Edmund-Siemers-Allee
Rotherbaum (1907): Edmund J. A. Siemers (12.3.1840 Hamburg - 20.11.1918 Othmarschen), Kaufmann, Stifter des Universitätshauptgebäudes und anderer Bauten
Siehe auch: Von-Melle-Park
Über die Benennung dieser Straße in Edmund-Siemers-Allee schreibt Johannes Gerhardt in seiner Biografie über Edmund Siemers: „Am 2. Oktober 1907 beschloss die Hamburgische Bürgerschaft auf Antrag des Senats, die Grindelallee zwischen der Moorweidenstraße und dem Loigny Platz in Edmund-Siemers-Allee umzubenennen Eine ungewöhnliche Entscheidung – war doch auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine solche Ehrung einer noch lebenden Person eine Ausnahme. Dass Edmund Siemers die Benennung von Straßen nach ihm oder Mitgliedern seiner Familie durchaus forciert hat und sie ihm nicht einfach angetragen wurde, zeigt folgende Episode: Im Juni 1914 wandte er sich an den ihm bekannten Oberregierungsrat der Finanzdeputation Johann Daniel Krönig und machte sich dafür stark, für neu anzulegende Straßen in Langenhorn – bezeichnenderweise in der Siedlung Siemershöhe – die Vornamen von Angehörigen der Familie Siemers zu verwenden. Allerdings scheiterte er mit diesem Vorhaben, da, so ein Gutachten des für solche Fragen eigentlich zuständigen Staatsarchivs, ‚die mit Vornamen gebildete(n) Straßennamen viel weniger charakteristisch sind, wie die von alten Flurnamen abgeleitete(n) Straßennamen.‘
In Hamburg gab es zwar einige vergleichbare Fälle, etwa in einem Areal des Stadtteils Winterhude, dessen Straßen fast ausschließlich die Namen von Familienmitgliedern Adolph Sierichs [Sierichstraße] trugen – Siemers’ Bestrebungen waren also nicht gänzlich ungewöhnlich. Dennoch blieb nicht aus, dass seine Art und Weise der Verbindung von Mäzenatentum und Inszenierung in der Hansestadt auf Kritik stieß. Sie äußerten sich z. B. in einem Brief, den der Rechtsanwalt Dr. Eduard Westphal – ein weiterer Begründer der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung [siehe zur Stiftung unter: Von-Melle-Park] – im Oktober 1915 an Werner von Melle [Von-Melle-Park] schrieb, und in dem es hieß: ‚Muß denn bei jeder Gelegenheit immer wieder und wieder Siemers gedankt werden?‘ Der scharfzüngige Hamburger Richter, Kunstsammler und Mäzen Gustav Schiefler nennt Siemers in seiner ‚Hamburgischen Kulturgeschichte‘ einen ‚Nabob von Gnaden des amerikanischen Öls und mit dem Öl des Gemeinsinns gesalbt, der in den amerikanischen Milliardären seit Jahrzehnten lebendig ist‘ – Nabob galt im damaligen Sprachgebrauch als ‚verderbter Ehrentitel‘. Auch an anderen Stellen in Schieflers Betrachtungen wird Edmund Siemers nicht gerade in günstigem Licht dargestellt.“ 1)
Die Edmund-Siemers-Allee ist auch in der Liste der Straßennamen mit kolonialen Bezügen aufgeführt. Siehe unter: https://geschichtsbuch.hamburg.de/wp-content/uploads/sites/255/2017/07/AB-SEK-I-Stra%C3%9Fennamen-Projekt-1.pdf
Edmund Siemers war reich geworden durch den Handel mit Salpeter, der aus Lateinamerika kam. Auch war er ein Befürworter des Kolonialinstituts (siehe dazu unter: Von-Melle-Park).
Über seinen beruflichen Werdegang heißt es in der Datenbank „Hamburger Persönlichkeiten“: „Bereits im Alter von 21 Jahren eröffnete Edmund Siemers eine eigene Firma, die sich dem Petroleumimport widmete. 1864 wurde er dann Teilhaber, 1876 Alleininhaber der von seinem Großvater begründeten Firma G. J. H. Siemers & Co. Mit seinem Einstieg 1864 begann deren wichtigste und mit Abstand erfolgreichste Epoche, in der Siemers den Petroleumhandel in Deutschland zu hoher Blüte führte. Als erster Hamburger Reeder ließ er zwischen 1887 und 1890 drei eigene Tankdampfer bauen. Nachdem die Petroleumgeschäfte seiner Firma 1891 auf die Deutsch-Amerikanische Petroleum-Gesellschaft übergegangen waren, spezialisierte er sich auf den Salpeterimport und dessen Vertrieb, in späteren Jahren dann auf Grundstücks- und Baugeschäfte.“ 2)
Holger Tilicki schreibt über Edmund Siemers und seinen Petroleumhandel: „Siemers war einer der Pioniere des Petroleumhandels in Deutschland und baute als einer der großen Reeder Hamburgs eine eigene Segelschiff- und Dampferflotte auf. Er profitierte stark von den grausamen Arbeitsbedingungen für indigene Wanderarbeiter beim Abbau von Salpeter in Chiles regen- und vegetationslosen Atacama-Wüste.“ 3)
Edmund Siemers war Mitbegründer der 1911 gegründeten Hamburger Luftschiffhallen GmbH. Dazu schreibt Holger Tilicke in seinem Aufsatz: Immer auch für militärische Zwecke: Luftschiffe und Flugzeugindustrie am Flughafen Fuhlsbüttel“: „Der Gesellschaft [Hamburger Luftschiffhallen GmbH] wurde vom Senat ein geeignetes Terrain für den Bau der Zeppelinhalle [Zeppelinstraße] zur Verfügung gestellt. Es war ein 448 000 Quadratmeter großes Gelände zwischen Borsteler Rennbahn und Fuhlsbüttel (…). 1921 wurde die Luftschiffhalle in Fuhlsbüttel schließlich aufgrund der Bedingungen des Versailler Vertrages gesprengt.“ 4)
Edmund Siemers betätigte sich auch als Mäzen für die Stadt Hamburg. Dazu ist in der Datenbank „Hamburger Persönlichkeiten“ nachzulesen: „Vor allem (..) trat er in den 1890er Jahren als Stifter in die Öffentlichkeit, der 1896 den Bau einer der ersten Lungenheilstätten in Deutschland ermöglichte, Edmundsthal-Siemerswalde in Geesthacht, und 1907 das Vorlesungsgebäude auf der Moorweide finanzierte, welches bis heute ‚die Universität‘ in Hamburg darstellt. Anlässlich der Einweihung des Gebäudes im Mai 1911 erhielt Siemers die selten verliehene Hamburgische Ehrendenkmünze in Gold. (…) [Er] gehörte (..) der Hamburgischen Bürgerschaft von 1892 bis 1918 als Mitglied der Fraktion der Rechten und der Finanzdeputation von 1898 bis 1906 an.“ 5)
Edmund Siemers war seit 1865 mit Susanne Margarete Eckmeyer (8.9.1839 Hamburg -3.12.1920 Altona) verheiratet. Das Paar bekam zwei Söhne und zwei Töchter.
Über das Kennenlernen des Paares und ihre Ehe schreibt der Historiker Johannes Gerhardt: „1861 lernte Edmund Siemers im Hause Friederike und Dietrich Eckmeyers deren Tochter Susanne kennen. Ihr Vater war in Hamburg als Prokurator am Niedergericht tätig, (…). Es vergingen ‚vier ahnungsvolle Jahre‘, so erinnerte sich Edmund Siemers später, bis er sich mit Susanne im April 1865 verlobte. Sie hatte auf ihn durch ihr ‚natürliches Wesen‘ und ihre ‚gesunden Ansichten gleich einen (...) sympathischen Eindruck, wie ich ihn noch nie empfunden hatte‘, gemacht.·‘ Der Ostersonntag 1865 also sah einen jungen Mann in der ABC-Straße in die dritte Etage des Möhring’schen Hauses steigen. ‚Fräulein Eckmeyer, wollen Sie mein Weib werden, meine Verhältnisse sind nicht glänzend, aber ich habe Sie unendlich lieb ......‘Statt aller Antwort, die erste Umarmung, der erste Kuß. Oh, es war so schön, wie man es sich nur denken kann. Dann Anfrage bei den Eltern in optima forma, Triumphzug zum Theerhof, meine gute Mutter oben an der Treppe mit ausgebreiteten Armen (...), abends großes Familienfest (...), am nächsten Tag Spaziergang [Susannes, JG] mit Schwiegermutter im botanischen Garten mit Belehrung über Edmund, seine Naturgeschichte, Wartung und Pflege. Passender wäre dieser Spaziergang wohl im Zoologischen als im Botanischen Garten gewesen.‘
Vier Monate später heirateten die beiden: ‚Im 1865sten Jahre des Heils und 26. August strahlte unser liebes Oevelgönne [hier besaß die Familie Siemers eine Sommerwohnung, JG] im vollen Schmucke, frisch wehten im Sonnenglanze die Flaggen aller Nationen und im Dorf sah man ein glückliches Paar, sich für die liebenswürdige Aufmerksamkeit der Bevölkerung freundlich bedanken und fröhliche Glückwünsche annehmen.‘·
Die vierwöchige Hochzeitsreise führte die Frischvermählten nach Kassel, Frankfurt, Heidelberg, Stuttgart, Friedrichshafen, an den Bodensee sowie nach Zürich und weitere Orte in der Schweiz und schließlich nach München. Als besonderes Dokument hat sich das Reise-Tagebuch von Susanne Siemers erhalten, in dem sie in einer für eine Frau aus dem Großbürgertum ungewohnt offenen Weise über die Hochzeitsreise spricht: ‚So beginne ich denn mit dem unvergesslichen 26ten August 1865 und schon gleich in Gedanken des Abends mit Dir nach Harburg, wo uns der freundliche ‚König von Schweden‘ seine gastlichen Räume |öffnete – schweigen wir von unserem Thun und Treiben in demselben! Am Sonntag, den 27ten morgens erwachten wir zwar nicht gestärkt aber sehr vergnügt und gingen dann zum Schwarzenberg, um uns noch einmal die Wiege unseres Glücks, unser schönes Oevelgönne zu betrachten.‘ (…)
Die Liebe zweier Menschen zu beschreiben, ist schwer. Soweit man es im Nachhinein als Außenstehender beurteilen kann, war die Ehe zwischen Edmund und Susanne Siemers glücklich. Ein Grund hierfür mag gewesen sein, dass – so Karl Redlich, Pastor an St. Jacobi – ‚zwei in sich selbst durchaus eigenartige, sehr verschiedene Charaktere in einer seltenen Harmonie zusammengewachsen (waren). Zu dem weltumspannenden Geiste ihres kaufmännischen Gatten, zu seinem in die Oeffentlichkeit des Wirkens hinaus strebenden Wesen (...) fügte sie die selbstsichere Ruhe ihres inneren Menschen, die bedachtsame Langsamkeit, sich in die weiter und weiter sich erstreckende Bedeutung ihres Hauses hineinzufinden, die vorsichtig abwägende Art.‘ Anders hingegen die Charakterisierung der Freifrau Elisabeth von Ohlendorff, die am 17. Februar 1914 in ihr Tagebuch schrieb: ‚Sind um 7Uhr zu Bürgerm. v. Melles, 43 Rondeel, gefahren u. Diner. Mussten 1⁄2Stunde auf Edmund Siemers warten, die die Einladung vergessen hatten. – Hatte Herrn Siemers zu Tisch. Er ist etwas langweilig. Ich mag die Frau viel lieber.‘
Diese Zitate führen vor Augen, dass das Urteil über die Außenwirkung einer Person von verschiedenen Faktoren – nicht zuletzt auch dem Geschlecht des/der Beobachtenden – abhängt. Dennoch kann wohl festgehalten werden: Susanne Siemers war durchaus nicht undifferenziert, legte aber mitunter eine etwas bodenständige Art an den Tag. So ist die Anekdote überliefert, dass sie bei Gelegenheit eines Treffens mit Kaiser Wilhelm II. und dessen Ehefrau Auguste Viktoria (siehe: Augustenpassage) fragte: ‚Seid ihr auch schön warm?‘– und anschließend dem sitzenden Kaiserpaar eine Decke umlegte. Der Monarch soll sich nicht daran gestört haben.
Bei gemeinsamen Reisen verbrachten Susanne und Edmund Siemers viel Zeit miteinander, auch dies spricht für eine glückliche Ehe. 1906 schrieb letzterer rückblickend: ‚Wieviel Freude haben wir stets an unseren Reisen gehabt, wie reizend haben wir auf denselben gelebt und wie bin ich unserem Schöpfer dankbar, daß er Dich ebenso wie mich so genussfähig erhalten hat und ich erinnere an unsere 5- bis 6-stündigen Märsche in Baden-Baden, an unsere Rom- und Neapel-Fahrt, an Florenz, Riviera, die Levante und (...) Abazzia Biarritz, Simplontour und Schweiz, unsere Herbstaufenthalte in Schierke usw.‘
Von 1906 bis 1913 fuhren die Eheleute Siemers jeden Oktober/November auf das Schlosshotel Labers bei Meran. (…) Der Südtiroler Ort mit mediterranem Klima war damals ein Treffpunkt der Hamburger High Society, (…).
Ganz dem bürgerlichen Arbeitsideal entsprechend schrieb Siemers seiner Frau über die gemeinsamen Reisen: ‚Die Erholungszeit nach der Arbeit ist um so schöner, wenn man fühlt, daß man sie sich selbst durch Fleiß und Intelligenz verdient hat. Das wirst Du auf Reisen gewiß an mir gemerkt haben und Du hast gesehen, wie sehr ich mich dann allen schönen Eindrücken gegenüber empfänglich gezeigt habe.‘ (…)
Susanne Siemers brachte in den Jahren 1866 bis 1873 vier Kinder zur Welt: Antonie (Toni) (geb.1866), Thekla (geb.1868), Johann (Hans) (geb.1872) und Kurt (geb.1873). (…)“6)
Auch zur gemäßigten bürgerlichen Frauenbewegung in Hamburg hatte Edmund Siemers Verbindungen. „1910, wurde Siemers Mitglied des Kuratoriums der Emilie Wüstenfeld Stiftung und gleichzeitig als solches in den Vorstand der Emilie Wüstenfeld-Schule delegiert, einer privaten ‚Höheren Mädchenschule in 10 Jahreskursen‘, welche 1912 die staatliche Anerkennung als ‚Lyzeum‘ erhielt. Die Stiftung unterstütze einen Teil der moderaten, bürgerlichen Strömung der Frauenbewegung, dem es primärum Verbesserung der weiblichen Erziehung und den Zugang zu bestimmten Berufen ging. ‚Insbesondere auf die Förderung der weiblichen Sozialarbeit als spezifisch weiblich angesehene Tätigkeit richtet (sic) sich dieser Flügel der Frauenbewegung aus, weshalb er auch von vielen Männern des Bürgertums mitgetragen wurde.“ 7)