Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Welckerstraße

Neustadt (1848): Karl Theodor Welcker (29.3.1790 Ober-Ofleiden bei Homberg – 10.3.1869 Neuenheim), Professor der Rechte, badischer Bundestagsgesandter, Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung.


Siehe auch: Hoffmann-von-Fallersleben-Straße

Am 5. Oktober 1841 fand vor dem Hotel Streit am Jungfernstieg (später hier ein Kino und Geschäftshaus Streit’s Haus) eine Premiere der besonderen Art statt. Anlässlich des Hamburg Besuches des liberalen badischen Politikers Karl Theodor Welcker und ihm zu Ehren sangen Mitglieder der Hamburger Liedertafel und der Hamburger Turnerschaft von 1816 unter der Begleitung einer Kapelle des Hamburger Bürgermilitärs auf dem Bürgersteig vor dem Streit’s Hotel, in dem Welcker nächtigte, erstmals öffentlich das Deutschlandlied.

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (siehe: Hoffmann-von-Fallersleben-Straße) hatte es während seines Aufenthaltes auf Helgoland geschrieben. Als Hoffmann von Fallerlebens Verleger Julius Campe (siehe: Julius-Campe-Weg) ihn dort besuchte, kaufte dieser ihm am 28. August 1841 das Lied für 4 Louis d’Or ab. Eine Woche später brachte Campe das „Lied der Deutschen“, so wie es damals hieß, heraus. Die erste Strophe drückte die Sehnsucht der Zeit aus nach einem geeinten Deutschland, jenseits fürstlicher Interessen, das sich im Gegensatz zum Heiligen Römischen Reich gegen Frankreich zur Wehr setzen könne.
Bis das Lied Nationalhymne wurde, dauerte es aber noch. Das Königshaus lehnte das Lied als zu republikanisch ab. Erst 1922 - in der Weimarer Zeit – bestimmte der damalige sozialdemokratische Reichspräsident Friedrich Ebert (siehe: Friedrich-Ebert-Damm) das Lied mit allen seinen drei Strophen zur Nationalhymne. Während der NS-Zeit bestand die Nationalhymne dann nur noch aus der ersten Strophe des Deutschlandliedes verbunden mit dem darauffolgenden Horst-Wessel-Lied, der Parteihymne der Nationalsozialisten.

Nach 1945 kam es zu einer Diskussion über die weitere Verwendung des Deutschlandliedes als Nationalhymne. 1952 entschieden Bundespräsident Theodor Heuß (siehe: Theodor-Heuß-Platz) und Bundeskanzler Konrad Adenauer (siehe: Adenauerallee), das Lied bleibt Nationalhymne, es wird aber fortan bei offiziellen Anlässen nur noch die 3. Strophe gesungen. Nach der Wiedervereinigung 1991 kam es erneut zu einer Diskussion über die Nationalhymne. Bundespräsident Richard von Weizsäcker und Bundeskanzler Helmut Kohl erklärten nun die dritte Strophe zur Nationalhymne des vereinten Deutschlands.

Aber zurück zu Theodor Welcker. Er war der Sohn von Johanna Welcker, geborene Strack und des Pfarrers Philipp Christoph Welcker und wuchs mit 16 Geschwistern auf.

Theodor Welcker studierte Rechts- und Staatswissenschaften, habilitierte sich 1813 und wurde 1814 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaften an der Gießener Universität. „1814 hatte er in einer Rede über Deutschlands Freiheit ein starkes Deutschland mit einem wiederhergestellten Kaisertum und die Besinnung auf germanisch-christliche Traditionen bei scharfer Ablehnung aller französischen, überhaupt ausländischen Ideen gefordert, da er von der politischen Entwicklung enttäuscht war. Welcker nahm zusammen mit über 100 weiteren Gießener Studenten 1814 als Freiwilliger eines Jägerbataillons an den Befreiungskriegen teil.“ 1) Siehe zum Thema Befreiungskriege, unter: Schillstraße.

Zwischen 1814 und 1816 lehrte Welcker als Professor an der Universität Kiel. Beate Berez schreibt über Welckers Lebensweg: „Dort beteiligt er sich an der Herausgabe der ‚Kieler Blätter‘. Durch diese Zeitschrift sollte nämlich das holsteinische Volk politisch ‚aufgeklärt und zur festen Bewahrung seiner Deutschheit und Eigenart aufgemuntert werden‘. 1816 wird er nach Heidelberg berufen und heiratet Emma Wiedemann“ 2) Die am 1.10.1798 in Braunschweig geborene und im Alter von 46 Jahren am 20.9. 1844 in Heidelberg verstorbene Emma Welcker war z. B. Mitgründerin eines Vereins zur Unterstützung hilfsbedürftiger Polen. 3) Das Paar bekam sechs Kinder. Doch bevor Welcker zum ersten Mal Vater wurde, nahm er 1819 den Ruf nach Bonn an: „gerät dort jedoch in die Maschinerie der Demagogenverfolgungen, die aufgrund der Karlsbader Beschlüsse eingeleitet werden. Auch bei Welcker finden Hausdurchsuchungen statt, wobei Schriftstücke beschlagnahmt werden und ein Verfahren eingeleitet wird. Es droht ihm eine Entfernung aus dem Dienst, also nimmt er den Ruf an die Universität Freiburg am 24. Juli 1822 an (…).

1830 beginnt Welckers politisches Engagement im Großherzogtum Baden mit einer Petition für die Pressefreiheit. Bei den Wahlen zum badischen Landtag erhält er ein Abgeordnetenmandat.“ 4)

Damals war Welcker schon Vater von fünf Kindern, geboren 1820, 1823, 1825, 1827 und 1830.

„Am 1. März 1832 wird in Baden die Pressezensur aufgehoben. Welcker und Karl von Rotteck geben die Tageszeitung ‚Der Freisinnige‘ heraus, worin die Zustände innerhalb des Deutschen Bundes kritisiert werden. Nachdem die Bundesversammlung das badische Pressegesetz für ungesetzlich erklärt, wird der ‚Freisinnige‘ verboten, die Universität Freiburg geschlossen, Welcker und Rotteck werden zwangspensioniert. Welcker wird sogar zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, in zweiter Instanz jedoch freigesprochen.“ 5)

1833 wurde das sechste Kind geboren. „Ab 1834 geben Welcker und Rotteck das ‚Staats-Lexikon‘ heraus. 1837 starb eine von Welckers Töchtern im Alter von 12 Jahren.

„Am 29. März 1848 tritt Welcker sein Amt als Gesandter Badens im Bundestag in Frankfurt an. Anfang 1849 wird eine österreichische Gesamtverfassung oktroyiert. Obwohl Welcker die großdeutsche Lösung vertritt, spricht er sich für die Annahme einer Verfassung aus und für König Friedrich Wilhelm IV als Kaiser, um wenigstens die kleindeutsche Lösung realisieren zu können. König Friedrich Wilhelm IV lehnt jedoch ab, Welcker und andere Abgeordnete treten aus der Nationalversammlung heraus. Im Sommer 1849 sterben seine Schwester und zwei Töchter‚ dies verschlimmert seine psychosomatischen Leiden. Erst ab 1856 wird er publizistisch und politisch aktiv. Die dritte Auflage des Staats-Lexikons erscheint. Er gründet die ‚Deutsche Partei‘, sie löst sich allerdings schon 1867 auf.“6)

Im Internetportal rheinische Geschichte heißt es über Welckers politische Einstellung: „Im Rahmen seiner parlamentarischen Tätigkeit setzte er sich vor allem für die Presse- und Wissenschaftsfreiheit ein. Seine nach damaliger Auffassung radikalen politischen Ansichten verwickelten ihn jedoch nicht nur in diverse Prozesse, sondern führten auch zu repressiven Maßnahmen der badischen Regierung, die seine Lehrtätigkeit anfänglich behinderte und schließlich völlig unterband. Als 1848 der Liberalismus den Kampf um die politische Macht in Deutschland zu gewinnen schien, nahm Welcker entscheidenden Anteil an der Organisation der parlamentarischen Arbeit: Zunächst wirkte er im so genannten Siebenerausschuss mit, der die Arbeit des Parlaments vorbereitete, später spielte er eine bedeutende Rolle im Vorparlament und schließlich auch in der Paulskirchenversammlung, wo er dem wichtigen Verfassungsausschuss angehörte. Zeitweise war er gleichzeitig auch Vertreter der badischen Regierung am Bundestag in Frankfurt am Main.“ 7)

Und auf der Website der Friedrich Naumann Stiftung steht: „Welcker strebte einen deutschen Nationalstaat unter Einschluss der deutschen Teile des Habsburger Staates an. Erst als dies durch die Politik der Wiener Hofburg unmöglich wurde, schwenkte er im März 1849 um und stellte den Antrag, den preußischen König zum deutschen Kaiser zu wählen (…). Als dieses Projekt ebenfalls scheiterte, zog sich Welcker für ein Jahrzehnt nach Heidelberg ins Privatleben zurück.
In den 1860er Jahren versuchte er zwar dann eine Art politisches Comeback, stand nun aber mit seinen ‚großdeutschen‘ Ansichten ziemlich isoliert innerhalb des propreußisch-‚kleindeutschen‘ politischen Klimas, das vor allem vom Deutschen Nationalverein (…) geprägt wurde.“ 8)

Schlugen sich Welckers liberale politischen Ansichten auch in puncto Geschlechterfrage nieder? Nein, da blieb Welcker in seinen Ansichten dem patriarchalen System verhaftet – auch wenn es zu seiner Zeit schon andere liberalere Auffassungen gab. So heißt es in seinem Staats-Lexikon zum Thema Geschlechterverhältnisse: „Das allgemeinste und wichtigste Verhältnis der menschlichen Gesellschaft ist unstreitig das Verhältnis der beiden Geschlechter. (…) Die ganze physische Natur … bezeichnet den stärkeren, kühneren, freieren Mann als schaffenden Gründer, Lenker, Ernährer und Schützer der Familie und treibt ihn hinaus ins äußere Leben zum äußeren Wirken und Schaffen, in den Rechts- und Waffenkampf, zu schöpferischen Erzeugungen, zur Erwerbung und Verteidigung. Sie bezeichnete die schwächere, abhängige, schüchterne Frau zum Schützling des Mannes, wies sie an auf das stillere Haus, auf das Tragen, Gebären, Ernähren und Warten, auf die leibliche und humane Entwicklung und Ausbildung der Kinder, auf die häusliche Bewirtung und Pflege des Mannes und der häuslichen Familie, auf Erhaltung des vom Manne Erworbenen, auf die Führung des Haushalts, auf die Bewahrung der heiligen Flammen des häuslichen Herdes.“ 9)