Kriemhildstraße
Rissen, seit 1933, Gestalt aus dem Nibelungenlied, anonymes Heldenepos um 1200 Kriemhild
Siehe auch: Brunhildstraße.
Siehe auch: Alberichstieg, Rissen seit 1951. Gestalt aus der Nibelungensage.
Siehe auch: Gernotstraße, Rissen, seit 1949: Gernot, Gestalt aus der Nibelungensage.
Siehe auch: Hildebrandtwiete, Rissen, seit 1951: Gestalt aus den Nibelungenlied.
Siehe auch: Mimeweg, Rissen, seit 1951: Mime der weise Schmied im Nibelungenlied.
Siehe auch: Rüdigerau, Rissen seit 1949: Sagenmotiv aus der Nibelungensage.
Siehe auch: Siegfriedstraße, Rissen, seit 1933: Gestalt aus dem Nibelungenlied.
Siehe auch: Tronjeweg, Rissen, seit 1985: Hagen von Tronje, Gestalt aus der Gudrun- und Nibelungensage.
Siehe auch: Volkerweg, Rissen, seit 1949: Volker von Alzey aus der Nibelungensage.
Siehe auch: Uteweg, Rissen, seit 1951: Gestalt aus der Nibelungensage
Benannt in der NS-Zeit. Das Nibelungenlied wurde von den Nationalsozialisten vereinnahmt. Zu Kriemhild heißt es in diesem Zusammenhang bei Hans Müller in dessen Abhandlung „Der Burgunderuntergang im Nibelungenlied. Zeittypische Deutungen von 1918 bis 1945“, in der er sich auch mit den Nibelungenfestspielen in Worms von 1937 bis 1939 beschäftigt: „Die Vereinnahmung dieser Nibelungenfestspiele, der Aufführungen der Hebbelschen [siehe: Hebbelstraße] Nibelungentrilogie, durch die Nationalsozialisten wird besonders deutlich in den jeweiligen Festbeilagen bzw. Programmheften.
Natürlich wurde das Nibelungenlied überschwenglich gewürdigt als ‚die größte Dichtung aus den Frühzeiten der Völker Europas, zugleich die früheste dichterische Kunde von germanischer Größe und germanischem Heldentum‘, ‚kraftvoll verkörpert in der Gestalt Hagens‘, eine Dichtung, ‚die sich zum Volkstum und zum Ideal männlichen Rittertums‘ bekannte, dieses ‚Drama kämpferischer Gemeinschaft und unverbrüchlicher Gefolgschaftstreue‘ ‚mit seinen kampffrohen Gesängen, seiner Verherrlichung der Schicksalsgemeinschaft.‘ - Neu ist im Widerspruch zu Hebbel die Abwertung ‚undeutscher biblischer Stoffe‘, des ‚volksfremden Christentums‘, gegen das das ‚heimatverwurzelte germanische Heidentum erbittert rang.‘
Eindeutig ist die Schuldige an der Katastrophe gefunden: es ist Kriemhild. ‚So wird auch das Nibelungenlied zum Sinnbild kämpferischer Gemeinschaft, die zerbrechen muss, wenn ein einzelner – in diesem Falle Kriemhild – die Urzelle aller Gemeinschaft, die Sippe, zerstört.‘
1937 und noch deutlicher 1939 unmittelbar vor Ausbruch des 2. Weltkrieges wird im Programmheft Hitler gehuldigt, wenn es am Ende eines Artikels heißt: ‘Im Nibelungenlied geht ein Volk zugrunde, weil ihm der Führer fehlt, der die widerstrebenden Gewalten unter das eiserne Gesetz der Gemeinschaft zwang, wie es in unseren Tagen Adolf Hitler tat, als er das deutsche Volk zu nie geahnter Größe und Macht emporführte.‘
Das Geleitwort des Wormser Oberbürgermeisters Bartholomäus im Programmheft von 1939 bedarf keines Kommentars. Er schrieb: ‘Was in Jahrtausenden aufgewachsen war und wieder zerbrechen musste, hat der Führer neu zusammengefügt im Großdeutschen Reich, das sich anschickt, der Nibelungen Not in das Glück des ganzen Volkes zu wenden. So ist das Wormser Festspiel über alle Spiele anderer Städte hinausgehoben durch die Bodengebundenheit seines Geschehens und durch die Eingliederung vergangenen Schicksals in das gegenwärtige Erleben, das alle Herzen und Hände der Verwirklichung des neuen Reiches zuwendet.‘“1)
In der Nibelungensage ist Kriemhild die Schwester von Gunther, dem König von Burgund, und mit dem Helden Siegfried (siehe: Siegfriedstraße) verheiratet, der noch dazu der Hüter eines sagenhaften Schatzes ist, des „Nibelungenhortes“. Nach der Ermordung von Siegfried, auf Betreiben von Hagen und Kriemhilds Bruder Gunther, versenkt Hagen den Nibelungenhort im Rhein. Die Witwe Kriemhild sinnt auf Rache. Nach ihrer erneuten Eheschließung, diesmal mit dem Hunnenkönig Etzel /Attila lädt sie ihre Brüder ein. Doch das Wiedersehen mit Kriegsgefolge endet in einem Gemetzel. Kriemhild enthauptet Hagen nach seiner Weigerung, das Versteck des Hortes preiszugeben, ehe sie dann von Hildebrand (siehe: Hildebrandtwiete), dem Waffenmeister von Dietrich von Bern, umgebracht wird.
Zur Rolle der Frau „als Mittelpunkt von Hof und Gesellschaft“ in der Zeit, in der das Nibelungenlied spielt, schreiben Hansmartin Schwarzmaier und Brigitte Herrbach-Schmidt u. a.: „Die Welt der fürstlichen Frau und vor allem der Gemahlin des mittelalterlichen Königs ist von einem merkwürdigen Gegensatz der Pflichten bestimmt. Sie war ihrem Mann schon von Kindheit an verlobt und wurde ihm zum frühestmöglichen Zeitpunkt zugeführt und mit ihm vermählt. Schon mit 14 oder 15 Jahren, (…) sollte sie Kinder gebären, und so erfahren wir immer wieder von Früh- und Totgeburten in den ersten Jahren einer königlichen Ehe. Überstand sie diesen Stress der frühen Schwangerschaften, so kamen viele Kinder nach. (…) Gebären war die dynastische Aufgabe jeder fürstlichen Dame und vollzog sich ohne jegliche Rücksicht auf Leib und Leben auch der Königin.
Die Königin war zugleich consors regni, Teilhaberin des Reichs, Begleiterin des Königs auf seinen Reisen und Kriegszügen, Repräsentantin des Reichs und Trägerin der Krone bei allen Hochfesten, anwesend bei Reichs- und Hoftagen, Mittelpunkt des Hofes, dem sie Glanz verlieh (…). Dass sie den König in Staatssachen beriet, zeigen die ‚Interventionen‘ der Königin in seinen Urkunden, also die Angaben darüber, dass sich die Königin als Mittelsperson für einen Bittsteller beim König einsetzte. Überlebte sie den König, so übernahm sie die Vormundschaft für den unmündigen künftigen König, also die Regierung des Reichs.“2)
Die Königinnen und Kaiserinnen verfügten in ihrer Witwenschaft über eigenen Besitz, so über ihre Morgengabe, „die ihr der Ehemann für den Fall der Witwenschaft überschrieben hatte. Kriemhild war in diesem Sinn hoch privilegiert, denn ihre Morgengabe war der Nibelungenhort, den sie freizügig einsetzte, um Freunde zu gewinnen und mit deren Hilfe ihre Feinde zu bestrafen.“ 3)
Über die rechtliche Stellung der adligen Frauen heißt es bei Hansmartin Schwarzmeier und Brigitte Herrbach-Schmidt: „Solange sie unvermählt war, stand sie unter der Munt (Vormundschaft) des Vaters, nach seinem Tode der Brüder wie im Falle Kriemhilds, die ihr eine recht privilegierte Rechtsposition einräumten, ihr sogar die Teilhabe am Königtum zubilligten. Nach der Verheiratung trat die Frau in den Rechtsbereich des Mannes ein, war jedoch im bezug auf ihren Eigenbesitz voll handlungsfähig. Dies blieb sie, wenn der Mann vor ihr starb, ehe ihre Söhne mündig waren. (…) Als Witwe war sie Treuhänderin ihrer Kinder, und ihre ferneren Schicksale hingen ab von den Regelungen, die diese trafen. Dass eine Frau Urkunden ausstellt, ein Siegel führt, Verwaltungsgeschäfte leitet, ist Teil dieser Rechtsstellung, die freilich auch unter dem Zwang der realen politischen und dynastischen Verhältnisse in das Gegenteil umschlagen konnte, nämlich die völlige Entrechtung und Verarmung einer vornehmen Dame, deren Leben dann meist im Kloster endetet. Das Ende der Königin Ute [siehe: Uteweg] im ‚Nibelungenlied‘ zeigt diesen Rückzug in die Einsamkeit des Witwenstandes.“ 4)
Text: Birgit Kiupel