Siegrunweg
Rissen, seit 1960. Siegrun, Gestalt aus der Nibelungensage
Siehe auch: Brunhildstraße
Siehe auch: Kriemhildstraße
Siehe auch: Uteweg
Siehe auch: Alberichstieg
Siehe auch: Gernotstraße
Siehe auch: Hildebrandtwiete
Siehe auch: Rüdigerau
Siehe auch: Siegfriedstraße
Siehe auch: Volkerweg
Schreibweise in der Nibelungensage: Sigrun.
Sigrun ist eine Walküre. Walküren sind laut Barbara Walker: „Nordische Totenengel, die über den Schlachtfeldern schwebten und die Seelen tapferer Krieger nach Walhalla in den Himmel des Odin brachten – so will es zumindest die klassische Überlieferung. Zunächst scheinen die Walküren allerdings Amazonen-Priesterinnen gewesen zu sein, die über die Pforten des Todes herrschten und in ihren ursprünglichsten Ausprägungen sogar die Toten aßen, um ihnen die Wiedergeburt schenken zu können.
Die Walküren waren das nordische Gegenstück der Geier-Priesterinnen ägyptischer Begräbnisrituale, die oft mit Geierfedern geschmückt waren. (…) Bei den alten Sachsen fraßen die Walküren (…) die Leichen; im elften Jahrhundert n. Chr. wurden sie als ‚männerfressende Frauen‘ bezeichnet. (…)
In alten Balladen werden die Walküren durch Schwäne, Raben, Krähen oder Falken dargestellt. (…)
Die Grimnismal nennt genau 13 Walküren, die Zahl des Hexensabbats, anderen Quellen zufolge gab es nur neun Walküren – die Zahl der Musen. Vom 10. bis zum 14. Jahrhundert wurden Walküren und Hexen für identisch gehalten, (…).“ 1)
Sigrun, die Walküre und Tochter des Königs Högni, konnte sowohl in der Luft als auch auf der Erde und auf der See reiten. Als sie hörte, dass ihr Vater sie – ohne ihre Zustimmung und auch ohne ihr Wissen, mit Hödbrod, Sohn des Königs Grammar, der noch mehr Söhne hatte, verlobt hatte, „ritt sie mit Walküren Luft und Wasser und suchte den Helgi. [Sohn des Sigmunds, den Sigrun bereits kannte, ihr zu helfen, R. B.]. Helgi verweilte am Feuergebirge, wo er mit den Söhnen Hundings gekämpft, (…) hatte. Müde von der Schlacht saß er am Aarstein. Da traf ihn Sigrun, fiel ihm um den Hals und bekannte ihm unter Küssen ihre Wünsche, (…). So bekannte sie kühn, den Sohn des Sigmund von ganzer Seele schon vor der Begegnung zu ihrem Gatten begehrt zu haben. (…)
Nun sammelte Helgi ein großes Schiffsheer und segelte nach Frekastein. Auf dem Meere aber ereilte sie ein verderbendrohender Sturm. Blitze zuckten über ihnen, und Wetterstrahlen schlugen in die Schiffe. In der Luft sahen sie neun Walküren reiten und erkannten Sigrun. Der Sturm legte sich, und sie erreichten unversehrt das Land. Während die Schiffe dem Ufer zusegelten, saßen die Granmarsöhne auf einem Hügel. (…)
Die Granmarsöhne sammelten Mannschaft. Viele Könige kamen, unter ihnen der Vater Sigruns, Högni, und dessen Söhne Bragi und Dag. Es gab eine große Schlacht. Die Söhne Granmars und ihre Haupthelden fielen sämtlich bis auf Dag. [und auch Sigruns Vater Högni wurde in dieser Schlacht getötet, R. B.] Dag wurde verschont (…). [Er leistete den Wölsungen, wozu Helgi gehörte, Gehorsam und Gefolgschaft, R. B.]
Sigrun ging auf die Walstatt und fand da den Hödbrod im Sterben. Sie sagte: ‚Nicht du wirst Sigrun vom Sevagebirge Als Gattin umhalsen, o König Hödbrod. Die Zeit deines Lebens ist abgelaufen. (…)‘. Da begegnete ihr Helgi und war hoch erfreut. Er sprach: ‚O Weissagemaid, das Unerwünschte Vorher zu schaun, war auch dir nicht beschieden; Doch schieb' ich die Schuld auf die Schicksalsschwestern. Von meiner Hand ist Bragi und Högni am Frekastein in der Frühe gefallen, Nicht minder bei Styrkleif der König Starkad, Und am Leeberg liegt der Recke Rollaug. (…) Die meisten der Deinen decken die Erde; Verwandelt in Leichen sind deine Geliebten. Doch dir war unabwendbar die Waffenentscheidung. Am wehvollen Wettstreit werbender Fürsten schuldig zu werden, beschied dir dein Schicksal.‘ Da weinte Sigrun; er aber sagte: ‚Beruhige dich. Erregerin wardst du des heißen Kampfes (…); Doch der unwiderstehlichen Vorbestimmung sich fügen zu müssen, ist Fürstenlos.‘ Sigrun: ‚Gern zurück ins Leben rief ich die Leichen, Wenn ich dann auch dürfte in deinem Arm ruhn.‘
Helgi führte Sigrun heim und hatte Söhne von ihr. Aber er wurde nicht alt. Dag, der Sohn Högnis, brachte dem Odin Opfer für Vaterrache, [damit brach Dag seinen Eid, den Wölsungen Gefolgschaft zu leisten, denn er wollte den Tod seines Vaters Högni, der von Helgi im Kampf getötet worden war, rächen, R. B.] und Odin lieh ihm seinen Speer. Er traf seinen Schwager Helgi im sogenannten Fesselwalde und durchbohrte ihn da mit dem Spieß. So fiel Helgi. Dag ritt nach Sevaberg und brachte Sigrun die Nachricht. Dag: ‚Betrübt, o Schwester, meld' ich dir Trauer. Mich trieb die Pflicht, dir Tränen zu wecken. Gefallen ist heut im Fesselwalde der trefflichste Held, den die Erde getragen, der Fürst, von welchem gar viele Krieger die Ferse des Fußes im Nacken gefühlt.‘ Sigrun: ‚Zerfräßen als Schwären dich alle die Schwüre, Die du dem Helgi heilig geschworen. Beim lauteren Wasser der leuchtenden Blitze, beim vom Froste zu Stein erstarrten Sturzbach! Unter dir schaudernd stehe das Schiff still, Ob auch noch so erwünscht der Wind dir wehe. Regungslos halte das Roß, das du reitest, Dich vor verfolgendem Feinde zu retten; Stumpf sei der Stahl des Schwerts, das du schwingest, Scharf – dir den Schädel umklirrende Klinge. Wärst du ein Wolf doch draußen im Walde, aller anderen Ätzung und Lust bar als Luder zu fressen, bis dir der Leib platzt – Dann wäre gerächt dein ruchloser Mord.‘ Dag: ‚Schwindlig vor Wut, o Schwester, bist du, solch Fluchgeschick zu erflehen dem Bruder. Alles Unheil verursachte Odin, der uns Runen gestreut zum Geschwisterstreite. (…). Nimm so für dich selbst als für deine Söhne zur Sühnung an mein halbes Besitztum.‘ Sigrun: ‚Der Seligkeit bar in Sewaberg sitz' ich. Und verlebe genußlos Nächte, Tage, bis aus dem Hügel des Heldenkönigs ein Klirren erklingt und hierher auf dem Hengste, (…) mein Helgi reitet, daß ich ihn umhalse. (…)
Ein Hügel ward aufgebaut über Helgi. Als dieser nach Walhall kam, bot Odin ihm an, in allem sein Mitberater zu sein. [das bedeutete: „die Herrschaft mit ihm zu teilen. Odin war der Urahn von Helgi und über Sigi, Rerir. Wölsung und seinem Vater mit Helgi verwandt, was möglicherweise dieses ungewöhnliche Angebot erklärt.“ 3)
Gegen Abend sah eine Magd Sigruns, als sie am Hügel Helgis vorüberging, dass Helgi mit vielen Mannen zum Grabmal geritten kam. „Da sagte sie: ‚Ist's nichts als Blendwerk, was ich erblicke? Ist der jüngste Tag da? Reiten die Toten? (…)‘ Helgi: ‚Nicht Blendwerk ist es, was du erblickest. Noch wankt die Welt nicht; doch wirklich siehst du uns spornen die Rosse mit spitzen Sporen. Ja, Helden erhalten zur Heimkehr Urlaub.‘ Da ging die Magd nach Hause und sprach zu Sigrun: ‚Säume nicht, Sigrun vom Sewaberge, Wenn's dich verlangt nach dem Ländergebieter. Die Tür steht auf zum Totenhügel, Angekommen ist König Helgi. (…).‘ Sigrun ging in den Grabhügel zu Helgi und rief: ‚(…). Ich küsse dich, mein entseelter König, (…). Helgi, dein Haar ist voll schwarzen Schweißes, mit Todestau bist du ganz umgossen; eiskalte Hände hat Högnis Eidam! Wie erlös' ich dich, Liebster, aus diesem Leide?‘ Helgi: ‚Du selbst, o Sigrun vom Sewaberge, bist schuld, daß Harmtau den Helgi umrieselt, denn du, (…), Du mit goldnem Geschmeide so reich Geschmückte, du weinst stets bitterlich, eh' du zu Bett gehst: Der verletzten Brust das Blut entlockend träufelst du Jammer mit jeder Träne und scharfe Betrübnis ob deiner Trauer In mein eisig erstarrtes, stockendes Herz. Doch vom Wunderweine Walhalls trink' ich. Drum, ob ich auch Land und Leben verloren, ob auch tief und weit die Todeswunde In der Brust mir klafft: – ich will nicht beklagt sein. Mir ward ja der Malberg zum Ehegemache, Und ich Toter küsse die Königstochter.‘
Sigrun bereitete ein Bett im Grabhügel. Sigrun: ‚Hier, o Helgi, erhabener Wülfing, bereit' ich das Lager zum Leidvergessen. Als ob er noch lebe, von meines Geliebten Armen umschlungen will ich da schlafen.‘ Helgi: ‚Nun dürfen wir nichts mehr undenkbar nennen, was aus alter Zeit und von ferner Zukunft vom Sewagebirge gesagt, offenbart ist, da im Totenhügel die Tochter Högnis, die geborene Fürstin, warm und lebendig In den Armen schläft des erschlagenen Gatten. Abgelaufen ist nun mein Urlaub. Nun muß ich reiten morgenrote Vogelpfade auf fahlem Pferde (…) bevor der Hahn im Einherierhofe den Kriegern Walhalls den Weckruf krähte.‘
Helgi ritt mit seiner Schar von hinnen, und die Frauen gingen heim. Am nächsten Abend ließ Sigrun die Magd am Grabmal Wache halten. Als um die Tagesneige auch Sigrun am Malberg eintrat, sagte jene: ‚Wenn der Sigmundsohn aus den Sälen Odins zu kommen gedächte, wär' er schon da. Laß fahren den Wahn; er kehrt nicht wieder, auf dem Aste der Esche rastet der Adler, Und Ermüdung treibt die Menschen nach Traumheim. Drum sei nicht so tollkühn, Fürstentochter, Dich allein zu wagen ins Larvenspukhaus; denn gefährlicher stets in finsterer Nacht sind als am lichten Tage die Totengespenster.‘
Trauer und Sehnsucht machten dem Leben Sigruns bald ein Ende. In der Vorzeit bestand der Glaube, daß Menschen wiedergeboren würden; doch nennt man das jetzt Altweiberwahn. Von Helgi und Sigrun ging die Sage, daß sie wiedergeboren seien, er als Helgi der Haddingenfürst, sie als Kara, Halfdans Tochter, die auch Walküre gewesen, wie das im Karaliede erzählt wird.“ 2)
Hätte Sigrun sich dem Willen ihres Vaters gebeugt und sich mit einem ungeliebten Mann zwangsverheiraten lassen, dann hätte es keinen Kampf gegeben, in dem so viele Männer getötet wurden. Ist das die Moral von der Geschicht‘?