Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Schoenaich-Carolath-Straße

Groß Flottbek (1951): Prinz Emil von Schoenaich-Carolath-Schilden (8.4.1852 Breslau – 30.4.1908 Gut Haseldorf), Dichter.


Bereits 1943 wurde die Schoenaich-Carolath-Straße als neuer Straßenname (alter Straßenname: Klaus-Groth-Straße, Westteil zwischen Schorf und Fritz-Reuter-Straße, benannt vor 1927) in der Liste „Umbenannte Straßen“ aufgeführt. Die Liste wurde im Hamburger Adressbuch von 1943 veröffentlicht und listet alle in der NS-Zeit umbenannten Straßen auf, auch diejenigen, bei denen die konkrete Umbenennung noch nicht vollzogen wurde. Bereits umbenannte Straßen wurden mit einem Stern gekennzeichnet.

Nach der Einführung des Groß-Hamburg-Gesetzes im Jahre 1937, durch das z. B. Altona, Wandsbek, Harburg-Wilhelmsburg, Lokstedt, Niendorf, Schnelsen, Rahlstedt, Bramfeld, Lohbrügge und andere Gebiete, die heute Hamburger Stadtteile sind, nach Hamburg eingemeindet wurden, ergaben sich bei den Straßennamen häufig Doppelungen.

Viele der für eine Umbenennung in Frage kommenden alten Straßennamen wurden in der NS-Zeit aber nicht mehr umbenannt. Eine Umbenennung nach den 1943 aufgelisteten neuen Straßennamen erfolgte für diverse Straßennamen dann nach der Befreiung vom Nationalsozialismus. So wurde die Schoenaich-Carolath-Straße 1951 benannt.

Prinz Emil von Schoenaich-Carolath lebte auf Schloss Haseldorf bei Uetersen. Er war der Sohn von Emilie von Oppen-Schilden und des Prinzen Karl von Schoeneich-Carolath.

In Zürich studierte Prinz Emil Literatur und Kunstgeschichte. „Anschließend trat er in das Dragonerregiment in Colmar ein, wo er als Leutnant bis 1874 diente. Die folgenden Jahre verbrachte er meist auf Reisen, u. a. nach Rom und Ägypten.“1) 1887 heiratete der damals 35 Jährige die damals 20jährige Katharina von Knorring (25.7.1867 Weißenfeld – 6.11.1946 Haseldorf]). Das Paar bekam sechs Kinder (geboren: 1888, 1891, 1893, 1894, 1897, 1899) und „lebte auf seinen Schlössern in Haseldorf/Holstein und Palsgaard/Dänemark“. 1)

„Seine literarische Begeisterung wurde bereits im Elternhaus geweckt, vor allem durch seine Mutter, und durch den Kontakt der Familie zu dem ebenfalls aus Breslau stammenden Schriftsteller Karl von Holtei. Als Dichter gehört er zur Neuromantik. Seine frühen Gedichte waren von einer düsteren Stimmung bestimmt. In späteren Werken, zu denen auch Erzählungen und Novellen zählten, griff er religiöse und ethische Themen auf und wies auf Missstände hin. Von Schoenaich-Carolath trat auch als Förderer anderer Schriftsteller hervor, so unterstützte er Rainer Maria Rilke [siehe: Rilkeweg], Karl Bienenstein und Detlev von Liliencron“. 1) [siehe: Liliencronstraße].

Der Prinz begann seine literarische Laufbahn 1878. Eine schmerzvoll erlebte erste Liebe soll ihn zum Dichter gemacht haben. 2)

Gedicht von Prinz Emil:

Letzter Tanz

Es glüht im Fieber das graue Haus,
Lichtstreifen fallen breit hinaus
Auf die sommeröden Gassen;
Es flammt der Saal von Kerzen ganz,
Und wir beide tanzen den letzten Tanz,
Eh wir uns müssen lassen.

Ich bin gezogen von Meer zu Meer,
Und als ich heimkam, die Taschen schwer,
Warst du die Braut eines andern;
Die Spatzen riefen's von jedem Dach,
Die Basen zischten und sprachen's nach:
Das kommt vom Wandern, vom Wandern.

Wir tanzen, als habe der Tod dich gepackt,
Es fegt deine Schleppe spitzengezackt
In welken Orangenzweigen.
Schon geht der Zeiger auf Mitternacht,
Dein junger Gemahl, er sieht's und lacht ?
Es schluchzen so wild die Geigen.

Ich wollte, wir irrten im nordischen Land,
Von Keinem geliebt, von Keinem gekannt,
Im Schneesturm über die Heide,
Und daß du ruhtest unbewußt
In meinem Mantel, an meiner Brust,
Und daß wir stürben beide.

Schoenaich-Carolath wurde „als Gutsherr und als Vater zum Verfechter des Tierschutz-Gedanken“ 2) Darüber hinaus übte er in seinen Werken Kritik „an den geistlichen Würdenträgern, die die Bedürfnisse des einzelnen Menschen mißachten und sich insofern nicht um die Gebote von Barmherzigkeit und Nächstenliebe kümmern“. 2) Seine Sozialkritik zeigte sich z. B. in seiner Ballade „Die Hütte“. „Niemand kümmert sich um die Mutter, die mit ihrem Säugling in der schadhaften Hütte leben muss und der Winterhärte schutzlos ausgesetzt ist. Ein Kaufmann denkt nur an sein Geschäft, (…), der Dorfkaplan glaubt, seinem ‚Volk‘ (…) nur ‚gestrenges Zuchtvermahn‘ (…) schuldig zu sein (…),“ 3) schreibt Carsten Dürkop in seiner Dissertation über Prinz Emil von Schoenaich-Carolath. Und er berichtet weiter, dass der Dichter den Spießbürger und die Opportunisten kritisierte und sich literarisch a. u. für die Wiedereingliederung entlassener Strafgefangener in die Gesellschaft einsetzte und gegen das Einsperren von straffällig gewordenen Jugendlichen und Kindern in Gefängnisse eingestellt war. Darüber hinaus war sich „Schoenaich-Carolath (…) sehr wohl der christlichen Unehrlichkeit im Umgang mit den Juden bewusst, [scheute] sich offenbar jedoch, vorbehaltlos für die Juden einzutreten. Der Grund dafür könnte sein, dass der Antisemitismus ein durchaus auch in Intellektuellen- und Hof-Kreisen gepflegtes Dogma war und ein Angriff wie ein Verstoß gegen ein Tabu wirken müsste. Wenn sich Schoenaich-Carolath die zeitgenössische Sichtweise der Juden als Nicht-Deutsche zu eigen gemacht hat, bliebe auch kein unaufklärbarer Rest im Hinblick auf sein Menschenbild, weil danach ja die Deutschen grundsätzlich allen anderen Nationen überlegen sind.“ 3)

Trotz all seiner Sozialkritik war der Adlige Prinz Emil von Schonaich-Carolath gegen die Sozialdemokraten eingestellt, denen er schädlichen Einfluss auf die Bevölkerung vorwarf.

Nebeltag

Vorbei nun ist es mit den blauen Tagen,
es senkt der Herbst die graue Schlußgardine;
vom Garten, der einst Rosenpracht getragen,
dringt Grabesduft verblühter Balsamine.

Ein letztes Ideal ward mir zerschlagen,
Brief zuckt auf Brief verflammend im Kamine;
indessen Schauer überm Parke jagen,
pfeift hell der Sturm die Abschiedskavatine.

Mir ahnt es trüb: wer um das Glück der Erden
sein Herzblut gab, den trösten nur hinferne
noch Arbeitslämpchen und Kamingefunkel.

Denn alle Wonnen, die begehret werden,
die Welt, der Ruhm, die Frauen und die Sterne,
sie wärmen nicht und sind im Grunde dunkel.

Heinrich Spiero äußerte sich über die Person Emil von Schoenaich-Carolath wie folgt: „Prinz Emil von Schönaich-Carolath war mehrere Jahre krank gewesen, als er, der in Schlesien zur Welt kam, auf seiner von Mutterseite her ererbten Herrschaft Haseldorf, am 30. April 1908, starb; der langsam Vergehende war von Tag zu Tag mehr ein alles Verstehender geworden. Ein Mensch von lauterster Güte, lebte er inmitten seiner Familie abseits vom großen Treiben der Städte, deren Art und Leben er immer seltner zu ertragen vermochte, und war dennoch in steter Beziehung mit einer großen Zahl von Menschen in Deutschland, ja, auf der ganzen Erde, insbesondere mit Zahlreichen, denen er oft und oft ein gütiger Helfer gewesen war. Carolath war von einer fast peinlichen Zurückhaltung gegenüber der Öffentlichkeit; er hatte gar kein Bedürfnis nach äußeren Erfolgen und war mit der Zeit in dem still beglückten häuslichen Kreis auch jedes lauten Beifalls überdrüssig geworden. Die Frau, an die er nach eignem Geständnis nie einen Vers gerichtet hat, weil ihr Herzensreichtum weder in Worten noch in Bildern hätte gegeben werden können, diese Frau und eine Zahl von verheißungsvoll heranwachsenden Kindern machten ihm das Leben schön. Die wundervollen, merkwürdig klaren Augen des Dahingegangenen, die kein Maler je richtig getroffen hat, sahen in jeden Gast hinein, der sich in das Marschenhaus, wie er sein Schlößchen nannte, hinfand, sie machten keinen verlegen, übten aber auch auf Neulinge in dem Hause einen bannenden, zur Stille mahnenden Einfluß; was in Carolath lebte, blieb wohl jedem, außer seinen Allernächsten, im Letzten unergründbar. Und diese Augen schauen für jeden, dem das Glück ward, Carolath öfters im Leben zu begegnen, aus seinen Versen dem Leser wieder ins Gesicht – ganz mit der Klarheit und mit der Wirkung wie die Augen des Lebenden, aber auch mit jenem letzten Zuge eines uns nicht zugänglichen geheimen Seelenlebens. Wenn je Mensch und Dichter ganz eins waren und für den, der beide kannte, untrennbar verbunden blieben, eins gehoben durch das andere, so war dies bei Emil von Schönaich-Carolath der Fall. Seine einsame Gestalt wird bleiben, unvergeßlich denen, die ihn kannten, und seine vollendeten Gedichte sind ein unvergänglicher Besitz unserer Kunst.“ 4)