Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Arnimstraße

Osdorf (1941): Achim von Arnim (26.1.1781 Berlin – 21.1.1831 Wiepersdorf, Kreis Jütebog-Luckenwalde), Dichter


Siehe auch: Bettinastieg, Reichardtstraße und Rudolphiplatz
Siehe auch: Stein-Hardenberg-Straße

Die Arnimstraße wurde in der Zeit des Nationalsozialismus benannt. Das nationalsozialistische Regime benannte gerne u. a. auch Straßen nach Personen, die zu Lebzeiten eine antisemitische Einstellung hatten. So hielt Achim von Arnim 1811 in der christlich-deutschen Tischgesellschaft die Rede „Ueber die Kennzeichen des Judenthums“, in der er sich vehement gegen die Gleichberechtigung der Juden aussprach. (Siehe dazu weiter unten).

Einschub
Die Straße heißt zwar nach dem im 18./19. Jahrhundert auf der Welt gewesenen Dichter Achim von Arnim, doch in der Zeit des Nationalsozialismus gab es noch einen weiteren Achim von Arnim, der ein Jahr vor der Benennung der Straße verstarb und zu Lebzeiten während der Zeit des Nationalsozialismus SA-Führer und Professor für Wehrwissenschaften gewesen war. Dieser Achim von Arnim wurde am 1.2.1881 in Karlsruhe geboren und starb am 24.5.1940 in Monchy-Lagache. Er entstammte demselben Familiengeschlecht der Arnims, dem auch der Dichter Achim von Arnim und die Dichterin Bettina von Arnim angehörten.

Der während der Zeit des Nationalsozialismus gelebte Achim von Arnim engagierte sich schon in den 1920er-Jahren im Stahlhelm Kampfbund, wurde 1932 Mitglied der NSDAP und der SA, avancierte zum Stabsführer der SA-Gruppe Berlin-Brandenburg, dann zum SA-Gruppenführer.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde Achim von Arnim 1933 ordentlicher Professor für Wehrwissenschaften an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg. „Von 1934 bis 1938 war er Rektor der TH Berlin. Er unterschrieb 1934 den Wahlaufruf Deutsche Wissenschaftler hinter Adolf Hitler im VB. Unter seinem Rektorat passte sich die Hochschule den Vorgaben der NSDAP an. Bis 1938 wurden ca. 25 Prozent des wissenschaftlichen Personals vertrieben, darunter insbesondere Juden und politisch Missliebige. Im Wintersemester 1938/39 leitete er auch das Seminar für SA-Führer an der Deutschen Hochschule für Politik.

Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde Arnim als Oberstleutnant z.V. mit der Führung des Infanterie-Regiments 164 der 62. Infanterie-Division betraut. Er starb bei Kampfhandlungen während des Westfeldzuges bei Monchy-Lagache. Nachträglich erhielt Arnim am 20. April 1944 mit Wirkung vom 1. Mai 1940 die Beförderung zum Oberst z.V.“ 1)

Achim von Arnim: der Dichter
In den Schriften und Reden des Dichters Ludwig Achim von Arnim finden sich antisemitische Stellen. Marie-Lyce Plaschka schreibt dazu in ihrer 2016 an der Universität München angefertigten Hausarbeit „Das antisemitische Stereotyp der ‚jüdischen Mimikry‘ in Achim von Arnims Rede ‚Ueber die Kennzeichen des Judenthums‘: „Achim von Arnims Rede Ueber die Kennzeichen des Judenthums wurde der christlich-deutschen Tischgesellschaft in einer Zeit vorgetragen, in der sich die Judenfeindschaft im Übergang von religiösem Antijudaismus über den Frühantisemitismus hin zu rassisch begründetem Antisemitismus befand. Die Romantik gilt hier als ein Zeitalter, in dem beide Formen eine große Rolle spielen, ineinander verschmelzen und verwischen.

Der Begriff des Antijudaismus wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert geprägt und geht zurück bis in die Anfänge des Christentums, die Antike und das Mittelalter. Diese religiös begründete Judenfeindschaft lehnte alle jüdischen Glaubensinhalte und ihre Praktiken ab und verachtete später auch die Juden selbst. (…)

Vom Mittelalter an beschränkte sich diese Art von Judenfeindlichkeit nicht mehr nur auf das Christentum, sondern wurde auch von vielen anderen Glaubensrichtungen übernommen und praktiziert. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich die Vorstellung, dass die Taufe ausschlaggebend für die Wahrnehmung sei und es wurde behauptet, dass ‚ein jüdischer Täufling auch nach der Taufe Jude bleibe.‘ Somit konnten sich die Juden dem Hass nicht mehr durch die christliche Taufe entziehen. Zudem wurden sie sogar für die Zerstörung der christlichen Werte verantwortlich gemacht Damit war ein entscheidender Schritt hin zum Antisemitismus getan.

In der Zeit des Frühantisemitismus, der sich ca. 1815 zwischen dem theologischen Antijudaismus und dem modernen Antisemitismus breitmachte, begannen vor allem politische Romantiker, wie auch Achim von Arnim, sich gegen die aufkeimende Emanzipation der Juden zu stellen. Als Integrationshindernis wurde hier ebenfalls der jüdische Glauben angesehen, den die Juden trotz ihrer gesellschaftlichen und kulturellen Einbürgerung praktizierten. Allerdings beriefen sich die Emanzipationsgegner nicht mehr nur auf die Religion, sondern stellten die gesamte jüdische Lebensform in Frage und benutzten bereits ‚völkisch-nationalistische und rassistische Argumente (...) um gegen die rechtliche Gleichstellung der Juden anzukämpfen.‘ Dabei orientierten sie sich weiterhin an antijüdischen Stereotypen, die sie ihrer Zeit anpassten. Im deutlichen Gegensatz zum modernen Antisemitismus vertrat der Frühantisemitismus noch ‚keine politische Bewegung und noch keine geschlossene Weltanschauung‘ (…)

Die christlich-deutsche Tischgesellschaft wurde am 18. Januar 1811, dem Krönungstag der preußischen Monarchie, von den Schriftstellern Adam Müller und Achim von Arnim, beides Vertreter der Romanik, in Berlin gegründet. Die Treffen dieser ‚Freßgesellschaft‘, wie Achim von Arnim sie auch bezeichnete, fanden alle acht bis vierzehn Tage dienstags gegen drei Uhr statt. Neben dem gemeinsamen Mahl wurden Reden gehalten, Gesetze für die Gesellschaft verhandelt sowie Mitteilungen zu Büchern, Kunst und Gesängen verlesen und besprochen. (…)

Frauen wurden in der exklusiven Mahlgemeinschaft selbstverständlich nicht geduldet. Achim von Arnim schreibt dazu: ‚Gesang ist willkommen, Frauen können nicht zugelassen werden.‘ Und auch Juden und Philister verbannte man von der Tischgesellschaft. Dabei galt, dass neu aufzunehmende Mitglieder nicht nur im christlichen Glauben getauft, sondern in christlicher Religion geboren sein mussten. Somit blieb der Eintritt ebenso getauften Juden verwehrt. (…)

Achim von Arnim hielt seine Rede Ueber die Kennzeichen des Judenthums, die als ‚schlimmste[r] antisemitische[r] Text der deutschen Romantik zugleich gelesen werden muss‘, im Frühjahr 1811 vor der christlich-deutschen Tischgesellschaft. (…).

Achim von Arnims Rede Ueber die Kennzeichen des Judenthums (…) richtete sich gegen das im März 1812 beschlossene Preußische Judenedikt der Stein-Hardenberg’sche Reformen [siehe: Stein-Hardenberg-Straße]. Es forderte die rechtliche, politische und bürgerliche Gleichberechtigung der Juden, Freizügigkeit, freie Berufswahl, Steuergerechtigkeit, Landbesitz und die Zulassung zum Militärdienst. ‚Dieses Edikt wirkte sich vor allem positiv auf die Beteiligung der Juden an der Wirtschaft aus […]‘ und ermöglichte es ihnen, politische und wirtschaftliche Mitstreiter zu werden, wodurch sie erfolgreich zu einem sozialen Aufstieg gelangten. (…). Dies löste in der deutschen Gesellschaft natürlich Angst, Eifersucht und Wut aus. Soziale Spannungen und Widerstand gegenüber den Juden waren die Folge.

Deutlich wird in Achim von Arnims Rede auch die Befürchtung der Christen, die jüdische Religion könnte – trotz des geringen Bevölkerungsanteils der Juden – Anspruch auf die Weltherrschaft erheben und Religionshochmut, Intoleranz und Hass auf die anderen Religionen entwickeln. Damit verbunden ist Arnims Angst, es könnten sich Juden in die Tischgesellschaft einschleichen und aus ihr eine Synagoge machen, in der sie ‚auerten, Christenkinder schlachteten, Hostien mit Gabel und Löffel zerstächen, öffentliche Brunnen vergifteten und dergleichen kleine Missethaten mehr verübten.‘ Deshalb forderte er, ein Gesetz für die Tischgesellschaft einzuführen, das jedes Mitglied dazu verpflichtete, über die Gemeinschaft zu wachen, ‚damit sich heimliche[n] Juden [nicht] durch Verstellung oder Wechselverhältnisse einschmuggeln könnte[n], um wieder eine Zehnzahl von ihre Leuten einzuschwärzen‘“. 2)

Felix Sassmannshausen schreibt über von Arnim in seinem Dossier zu Straßen- und Platznamen mit antisemitischen Bezügen in Berlin: „Von Arnim war einer der Mitbegründer der frühantisemitischen Deutschen Tischgesellschaft. In einer Rede, die er bei einem Treffen der Tischgesellschaft hielt, bediente von Arnim offen antisemitische Motive.“ 3) Sassmannshausen gibt für den Umgang mit diesem Straßennamen die Handlungsempfehlung: „Abschließende Recherche, Umbenennung“. 3)

Zur Vita Achim von Arnims
Ludwig Achim von Arnim wurde am 26.1.1781 als zweiter Sohn des preußischen Diplomaten und späteren Intendanten der Berliner Hofoper, Joachim Erdmann von Arnim (24.4.1741 Gerswalde – 17.1.1804 Berlin), und seiner Ehefrau Amalie Karoline, geborene von Labes (13.5.1761 Berlin – 14.2.1781 Berlin), in Berlin geboren. Er wuchs, nachdem seine Mutter drei Wochen nach seiner Geburt gestorben war, gemeinsam mit seinem älteren Bruder bei seiner Großmutter Caroline Marie Elisabeth, Baronin von Labes (27.7.1730 Berlin -10.3.1810), in Zernikow und Berlin auf. Der Frauenpolitische Rat des Landes Brandenburg hat dieser Frau einen „Frauenort“ gewidmet, und zwar in Zernikow in der Zernikower Straße 43, wo sich das Fredersdorffsche Erbbegräbnis befindet. Der Text zu diesem Frauenort lautet: „Caroline von Labes wird am 27. Juli 1730 in Berlin als Tochter des Kaufmanns und Bankiers G. A. Daum geboren. Mit 23 Jahren heiratet sie den engen Vertrauten Königs Friedrich II., den Geheimen Kämmerer Michael Gabriel Fredersdorff (1708-1758). In den nur vier Jahren ihrer glücklichen Ehe lebt sie auf Gut Zernikow, das Fredersdorff von Friedrich II. im Jahr 1740 geschenkt bekam. Nach einer zweiten Ehe, die wegen ‚schlechter Begegnung‘ auf Antrag von Caroline nach drei Monaten geschieden wird, ehelicht sie 1760 den Geheimen Stiftsrat zu Quedlinburg, Hans von Labes. Aus dieser Ehe gehen zwei Kinder hervor: Tochter Amalie wird 1761 geboren, zwei Jahre später Sohn Hans. 1777 heiratet die Tochter Erdmann von Arnim (1741 - 1804) und schenkt zwei Söhnen das Leben: Carl Otto (*1779) und Carl Joachim (*1780), der große Dichter der Romantik, der als Achim von Arnim bekannt ist. Aufgrund des frühen Todes der Tochter 1780 übernimmt Caroline von Labes die Erziehung der Enkelsöhne, fördert ihre Begabungen und unterstützt sie finanziell. Sie wohnen in Berlin und Zernikow. Als Tochter eines Bankiers ist Caroline von Labes immer bemüht, das Vermögen erfolgreich und mit Strenge zu verwalten. Über sich selbst schreibt sie: ‚Ich liebe allen nützlichen Aufwand, so zu einem anständigen Leben und nach einem ansehnlichen Vermögen gehöret, … dagegen ich alle unnütze Verschwendung hasse‘ Dennoch bedient sie die soziale wie auch die wirtschaftliche Seite stets in gleicher Weise. So lässt sie 1777 das ehemalige ‚Seidenhaus‘ in Zernikow in ein Hospital für Arme, Alte und Arbeitsunfähige umwidmen. Im gleichen Jahr wird auch die Kirche in Zernikow umgebaut und das Fredersdorffsche Erbbegräbnis errichtet, in dem ihre beiden Ehemänner, ihre Tochter Amalie, deren Sohn Carl Otto und sie selbst ihre letzte Ruhe finden Caroline stirbt am 10. März 1810. Testamentarisch legt sie fest, dass auch nach ihrem Tod für den Unterhalt der Kirche und des Hospitals gesorgt wird. Caroline von Labes hat das Gut Zernikow mit harter Hand geführt und trotz ihrer Strenge mit einer besonderen Leidenschaft und Güte Zernikow zu dem gemacht, was es heute noch ist: Ein schönes und erfolgreich gewachsenes Dorf im Norden Brandenburgs.“ 4)

Nach dem Besuch des Gymnasiums in Berlin begann Achim von Arnim 1798 ein Jurastudium in Halle, zugleich betrieb er mathematische und physikalische Studien. 1800 wechselte er zur Universität Göttingen und studierte Mathematik. Zugleich erblühten im Kreise seiner zur Romantik zählenden Freunde seine literarischen Neigungen und erstarkten ab 1801, dem Jahr der ersten Begegnung mit Goethe (siehe: Goetheallee, Goethestraße) und dem Beginn der Freundschaft mit Clemens Brentano (siehe: Brentanostraße).

1802 lernte er Bettine Brentano (siehe: Bettinastieg), die jüngere Schwester seines Freundes, kennen. Es entwickelte sich eine Freundschaft zwischen den beiden, die, nachdem andere Versuche beider, einen Liebes- und Ehepartner zu finden, gescheitert waren, 1811 zur Heirat führte.

1801 bis 1804 reiste Achim von Arnim mit seinem Bruder durch Europa, eine seinerzeit für adelige junge Männer übliche Bildungsreise, Frauen waren davon ausgeschlossen. Achim von Arnim ließ sich dann in Berlin nieder. Ab 1804 sammelte er mit Clemens Brentano Volkslieder, die die beiden ergänzten, umdichteten, veränderten und mit eigenen Gedichten erweiterten. Die Sammlung gaben sie als dreibändiges Werk „Des Knaben Wunderhorn“ von 1805 bis 1808 heraus. Mit dieser Sammlung wird noch heute der Name von Achim von Arnim verbunden, während er zahlreiche andere Werke veröffentlichte, die heute vergessen sind: Gedichte, Prosa und politische Artikel, die zum Teil die Gesellschaftsordnung umwerfende Vorschläge enthielten. Er ist neben seinem Freund und Schwager Clemens Brentano einer der großen Köpfe unter den romantischen Dichtern. Eine politische Karriere blieb ihm versagt.

Das Ehepaar Bettine und Achim von Arnim bekam sieben Kinder: Freimund 1812, Siegmund 1813, Friedmund 1815, Kühnemund 1817, Maximiliane 1818, Armgart 1821 und Gisela 1827. Die Familie lebte in Berlin und auf dem ca. 80 Kilometer entfernten Gut Wiepersdorf, das nebst Ländereien von Achim von Arnim selbst bewirtschaftet wurde. Das von Bettine ererbte Vermögen reichte für den Lebensunterhalt der Familie nicht aus. Sie war deshalb auch auf die Erträge des Gutes angewiesen. So zog sich Achim von Arnim ganz auf das Gut zurück und lebte nur noch zeitweilig bei seiner Familie in Berlin oder war auf Reisen. Bettine von Arnim blieb mit den Kindern in Berlin und war im Wesentlichen alleine für deren Erziehung zuständig. Bedingt durch die räumliche Trennung schrieben sich Bettine und Achim von Arnim Briefe; 541 sind erhalten und veröffentlicht. Sie geben Einblick in das Eheleben, in Entfernung und Nähe, Erziehungsprobleme, tägliche Schwierigkeiten und die enge innere Verbindung der beiden. Achim von Arnim verstarb in Wiepersdorf am 21. Januar 1831 an einem Gehirnschlag. Dort ist er auch begraben.

Text zu dem Dichter Achim von Arnim: Dr. Beate Backhaus