Dornröschenweg
Schnelsen, seit 1950. Märchen
Siehe auch: Ricarda-Huch-Ring
Siehe auch: Gretelstieg
Siehe auch: Grimmstraße
Siehe auch: Prinzenweg

Eine Königstochter fällt, nachdem sie sich mit der Nadel einer Spindel in den Finger gestochen hat, in einen hundertjährigen Tiefschlaf. Auch alles um sie herum versinkt in einen tiefen Schlaf. Um das Schloss wächst mit der Zeit eine Dornenhecke, die für alle Königssöhne, die zur schönen Königstochter wollen, zur Todesfalle wird. Nach genau hundert Jahren kommt der richtige Königssohn; er küsst Dornröschen wach.
Ricarda Huch (siehe: Ricarda-Huch-Ring) machte ein lyrisches Spiel aus dem Dornröschentext. „Der Tiefenpsychologie bot Dornröschen zahlreiche Ansätze. Der lange Schlaf im Schutz der Dornenhecke, die scheinbare Passivität der Heldin wurden als Latenzphase im Entwicklungs- und Reifungsprozeß gesehen, die lustig springende Spindel, der Stich in den Finger als sexuelles Erwachen gedeutet.“ 1)
Heinz Rölleke gibt eine weiterfassende Interpretation zur Passivität von Dornröschen: „Märchen spiegeln auch in den Gestalten ihrer Heldinnen Wirklichkeit – zum einen die soziale und rechtliche Bedeutung, die das Reifwerden für die Frau jahrhundertelang hatte, zum anderen (umfassender) die psychische Bedeutung, die diesem Vorgang ganz allgemein zukommt, die sich in Isolation und Neubeginn ausprägt, in erstem Todesbewusstsein und erster Liebeserfahrung. (…). Die Märchenheldinnen erleben diese Phase recht unterschiedlich und sie reagieren erstaunlich verschieden darauf. (…)
Da ist der passive Typ par excellence im Dornröschen gestaltet. Zwar wird das Mädchen an seinem fünfzehnten Geburtstag von einer merkwürdigen Neugier ins Turmgemach und zu der verhängnisvollen Spindel getrieben, doch was dann geschieht, ist völlig außerhalb ihrer Verantwortung, außerhalb ihres Wollens, außerhalb ihrer sittlichen Entscheidung – sie schläft und schläft so lange, bis ein Prinz sie wachküsst. Dass sie ihn sofort zum Manne nimmt, ist denn auch keine freie Wahl oder Entscheidung – denn sie steht ja sozusagen vor dieser Situation wie Mutter Eva im Paradies: ‚Wen sonst, als dich?‘ – wenn ja kein anderer da ist. (…)
Man mag darin ein Spiegelbild vergangener Zeiten sehen, wo die Wahl des Partners Sache der Eltern oder bestenfalls des männlichen Pendants war, das die Frau mehr oder weniger verständnisvoll in ihren neuen Lebensstatus führte, so dass ihr nur das Warten blieb, währenddessen man sich wohl am besten in jeder Hinsicht schlafend stellte.“2)