Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Gaiserstraße

Harburg (1950): Gottlieb Leonhard Gaiser (30.7.1817 Schlierbach -28.12.1892 Hamburg), Kaufmann und Ölmühlenbesitzer


Siehe auch: Asbeckstraße
Siehe auch: Nobléestraße
Siehe auch: Mergellstraße
Siehe auch: Beim Brinckmanschen Park
Siehe auch: Thörlstraße

Früher hieß die Straße Andreasstraße, benannt 1905 nach Andreas Grotwahl, Harburger Bürgervorsteher. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg, Registratur Staatsarchiv AZ. 1521-1/5 Band 3-5: Straßennamen (neue Kartei), alphabetisch geordnet mit Hinweisen). Eine Andreasstraße gibt es aber schon seit 1866 in Hamburg-Winterhude. Um eine Doppelung zu vermeiden, wurde die Andreasstraße in Hamburg-Harburg in Gaiserstraße umbenannt.

0841 Gottlieb Gaiser
Gottlieb Leonhard Gaiser; Quelle: via Wikimedia Commons

1859 gründete Gaiser zusammen mit Franz Settels die Ölmühle Gaiser & Co. in Harburg, ab 1866 führte er als Alleininhaber das Einkaufshaus G. L. Gaiser in Hamburg. Damals gehörte Harburg zu Preußen und war Mitglied im Deutschen Zollverein. Damit bot sich ein großer Absatzmarkt im Hinterland - ein entscheidender Standortvorteil, den Hamburg noch nicht hatte.

Franz Settels war 1865 aus dem gemeinsam mit Gaiser geführten Ölmühlenbetrieb ausgestiegen. Im Jahr darauf stellte Gaiser die Produktion komplett um, denn bedingt durch die industrielle Entwicklung konnte mit einheimischen Saaten die stark wachsende Nachfrage nach pflanzlichen Ölen nicht mehr befriedigt werden. Gaiser beschloss deshalb, nur noch tropische Rohstoffe zu verarbeiten, die aufgrund der niedrigen Löhne in den Ländern des Südens obendrein günstiger waren. Er bezog Palmölkerne (Kopra) von dem Hamburger Händler O’Swald & Co. (siehe: O’Swaldstraße) in Lagos und Palma in Nigeria, die er über seine Firma G. L. Gaiser importierte. Weitere Lieferungen aus Ouidah im Königreich Dahomey (heute Benin) kamen hinzu. Aus Hamburg expedierte Gaiser Spirituosen, Tabak, Gewehre und Schießpulver nach Afrika.

1869 erwarb er die O’Swaldschen Niederlassungen in Nigeria und führte sie zusammen mit John Witt unter dem Firmennamen Gaiser & Witt weiter. Die Palmkerne wurden importiert und mit der „Gaiser-Methode“ erst in Harburg gepresst. Das neue Verfahren machte das Unternehmen gegenüber der Konkurrenz immens erfolgreich und konnte die starke Nachfrage nach Ölen in Deutschland befriedigen. Doch es trieb die lokale afrikanische Produktion in den Ruin - eine Folge kolonialer Ausbeutung und typisch für die ungleichen Handelsbeziehungen zwischen Europa und Afrika.

Als Schmiermittel für Maschinen, in der Lebensmittelindustrie, Pharmazie und Kosmetikbranche fand das Palmöl reißenden Absatz. Der Standort Harburg stieg auf zu einem der wichtigsten europäischen Zentren zur Veredelung von Palmöl und auch Kautschuk. G. L. Gaiser wuchs zum führenden Firmenimperium in Nigeria und zum größten Palmkernimporteur in Deutschland auf. 1876 verließ Witt das Unternehmen.

In Westafrika leistete die Bevölkerung Widerstand gegen unrechtmäßige Gebietsansprüche der kolonialen Kaufleute. Im Vorfeld der Berliner Afrika-Konferenz 1884 hatte Bismarck (siehe: Bismarckstraße und Bismarckstein) Gustav Nachtigal beauftragt, die privaten „Erwerbungen“ hanseatischer Handelsherren unter kaiserlichen Schutz zu stellen. Mit Flaggenhissungen und Kanonenbooten als Drohkulisse sicherte Nachtigal im Wettlauf mit Großbritannien strategisch wichtige Gebiete für die nachfolgende Kolonisierung. Nun mischte sich auch Kaufmann Gaiser aktiv in die deutsch-koloniale Expansion ein. Im Januar 1885 schloss er mit König Amapetu von Mahin einen Vertrag, wonach der lange Küstenstreifen zwischen Abejamura und Abotobo östlich von Lagos, inmitten einer britisch kontrollierten Region, gegen „5 Stück Seide, 5 Fässer (Puncheon, je etwa 300 Liter Inhalt) Rum und 100 Kisten Gin“ in deutschen Kolonialbesitz übergehen sollte. Erst im März konnte Nachtigal den „Mahinstrand“ unter den „Schutz“ des Deutschen Reiches stellen.

Doch der Gaisersche Kolonialbesitz währte nicht lange: im Rahmen eines Kolonialausgleichs verzichtete das Deutsche Reich im Oktober 1885 auf alle Gebietsansprüche in Nigeria, dafür erkannte Großbritannien alle von Nachtigal „erworbenen“ Kolonialgebiete in Kamerun an – ein Anlass für Gaiser, seine Handelstätigkeit auf Kamerun auszudehnen.

Nach seinem Tod 1892 übernahm sein Schwager Johann Martin Brettschneider das Einkaufshaus G. L. Gaiser. Die Ölmühle Gaiser & Co. verkaufte er an den Harburger Konkurrenten Friedrich Thörl (siehe: Thörlstraße). 1902 gründete Brettschneider in Kamerun die Hamburg-Afrika-Gesellschaft m.b.H., die sich auf den Handel mit Kautschuk spezialisierte.

Die lokale Bevölkerung sah sich von den deutschen Konzessionsgesellschaften rücksichtslos ausgebeutet. Gouverneur Jesco von Puttkamer beschrieb die Situation: die Kolonisierten in Kamerun „mussten laufend Strafarbeiter stellen, um die Entschädigungsansprüche der Firmen zu erfüllen; sie betrachten das als eine Art Sklaverei nach portugiesischem Muster".

1904/1905 kam es in Kamerun vermehrt zu antikolonialen Erhebungen, bei denen die Faktoreien auch der Hamburg-Afrika-Gesellschaft in Flammen aufgingen. Zwei Jahre brauchte die deutsche „Schutztruppe“, um den Widerstand niederzuschlagen, auf die zahlreiche weitere Aufstände erfolgten. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 gehörte das Handelshaus G. L. Gaiser zu den führenden Unternehmen in Nigeria und Kamerun. In den 1930er Jahren wurde G. L. Gaiser von einem Firmenkonsortium übernommen, um - wie der Hamburger Firmenteilhaber und NS-Reichswirtschaftsminister Hjalmar Schacht es formulierte – die „Rückeroberung Nigerias“ einzuleiten. Schacht kündete: „Kolonien sind für Deutschland eine Lebensnotwendigkeit. Wenn man sie durch Verhandlungen gewinnen kann, wollen wir verhandeln. Wenn das aber nicht möglich ist, dann müssen wir sie mit Gewalt nehmen.“ Doch solche Drohgebärden liefen ins Leere, sie scheiterten schlicht an der Unwilligkeit des britisch regierten Nigerias, mit dem Unternehmen ins Geschäft zu steigen. 1955 ging G. L. Gaiser in Konkurs. 1960 wurde Nigeria ein unabhängiger Staat, 1960/1961 konnte sich Kamerun vom französischen und britischen Mandat befreien.

Text: HMJokinen, Mitarbeit: Frauke Steinhäuser


Gottlieb Leonhard Gaiser war seit 1854 mit Margaretha Dorothea, verw. Rengstorff, geb. Brettschneider (1825-1900) verheiratet, Tochter eines Gastwirtes und Witwe des Kaufmanns Joh. Wilh. Ulrich Rengstorff. Das Paar hatte keine Kinder. Frau Gaiser stiftete für das Krankenhaus Bethanien, das von Diakonissen geleitet wurde, den Kinderpavillon.