Händelstraße
Bahrenfeld (1895): Georg Friedrich Händel (23.2.1685 /5.3.1685 Halle -14.4.1759 London), Komponist.
Siehe auch: Chrysanderstraße
Siehe auch: Graustraße
Siehe auch: Matthesonstraße
Siehe auch: Ebelingplatz
In der NS-Zeit sollte die Straße im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes in Guatemalastraße (Motivgruppe: Ibero-amerikanische Länder und Hafenplätze) umbenannt werden, da nun das bisherige Staatsgebiet Hamburg um benachbarte preußische Landkreise und kreisfreie Städte erweitert worden war und es dadurch zu Doppelungen bei Straßennamen gekommen war. Bedingt durch den Krieg kam es aber nicht mehr zu dieser Umbenennung und es blieb bei Händelstraße. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg: 133-1 II, 38. Anlage 2. Große Umbenennung von 1938. Die neu vorgeschlagenen Straßennamen nach Stadtteilen geordnet unter Angabe der verwendeten Benennungsmotive).

Georg Friedrich Händel war der Sohn von Dorothea Händel, geb. Taust (10.2.1651 Dieskau – 27.12.1730 Halle) und des Hofchirurgen Georg Händel (24.9.1622 Halle – 11.2.1697 Halle).
„Das frühe Talent der Musik unterstützte Vater Georg Händel nur mit größtem Widerwillen, da er ihm mit einem Jura-Studium an der Halleschen Universität ein sicheres und wohlhabenderes Leben ermöglichen wollte, das er selbst nie genießen durfte. Auf Nachdruck seines herzöglichen Dienstherrn auf Schloss Neu-Augustusburg Weißenfels blieb ihm nichts anderes übrig, und er finanzierte seinem Sohn bei Friedrich Wilhelm Zachow die regional bestmögliche musikalische Grundbildung.“ 1) Der Vater starb, als Georg Friedrich Händel zwölf Jahre alt war.
Im Gegensatz zu ihrem Ehemann förderte Dorothea Händel die musikalische Begabung ihres Sohnes.
Über Händels Beziehung zu Hamburg heißt es im Hamburg Lexikon: „Der neben J. S. Bach berühmteste deutsche Komponist des Barock war mit Hamburg nur wenige Jahre verbunden. 1703 verließ Händel seine Vaterstadt und ging – vermutlich, um sich musikalisch weiter fortzubilden – nach Hamburg, wo er bald als Geiger im Orchester der Gänsemarkt-Oper mitwirkte. Im Januar 1705 wurde hier seine erste Oper ‚Almira‘, uraufgeführt, der sich bereits im Februar die zweite ‚Nero‘ anschloss. 1706 verließ Händel Hamburg und folgte einer Einladung an den Hof der Medici in Florenz. 1710 kehrte er als überall gefeierter Komponist nach Deutschland zurück und wurde zum Hofkapellmeister des Kurfürsten von Hannover ernannt, verlegte aber noch im selben Jahr seine Hauptaktivität nach London, das 1712 auch sein Wohnsitz wurde. Er machte durch sein Schaffen die Opera seria in London heimisch und begründete die englische Oratorientradition. Händels Werke fanden dank seiner Freundschaft mit Georg Philipp Telemann [Telemannstraße] sehr früh ihren Weg auf die Hamburger Opernbühne, während die späteren Oratorien erst nach seinem Tod durch englischen Einfluss in Hamburg bekannt wurden.“ 2)
Händel und Frauen
Händel engagierte für seine 1719 gegründete Königliche Akademie in London auch die berühmte Sängerin Faustina Hasse-Bordoni (siehe: Hassestraße).
Über Händel, der zeitlebens ehelos blieb, und „die Frauen“ sowie im Besonderen über die Primadonnen Francesca Cuzzoni und Faustina Bordoni schreibt Wolfgang Kostujak u. a.: „Händel geriet eines Tages mit der Cuzzoni in Wortstreit, weil sie die Arie ‚Falsa imagine’ in der Oper ‚Ottone’ nicht singen wollte. [...] ‚Ich weiß wohl, dass Ihr eine leibhaftige Teufelin seid, aber ich will Euch weisen, dass ich Beezebub, der Teufel Obrister, bin.’ Darauf fasste er sie mitten um den Leib und schwur, er wollte sie aus dem Fenster werfen, wenn sie weitere Worte machen würde.‘ Zarte Töne waren Georg Friedrich Händels Sache offenbar nicht, wenn es um den Umgang mit dem ‚schönen Geschlecht‘ ging. Zumal dann nicht, wenn der Meister einmal wieder von jener cholerischen ‚Passion‘ heimgesucht wurde, die selbst der Prince von Wales fürchtete. Ein paar Jahre darauf ließ aber auch Händels Fenstersturz-Primadonna das volle Ausmaß ihrer Unberechenbarkeit erkennen. Aus Anlass einer Admeto-Aufführung kam es auf offener Bühne zu bürgerkriegsartigen Szenen zwischen ihr und einer Sängerin namens Faustina Bordoni, die in den Londoner Gazetten einen schonungslosen Niederschlag fand: ‚[...] es ist doch wirklich eine Schande, dass zwei wohlerzogene Damen einander Hure und Dirne nennen, schimpfen und raufen wie irgendwelche Marktweiber‘. In der Streitschrift ‚Die rivalisierenden Königinnen‘ wird Händel tagsdarauf als schicksalsergebener, ratloser Augenzeuge mit folgendem Wortlaut dargestellt: ‚Ich halt dafür, man lässt sie ruhig fechten / hier gießt man Öl zur Flamme, wollt man schlichten / wenn müde, legt ihr Rasen sich von selbst.‘ (…)..“ 3)
Klaus Fischer beschäftigte sich 2019 in seinem Beitrag für den Deutschlandfunk mit „Händels Frauen“. Er berichtet: „Rund 120 Frauengestalten tauchen in Händels Werken auf, in den frühen Kantaten, in den großen italienischen Opern und auch später in den englischen Oratorien. Darüber hinaus hat der Musikdirektor und Impresario Händel natürlich mit zahlreichen Frauen zusammengearbeitet. (…)“ 4)
Und unter www.jahrederbibel.at/musikhappen/solomon heißt es: „Georg Friedrich Händel (1685-1759) hat 15 biblische Oratorien geschrieben. Erstaunlich oft schreibt er darin große Rollen für Frauen, die in der Bibel nur in Nebensätzen erwähnt werden, oder keine Namen haben. Einigen gibt er Namen, andere bleiben zwar namenlos, bekommen aber trotzdem breiten Raum im Stück.“ 5)
Händels Liebesleben
Über Händels Liebesleben und ob er überhaupt eins hatte, ist kaum etwas überliefert. Peter Uehling berichtet in rbb kultur dazu: „Vielleicht war Händels Fresssucht eine „Kompensation für Liebesmangel. Warum Händel allein blieb – das gehört ebenfalls zu den vielen Punkten, über die er sich nicht erklärt hat. (…) Händel (…) verfügte ja durchaus über Charme, eine Affäre mit einer älteren Sängerin immerhin ist überliefert. Ansonsten weiß man nichts über Händels Intimleben und also lässt sich trefflich fabulieren. Die Freundschaft zu Johann Mattheson – später verheiratet –, die Nähe zum letzten, nachweislich homosexuellen Medici-Nachfahren Gian Gastone, zu Kardinal Pamphili, der ein Faible für junge Männer hatte, das zeitweilige Zusammenleben mit jungen britischen Intellektuellen bei Lord Burlington, die enge Zusammenarbeit in einem Haus mit dem Deutschen Johann Christoph Schmidt... das alles lädt geradewegs dazu ein, Händel für schwul zu halten. Davon lässt sich nichts beweisen, sagt die Wissenschaft, (…). Aber vielleicht war Händel einfach nur übervorsichtig. Er kannte ja die zwiespältigen Reaktionen der Engländer auf die Kastraten: Hinter der Faszination lauerte der Abscheu vor der uneindeutigen Geschlechtsidentität dieser Sänger. Wie reagierte man dann erst auf Homosexualität? (…). Angesichts der Todesstrafe, die im 18. Jahrhundert auf Homosexualität stand, hätte Händel gut daran getan, eine eventuelle Liebe zu Männern so geheim zu halten, wie es nur irgend ging. (…).“ 6)
Händel und Kolonialismus
Händel „investierte bei der South Sea Company und verdiente so am Sklavenhandel.“ 7)
Händels Werke: Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten
Dazu äußert Jakob Epler im Deutschlandfunk: „Auch im Nationalsozialismus sollte Händel unter anderen Vorzeichen der Ideologie dienen. Feiertage der Nazis – wie der Heldengedenktag – gipfelten in Massenveranstaltungen. Zum Konzept gehörte natürlich auch Musik. Das Monumentale und Erhabene, das Händel zugeschrieben wird, sollte die Volksgemeinschaft zusammenschweißen. Aber die religiösen Sujets seiner Oratorien bereiteten auch den Nationalsozialisten Kopfzerbrechen. ‚Seine populärsten Werke, das waren natürlich die Oratorien, hatten das Problem aus Sicht der Nazis, dass die Texte überwiegend aus dem alten Testament kamen. Also aus ihrer Sicht von Juden handelten. Und das wurde, als der Antisemitismus sozusagen Staatsraison wurde, natürlich als unerträglicher Zustand empfunden. Und dann gab es mehrere Möglichkeiten, damit umzugehen: Man hat alle jüdischen Begriffe entweder aus den Libretti entfernt, im Prinzip das Libretto aber beibehalten. Oder aber die andere Form bestand darin, ein vollkommen neues Libretto zu schaffen, das dann an einem ganz anderen Ort oder ganz anderen Zeit spielt.‘“ 8)
Dazu gibt Jakob Epler als Beispiel das Oratorium „Judas Maccabäus“ an: „Für die nationalsozialistische Propaganda war es eigentlich perfekt, um das Verhältnis von Führer und Volk zu symbolisieren: Der Held Judas führt darin die Israeliten durch mehrere siegreiche Schlachten und in die Freiheit. Die Nationalsozialisten mussten aber die Reizworte aus dem Libretto, dem Text des Oratoriums, entfernen. Das Werk hieß nun ‚Der Feldherr‘, aus Jahve wurde ‚Gott‘ und aus den Israeliten ‚das Volk‘. Diese Bearbeitung sei keineswegs von oben angeordnet worden, sagt Musikwissenschaftler Klingenberg. Im Gegenteil: Zwar sollte auch im Nationalsozialismus Kunst und Kultur der Staatsdoktrin dienen. Aber sogar Adolf Hitler hatte in seiner sogenannten großen Kulturrede auf dem Reichsparteitag vom September 1937 wörtlich zur ‚Toleranz gegenüber den wahrhaft großen Schöpfungen der Vergangenheit‘ aufgerufen. Auch Joseph Göbbels sah das nicht anders. Dass Judas Maccabaeus also zum ‚Feldherrn‘ wurde, ist ein Zeichen für die Selbstgleichschaltung der deutschen Kulturszene.
‚Es gab also die ausdrückliche Erlaubnis, die Werke in ihrer Originalgestalt aufzuführen. Und Göbbels hat dann während des Krieges dem Druck von unten ein Stück weit nachgegeben, indem er eine Institution in seinem Ministerium gegründet hat, die Reichsstelle für Musikbearbeitungen, wo man dann nicht nur Händel, vor allem andere Komponisten bearbeitet hat, um diesem Prozess, der sowieso von unten in Form eines Wildwuchses passierte, sozusagen in geordnete Bahnen zu lenken. Ein Prozess, den er eigentlich gar nicht wollte und gar nicht ausgelöst hat.‘ Trotzdem wurde Händel ab 1940 immer seltener gespielt. Zu anstößig schienen die alttestamentarischen Stoffe auch noch nach der Bearbeitung. (…).“ 9)