Grillparzerbrücke
Uhlenhorst (1960): Franz Grillparzer (15.1.1791 Wien – 21.1.1872 Wien), Dichter.
Siehe auch: Ebner-Eschenbach-Weg,
Siehe auch: Königskinderweg
Siehe auch: Schwindstraße
Siehe auch. Grillparzerstraße
Bereits während der in der NS-Zeit 1938 im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes erstellten Straßennamenliste wurde die Grillparzerstraße als neuer Straßenname (alter Straßenname Goethestraße) vorgeschlagen (Staatsarchiv Hamburg: 133-1 II, 38).
Grillparzer wurde in Wien als Sohn von Anna Franziska, geb. Sonnleithner (1767-1819) und dem Rechtsanwalt Wenzel Grillparzer (1760-1809) geboren und hatte noch drei Brüder. Nach dem Tod des beruflich erfolglosen Vaters verarmte die Familie. Die Mutter – in der Literatur beschrieben als „hysterisch-sensibel“ - beging Suizid; der jüngste Sohn Adolf (1800-1817) ertränkte sich.

Grillparzer absolvierte ein Jurastudium, danach wurde er Privatlehrer, dann Beamter u. a. im Wiener Finanzministerium, von 1832 bis zum Ruhestand 1856 Archivdirektor bei der k.k. Hofkammer, dem späteren Finanzministerium. Sein Leben fasste er zusammen mit den Worten: „Als Mensch unverstanden, als Beamter übersehen, als Poet höchstens geduldet, schlepp ich mein einförmiges Dasein fort.“
Grillparzer erhielt späte Ehrungen (1859: Ehrendoktorwürde der Universitäten Wien und Leipzig; 1861: Ernennung zum Mitglied des österreichischen Herrenhauses auf Lebenszeit: Reichsrat; 1864: Ehrenbürger Wiens) und wurde der bedeutendste österreichische Dramatiker des 19. Jhds.

Grillparzer hatte vielfältige Beziehungen zu Frauen. Im selben Jahr (1819), als seine Mutter Suizid verübte, hatte Grillparzer - damals 27 Jahre alt – ein Liebesverhältnis mit Charlotte von Paumgarten, geb. Jetzer, der Frau seines Cousins und Freundes. Zwei Jahre später, als er sich mit Katharina Fröhlich (10.6.1800 Wien - 3.31879 Wien) – seiner „ewigen Braut“ - verlobte, schrieb er in einem Briefentwurf an Georg Altmüller anlässlich seiner ersten Begegnung mit ihr: „Ich bin der Liebe nicht fähig! So sehr mich ein wertes Wesen anziehen mag, so steht doch immer etwas höher, und die Bewegungen dieses Etwas verschlingen alle anderen so ganz, daß nach einem Heute voll der glühenden Zärtlichkeit leicht – ohne Zwischenraum, ohne besondere Ursache – ein Morgen denkbar ist der fremdesten Kälte, des Vergessens, der Feindseligkeit (…). Ich glaube bemerkt zu haben, daß ich selbst in der Geliebten nur das Bild liebe, das sich meine Phantasie von ihr gemacht hat, so daß mir das Wirkliche zu einem Kunstgebilde wird, das mich durch seine Übereinstimmung mit meinen Gedanken entzückt, bei der kleinsten Abweichung aber nur um so heftiger zurückstößt. Kann man das Liebe nennen? (…)“ 1)
Und seinem Tagebuch vertraute Grillparzer 1827 an: „Von dem Augenblicke an, als der teilnehmende Gegenstand [die begehrte Frau] nicht mehr haarscharf in die Umrisse passen wollte, die ich bei der ersten Annäherung voraussetzend gezogen hatte, warf ihn auch mein Gefühl als ein fremdartiges so unwiderruflich aus, daß meine eigenen Bemühungen, mich nur in einiger Stellung zu erhalten, verlorne Mühe waren. Ich habe auf diese Art bei Weibern schon oft die Rolle des Betrügers gespielt (…). Aber ich habe nie eine Neigung betrogen, die ich hervorgerufen hätte. Vielmehr näherte ich mich nie einem Weibe, das nicht vorher sich mir genähert.“ 2)
Katharina Fröhlich, dritte von vier Töchtern des Einschlag-Fabrikanten Matthias Fröhlich (1756-1843) und seiner Frau Barbara, geb. Mayr (1764-1841), hatte Grillparzer 1821 kennen gelernt. Sie war Grillparzer aufgefallen, als sie auf Privatbühnen schauspielernd und singend aufgetreten war. Vier Jahre später, 1825, war Grillparzer in glühender Liebe zu der siebzehnjährigen Marie Smolk von Smollenitz entbrannt.
1838 zog sich Grillparzer nach seinem Misserfolg von „Weh dem, der lügt“ aus dem literarischen Leben zurück. Elf Jahre später, 1849, zog der fast taube und augenleidende Schriftsteller bei Katharina Fröhlich und ihren Schwestern Anna, Josephine und Barbara in die Wiener Spiegelgasse 21 ein. Dort wohnte er bis zu seinem Tod in zwei streng von der Wohnung der Fröhlich-Schwestern abgetrennten Zimmern.
Marie von Ebner-Eschenbach (siehe: Ebener-Eschenbach-Weg) beschrieb das Verhältnis zwischen Grillparzer und Katharina Fröhlich: „‘Ich habe schon deshalb nicht heiraten können‘, sagte mir Grillparzer einmal, ‚weil ich den Gedanken nicht ertragen hätte, daß es einen Menschen gibt, der das Recht hat, wann immer es ihm beliebt, in mein Zimmer zu kommen.‘ Ein seltsamer Grund, den er sich offenbar als Ehehindernis zwischen sich und seiner ‚ewigen Braut‘ ausgeklügelt hatte. Aber in diesem Falle war jeder gut. Die beiden, die einander den Himmel hätten schenken mögen, würden, unauflöslich verbunden, sich die Hölle bereitet haben. Kathi, nicht viel weniger empfindlich als Grillparzer selbst, litt Qualen unter seiner Rücksichtslosigkeit, man darf wohl sagen: seiner Grausamkeit. Ein Nachtragen jedoch, ein Schmollen kannte sie nicht; es schien vielmehr, als ob jedes Leid, das er ihr angetan, im Feuer ihrer Liebe schmelzend, es nur angefacht hätte. Und wenn einmal sie es war, die sich im Unrecht befand, die gekränkt hatte, dann kam, im heißen Bestreben wiedergutzumachen, eine Unermeßlichkeit an Hingebung, Selbstüberwindung, Opferfreudigkeit zutage. (…)
Sie hatten sich verlobt und nach schweren Kämpfen – entlobt, und er hatte sie meiden, sich von ihr, die ihm zur Frau nicht demütig genug und zur Geliebten zu heilig war, völlig losreißen wollen. Aber das ging über seine Kraft. Er brauchte den Verkehr mit ihr und ihrer Umgebung, den künstlerischen Geist, der in ihrem Hause wehte, ihr Verständnis, ihre Begeisterung, ihr grenzenloses Mitgefühl, er brauchte die Atmosphäre ihrer unendlichen Liebe. Sie hat sich von ihm nicht beugen und nicht brechen lassen, aber als Entsagende an seiner Seite ausgeharrt, immer treu, wenn auch nicht Treue fordernd. (…)
Der Name Kathi Fröhlich ist unauflöslich mit dem Namen Franz Grillparzer verbunden. In einem Punkte hat sie sein Geschick geteilt, die Mit- und Nachwelt hat an ihr nicht viel weniger gesündigt als an ihm. Mißverstand, Vorurteil, Engherzigkeit, Klatschsucht besorgten und besorgen das in einer ihrer unwürdigen Weise. Wenn ich in einem der zahlreichen Bücher lese, die uns die Grillparzer-Literatur beschert hat, kann ich nicht genug staunen über den niederen Rang, der darin Kathi und ihren Schwestern im Leben des Dichters angewiesen wird. Es ist nicht selten der von drei Haushälterinnen, die seine Zimmer in Ordnung hielten und seine Wäsche besorgten. Erwähnt findet sich auch wohl, daß sie verstanden, ihm Unangenehmes und Peinliches aus dem Wege zu räumen, zudringliche Besuche fernzuhalten, lästige Korrespondenzen für ihn zu führen, ihm viele Sorgen für unerfreuliche Verwandte abzunehmen. Daß übrigens Anna und Josephine höchst musikalisch waren, trug recht viel dazu bei, ihren Umgang mit Grillparzer, der ja die Musik fast höher stellte als die Poesie, wertvoll zu machen. (…)
‚Die Damen, bei denen ich wohne.‘ Wenn das Barometer der Stimmung besonders hoch stand, gab es kleine Nachsätze: ‚Sie sind meine gewöhnlichen Vorleserinnen, sie spielen mir auch vor.‘ – (…) Daß sie auch in das seine Behagen, Heiterkeit, Licht und Wärme brachten und überhaupt das Beste, das ihm je zuteil geworden: kritiklose Liebe und Verehrung, mußte er gefühlt haben, doch blieb es unerwähnt. Dieser große Reichtum war sein unverlierbares Eigentum; sich durch ihn beglückt zu fühlen lag nicht in seiner Natur. Gewiß kamen Stunden, in denen er sich dessen entsann, was Kathi für ihn getan hatte, für ihn – (…).
Einmal hatte Sofie Schröder Kathi spielen gesehen bei einer Vorstellung auf einem Liebhabertheater, hatte die junge Dilettantin umarmt und feierlich erklärt: ‚Fräulein, wenn Sie nicht Schauspielerin werden, begehen Sie einen Selbstmord.‘
Aber Grillparzer sagte: ‚Eine Schauspielerin mag ich nicht‘, und der Selbstmord wurde begangen. Hat er gefragt, was es sie gekostet hat? Oder lieber nicht gefragt – es war überflüssig, er wußte es zu gut.
Aus einigen seiner kargen, grausam zurückhaltenden Briefe an sie klingt es deutlich heraus, daß er, der sich für unfähig hielt zu lieben, doch sehr fähig war, eifersüchtig zu sein. Kathi Fröhlich war schön und unbeschreiblich anmutig (…). Sie wurde bewundert, geliebt und umworben. Gelegenheit, eifersüchtig zu sein, hatte Grillparzer in Hülle und Fülle, Grund dazu niemals. Die Huldigungen, die man ihr darbrachte, ließen sie nicht nur kühl, sie empörten sie. ‚Was wollen diese Leute? Wissen sie denn nicht, daß es für mich nur einen Mann gibt?‘, schreibt sie an ihre Schwestern.
Und dieser einzige, der geglaubt hatte, in ihr seine Seligkeit zu finden, war schon bald von allen bösen Geistern des Zweifels ergriffen worden. Gab's ein Glück für ihn, gab's überhaupt etwas außer seiner Kunst? (…)
Und dennoch vermochte er nicht, sich völlig loszureißen, kehrte zurück, erfuhr Widerstand, ja Härte; denn eine demütige Dulderin war Kathi nicht, verlor aber in diesem schweren Kampfe nie das Bewußtsein ihrer unendlichen Liebe.“ 3)
Kurz vor seinem Tod wollte der 80-jährige Grillparzer nun doch Katharina Fröhlich heiraten, um sie nach seinem Tode versorgt zu wissen. Er lebte von einer auskömmlichen Hofratspension, von der Grillparzer ausging, dass diese auch seiner Witwe gewährt werden würde. Doch Katharina lehnte diesen praktischen und fürsorglichen Vorschlag entrüstet mit den Worten ab: „Das hieße der Aufopferung eines langen Lebens den Stempel der Gemeinheit aufdrücken, ich bin keine alte Hofratsköchin.“ 4)
Grillparzer vermachte Katharina Fröhlich seinen gesamten Besitz. Sie übergab das Erbe Grillparzers der Stadt Wien, stiftete den Grillparzer-Preis und gründete kurz vor ihrem Tod die Schwestern-Fröhlich-Stiftung, mit dem Ziel, Kunstschaffende und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu unterstützen.
Grillparzers Frauenbild, welches er in seinen Dramen darstellte, untersuchte u. a. Sandra Maria Hackl in ihrer Diplomarbeit und wandte sich dabei Grillparzers literarischen Figuren Mirza, Gülnare, Hero und Rahel zu. Maria Hackl kam zu dem Schluss: „Grillparzer [hat sich] von seinen jungen Jahren bis ins hohe Alter eingehend mit der Rolle der Frau in der Gesellschaft auseinandergesetzt (…). Besonderes Augenmerk legt Grillparzer dabei auf die ebenso komplexen wie subtilen Mechanismen zur Repression unangepasster Weiblichkeit.“ 5)
In den von Sandra Maria Hackl „untersuchten Texten setzt sich Grillparzer eingehend mit dem Thema der Emanzipation der Frau auseinander (…). Dabei war Grillparzer allerdings zu sehr Realist, um einer seiner aufbegehrenden Frauenfiguren ein versöhnliches Ende zu vergönnen. Hero und Rahel sterben, das Traumbild Gülnare löst sich mit Tagesanbruch in ein Nichts auf. Diese Dramenschlüsse können als pessimistische Bilanz weiblicher Emanzipationsbestrebungen gelesen werden: selbst diese starken Frauenfiguren scheitern letztlich an den unüberwindbaren Strukturen des patriarchalen Systems. (…)
Obwohl Grillparzers Frauenfiguren letztlich scheitern, lösen sie sich von tradierten Rollenbildern und Verhaltensmustern, indem sie alternativ Lebensentwürfe zu verwirklichen suchen. Mit seinen Schilderungen scheiternder Frauenfiguren verweist Grillparzer deutlich auf die Brüchigkeit des patriarchalen Gesellschaftssystems, das sich durch emanzipatorisch bestrebte Weiblichkeit in seinen Grundfesten erschüttern lässt.“ 6)