Lengerckestieg
Wandsbek (1962): Peter von Lengercke (18.8.1788 Hamburg - 8.1.1848 Wandsbek), Kattundruckereibesitzer
Siehe auch: Lengerckestraße
Siehe auch: Moojerstraße
Siehe auch: Alardusstraße
Siehe auch: Schimmelmannstraße
Siehe auch: Wandsbeker Königstraße
Vorher war diese Straße ein Teil der Dietrichstraße.
Die Kattundruckerei von Lengercke war die größte ihrer Art in Wandsbek. 1780 ließ Cornelius Peter von Lengercke (7.10.1750 Hamburg - 14.9.1822 Wandsbek), der Vater von Peter von Lengercke, in Wandsbek östlich des Mühlenteiches eine Kattunfabrik und -druckerei errichten. Die dazu notwendigen Bleichen, um die bedruckten Kattunstücke zu trocknen, befanden sich nördlich und südlich davon und der Fluss Wandse bot sauberes Wasser.
Um dies alles einzurichten und zu finanzieren, hatte Cornelius Peter von Lengercke bei Heinrich Carl von Schimmelmann (siehe: Schimmelmannstraße) angefragt, dem damals das Gut Wandsbek gehörte. Dieser gab die Erlaubnis gegen Zahlung einer jährlichen Summe zwei Grundstücke am Mühlenteich zu nutzen und die Kattunfabrik und -druckerei in Wandsbek zu errichten. Außerdem erhielt von Lengercke ein großes Darlehen von Schimmelmann, um sein Vorhaben zu realisieren. (Siehe zum Thema Ansiedelung von Kattundruckereien in Wandsbek auch unter: Moojerstraße.)
Das Geschäft mit dem Kattundruck florierte im 18. Jahrhundert so sehr, „dass [Lengercke] innerhalb von fünfzehn Jahren das Darlehen zurückzahlen sowie weitere Bleichen und Grundstücke erwerben konnte.“ 1) Es gab zwar Konkurrenz durch weitere Kattundruckereien in Wandsbek (siehe: Moojerstraße), doch Lengercke blieb mit seiner Fabrik das größte Unternehmen auf diesem Gebiet.
„Bis zur Kontinentalsperre 1806 florierten die insgesamt fünf Kattunmanufakturen in Wandsbek. Über den Hamburger Hafen vertrieben sie ihre Waren in zahlreiche Länder Europas“, 2) heißt es in Wikipedia. Und hier kommt Schimmelmann (siehe : Schimmelmannstraße) ins Spiel. Dazu schreibt Astrid Louven: „In Wandsbek wurde westindische Baumwolle zu Kattunstoffen verarbeitet bzw. bedruckt. Die Druckplatten für den Kattundruck stellte man ebenfalls in Wandsbek her. (…) Die meisten der in Europa hergestellten Waren gelangten auf Schiffen der Königlich-Ostseeischen-Guineischen Handelsgesellschaft, an denen Schimmelmann als Großaktionär beteiligt war, nach Afrika. Dort verwendete man sie, um Sklaven einzukaufen und das Rekrutierungspersonal – Weiße wie Schwarze – zu entlohnen.
1750 betrug der ‚Marktwert‘ eines männlichen Sklaven 96 Reichstaler, 30 Jahre später waren es bereits 160 Reichstaler. Dafür bekam der Sklavenhändler folgenden Gegenwert an Waren: 5 Flinten, 80 Pfund Pulver, 1 Anker Branntwein (38 Liter), 1 Stück Kattun zu 24 Ellen, diverse Textilwaren, diverse Stangen Metall. (…)
Auf den westindischen Inseln angekommen, verteilte man die Afrikaner auf die Besitzungen. Schimmelmann besaß Plantagen auf den Inseln St. Croix, St. Jan und St. Thomas. Dort brannte man den Sklaven das Zeichen BvS (Baron von Schimmelmann) in die Haut. Auf seinen Plantagen arbeiteten bis zu 1.000 Menschen. (…). Die Plantagen-Produkte, darunter auch Baumwolle, kamen zur Weiterverarbeitung nach Europa. Damit schloss sich der Kreis, denn das Handelsschiff kehrte in den Hafen zurück, den es vor Monaten mit Kattun und Gewehren in Richtung Afrika verlassen hatte.“ 3)
Und Hannimari Jokinen schreibt zu dem oben beschriebenen transatlantischen Dreieckshandel, an dem auch die Kattundruckereibesitzer wie Moojer und von Lengercke durch die Verschiffung ihrer Produkte nach Afrika beteiligt waren und davon profitierten: „Das ‚System Schimmelmann' beruhte auf dem transatlantischen Dreieckshandel zwischen Wandsbek/Schleswig-Holstein/Kopenhagen, der Küste Guineas (heute Togo, Benin, Ghana und das westliche Nigeria) und den karibischen/westindischen Jungferninseln St. Croix, St. Thomas und St. Jan (John). Baumwolltuch, Schnaps und Waffen verschiffte er von Wandsbek und Dänemark nach Guinea. Dort wurden in seinen Küstenforts die Waren gegen gefangen genommene AfrikanerInnen getauscht, die dann per Schiff über den Atlantik zu seinen Sklavenplantagen auf den Jungferninseln gebracht wurden. Von dort kamen Baumwolle, Zucker, Rum, Tabak, Indigo u.a. Kolonialwaren nach Wandsbek, (…). Das Wirtschaftsimperium Schimmelmanns in Dänemark bestand aus der größten Zuckerraffinerie des Nordens in Kopenhagen, einer Gewehrfabrik in Hellebaek, einer Brauerei und vier Kattunfabriken in Wandsbek.“ 4)
Peter Cornelius Lengercke, der seit 1787 mit Dorothea Cornelia Dreyer (gest. 1852) verheiratet war und mit ihr vier Kinder hatte (geboren: 1788, 1789, 1796 und 1798), erlebte nach der Hamburger Franzosenzeit einen Rückgang seiner Geschäfte, „insbesondere aufgrund englischer Konkurrenz, (…). Von Lengerkes Unternehmen überstand die Zeit als einziges Unternehmen seiner Art. Er baute das Unternehmen, (…) bis ans Lebensende neu auf. Sein ältester Sohn Peter von Lengerke erbte es nach dem Tod des Vaters 1822.“ 5) Dieser konnte den Umsatz noch „erhöhen und beschäftigte 400 bis 500“ 6) Mitarbeitende. Diese übernahmen das Bleichen (meist Frauenarbeit), Färben, Drucken und Zeichnen.
Gerade in den Kattundruckereien arbeiteten viele Frauen und auch Mädchen ab dem 10. Lebensjahr. Diese Schilderinnen bzw., Schildermädchen malten die blaue Farbe (Indigo) mit Pinseln in die vorgezeichneten Muster ein, denn besonders der Indigo konnte nicht mit den Druckplatten aufgetragen werden. Diese Tätigkeit – wie überhaupt die Arbeit von Manufakturarbeiterinnen im 18. Jahrhundert – wurde nur sehr gering bezahlt, der Lohn lag weitaus unter dem, was ein ungelernter Arbeiter bekam. So ist es nicht verwunderlich, dass diese Arbeitskräfte trotz täglich bis zu 12-stündiger Arbeit zur Armutsschicht gehörten. Auch Kinderarbeit war üblich, besonders die von Waisenkindern.
Konnten diese Arbeitskräfte mit ihrem geringen Verdienst kaum ihr Existenzminimum abdecken, so konnten sie sich im Krankheitsfall oft selbst nicht mehr versorgen, da der geringe Lohn ausblieb. 7)
An eine Erhöhung des Lohnes, damit sich die Arbeiterinnen und Arbeiter auch im Krankheitsfall selbst ernähren und Medizin sowie Arztkosten selbst bezahlen konnten, wurde von Seiten der Unternehmer nicht gedacht, bzw. wurde von ihnen aus ökonomischen Gründen nicht in Betracht gezogen. Stattdessen riefen sie lieber wohltätige Stiftungen und Unternehmungen ins Leben, wie z. B. der Kattundruckereibesitzer Peter von Lengercke jun., der für arme kranke Menschen, die zu Hause keine Pflege erhielten, das erste Wandsbeker Krankenhaus stiftete. Die Grundsteinlegung des Hauses, in dem rund zwei Dutzend Patientinnen und Patienten Platz fanden und das sich dort befand, wo heute das Gebäude des Staatsarchives steht, fand 1833 statt. 8)
Mit solchen und anderen Aktionen wie z. B. mit der durch Peter Lengercke jun. und Joseph Morewood (siehe: Morewoodstraße) sowie anderen Wandsbekern 1820 gegründeten „Ersparniß Casse“ (siehe dazu unter Morewoodstraße) blieben sie als Wohltäter und Mäzene im Gedächtnis der Stadt.
„Peter von Lengerke starb Anfang 1848 kinderlos. Die Fabrik übernahm Johann Peter Berger (1811–1877), der in erster Ehe von Lengerkes Schwester Dorothea Cornelia Wilhelmine (* 1789) geheiratet hatte. Die Regierung von Schleswig stimmte am 6. Januar 1848 einer Umfirmierung in ‚Berger von Lengercke‘ zu. (…).“ 9) 1856 wurde das Fabrikgebäude durch ein Feuer vernichtet und danach nicht wieder aufgebaut.