Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Thörlstraße

Heimfeld (1890): Johann Friedrich Thörl (10.2.1820 Harburg – 5.10.1886 Hamburg), Gründer der Harburger Oelfabrik F. Thörl, Konsul, Ehrenbürger der Stadt Harburg.


Siehe auch: Thörlweg
Siehe auch: Gaiserstraße
Siehe auch: Mergellstraße
Siehe auch: Asbeckstraße
Siehe auch: Witts Allee
Siehe auch: Walter-Koch-Weg
Siehe auch: Konsul-Renck-Straße
Siehe auch: Konsul-Ritter-Straße
Siehe auch: Nobléestraße
Siehe auch: Konsul-Francke-Straße

Johann Friedrich Thörl, verheiratet seit 1847 mit Maria Karoline, geb. Koethcke (26.8.1823 Hamburg -30.10. 1867 Hamburg), mit der er acht Kinder hatte, besaß im niedersächsischen Dannenberg ein Manufakturwaren- und Färbereigeschäft und war dort seit 1848 auch Senator. 1854 zog er nach Harburg, damals eine Stadt im Königreich Hannover, ab 1866 Preußen zugehörig. Dort gründete er mit Johann August Diedrich Heidtmann die Firma Thörl & Heidtmann, Lager für Manufacturwaaren und Leinen am Lohmühlenteich. Bereits drei Jahre später findet sich im Harburger Adressbuch vom 1857 der Eintrag „Thörl, Fr., Senator, Kaufmann, Procureur der Norddeutschen Flussdampfschifffahrts-Gesellschaft“. Damit hatte der Unternehmer als Amtsinhaber eine politisch einflussreiche Stellung, um auch seine wirtschaftlichen Interessen voranzutreiben. Als Procureur war Thörl zudem Staatsbediensteter in der Norddeutschen Flussdampfschifffahrts-Gesellschaft, die federführend für die Verteilung der über den Harburger Hafen importierten Waren ins Hinterland war – ein ebenso strategisch wichtiger Posten für das eigene Geschäft.1863 gaben Thörl & Heidtmann ihrem Unternehmen eine neue Ausrichtung: unter gleichem Namen gründeten sie eine chemische Fabrik als Aktiengesellschaft, die ab 1872 Chemische Fabriken Harburg-Stassfurt hieß. Hergestellt wurde u. a. Kaliumchlorid, Zinndichlorid, Soda, Natriumnitrat aus Chilesalpeter und auch Kalisalpeter für Dünger, Schießpulver und Sprengstoff. 1883 errichtete Thörl die Harburger Oelfabrik Fr. Thörl, die Speiseöl aus ägyptischer Baumwolle produzierte, bald auch Öle aus Palmkernen/Kopra, Leinsaat und Raps. Bereits 1859 hatte Gottlieb Leonhard Gaiser (siehe: Gaiserstraße) in Harburg das Unternehmen Gaiser & Co. gegründet, das zu einem der weltgrößten Importeure und Verarbeiter von Palmöl heranwuchs. Anfangs wurde das Palmöl eingekauft, in erster Linie in Nigeria. Doch bald wurden nur noch Palmkerne nach Harburg verschifft und erst dort nach der „Gaiser-Methode“ gepresst – eine weitaus kostengünstigere Fabrikation mit hohen Gewinnmargen. Palmöl und auch Kokosöl fanden einen großen Absatzmarkt in der kosmetischen und pharmazeutischen Industrie und als Schmiermittel für Maschinen. Auch die zahlreichen Margarinefabriken in Altona und Bahrenfeld bezogen Pflanzenfette aus Harburg. Die direkte Verarbeitung von Palmkernen in den Harburger Fabriken führte in Afrika, Lateinamerika und der Südsee zum Kollaps der heimischen Produktion und degradierte die Kolonisierten zu bloßen Lieferanten billiger Rohstoffe. In der Kolonie Kamerun wurde die Bevölkerung zur Arbeit auf den Palmölplantagen der deutschen Pflanzungsgesellschaften gezwungen. Ab 1894 kam es in vielen Landesregionen zu bewaffnetem antikolonialen Widerstand, den die kaiserliche „Schutztruppe“ brutal niederschlug. Mit der „Politik der verbrannten Erde“ wurden ganze Dörfer niedergebrannt, Ernten und Vorräte geplündert oder vorsätzlich vernichtet und die gefangenen Kinder, Frauen und Männer in Ketten der Feldarbeit auf den Großplantagen oder dem Straßenbau zugeführt. Die Kameruner Handelsniederlassungen der Hamburger Handelshäuser C. Woermann und Jantzen & Thormählen (siehe zu Woermann unter: Cornelius-Fredericks-Stieg) unterstützen diese „Strafexpeditionen“ und rüsteten sie aus. Um 1890 verarbeiteten die Ölfabriken, unter ihnen Brinckmann & Mergell/Hobum, Heins & Asbeck, Escherich & Co. und Witt & Büsch (siehe: Mergellstraße; Asbeckstraße) mehr als ein Drittel der nach Europa importierten Palmölkerne. Nach Johann Friedrich Thörls Tod übernahm sein Sohn Friedrich Heinrich Ludwig Thörl die Geschäfte. Als sein älterer Bruder Max starb, wurde Friedrich Thörl jr. 1890 auch Alleininhaber der Palmölfabrik Noblée (siehe: Nobléestraße) und Thörl, die noch heute unter diesem Namen in Harburgs Seehafen existiert. Im Laufe der nächsten Jahre baute Thörl jr. das Firmenkonglomerat durch vielerlei Beteiligungen an und Neugründungen von weiteren Produktionsstätten aus, u. a. das Werk Citadelle mit einem markanten Silo auf der Harburger Schlossinsel, der 2012 abgerissen wurde. 1906 fasste er seine Firmen unter dem Namen F. Thörl’s Vereinigte Harburger Oelfabriken Aktiengesellschaft zusammen. 1927 ernannte ihn die Stadt Harburg zum Ehrenbürger. 1945 wurde Herbert Thörl, Sohn von Friedrich Thörl jr., Chemiker und Harburger Margarinefabrikant, von der Gestapo im Kieler Lager Nordmark festgesetzt. Nach seiner Freilassung zum Kriegsende starb er an den Folgen der Inhaftierung. An ihn erinnert seit 1988 der Herbert-Thörl-Weg im Harburger Stadtteil Rönneburg. Im Zuge der Industrialisierung und der massenhaften Verwertung der Ressourcen aus den Kolonien wurde der alte Stadtkern Harburgs auf der barocken Schlossinsel komplett überformt, das Schloss großenteils abgerissen. Von Thörls Palmölimperium an fünf Standorten sind einige Fabrikgebäude und Lagerhäuser erhalten geblieben, darunter der Palmspeicher an der Harburger Schlossstraße. Weitere Spuren in Harburgs Stadtbild führen zu ehemaligen Fabriken für Ölpressen und -walzen sowie zu Kaufmannskontors, Speditionen und Werften, die das Frachtgeschäft für die Palmkern- und Kokosölfabriken steuerten. „Bei den in Harburg verarbeiteten tropischen Rohstoffen handelt es sich um gigantische Mengen, die aufgehäuft den Gesamtbereich um den Harburger Binnenhafen zwischen Karnapp und Süderelbe, Nartenstraße und Ziegelwiesenkanal allein mit Palmkernen viele Meter hoch überdecken würden. Die Spuren der überseeischen Warenströme stecken hier buchstäblich in den Ritzen vieler Gebäude und im Hafenschlick“, so der Historiker Gordon Uhlmann. Doch auch aktuell hinterlassen die Warenströme aus dem globalen Süden Spuren in Harburg. 1929 wurde Noblée und Thörl von Unilever übernommen; heute ist sie im Besitz des Weltkonzerns ADM Archer Daniels Midland. ADM und Europas zweitgrößte Fettraffinerie Cargill Refined Oils (Nachfolger HOBUM), beide im Seehafen Harburg vertreten, werden von Umweltschützern scharf kritisiert, weil sie für ihre Palmölplantagen in Indonesien riesige Flächen Regenwald roden. Nach Ansicht der Umweltschützer wären Raps- und Sonnenblumenöl aus der näheren Umgebung eine echte Alternative. Doch das ADM-Management des Harburger Betriebs erwidert: "Palmöl ist und bleibt der bevorzugte Rohstoff. Weil er am billigsten ist." Vor zwei Jahren, im Mai 2012, meldete die Feuerwehr: „Beim Entladen des mit Palmöl beladenen Tankschiffs Giovanni DP über eine ca. 500 m lange Pipeline trat ein Leck an der Pipeline auf.“

Text: HMJokinen, Mitarbeit: Frauke Steinhäuser