Zugleich war sie ein nicht ganz ungefährlicher öffentlicher Bekenntnisakt und erforderte ebensoviel Mut wie Risikobereitschaft von beiden Partnern. Das gelang nur starken Persönlichkeiten. Walpurga gehörte zweifellos zu ihnen. Sie ließ sich auf das noch unerprobte Wagnis der Zweisamkeit an der Seite eines Theologen ein. Der ersten Verlobten Bugenhagens hatte es noch an solchem Mut gefehlt. Denn diese zog ihr Jawort mit der Begründung zurück, sie wolle kein ‚Pfaffenweib‘ werden. (…)
War bei Bugenhagens Berufung an die Hamburger Nikolaikirche im Jahre 1524 noch seine Ehe ein Hauptgrund für das Veto des Magistrats, so wurden er und seine Frau mit Tochter Sara im Oktober 1528 geradezu fürstlich empfangen. Und beim Weggang im Juni 1529 erhielt Walpurga zum Dank für die hilfreiche Begleitung ihres Mannes während der Ausarbeitung einer reformatorischen Kirchenordnung für die Hansestadt eine Ehrengabe von 20 Gulden,“ 3) schreibt Inge Mager in ihrer Abhandlung „Walp(b)urga Bugenhagen. Stille, aber unverzichtbare Lebensgefährtin und Hausregentin“.
Walpurga Bugenhagen war die Frau „an seiner Seite“, die ihm den Rücken für seine theologische Betätigung freihielt, die viele Schwangerschaften überstehen musste, die Kinder erzog und den Haushalt versorgte. „Walpurga begleitete [ihren Mann] nach Braunschweig zur Einführung der Reformation. Sie folgte ihm nach Hamburg (…). Über ein Jahr weilte sie mit ihm in Lübeck, fast zwei Jahre verbrachte sie im dänischen Kopenhagen an seiner Seite. Auf diese Weise nahm sie am beruflichen Wirken ihres Mannes teil. Sie unterstützte ihn bei Repräsentationspflichten. Der Lebensleistung ihres Mannes wird mit Denkmalen gedacht (…). Von Walpurga hingegen ist nahezu nichts bekannt. (…) Walpurga Bugenhagen zählt zu den Theologieehefrauen der ersten Generation. Sie heiratete in der frühen Reformationszeit, bereits drei Jahre vor Luther. Und zwar 1522, als die Priesterehe noch reichsrechtlich verboten war, als Priester-Konkubinen zwar üblich, aber als ‚Pfaffenweiber‘ gesellschaftlich geächtet und durch spezielle Kleiderordnungen stigmatisiert waren. Walpurga Bugenhagen, obgleich verheiratet, bekam die Missachtung als Ehefrau eines Priesters zu spüren,“4) so Sabine Kramer. Solche Frauen „haben dem evangelischen Leben im Alltag Gestalt gegeben (…). Diese Frauen zeigen, dass die Leistung ihrer Männer nicht die eines einzelnen Heroen war (…).“ 4)
Über Walpurgas Wirkungskreis als Ehefrau schreibt Inge Mager: „Mit der Eheschließung war Walpurgas Wirkungsbereich vorgegeben. Denn in Bezug auf das Verhältnis der Geschlechter zueinander hat es durch die Reformation keine Änderung gegeben. Die Reformatoren haben auch die überkommene Rollenverteilung in der Ehe nicht angetastet. Wie eine in Luthers Tischreden überlieferte Anekdote zeigt, soll Bugenhagen gleich in den ersten Tagen des gemeinsamen Lebens seiner Frau ihre Grenzen aufgezeigt haben, indem er ihr die häusliche Schlüsselhoheit zubilligte, sich selbst aber die Schwertgewalt vorbehielt.“ 5)
Bugenhagen und Antijudaismus
Felix Sassmannshausen schreibt in seinem für das Land Berlin verfassten Dossier zu Straßen- und Platznamen mit antisemitischen Bezügen in Berlin: "Der Reformator Bugenhagen teilte und reproduzierte den Antijudaismus seines Weggefährten Martin Luther." 6) Sassmannshausen gibt als Handlungsempfehlung für den Umgang mit diesem Straßennamen: Wegen "Dünne[r] Quellenlage, weitere Forschung, gegebenenfalls Kontextualisierung." 6)