Yorkstraße
Tonndorf (vor 1951): Graf Ludwig York von Wartenburg (26.9.1759 Potsdam – 4.10.1830 Klein Öls bei Breslau), Feldmarschall
In Wikipedia heißt es u. a. über Graf Ludwig York von Wartenburg, er war „ein preußischer Generalfeldmarschall, der in Napoleons Russlandfeldzug 1812 das preußische Hilfskorps anführte. Ohne Ermächtigung König Friedrich Wilhelm III. unterzeichnete er am 30. Dezember 1812 mit dem russischen Feldmarschall Hans Karl von Diebitsch die Konvention von Tauroggen. Am 5. Februar 1813 rief er die versammelten Stände in Königsberg zum Volksaufstand gegen Napoleon auf und leitete damit die Befreiungskriege ein. [Zum Thema Befreiungskriege, siehe unter: Schillstraße] (…). Sein berühmtester Nachfahre war der Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus Peter Graf Yorck von Wartenburg.
Johann David Ludwig von Yorck wurde 1759 als uneheliches Kind des preußischen Offiziers David Jonathan von Yorck (* 7. Juli 1721 in Rowe) und der Potsdamer Handwerkerstochter Maria Sophia Pflug geboren; seine Eltern heirateten 1763, als Yorck vier Jahre alt war. Der Vater (…) war später Kapitän und Kompaniechef im Grenadierbataillon Klingspor in Ostpreußen, (…) wurde in (..) Schlachten (…) schwer verwundet und 1783 nach 43-jähriger Dienstzeit invalidisiert 1)
Schon im Alter von 13 Jahren begann Ludwig York von Wartenburg seine militärische Laufbahn.
In Wikipedia heißt es weiter: „1780 musste er die Armee infolge einer Verurteilung zu einjähriger Festungshaft wegen Insubordination [Ungehorsam gegenüber dem Vorgesetzten, R. B.] verlassen. Er hatte gegenüber seinem Vorgesetzten, Stabskapitän Raurath, der im Verdacht der Bereicherung während des vorangegangenen Bayerischen Erbfolgekrieges stand, öffentlich Verachtung gezeigt. Raurath hatte während einer Parade von einer Altardecke geredet, die er aus den Plündereien des Krieges mitgebracht hatte; diese bezeichnete Yorck als gestohlen. Nach der Haftentlassung (…) verweigerte ihm König Friedrich der Große die Wiedereinstellung in die Armee.“ 2)
Als Graf Ludwig York von Wartenburg 1792 zum Major ernannt wurde, heiratete er die Kaufmannstochter Johanna Henriette Seidel (26.9.1768 Namslau – 17.7.1827). Das Paar bekam drei Kinder.
Graf Ludwig York von Wartenburgs militärische Karriere schritt voran. Er wurde Oberst, wurde später in Königsberg zum Generalmajor ernannt, dann Kommandant von Memel und Oberbefehlshaber der dortigen Truppen.
In Folge der durch die Niederlage gegen Frankreich notwendigen Neuorganisation des Staates und des Preußischen Heeres wurde er 1811 Generalgouverneur in West- und später auch in Ostpreußen.
Die „Yorck-Tat“: York von Wartenburg widerspricht und widersetzt sich dem König
Marcus C. Funck schreibt in seiner Dissertation über den Adel im preußisch-deutschen Offizierskorps 1860-1935, dass das „Dienstverständnis (…) auch den Gedanken [beinhaltete], daß der Offizier, um seinem Fürsten wirklichen Dienst zu leisten, imstande sein muß, den bürokratischen Befehlsgang zu mißachten, vorgesetzten Stellen, ja sogar dem obersten Kriegsherrn selbst zu widersprechen. Die ideale Ausformung dieser selbständigen Dienstauffassung bildet die sogenannte ‚Yorck-Tat‘, die bis in die 1920er Jahre immer als vorbildhaftes Handeln eines adligen Offiziers gegen den Herrscherwillen repetiert wurde – selbst wenn sie in entsprechenden Notsituationen keine Nachahmer fand.“3)
Die „Yorck-Tat“ bezieht sich auf die Tat von Tauroggen.
Was war geschehen? 1812 führte Yorck „das preußische Hilfskorps im russischen Feldzug Napoleons. Ohne Ermächtigung des preußischen Königs schloss er am 30. 12. 1812 die Konvention von Tauroggen mit dem russischen General I. I. von Diebitsch. In der Ständeversammlung am 5. 2. 1813 in Königsberg rief er Ostpreußen zur Erhebung gegen Napoleon auf und gab damit das Zeichen zu den Befreiungskriegen. Die Neutralitätserklärung General Ludwig Yorcks von Wartenburg am 30. 12. 1812 für die ihm unterstehenden preußischen Truppen bedeutet das Ausscheiden Preußens aus der erzwungenen Allianz mit dem napoleonischen Frankreich. Yorck handelte ohne jede Rücksprache mit seinem König Friedrich Wilhelm III.,(…),“ 4) ist unter: www.wissen.de/lexikon/yorck-von-wartenburg-ludwig-graf nachzulesen.
Dazu in Wikipedia: „Yorck hatte damit seinen Kopf riskiert; aber er und seine Umgebung, wie auch die russische Seite, hatten die Lage zutreffend beurteilt. Die Nachricht des Waffenstillstands zwischen Preußen und Russland löste, beginnend in Ostpreußen, eine offen ausbrechende Erhebung gegen die französische Herrschaft in Norddeutschland aus. Yorck selbst hat im Haus der ostpreußischen Generallandschaftsdirektion durch einen Aufruf die eigenverantwortliche Aufstellung der Landwehr in Königsberg durch die ostpreußischen Stände durchgesetzt. Der König konnte sich schon im Februar der Entwicklung nicht mehr entziehen. Später prüfte eine Kommission die Konvention und sprach Yorck von allen Vorwürfen der Eigenmächtigkeit frei. (…)“ 5)
Markus Funck äußert über solche oben geschilderten Verhaltensweisen: „Gerade die preußische Militärgeschichte ist voll von prominenten adligen Befehlsverweigerern, Deserteuren oder auch einfach nur kauzigen Querulanten. In Anekdoten wird die Erinnerung an die Eigenmächtigkeiten eines Seydlitz, Marwitz oder Yorck wachgehalten, getreu der Maxime des Prinzen Friedrich Karl v. Preußen, daß ein preußischer Offizier wissen müsse, wann er nicht zu gehorchen habe. Auch im 19. Jahrhundert hat es diesen Ungehorsam nicht nur als Ideal, sondern auch in der militärischen Praxis gegeben. Der gealterte General v. Wrangel [siehe: Wrangelstraße], den der Kronprinz Friedrich als ‚half foolish‘ charakterisierte und dessen Kaltstellung er forcierte, besetzte mit seinen Truppen 1864 eigenmächtig Jütland und schuf damit erhebliche diplomatische Probleme, die Kommandierenden Generale v. Steinmetz und Vogel v. Falckenstein widersetzten sich 1870 sehr zum Leidwesen der düpierten Generalstabsoffiziere nicht nur den Befehlen Moltkes [siehe: Moltkestraße], sondern auch denen ihres Oberbefehlshabers Prinz Friedrich Karl v. Preußen. Selbst für die wilhelminische (Friedens-) Zeit sind einige Anekdoten überliefert, welche die Widerspenstigkeit einzelner hoher militärischer Führer von adliger Herkunft gegenüber dem obersten Kriegsherrn zum Wohle des Ganzen zum Ausdruck bringen sollen. Tatsächlich hat die preußische Armee, basierend auf dem von Gneisenau [siehe: Gneisenaustraße] entwickelten Konzept der selbständigen Führung, ein in Europa einzigartiges Modell der ‚Schlachtfeldfreiheit‘ entwickelt, das gängigen Vorstellungen von der Generalität als willenlosem Werkzeug des obersten Kriegsherrn widerspricht.“6)
„Im dann beginnenden Freiheitskrieg gegen Frankreich kämpfte Yorck unter Wittgenstein in den Schlachten von Großgörschen und Bautzen. Der Schlesischen Armee, unter Blücher, zugeteilt, entschied er die Schlacht an der Katzbach und erkämpfte am 3. Oktober 1813 gegen Bertrand in der Schlacht bei Wartenburg den strategisch entscheidenden Elbübergang Blüchers. Ebenso blieb Yorck siegreich bei Möckern in der anschließenden Völkerschlacht bei Leipzig. Nach der Schlacht drängte er die Franzosen am 20. Oktober über die Unstrut. Am 1. Januar 1814 ging Yorck als General der Infanterie bei Kaub über den Rhein und konnte am 11. Februar ein russisches Korps bei Montmirail vor dem Untergang retten. Bei Laon führte am 9. März sein Angriff zum Sieg. Seine letzte Schlacht war die um Paris am 30. März. Am 31. März erhielt er das Großkreuz des Eisernen Kreuzes.
Im März 1814 erhob der König Yorck mit dem Namenszusatz ‚von Wartenburg‘ in den Grafenstand und dotierte ihn mit der ehemaligen Malteserkommende Klein Öls. Nach der Rückkehr Napoleons von Elba erhielt Yorck das Kommando über das 5. Korps, das sich als Reserve an der Elbe sammeln sollte. Da Yorck dies als Zurücksetzung ansah, bat er um seinen Abschied, der ihm erst nach dem Frieden und nach mehrmaliger Wiederholung 1815 gewährt wurde.
Am 5. Mai 1821 wurde er zum Generalfeldmarschall ernannt. Am 4. Oktober 1830 starb Yorck auf seinem vom König verliehenen Gut Klein Öls im Landkreis Ohlau bei Breslau“7), heißt es in Wikipedia.
Befreiungskriege und entsprechende Straßennamen
Über Straßennamen, die nach Militärs benannt sind, die in den Befreiungskriegen gekämpft haben, schreibt die Straßennamenkommission Saarbrücken der Landeshauptstadt Saarbrücken in ihrem Abschlussbericht vom Mai 2021: „Als Befreiungskriege werden die Kriege gegen die napoleonische Vorherrschaft zwischen 1813 und 1815 bezeichnet. Napoleon wurde in der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 geschlagen. Endgültig entmachtet wurde er in der Schlacht bei Waterloo und mit seiner Verbannung auf die Insel St. Helena. Nach Peter Brandt waren diese Kriege ‚einer der wichtigsten Bezugspunkte nationaler Identifikation und Traditionsbildung und boten zahllosen identitätsstiftenden Legenden und Mythen Stoff.‘
In der deutschen Geschichtsschreibung wurden diese Kriege mythologisiert und im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert in vielen Städten Straßen nach Generälen bzw. Militärs dieser Kriege benannt. Ebenso Straßen nach Generälen im Zuge der Bildung eines deutschen Territorialstaates im 19. Jahrhundert. (…) Welches Leid diese Kriege (..) für die Menschen (…) mit sich brachten, wurde dabei ausgeblendet. (…).
Starke Unterstützung für Preußen war dann erkennbar, wenn Preußens Politik auf einen deutschen Nationalstaat zielte. Wenn aber preußische Partikularinteressen verfolgt wurden, zeigte sich eine klare Distanz der bürgerlichen Oberschichten.(…) Das ambivalente Verhältnis zu Preußen ändert sich mit der Kanzlerschaft Otto von Bismarcks [siehe: Bismarckstraße]. Zunächst verschärfte zwar der Verfassungskonflikt die Distanz zu Preußen, aber mit dem Sieg Preußens über Österreich in der Schlacht bei Königgrätz am 3. Juli 1866 trat Preußens entscheidende Rolle für die nationale Einheit in den Mittelpunkt. Abschluss dieser Entwicklung bildete der deutsch-französische Krieg von 1870/71, (…). Die preußisch-deutschen Siegesfeiern, die alljährlich wiederholten Rituale des Heldengedenkens, die pathetischen Treueschwüre zeigten, dass der Hurra-Patriotismus nach 1871 zur dominierenden Gemütslage geworden war. (…). Es begann eine Verpreußung, In diesem Kontext standen zahlreiche nach Militärs des 19. Jahrhunderts benannte Straßen. (…)
Die Befreiungskriege stellten bis weit ins 20. Jahrhundert aus konservativer Sicht eine Kriegslegitimation dar, bürgerliche Kreise stellten das liberal–nationale Engagement der Bildungsbürgerschaft heraus und die marxistisch-leninistische Geschichtsschreibung die Rolle der Volksmassen. Eine Entzauberung erfolgte vor allem durch Hans-Ulrich Wehler und Barbara Vogel ab den 1980er Jahren. Ein Blick auf die Geschichte etwa von Schill [siehe: Schillstraße] zeigt die Unmenschlichkeit der Auseinandersetzung auf beiden Seiten.
Es ist naheliegend, dass das Weltbild und Wertesystem der Militärs des 19. Jahrhunderts bei weitem nicht dem unseren von heute entspricht. Dies ist angesichts der Zeitläufe banal und kann nicht maßgeblich für eine Umbenennung sein.
Einige der Geehrten waren noch nicht einmal tapfere Soldaten, sondern haben andere sterben lassen.
Besteht aber eine Verhältnismäßigkeit zwischen den aus einer Umbenennung diesen
Ausmaßes entstehenden Belastungen für die Bürger*innen, die dort wohnen, und den Argumenten für eine Umbenennung. Eine Beibehaltung geht davon aus, sich zu seiner Geschichte zu bekennen und die Straßennamen als Quelle für den Nationalismus und Hurra-Patriotismus des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zu bewahren, sie sind Quellen der Geschichte unserer Erinnerungskultur. Sie erinnern uns an die Gesellschaft des Kaiserreichs, die insbesondere von Adligen und Militärs dominiert wurde.“ 8)