Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Erika-Mann-Bogen

Barmbek-Süd, seit 2006, benannt nach Erika Mann (9.11.1905 München – 27.8.1969 Zürich), erste Tochter des Schriftstellers Thomas Mann, dessen Nachlassverwalterin und Biographin; selbst ebenfalls Schriftstellerin, aber auch Journalistin und Korrespondentin, Rallyefahrerin, Schauspielerin und Kabarettistin; Verfolgte des Nationalsozialismus


Siehe auch: Therese-Giehse-Bogen
Siehe auch: Gründgensstraße, Steilshoop, seit 1971: Gustaf Gründgens (1899-1963), Schauspieler, Regisseur, Intendant
Siehe auch: Thomas-Mann-Straße, Bramfeld, seit 1961: Thomas Mann (1875 - 1955), Schriftsteller
Siehe auch: Wedekindstieg

Erika Julia Hedwig Mann war die älteste Tochter des Schriftstellers Thomas Mann (siehe: Thomas-Mann-Straße) und dessen Frau Katia, geb. Pringsheim.

Erika Mann war „das Allroundtalent der Familie [Mann]: Schriftstellerin, Journalistin, Schauspielerin, Kinderbuchautorin und politische Rednerin – eine eigenständige Figur, deren Talente auch ohne Protektion des Vaters ausgereicht hätten, Karriere zu machen, wenngleich Erika Mann auch nie ganz darauf verzichten wollte, seinen Namen für ihre Zwecke zu nutzen. (…) Erika Mann war der eigentliche Dreh- und Angelpunkt der Familie, der Motor, der die Firma Mann am Laufen hielt.“ 1)

1919 gründete sie mit ihrem Lieblingsbruder Klaus Mann eine Kindertheaterbühne, den „Laienbund deutscher Mimiker“. Nach dem Abitur 1924 begann sie eine Ausbildung zur Schauspielerin in Berlin. Nach ihren ersten Engagements spielte sie 1925 in Hamburg in Klaus Manns Stück „Anja und Esther“ an den Kammerspielen mit. Dabei lernte sie, die Frauen und Männer liebte, den Schauspieler Gustav Gründgens (siehe: Gründgensstraße) kennen. In Juli 1926 heirateten die beiden, obwohl sie wussten, dass ihre Ehe nicht von Dauer sein würde. Erika Mann, die zu Gründgens nach Hamburg zog, behielt inoffiziell ihren Geburtsnamen Mann weiter.

0688 Erika Mann Und Klaus Mann
Erika und Klaus Mann, Foto: Eduard Wasow, 1927; Quelle: Eduard Wasow (1890-1942), gemeinfrei, via Wikimedia Commons

1927/28 gingen die Geschwister Klaus und Erika Mann als „Literary Mann Twins“ auf eine neunmonatige Welttournee. Als sie nach Deutschland zurückkehrten, trennten sich 1928 Erika Mann und Gründgens. Anfang 1929 ließen sie sich scheiden. (Siehe zur Ehe von Erika Mann und Gustav Gründgens: bei Gründgensstraße)

Erika und Klaus Mann gehörten vor 1933 zu den enfants terribles der Münchener Künstlerszene. 1930 lernte Erika Mann Annemarie Schwarzenbach kennen, die sich in Erika verliebte. Die Liebe blieb unerwidert.

1931 gewann Erika Mann, die eine begeisterte Autofahrerin war, eine Rallye durch Europa.

1932 beteiligte sie sich an einer von der „Internationalen Liga für Frieden und Freiheit“ organisierten pazifistischen Veranstaltung. Im Juni desselben Jahres verhinderten Nationalsozialisten ihr Auftreten bei den „Weißenburger Festspielen“, indem sie die Veranstalter unter Druck setzten. Es folgten weitere massive Angriffe, so dass dies das Ende der Theaterlaufbahn von Erika Mann bedeutete.

Anfang 1933 gründete Erika Mann mit Therese Giehse (siehe: Therese-Giehse-Bogen, in diesem Band) das literarisch-politische Kabarett „Die Pfeffermühle“, das allerdings mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten verboten wurde.

Im März 1933 flüchtete Erika Mann mit einem Teil ihrer Familie in die Schweiz. Von dort machte sie die „Pfeffermühle“, die ihren Spielbetrieb im September 1933 in Zürich wieder aufnahm, zum wichtigsten deutschsprachigen Exilkabarett.

1935 wurde ihr als der „geistigen Urheberin“ der „deutschfeindlichen Pfeffermühle“ die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt. Um einen englischen Pass zu bekommen, heiratete sie 1935 den homosexuellen Dichter Wystan H. Auden (1907-1973).

1936 emigrierte sie in die USA. Dort ging sie bis Ende des Zweiten Weltkrieges auf viele Vortragsreisen, um über das Hitler-Regime aufzuklären. Zu diesem Zweck veröffentlichte sie 1938 ihre Dokumentation über das NS-Erziehungswesen: „School for Barbarians. Education under the Nazis“ und 1940 „Wahre Geschichten aus dem dritten Reich: the lights go down“.

Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges war Erika Mann als Kriegsberichterstatterin für amerikanische Zeitungen tätig. Unter persönlicher Gefahr fuhr sie immer wieder nach Europa, so 1938 nach Spanien, um über den Bürgerkrieg zu berichten. Auch rief sie in Sendungen der Londoner BBC zum Widerstand gegen das Hitler-Regime auf.

Ab 1937 lebte Erika Mann einige Jahre mit dem Schauspieler Martin Gumpert (1897-1955) zusammen und unterzog sich im selben Jahr einem Schwangerschaftsabbruch.

In den 1940-er Jahren verliebte sich Erika Mann in den dreißig Jahre älteren Dirigenten Bruno Walter, zeitweilig hatte sie eine lesbische Beziehung zu Betty Knox, die wie Erika Mann Kriegskorrespondentin war.

Die Zeit von 1933 bis 1943, dem „‘kritischsten Zeitraum der modernen Geschichte‘“ war „ihr eigenes stärkstes Jahrzehnt, in dem sie das meiste erreicht hat: Kabarett, Reden, persönlicher Einsatz in Kriegsgebieten, gefährliche Reisen nach London, um für die BBC zu sprechen“. 2)

1945/46 berichtete Erika Mann als einzige Frau über die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse. Ab 1947 wurde sie die engste Mitarbeiterin ihres Vaters, der mit seiner Frau und der Tochter Elisabeth 1938 in die USA emigriert war. Schon in Amerika war Erika Mann seine Dolmetscherin gewesen. Sie redigierte seine Texte, organisierte seine Reisen und war seit 1936 die Triebkraft für seine politischen Stellungnahmen.

Nachdem ihr Bruder Klaus Mann sich 1949 das Leben genommen hatte, verwaltete sie dessen literarischen Nachlass.

1952 zog sie mit ihren Eltern in die Nähe von Zürich. Hauptgrund für die Übersiedlung war die Kampagne des Senators Joseph McCarthy gegen Liberale und Kommunisten, von der auch Erika Mann und ihr Vater betroffen waren. Erika Mann wurde in dieser Zeit des Kalten Krieges vier Jahre lang vom FBI verfolgt, der ihr „kommunistische Umtriebe“ nachweisen wollte.

„Der Tod Thomas Mann am 12. August 1955 markiert den letzten großen Einschnitt in Erika Manns Leben.

Noch vieles hatten sie miteinander geplant, allein der Tod kam ihnen zuvor. Gemeinsam wollten sich Vater und Tochter für einen weltweiten Appell engagieren, den ‚eine kleine Anzahl führender Geister – Dichter, Historiker, Philosophen, Träger großer Namen auf humanistischer Ebene – (…) an die Regierungen und Völker der Erde (richten sollten). (…) Ein Stück Prosa, so kurz wie eindringlich, war zu entwerfen – mit dem Ziel, den Einzelnen, die vielen Millionen von Einzelnen, die der Ruf erreichte, nicht nur zu warnen vor der finalen Gefahr (gewarnt waren sie längst), sondern sie zur Stellungnahme, zur Tat zu bestimmen, auf Grund der Verantwortung, die wir alle tragen und zu deren Unabdingbarkeit das Manifest sich bekennen sollte.‘

Um die notwendigen Vorbereitungen zu treffen, war Erika Mann noch im Juli 1955 nach London geflogen. Dass über die Gefahren des Atomkrieges endlich auch von intellektueller Seite ein klares Wort fallen müsse, darin bestand Einigkeit zwischen allen, die sich dem Komitee anzuschließen bereit waren. Doch man musste auch Absagen hinnehmen. Das Argument von dieser Seite lautete, ‚der Geist solle sich nicht in Dinge mischen, für die er – beruflich – nicht zuständig sei und die er also in keinem Ernstfall‘, würde zu verantworten haben.‘

Erika Mann führt diesen Plan des Vaters nicht mehr aus, das Projekt wird nach seinem Tode abgebrochen. Ihre Aktivitäten konzentrieren sich jetzt auf die Nachlassverwaltung.“ 3) Und so wurde Erika Mann nach Thomas Manns Tod Bevollmächtigte seines Nachlasses und setzte sich vehement für die Anerkennung der Werke ihres Bruders Klaus ein. Sie selbst bezeichnete sich einmal als „bleicher Nachlassschatten“. Von 1961 bis 1965 gab sie die dreibändige Ausgabe der Briefe ihres Vaters heraus.

Nachdem Gustav Gründgens sich im Oktober 1963 das Leben genommen hatte, versuchte sein Adoptivsohn Peter Gorski gegen die Veröffentlichung von Klaus Manns Roman „Mephisto“ gerichtlich anzugehen und hatte damit Erfolg. Erika Mann versuchte daraufhin vergeblich vom damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann Unterstützung zu bekommen, um das Urteil rückgängig zu machen.

1969 starb Erika Mann an einem Gehirntumor.