Humannstraße
ienstedten (1947): Dr. Karl Humann (4.1.1839 Steele – 12.4.1896 Smyrna), Ingenieur, Altertumsforscher.
Siehe auch: Schliemannstraße
Siehe auch: Lepsiusweg
Siehe auch: Conzestraße
Siehe auch: Dörpfeldstieg
Die Straße hieß früher Ludendorffstraße, Erich L. (1865-1937), Oberquartiermeister im Armeeoberkommando II, später Generalquartiermeister. Motivgruppe: Namen aus dem Ersten Weltkrieg: Heer. Umbenannt 1947 in Humannstraße. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg, Registratur Staatsarchiv AZ. 1521-1/5 Band 3-5: Straßennamen (neue Kartei), alphabetisch geordnet mit Hinweisen).
Die Umbenennung - wie auch andere Umbenennungen - erfolgte auf Anweisung der britischen Militärregierung, denn „vor dem Hintergrund der veränderten politischen Landschaft gerieten die sogenannten ‚militärischen‘ Namen erstmals ins Blickfeld. Die Umbenennung dieser Namensgruppe wurde durch eine ausdrückliche Anweisung der Militärregierung veranlaßt und stellte die zweite Welle von politisch motivierten Umbenennungen der Nachkriegszeit dar. Im Jahre 1946 gab es nach einer Aufstellung des Bauamtes 145 Straßen, die nach ‚Militärpersonen, militärischen Ereignissen und militärischen Einrichtungen‘ benannt worden waren. Etwa 18 davon waren in der Zeit zwischen 1933 bis 1945 entstanden. (…). Der Senat erörterte dieses Thema in seiner Sitzung am 22. Januar 1946. Man betrachtete lediglich 37 Namen als nicht akzeptabel, darunter 28 Namen von Generälen und Admirälen und einigen militärischen Einrichtungen aus der Zeit des Ersten Weltkrieges. Sie wurden im Laufe der nächsten zwei Jahre umbenannt.“ (Siehe auch unter Kriegerdankweg und Paul-Bäumer-Brücke). (Bericht über Umbenennungen von Straßennamen in Hamburg seit 1918, März 1987, Staatsarchiv Hamburg, S. 16.)
Karl Humann war der Sohn von Maria Catharina Humann, geborene vom Kolke und des Gastwirts Franz Wilhelm Humann.
Nach dem bestandenen Abitur im Jahr 1859 begann Karl Humann 1860 ein Ingenieurstudium, interessierte sich auch damals schon für die Antike und zeichnete antike Skulpturen. Doch nach einem Jahr an der Bauakademie in Berlin musste er wegen einer Lungenerkrankung das Studium abbrechen. Ihm wurde geraten, ein milderes Klima aufzusuchen, und so folgte er seinem Bruder, „der als Tiefbau-Ingenieur im zum Osmanischen Reich gehörenden Samos arbeitete und Karl dort Arbeit und archäologische Betätigung versprach. (…) Er beteiligte sich unter anderem an Ausgrabungen des dortigen Heraions und antiker Palastanlagen. Humann blieb im Osmanischen Reich und arbeitete zunächst weiter als Bauingenieur. 1864 bereiste er im Auftrag der osmanischen Regierung Palästina, um das Land zu nivellieren und eine genaue Karte des Landes anzufertigen. Später erforschte er den östlichen Balkan und nahm eine Karte auf. In Vorbereitung späterer Ausgrabungen besuchte er im Winter 1864/65 das antike Pergamon. An der bekannten historischen, aber noch nicht ausgegrabenen Stätte nutzte er zunächst seinen Einfluss, um die Vernichtung der teilweise offenliegenden marmornen Ruinen in Kalkbrennöfen so weit wie möglich zu unterbinden. Für eine vollständige Ausgrabung fehlte vor allem die Unterstützung aus Berlin.
In Kleinasien leitete Humann von 1867 bis 1873 gemeinsam mit seinem Bruder Franz den Bau von Straßen. Ab 1868 wohnte er in Bergama, dem früheren Pergamon, und setzte seine archäologischen Studien dort vor allem in den Wintermonaten fort. (…). Nach Einstellung des Straßenbauprojekts lebte Humann ab 1873 als Bauingenieur in Smyrna, unterbrochen von einer Reise nach Deutschland 1873/74, bei der er heiratete.“1)
Seine Auserwählte war die Rittergutpächterstochter Louise Werwer (12.1.1843–11.7.1928 Babelsberg/Brandenburg). Sie folgte ihrem Mann nach Smyrna, führte dort das Haus und bekam vier Kinder, geboren 1875, 1878 (1878 wurden zwei Kinder geboren, ein Kind starb im Alter von einem Jahr) und 1889. Das jüngste Kind starb, als es sieben Jahre alt war.
Humann hoffte, dass sich die Behörden in Berlin für seine Ausgrabungen und Funde begeistern würden, doch der damalige Direktor des Antiquariums der Königlichen Museen in Berlin, Ernst Curtius unterstützte Humanns Pläne nicht.
Doch als Alexander Conze (siehe: Conzestraße) Direktor der Skulpturengalerie und Antikensammlung der Kaiserlichen Berliner Museen wurde, wendete sich das Blatt. Von ihm erhielt Humann 1878 „den preuß. Staatsauftrag und türk. Erlaubnis zur planmäßigen Ausgrabung Pergamons.“ 2)
Zuvor hatte Conze im Juli 1878 Humann einen entscheidenden Tipp gegeben, nachdem er in dem Buch „Liber Memoralis“ des antiken römischen Schriftstellers Lucius Ampelius von einem großen Marmoraltar in Pergamon gelesen hatte.
Bereits am: „3. Tage der Grabung (…) entdeckt H. den zu den Weltwundern gehörenden Zeus-Altar, (…). So wurde H. der erfolgreiche Grabungsleiter dreier Campagnen in Pergamon bis 1886, durch die in immer neuen Funden große Teile der Attalidenresidenz freigelegt wurden (spätere Grabungen unter Conze, Dörpfeld [siehe: Dörpfeldstraße], Wiegand, Boehringer folgten). (…). Der von H. seit 1879 nach Berlin gebrachte Altar wurde zum Prunkstück der kgl. Museen.“ 3)
Humann wurde zu einer Berühmtheit und 1879 ordentliches Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts.
Auch für den Ruhm des Deutschen Reiches waren die Ausgrabungen und deren Funde von großer Bedeutung, denn der: „Hauptstadt des erst 1871 als Nachzügler im europäischen Mächtereigen gegründeten Deutschen Kaiserreiches mangelte es im Vergleich zu Paris und London an Kunstwerken von Weltgeltung. Diese Schwachstelle der Repräsentation sollte unter anderem durch den Pergamonaltar behoben werden.“ 4)
Niemand kam damals von den Ausgräbern wie auch von Seiten der deutschen Behörden bzw. deutschen Museen auf die Idee, die Funde im Land zu belassen und sie zum Beispiel den dortigen Museen zu übergeben. Dazu schreiben Jürgen Gottschlich und Dilek Zaptcioglu-Gottschlich, dass der Briefwechsel zwischen Carl Humann und Alexander Conze in Berlin zeige, „dass beide ohne Skrupel alles dafür zu tun bereit sind, um das antike Glanzstück vom Pergamonberg nach Berlin zu schaffen. Der Unterschied zwischen Humann, der seine Funde am liebsten gleich illegal außer Landes schaffen will, und Conze, der dagegen auf Bestechung setzt, ist nur ein taktischer. Grundsätzlich fühlen sie sich völlig im Recht, den von christlichen Fundamentalisten im 5. Jahrhundert u. Z. zerstörten Altar nicht den vermeintlichen muslimischen Barbaren zu überlassen, da er sonst womöglich der ‚Vernichtung‘ anheimfällt, wie Human schreibt.“ 5). An anderer Stelle ihres Buches äußert das AutorInpaar: „Humann ist nicht der einzige Europäer, der seine Schatzsuche später als Rettungsaktion verbrämte. Fast alle Ausgräber des 19. Jahrhunderts, die im osmanischen Reich nach Kunstschätzen aus der Frühgeschichte und der Antike fahndeten, sahen sich als Retter und nicht als Räuber.“ 6)
1884 wurde Humann Abteilungsdirektor der königlichen Museen in Berlin, „behielt jedoch als auswärtiger Direktor seinen Wohnsitz in Smyrna, um die Interessen der königlichen Museen im Orient wahrzunehmen. Er arbeitete und forschte weiter und empfing in seinem weithin bekannten Haus zahlreiche Gäste.“ 7) (Zu Humanns weiteren Ausgrabungen siehe im zitierten Wikipedia Eintrag).
Jürgen Gottschlich und Dilek Zaptcioglu-Gottschlich kommen zu dem Schluss: „Der Abtransport des Zeusaltars nach Berlin war nicht nur ein kaum zu überschätzender kultureller Verlust für die Osmanen und namentlich der griechischen Minderheit im Reich, es war ein schlechtes Geschäft, das die osmanische Regierung und der noch relativ neue Sultan Abdülhamid II. unter dem massiven Druck der deutschen abgeschlossen hatte“8), denn damals war das Osmanische Reich: „ökonomisch so schwach (…), dass es nur noch mithilfe von Krediten der europäischen Großmächte weiter existieren konnte. Der Sultan wurde zum Spielball europäischer Interessen, und er musste bei Strafe des Untergangs das Spiel mitspielen.“ 9)
„Die 20 000 Mark, die die Deutschen dafür zahlten, dass sie alle Funde aus dem ersten Grabungsjahr mitnehmen konnten, entsprachen noch nicht einmal dem Materialwert des Marmors (…). Offiziell deklariert wurden die 20 000 Mark als Unterstützung für die vielen muslimischen Flüchtlinge, die nach dem desaströsen Krieg gegen Russland 1877/78 aus den für die Osmanen verlorenen Balkanprovinzen vertrieben worden waren und jetzt im anatolischen Kernland angesiedelt werden mussten.“ 10)