Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Castellonstieg

Veddel (2023): benannt nach nach Gregorio del Jesus Castellon Lazarte (1931 auf dem Gelände der Salpetermine Anibal Pinto in Chile – 2010), chilenischer Minenarbeiter und Gewerkschaftsführer, der für bessere Arbeitsbedingungen und Rechte der Minenarbeiter in den chilenischen Salpeterminen kämpfte.


Vorher hieß die Verkehrsfläche: Slomanstieg.

„Die Umbenennung erfolgt nach einer Projektarbeit zum Kolonialismus und zu Sloman der Schule im Slomanstieg. Robert Miles Sloman (der Jüngere), nach dem der Slomanstieg benannt wurde, verdiente Geld mit dem Schiffstransport von Menschen. Die Bedingungen auf den Schiffen waren sehr schlecht. 1867 starben auf einer Fahrt 108 von 544 Passagieren. Auch die Schiffsarbeiter litten unter schlechten Bedingungen. Darüber hinaus verschiffte er Salpeter aus den chilenischen Minen seines Neffen Henry Sloman. In den Salpeterminen herrschten lebensgefähliche Arbeitsbedingungen. Die Schülerinnen und Schüler traten mit dem chilenischen Konsulat in Hamburg in Kontakt und schlugen eine Umbenennung des Slomanstiegs in ‚Castellonstieg‘ vor.“ (Amtlicher Anzeiger vom 28.10.2023.)

Eine Slomanstraße, die ebenfalls 1929 auf der Veddel benannt wurde, gibt es weiterhin. Deshalb siehe zu den Aktivitäten Robert M. Slomans als Kolonialakteur unter Slomanstraße. Siehe zu Sloman auch am Ende des Textes.

Die Projektgruppe „Slomanstieg umbenennen“ der Klasse 8b der Schule im Slomanstieg hat ihre Recherchen zu Gregorio del Jesus Castellon Lazarte 2019 ins Netz gestellt. Hier im Folgenden der Text:
„Gregorio del Jesus Castellon Lazarte Der Namensgeber für unsere Schulstraße? Senior Castellon Lazarte kam 1931 auf dem Gelände der Salpetermine Aníbal Pinto im Norden Chiles zur Welt. Als junger Erwachsener begann er im Jahr 1950 als Minenarbeiter im Unterbau der Salpetermine Maria Elena zu arbeiten. Um für bessere Arbeitsbedingungen und die Rechte der Minenarbeiter zu kämpfen, trat er 1960 in die Salpeter-Gewerkschaft ein. Offenbar hatte er als Gewerkschafter Erfolg, da er 1971 zum Gewerkschaftsführer ernannt wurde. Lazarte sollte es knapp drei Jahre, bis 1973, bleiben und damit als letzter Generalsekretär der Gewerkschaftsunion für Salpeter in Chile in die Geschichte eingehen.

Lazarte war außerdem Mitglied in der sozialistischen Partei Chiles, die sich für ein besseres Leben aller Arbeiter und generell für die Menschen aus der chilenischen Unterschicht einsetzte. Als Gewerkschaftsführer und Mitglied der sozialistischen Partei sollte er es allerdings nicht leicht haben: 1973 kam es zu einem großen Militärputsch unter Augusto Pinochet, der daraufhin als Diktator die Macht in Chile übernahm. Mitglieder der sozialistischen Partei und insbesondere solche, die viel Einfluss hatten – wie der Gewerkschaftsführer Lazarte –, wurden von der neuen Regierung gefangenen genommen. Doch Lazarte hatte Glück und wurde nach einiger Zeit wieder frei gelassen. Das rührte auch daher, dass während des Putsches viele Dokumente seiner Arbeit vernichtet wurden. So konnte ihm die neue Regierung wenig nachweisen. Unter den vernichteten Dokumenten war auch der Nachweis, dass er von 1971 bis 1973 Gewerkschaftsführer war. Erst später im Jahr 2000, nach der Diktatur, wurde unter der neuen demokratischen Regierung ein neuer Nachweis erstellt, der uns als Quelle für Lazartes Leben dient. Seine Arbeit als Gewerkschafter konnte er unter der Diktatur Pinochets nicht wieder aufnehmen. Bis 1980 arbeitete er als einfacher Minenarbeiter weiter. 2010 verstarb Lazarte.“
Text v. Josef Bauer, nach Informationen v. Claudio Esteban Castellon Gattica, Experto en Patrimonio Cultural (E-Mail-Korrespondenz, 2018/19)


Zu Robert M. Sloman, dem Jüngeren (30.7.1812 Itzehoe - 30.10.1900 Othmarschen), nach dem nach wie vor die Slomanstraße benannt ist.
Robert Miles Sloman jr. begann im Alter von 16 Jahren eine Lehre in der Firma seines Vaters Robert Miles Sloman sr. Dieser hatte im Jahr 1800 die Schiffsmaklerei seines aus England stammenden Vaters, Kapitän William Sloman, übernommen und dazu eine Reederei gegründet. Während Robert Miles Sloman sr. die Reederei leitete, übernahm der Junior 1841 das Maklergeschäft. Drei Jahre zuvor hatte er 1838 Christine Amalia Rosalia, geb. von Stephani, geheiratet. Sie war die Tochter des Freiherrn und Obersten von Stephani und Lydia Amalie, geb. Westphalen. Das Paar bekam fünf Töchter. Robert Miles Sloman regelte nicht nur den Verkauf von Schiffen, sondern vermittelte vor allem Verladungen zwischen Erzeugern, Spediteuren und Empfängern, sorgte also dafür, dass Handel und Schifffahrt reibungslos ineinandergriffen. Erste Probefahrten nach Nordamerika hatten gezeigt, dass zwar die Rückfahrten nach Hamburg mit Landeserzeugnissen voll beladen werden konnten, die Hinfahrten jedoch weitgehend leer blieben. So kam Robert Miles Sloman sr. auf die Idee, „heimatmüde Menschen“ zu befördern. Ab 1828 verschiffte die Sloman-Reederei auswandernde Passagiere nach New York und zu weiteren Häfen in Nord- und Südamerika sowie nach Australien und Südafrika; ab 1836 gab es regelmäßige Paketfahrten von Hamburg nach New York. Nach dem Tod des Vaters 1867 fiel Robert Miles Sloman jr. auch die Reederei zu. Nun sollte das „Frachtgut Mensch“ maximalen Profit bringen, und so wurden möglichst viele Passagiere in den Zwischendecks zusammengepfercht. Die Reisebedingungen in den kleinen Zwischenräumen waren lebensgefährlich. Zum Skandal geriet eine Fahrt im Jahr 1867: Auf der 70-tägigen Reise des Seglers Leibnitz starben 108 von 544 Passagieren. Vor dem Obergericht Hamburg bezeugten die ärztlichen Begutachter, dass bei der Fahrt Typhus ausgebrochen war aufgrund von „(…) mangelhafte(r) Ventilation, Reinlichkeit, nicht angemessener ärztlicher Hülfe, ungenügender Nahrung und Mangels an Wasser“. Ihr Fazit fand klare Worte: „Wir wollen den Gegenstand nicht verlassen, ohne unsere Entrüstung und unsern Abscheu gegen die Urheber dieses brutalen Mordes auszusprechen. Nichts scheint die Menschen rascher in Bestien zu verwandeln als die Aussicht, aus armen, vergleichungsweise hilflosen Menschen, wie die Passagiere des Leibnitz es waren, einen außergewöhnlichen großen Profit zu machen.“ Das deutschsprachige New Yorker Journal betitelte: „Sloman‘s Totenschiffe wieder einmal“. Die Deutsche Gesellschaft der Stadt New York warnte von nun an deutsche Auswanderer „ernstlich“, „für ihre Reise nach den Vereinigten Staaten sich den Schiffen des Hrn. R. M. Sloman in Hamburg anzuvertrauen.“ Das Verfahren endete dennoch in Freispruch, da nach Auffassung des Gerichts ein Verschulden der Reederei nicht nachgewiesen werden konnte.

Das profitable Geschäft mit Chilesalpeter lockte weitere Familienmitglieder an. Henry Brarens Sloman, Sohn eines anderen Familienzweigs, sein Schwager Hermann Conrad Fölsch und der Deutsch-Chilene Federico Martin hatten in der Wüste Atacama in Nordchile mehrere Salpeterminen gegründet. Die Reederei Rob. M. Sloman übernahm für seinen Neffen die Verschiffung des Salpeters. Im 19. Jahrhundert nahm die Bevölkerung in Deutschland rapide zu, und das Salpeternitrat konnte den enormen Bedarf an Pflanzendünger decken, die Landwirtschaft ankurbeln und damit Hungersnöten entgegenwirken. Salpeter diente aber auch zur Herstellung von Sprengstoff und Schießpulver, die Verwendung in den Kolonialkriegen in Afrika und Asien fanden.

In der nordchilenischen Wüste Atacama waren über ein hundert Salpeterminen von englischen und deutschen Unternehmen gegründet. Die Arbeitsbedingungen für die rund 70.000 überwiegend indigenen Wanderarbeiter waren katastrophal. Die Knochenarbeit, das Einatmen des giftigen Salpeterstaubs bei Sprengungen und die extremen Temperaturschwankungen in der Wüste schlugen sich auf die Gesundheit nieder. Kinderarbeit ab dem achten Lebensjahr war üblich. In den Barackensiedlungen mussten die Familien auf engstem Raum wohnen, häufig ohne Betten und sanitäre Anlagen. Es gab kaum medizinische Versorgung und Schulen. Der Akkordlohn wurde nicht in Geld, sondern in speziellen Münzen ausgezahlt, die nur in den überteuerten Läden der Minengesellschaft Gültigkeit besaßen. 1907 streikten zehntausende Minen- und Hafenarbeiter für bessere Arbeitsbedingungen. Chilenische Truppen, von preußischen Offizieren ausgebildet, massakrierten über zweitausend Aufständische. Der bolivianisch-chilenische Historiker Claudio Castellón Gatica kommentiert: „Kein Zweifel, dass auch Sloman Anteil hatte an dem, was man die größte Ausbeutung des Menschen durch den Menschen bezeichnen kann.“

Zwischen 1870 und 1900 sind einigen wenigen Hamburger Kaufleuten und Reedern aus dem Salpetergeschäft mehrere Milliarden Mark zugeflossen. Nach der Jahrhundertwende lag ein Viertel des gesamten Salpeterabbaus in ihren Händen. Allein im Jahr 1905 importierte Hamburg über 500.000 Tonnen Chilesalpeter, allen voran Sloman und Fölsch. Verladen wurde auch Guano von der Küstenregion. Die Minenbesitzer mussten in Chile keine Einkommenssteuer entrichten. In den chilenischen Hafenstädten schwelgten die Salpeter-Magnate im Luxus und ließen sich prächtige Villen und Theater bauen. Henry Brarens Sloman kehrte 1898 nach Hamburg zurück. „Lex Sloman“, das 1900 erlassene Gesetz, das Rückwanderer von der Einkommenssteuerpflicht ebenso in Hamburg befreite, trug dazu bei, dass der „Salpeterbaron“ 1912 als der reichste Mann der Stadt galt. So konnte er sich auch den Bau des renommierten Chilehauses leisten, an dessen Fassade er Symbole seines Reichtums verewigen ließ. Trotz der Skandale und Negativschlagzeilen hatte Robert Miles Sloman weiterhin auf Passagierbeförderung gesetzt. 1882 gründete er die kurzlebige Australia-Sloman-Linien-AG, die Auswanderungswillige nach Australien und im Gegenzug Gefrierfleisch nach Hamburg befördern sollte. Doch Sloman gab die unrentable Schiffslinie schnell wieder auf und gründete 1888 mit Carl Ferdinand Laeisz (siehe: Laeiszstraße) und weiteren Hamburger Reedern und Kaufleuten die Aktiengesellschaft Deutsch-Australische Dampfschifffahrtsgesellschaft (DADG), die mit zeitweise 56 Schiffen Deutschlands größte Reederei war. Nach wie vor hatten die Auswanderertransporte einen schlechten Ruf, Klagen über schlechte Ventilation und verdorbenes Essen auch auf den DADG-Schiffen drangen an die Öffentlichkeit. Das Reiseangebot der Schiffslinie wurde kaum angenommen, die Auslastung lag teilweise bei fünfzig Prozent oder weniger, so dass die Reederei 1894 alle Passagierfahrten einstellte. 1891 kam es zu Verhandlungen vor Seeämtern und einer Debatte vor dem Reichstag, als Vorkommnisse auf dem DADG-Dampfer Sommerfeld bekannt wurden: Auf zwei Fahrten waren mehrere Heizer und Kohlentrimmer über Bord gegangen, einige an Bord verstorben, mehrere wurden vermisst, große Teile der Mannschaft waren an den Häfen „desertiert“, die gesamte Besatzung hatte bei Ankunft in Hamburg abgemustert. Beklagt wurde die mangelnde Luftzirkulation im Kesselraum, die bei den Feuerleuten in vielen Fällen zu Hitzschlag, Verbrennungen, Psychosen und Selbsttötungen führte, ferner ungeregelte Arbeitszeiten, der psychische Druck und die brutalen Misshandlungen durch vorgesetzte Maschinisten. Zwischen 1888 und 1898 ist auf deutschen Handelsschiffen von etwa 300 Suiziden auszugehen, die allermeisten der Opfer waren Kohlenzieher, die häufigsten Skandale auf den Schiffen der Hamburger und Bremer Reedereien. Hafenarzt Bernard Nocht (siehe: Bernhard-Nocht-Straße) forderte effektive Ventilationssysteme unter Deck, doch die Reeder dachten nicht daran, in solch teure Einbauten zu investieren, eher gaben sie dem nach ihrer Auffassung „missmutigen“ und „arbeitsscheuen“ Heizpersonal, dem „moralisch verkommenen Menschenmaterial“ die Schuld. Nun wurden auch ungelernte Arbeiter aus China, Indien, Afrika und dem arabischen Raum angeheuert. Die Schiffseigner behaupteten, die Menschen aus dem Süden seien hitzeunempfindlicher. Damit bedienten sie sich eines in der Kolonialzeit gängigen rassistischen Vorurteils und rechtfertigten die Ausbeutung des nichteuropäischen Personals. Selbstredend, dass auch die nichteuropäischen Heizer und Kohlenzieher vor den Feuern genauso unter Verbrennungen, Hitzschlag und darauf folgenden Halluzinationen litten, und die Suizidrate unter ihnen lag sogar noch höher. Im Verhandlungsfall des DADG-Schiffs Sommerfeld 1892 stellte sich das Seeamt Hamburg trotz aller Evidenzen auf die Seite der Reeder und Aktionäre. Im Bericht wurden die bestehenden Ventilationsanlagen unter Deck als durchaus angemessen bezeichnet. Um einer harten Konkurrenz unter den Hamburger Reedereien aus dem Weg zu gehen, kam es zu zahlreichen Fusionen und Beteiligungen.

1888 übernahm die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag) die Carr-Linie, an der Sloman beteiligt war. Eigene Unternehmungen, etwa die Mittelmeerfahrt sowie weitere Beteiligungen, so am Bremer Norddeutschen Lloyd (NDL) und an der Hapag, vergrößerten Slomans Geschäftsfeld. Am 20. August 1894 erlitt das DADG-Schiff Erlangen, aus Australien und Singapur kommend, eine Totalhavarie an den Malediven. Geladen hatte der Dampfer Kolonialwaren: Tee, Reis, Kautschuk, Rattan, Teakholzplanken, Silbererz und Kupferrohstein, Kokosgarne, Kokosnüsse und Kokosnussöl. Bis 1914 verlor die DADG fünf weitere Schiffe auf den Ozeanen. Als Sloman 1890 aus der Firmenleitung ausschied, hinterließ er seinen Nachfolgern prosperierende Unternehmen. Vor dem Ersten Weltkrieg bestand die firmeneigene Sloman-Flotte aus 22 Schiffen. Ab 1914 setzten die britischen Seeblockaden den gewinnbringenden Kolonialwarenimporten und Salpeterfahrten ein jähes Ende. Derweil wurde in Deutschland die kriegswichtige synthetische Salpeterherstellung eilig vorangetrieben. In den 1950er-Jahren waren Kühlschiffe im Einsatz, die Südfrüchte aus Brasilien und Ecuador importierten. Die Union Afrika-Linie, die Sloman seit 1951 mit anderen Reedereien betrieb, wurde bereits 1954 von den Deutsche-Afrika-Linien (DAL), dem Nachfolger der Woermann-Linie, (siehe zu Woermann unter: Cornelius-Fredericks-Stieg) übernommen. Die 1886 gegründete Union-Linie verkaufte Sloman 1995 an Hapag. Das Slomanhaus am Baumwall ist seit 1910 der repräsentative Sitz der Reederei-Holding Rob. M. Sloman & Co, während Sloman-Neptun-Schiffahrts-AG seit 1973 von Bremen aus operiert. 1855 hatte Robert Miles Sloman sen. das bankrotte Hamburger Stadt-Theater als Spekulationsobjekt erworben, knapp zwanzig Jahre später gelang es dem Sohn, dieses für mehr als das Doppelte des Kaufpreises zu veräußern. Robert Miles Sloman jr. trieb die Gründung einer Seefahrtsschule voran und förderte die Geographische Gesellschaft in Hamburg, die sich in erster Linie nach den Wirtschaftsinteressen der Kolonialkaufleute richtete. Sloman war auch der Initiator einer gemeinnützigen Baugesellschaft, die eine Gartenstadt-Siedlung für Hafenarbeiter und ihre Familien baute. Die Sloman-Siedlung mit 200 Einfamilienhäusern wurde zwischen 1878 und 1900 fertiggestellt. Schon nach dreißig Jahren musste sie dem städtischen Neubauprogramm und der Hafenerweiterung weichen. Angeregt durch seinen Freund, dem pietistischen Theologen Johann Heinrich Wichern (siehe: Wichernsweg), unterstützte der tiefgläubige Sloman karitative Einrichtungen wie das Sanatorium Friedeburg für Hamburger Arbeiterkinder. Robert Krieg, Filmemacher und Nachkomme der Sloman- und Fölsch-Familiendynastien, kann es kaum nachvollziehen, dass seine Vorfahren mit ihrem Gewissen vereinbaren konnten, einerseits christliche Hilfswerke in Hamburg zu fördern und andererseits unempfänglich zu sein gegen das harte Los und das Leid der Minenarbeiterfamilien in Chile.

Text: HMJokinen, Mitarbeit: Frauke Steinhäuser