Rilkeweg
Groß Flottbek (1950): Rainer Maria Rilke (4.12.1875 Prag – 29.12.1926 Valmont), Dichter.
Siehe auch: Modersohnstraße
Siehe auch: Königskinderweg
Siehe auch: Vogelerstraße
Vor 1928 hieß die Straße Hebbelstraße. Dann wurde sie umbenannt in Wilhelm-Raabe-Straße. Bereits in der NS-Zeit sollte die Straße im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes in Rilkeweg umbenannt werden, da nun das bisherige Staatsgebiet Hamburg um benachbarte preußische Landkreise und kreisfreie Städte erweitert worden und es dadurch zu Doppelungen bei Straßennamen gekommen war. Bedingt durch den Krieg kam es nicht mehr zu dieser Umbenennung und es blieb bis 1950 bei Wilhelm-Raabe-Weg . (vgl.: Staatsarchiv Hamburg 133-1 II, 26819/38 Geschäftsakten betr. Straßennamen B. Die große Umbenennung hamb. Straßen 1938-1946. Ergebnisse der Umbenennung in amtlichen Listen der alten und neuen Straßennamen vom Dez. 1938 und Dez. 1946). Nach Wilhelm Raabe wurde 1931 in Fuhlsbüttel eine Verkehrsfläche benannt.

Rainer Maria Rilke kam zu früh zur Welt und blieb zeitlebens kränklich. „Sein Vater, Josef Rilke (1838-1906), wird nach einer gescheiterten Militärlaufbahn Beamter in einer Prager Eisenbahngesellschaft. Seine Mutter, Sophie Entz (1851-1931), entstammt einer Familie der besseren Prager Gesellschaft (…). Die Ehe von Rilkes Eltern gilt als nicht sehr glücklich; der Vater ist unzufrieden und herrisch und die vom Leben enttäuschte Mutter flüchtet sich in ihre Religiosität. Diese Religiosität wird auch dem kleinen Sohn nahegebracht, der in seinen ersten Lebensjahren sehr isoliert aufwächst und zudem wie ein Mädchen erzogen und gekleidet wird. (…)“ 1)
Über Rilkes Mutter schreibt Ursula Krechel in ihrem Beitrag „Die bisher unveröffentlichten Briefe Rainer Maria Rilkes an seine Mutter, an Eva Cassirer und Hertha Koenig“ in der Wochenzeitschrift die ZEIT: „Von Rilkes Mutter war bisher einiges bekannt, das nicht übermäßig viel Sympathie weckt. Sophia Entz, die sich in der Ehe Phia Rilke nannte, entstammte einer Prager Fabrikantenfamilie. Sie wächst in einem der Familie gehörenden Barockpalais in der Herrengasse auf und heiratet 1873 den schmuck aussehenden Josef Rilke, der eine Militärkarriere anstrebt, es aber nicht bis zur Offizierslaufbahn bringt und den Dienst quittiert. Die gesellschaftlichen Wunschträume der Mutter, die der Sohn nahtlos übernimmt, kann der Vater nicht erfüllen, seine Qualität als Herzensbrecher hat keine Strahlkraft in die Zukunft des Kindes hinein. Phia Rilke rezitiert beim Staubwischen Gedichte von Friedrich Schiller und bringt ihrem Sohn schon als Volksschulkind Französisch bei. Als Rilke acht Jahre alt ist, trennt sich das Paar, die Erziehung des Sohnes liegt fortan in den Händen der Mutter. Sie weiß sich keinen anderen Rat, als den Zehnjährigen in die Kadettenanstalt St. Pölten zu geben. Fortan gibt es keinen gemeinsamen Haushalt mehr zwischen Mutter und Sohn, aber idealisierte Erinnerungen." 2) Daraus folgert Ursula Krechel: "So sind von Anfang an die Weichen gestellt. Der Sohn sucht den Schutz, die Nähe starker, sozial überlegener Frauen, Gönnerinnen, denen er nicht übermäßig nahe kommen muss, kommen darf. (…). Die Mutter schafft es, dass der Sohn sich stets schuldig fühlt. Oder beschuldigt der Sohn die Mutter, ihm Schuldgefühle einzuimpfen? ‚…man muß sich auch ein bißchen auf das Verbundensein verlassen dürfen, das nicht durch Briefe belegt und unterhalten ist. (…). Phia Rilke hat ihren berühmten Sohn um fast fünf Jahre überlebt, sie starb in Weimar, umsorgt von ihrer Enkelin Ruth. Nein, es entsteht in diesen Briefen nicht ‚das Bild eines warmherzig liebenden Sohnes, der sich aufrichtig um ihr Wohlergehen sorgt‘ (…)." 3)
Rilkes Frauenfreund- und liebschaften
Frauen säumten Rilkes Lebensweg – und dies wurde und wird von vielen Autorinnen und Autoren ausführlich analysiert: Eine sehr frühe Liebesaffäre hatte Rilke mit der um ein Jahr älteren Nichte des tschechischen Dichters Julius Zeyer. Eine weitere mit Valerie von David-Rhonfeld (1874-1947). „Rilke begegnete ihr, als er sich auf das Abitur vorbereitete und zugleich kontinuierlicher als bis dahin Erzählungen und Gedichte zu schreiben begann. Viele der in Leben und Lieder veröffentlichten Gedichte sind aus der Begegnung mit Valerie hervorgegangen. (…)
Valerie war es, die den Druck des ersten Gedichtbandes finanzierte. Dazu verkaufte sie ihre geerbten Ohrringe und gab ihr gesamtes Taschengeld her.
Rilke und Valarie planten eine gemeinsame Zukunft. Doch „in der Nacht zu seinem neunzehnten Geburtstag am 4. Dezember 1894 verfaßt er eine lange Lebensbeichte für Vally, die all die Grundthemen seiner späteren Lebenslegende schon aufruft:
Du kennst die lichtarme Geschichte meiner Kindheit....Du weißt, wie ich einen großen Teil des Tages einer gewissensarmen und sittenlosen Dienstmagd überlassen war, und daß diejenige Frau, deren erste und nächstliegende Sorge ich hätte sein sollen, mich nur liebte, wo es galt, mich in einem neuen Kleidchen vor ein paar staunenden Bekannten vorzuführen.
Bild und Realität vermischen sich, aus Verbindung wird Verstrickung. (...)
Er kann nur aus der Distanz lieben. (…)
Im Sommer 1895 besteht Rilke das Abitur, er schließt ein Lebenskapitel ab, zu dem auch Valerie gehört. René Rilke trennt sich von Valerie. (…).“ 4)
Und dann kam ein Frühlingsabend im Mai 1897. Rilke war zum Abendessen bei Jakob Wassermann eigeladen, wo er neben der Schriftstellerin und Afrika-Forscherin Frieda von Bülow (1857-1909) auch Lou Andreas-Salomé (12.2.1861 St. Petersburg -5.2.1937 Göttingen) kennenlernte. Sie war mit dem Orientalisten Friedrich Carl Andreas verheiratet und: „hat sich nicht nur als Nietzsche-Biographin und Verfasserin autobiographischer Schriften einen Namen gemacht, sondern auch aufgrund ihrer unkonventionellen Lebensweise. Mit der fast 15 Jahre älteren Frau verlebt der 21jährige Rilke im Sommer 1897 leidenschaftliche Wochen im Wolfratshausener Lutzhäuschen. (…). Sie ist es auch, die ihn in die Münchner Kunst- und Kulturwelt einführt, ihn mit Nietzsche vertraut macht und ihm rät, seinen Vornamen von dem weiblich klingenden ‚René‘ in den wesentlich männlicher anmutenden Namen ‚Rainer‘ zu ändern.“ 5)

Rilke und Lou Andreas-Salomé führten bis zum Jahr 1900 eine intensive Beziehung, blieben danach aber freundlich verbunden. „Dabei werden ihre psychoanalytischen Kenntnisse und Erfahrungen, die sie sich 1912/13 bei Sigmund Freud angeeignet hatte, eine erhebliche Rolle gespielt haben. Freud berichtet, ‚daß sie dem großen, im Leben ziemlich hilflosen Dichter Rainer Maria Rilke zugleich Muse und sorgsame Mutter gewesen war‘ (Sigmund Freuds Gedenkworte zum Tode Lou Andreas-Salomés, 1937). Rilke folgte Lou Andreas-Salomé im Herbst 1897 nach Berlin und bezog eine Wohnung in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft. (…)“ 6)
Lou Andreas-Salomé, geboren in einer wohlhabenden russisch-deutschen Familie, studierte ab 1880 an der Züricher Universität Geschichte, Metaphysik, Logik, Religionswissenschaften und Archäologie. In dieser Zeit lernte sie Nietzsche kennen, der sich in sie verliebte. Doch sie erwiderte die Liebe nicht.
1886 lernte sie in Berlin ihren zukünftigen Ehemann, den 15 Jahre älteren Orientalisten Friedrich Carl Andreas kennen. Er unternahm alles, selbst einen Selbsttötungsversuch vor ihren Augen, um sie zu einer Heirat zu bewegen. Schließlich willigte sie 1887 ein, allerdings unter der Bedingung, niemals mit ihm sexuell intim werden zu müssen. Sexuell lebte sie sich mit anderen Männern aus, worauf der Ehemann eifersüchtig reagierte. In Wikipedia heißt es über Lou Andreas-Salomés Eheleben: Ihr „Leben bestand aus einer konventionellen, bürgerlichen Hälfte mit Ehemann, hausfraulicher Pflichterfüllung und geistiger Arbeit – und einem anderen Bereich, in dem sie weder Pflichten noch engere Bindungen akzeptierte und mit gelegentlichen, inoffiziellen Liebhabern unterwegs war. Gleichzeitig warf sie ihrem Mann anfangs dessen Beziehung zu ihrer Haushälterin Marie vor. Doch kümmerte auch sie sich um das Kind aus dieser Verbindung, nachdem die Mutter früh gestorben war, und setzte es später als Haupterbin ein. Auf lange Sicht erwies sich die schwierige, widersprüchliche Ehe als unerwartet haltbar. Seit Friedrich Carl Andreas im Frühjahr 1903 auf den Lehrstuhl für Westasiatische Sprachen an der Universität Göttingen berufen worden war, lebte das Paar dort im eigenen Haus (…) – er mit der Haushälterin im Erdgeschoss, sie im Stockwerk darüber. (…).“7)
Weil Sigmund Freud ihr geraten hatte, den Beruf der Psychoanalytikerin auszuüben, eröffnete Lou von Salomé 1915 „in ihrem Göttinger Wohnhaus die erste psychoanalytische Praxis der Stadt. (…) Lou Andreas-Salomé war zunehmend schwächlicher geworden, war herz- und zuckerkrank und musste mehrmals im Krankenhaus behandelt werden. Als sie 1930 wegen einer Fußoperation im Krankenhaus lag, besuchte ihr Ehemann sie 6 Wochen lang täglich, eine beschwerliche Situation für den alten, ebenfalls kranken Mann. Nach einer vierzigjährigen Ehe mit gegenseitigen Kränkungen und lang andauernder Sprachlosigkeit waren die beiden sich nähergekommen. (…). Doch bereits im gleichen Jahr starb Friedrich Carl Andreas an einem Krebsleiden. Lou Andreas-Salomé musste sich 1935 einer schweren Krebsoperation unterziehen. Zuvor hatte sie ihren letzten Patienten abgegeben. Am Abend des 5. Februar 1937 starb sie im Schlaf. (…)“ 8)

Zurück zu Rilke. Nachdem sich Lou Andreas-Salomé im Herbst 1900 von Rilke getrennt hatte, ging Rilke für eine längere Zeit nach Worpswede zu Heinrich Vogeler (siehe: Vogelerstraße). Hier lernte er die Bildhauerin Clara Wüsthoff kennen (21.11.1878 Bremen – 9.3.1954 Fischerhude). Ein Jahr später, im Jahr 1901, heiratete die beiden. Ende des Jahres 1901 wurde die gemeinsame Tochter Ruth (1901-1972) geboren., Doch das Eheleben währte nicht lange, „denn die Eheleute verzichten zugunsten ihrer künstlerischen Ambitionen bald auf ein gemeinsames Familienleben. Dennoch bleiben sie zeitlebens Freunde, leben zeitweise wieder zusammen und unternehmen noch mehrere gemeinsame Reisen. Nach 1911 wird zwar der Kontakt zwischen den Eheleuten immer mehr nachlassen, zu einer Scheidung kommt es jedoch nicht.“ 9)
Marina Bohlmann-Modersohn beschreibt in ihrer Clara Rilke-Westhoff Biografie das Eheleben und die Trennung nicht so rosig. Acht Monate nach der Geburt der Tochter verließ Rilke Mutter und Kind: „‚weil er seine Familie nicht ernähren konnte‘, und ging nach Paris. Clara Westhoff-Rilke blieb die Aufgabe, ihren Haushalt in Westerwede aufzulösen und die schwerere Aufgabe, ihre Tochter zu ihren Eltern zu geben, ihre Tochter aufzugeben. (...) Während Rilke faselte wie immer: ‚Hoch und aufgerichtet gingen Deine Worte auf mich zu, ich sah Dir mit Staunen zu und mit Freude: dieses Haus abzubrechen, war keine leichte Arbeit, und wie hast Du sie energisch und jung getan.‘ Clara Westhoff-Rilke brauchte Jahre, um das Trauma ihrer Heirat und ihrer Trennung zu überwinden, Jahre um ihr Gleichgewicht zurückzugewinnen, Jahre um genügend finanzielle Stabilität zu erreichen, dass sie ihre Tochter zu sich nehmen konnte. Es gelang ihr, als diese elf Jahre alt war. Aber finanzielle Sorgen belasteten ihr künstlerisches Schaffen ihr ganzes Leben hindurch. (...) Sie jagte Aufträgen nach, wurde immer wieder bei Stipendienanträgen abgelehnt, machte Portraits, um Geld zu verdienen, bekam keine öffentlichen Aufträge, hatte keine Ausstellungen, mühte sich ab, ihre Existenz und die ihrer Tochter zu sichern, bis sie keine Kraft mehr hatte für innovative Arbeiten. Aber obwohl die psychische Verwundung sicher ihre Kreativität und Produktivität beeinträchtigte, wurde ihr die frühe Trennung von Rilke auch zur Rettung: Sie ging als Künstlerin nicht unter, sie arbeitete ihr Leben lang als Bildhauerin, später im Leben auch als Malerin, (…). Dass sie immer von Aufträgen abhängig blieb, wirkte sich auch einschränkend auf ihre Kunst aus: sie war praktisch fest an die Portraitbildhauerei gebunden. Aber wenigstens arbeitete sie, als unabhängige Künstlerin, auf einem Gebiet, das als männliche Domäne galt. (...) Die kurze Ehezeit mit Rilke genügte, um die Künstlerin hinter ‚Frau Rilke‘ ein Leben lang zu verdecken. (…) Erst zu Westhoffs 60. Geburtstag fand die erste Einzelausstellung statt (…).“ 10)

Aber auch heute noch heißt das Café, welches sich im ehemaligen Wohnhaus von Clara Westhoff in der Bredenau in Fischerhude befindet und wo Rilke nie gelebt hat, „Rilke Café“ – Clara Westhoff kommt im Cafénamen nicht vor.
Und wie ging es mit Rilke weiter? Immer wenn es für ihn schwierig wurde, wandte er sich an die mütterliche Freundin, die Schriftstellerin und Reformpädagogin Ellen Key (11.12.1849 Sundsholm/Schweden – 25.4.1926 Ödenbög/Schweden). Aber auch bei Clara Westhoff holte er sich immer mal wieder Rat.
Clara Westhoff und Rilke waren seit ca. 1903 räumlich getrennt, was Rilke völlig ok fand – wie er seiner Mutter schrieb: „Du musst Dir auch keine Sorgen machen, dass unsere Ehe mich in größere Sorgen gestürzt hätte als ich vorher hatte; das war freilich der Fall solange wir die Last eines Haushaltes auf uns hatten; jetzt aber ist das vorbei und jeder von uns lebt für sich, von dem was er hat, ganz ohne gemeinsame Verpflichtungen. So kommt also auf jeden nur sein Teil, was er auch haben müsste, wenn er allein als Junggeselle lebte.“ 11)
Beide brauchten für ihre Arbeit die Stille, Einsamkeit, aber auch Aufträge, um finanziell überleben zu können und Rilke benötigte darüber hinaus wegen seiner angeschlagenen Gesundheit auch immer wieder Ruhepausen und Tapetenwechsel. Hier erwiesen sich oft gütige ältere Damen als Retterinnen in der Not, so wie zum Beispiel Alice Faehndrich, geb. Baronin von Nordeck zur Rabenau, die ein Haus auf Capri besaß, wohin sie Rilke Ende 1906 einlud, dort den Winter zu verbringen.
Kritik an Rilkes nicht gerade verantwortungsvollem Handeln gegenüber seiner Ehefrau und dem gemeinsamen Kind übte Lou Andreas-Salomé, die sich mit Clara Westhoff gut verstand. „(…) Unverhohlen macht sie ihr [Clara] deutlich, dass er nicht das Recht habe, zwischen verschiedenen Pflichten zu wählen und die nächstliegende, nämlich die Sorge um seine Familie, zu vernachlässigen. In mehrfachen Briefen an ihren Mann erzählt Clara Rilke ihm von ihren Gesprächen mit Lou Andreas-Salomé. (…) Rilke zieht seine Konsequenz und unterbricht die Verbindung zu Lou für nahezu zwei Jahren." 12)
Die Pflicht, die Rilke als Erzeuger und Vater seinem Kind gegenüber hatte, diese Pflicht scheint Rilke nicht gekannt zu haben.
1906 „lernte Rilke Sidonie Nádhernà von Borutin [1.12.1885 Vrchotovy Janovice/Österreich-Ungarn – 30.9.1950 Harefield/London] kennen, mit der er eine erotisch desinteressierte, aber von Eifersucht nicht ungetrübte literarische Freundschaft und einen ausgedehnten Briefwechsel bis zu seinem Tod führte (…).“ 13)

Ihre literarische Bedeutung bekam Sidonie Nádherná durch „ihre Freundschaft zum Dichter Rainer Maria Rilke,(…), und die Freundschaft, dann Liebe zum Schriftsteller Karl Kraus. Sie lernte Kraus am 8. September 1913 im Wiener Café Imperial kennen, der sich in sie verliebte. Mit Kraus verband sie bis zu dessen Tod eine konfliktreiche, aber lange und intensive Beziehung. Kraus hätte diese wohl gern legalisiert, aber Rilke hintertrieb mit dem Hinweis auf einen ‚unaustilgbaren Unterschied‘ (gemeint war offensichtlich Kraus’ jüdische Herkunft) perfide eine Heirat.
Bevor sich Rilke einem neuen Liebesabenteuer zuwandte, kam es zur endgültigen Trennung zwischen ihm und Clara Westhoff. Sie wollte die Scheidung, doch dazu hätten sehr hohe bürokratische Hürden überwunden werden müssen – wegen der unterschiedlichen Nationalität und religiösen Konfession – und es wären ebenso hohe Kosten auf sie zugekommen. Deshalb blieb es bei der Trennung und Rilke verpflichtete sich, seiner Tochter Ruth monatlich die achtzig Kronen zukommen zu lassen, die er regelmäßig von seiner Mutter bekam. 14)

Zwischen 1914 und 1916 pflegte Rilke eine Liebesbeziehung mit der Malerin Lou Albert-Lasard (10.11.1885 Metz – 21.7.1969 Paris). Sie „wurde (…) als Kind einer jüdischen Bankiersfamilie geboren. Von 1908 bis 1914 studierte sie bildende Kunst (…). 1909 heiratete sie gegen elterlichen Willen den 26 Jahre älteren Augsburger Chemiker und Erfinder Eugen Albert (1856–1929) Aus dieser Ehe stammt die Tochter Ingo de Croux-Albert (1911–1997). Die Ehe bestand nur noch auf dem Papier, als Lou Albert-Lasard 1914 eine Liebesaffäre mit dem Dichter Rainer Maria Rilke (1875–1926) begann, mit dem sie bis 1916 in Wien und München zusammenlebte. (…) Nach einem zweijährigen Aufenthalt in der Schweiz schloss sie sich der avantgardistischen Künstlervereinigung Novembergruppe in Berlin an. Ihre Werke aus jener Zeit bestanden hauptsächlich aus gezeichneten und radierten Portraits ihrer Freunde. 1928 ließ sie sich in Paris nieder und wurde Teil der Künstlergemeinschaft im Viertel Montparnasse. (…) Lou Albert-Lasard war mit ihrer Tochter oft auf Reisen in Nordafrika, Indien, Tibet und anderen Ländern. Zeichnungen und Aquarelle, die sie von diesen Reisen mitbrachte, wurden 1939 ausgestellt. Als Deutschland den Westfeldzug begann, wurden Lou Albert-Lasard und ihre Tochter im Mai 1940 von den Franzosen im Lager Gurs interniert. Im August - die Wehrmacht hatte Frankreich inzwischen besiegt - wurden beide wieder entlassen und kehrten nach Paris zurück. Während ihrer Zeit in Gurs schuf sie Zeichnungen und Aquarelle, die Portraits ihrer Mitgefangenen und Szenen aus dem Lagerleben zeigen. In den 1950er Jahren ging sie mit ihrer Tochter, meist im Wohnwagen, auf Reisen, (…),“ 15) heißt es in Wikipedia
Rilke trennte sich auch von dieser Frau, als sie ihm lästig wurde und erbat dafür Hilfe von seiner „mütterlichen“ Freundin Fürstin Taxis. Diese antwortete ihm „ungehalten, ‚jeder Mensch ist einsam, und muss es bleiben (…) muß die Hilfe nicht in anderen suchen (…) was brauchen Sie immerfort dumme Gänse (…). Es kommt mir vor, (…) dass der selige Don Juan ein Waisenknabe neben Ihnen war.‘“ 16)
1918 zog Clara Westhoff mit ihrer Tochter nach Fischerhude, wo sie bis zu ihrem Lebensende lebte.
Rilke starb im Sanatorium von Valmont sur Territet in der Nähe des Genfer Sees an Leukämie. Als Clara Westhoff von seiner schweren Erkrankung erfuhr, fuhr sie am 20. Dezember 1926 zu ihm in die Schweiz. Doch weder sie noch andere wollte Rilke sehen; er wollte niemandem seinen erbärmlichen Anblick zumuten. Rilke starb am 29. Dezember 1926.