Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Schopenhauerweg

Ottensen, seit 1945, benannt nach Arthur Schopenhauer. 2001/2002 ergänzt um die ebenso bedeutende Mutter Johanna Schopenhauer. Neuer Erläuterungstext: benannt nach Arthur Sch. (22.2.1788 Danzig – 21.9.1860 Frankfurt a. Main), Philosoph, und dessen Mutter Johanna Schopenhauer, geb. Trosiener (9.7.1766 Danzig–16.4.1838 Jena), Schriftstellerin


Siehe auch: Droste-Hülshoff-Straße
Siehe auch: Geschwister-Mendelssohn-Stieg
Siehe auch: Goetheallee, Altona-Nord, seit 1928
Siehe auch: Wielandstraße

Vor 1933 hieß die Verkehrsfläche Heineweg. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde der Weg 1933 in Dietrich Eckart-Weg (früher Anhänger des Nationalsozialismus und Ideengeber Adolf Hitlers), umbenannt wegen Heines jüdischer Herkunft. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wurde die Straße umbenannt in Schopenhauerweg. Eine Rückbenennung nach Heinrich Heine erfolgte nicht. Nach ihm wurden in anderen Hamburger Stadteilen Straßen benannt: Wilstorf und Bergedorf. (Registratur Staatsarchiv Az. 1520-3/0. Antwort auf Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prosch (CDU), Straßen mit Namen jüdischer Bürger, Bürgerschaftsdrucksache 11/2389 vom 7.5.1984.)

Bereits 1943 wurde der Schopenhauerweg als neuer Straßenname (alter Straßenname: Dietrich-Eckart-Weg) in der Liste „Umbenannte Straßen“ aufgeführt. Die Liste wurde im Hamburger Adressbuch von 1943 veröffentlicht und listet alle in der NS-Zeit umbenannten Straßen auf, auch diejenigen, bei denen die konkrete Umbenennung noch nicht vollzogen wurde. Bereits umbenannte Straßen wurden mit einem Stern gekennzeichnet.

Nach der Einführung des Groß-Hamburg-Gesetzes im Jahre 1937, durch das z. B. Altona, Wandsbek, Harburg-Wilhelmsburg, Lokstedt, Niendorf, Schnelsen, Rahlstedt, Bramfeld, Lohbrügge und andere Gebiete, die heute Hamburger Stadtteile sind, nach Hamburg eingemeindet wurden, ergaben sich bei den Straßennamen häufig Doppelungen.

Viele der für eine Umbenennung in Frage kommenden alten Straßennamen wurden in der NS-Zeit aber nicht mehr umbenannt. Eine Umbenennung nach den 1943 aufgelisteten neuen Straßennamen erfolgte für diverse Straßennamen dann nach der Befreiung vom Nationalsozialismus. So wurde der Schopenhauerweg 1945 benannt.

Adolf Hitler war ein Verehrer Arthur Schopenhauers. So zitierte er Schopenhauer in seinem Buch „Mein Kampf“, ohne ihn jedoch selbst gelesen zu haben. Hitlers Quellen kamen sozusagen aus zweiter Hand. (vgl.: Sven Felix Kellerhoff: Wie Hitler die Quellen von „Mein Kampf“ unterschlug. „In ‚Mein Kampf‘ zitierte er Schopenhauer und zahlreiche Bücher zur ‚Rassenhygiene‘. Aber gelesen hat Hitler viele Werke nicht, wie die neue kritische Edition seiner Hetzschrift zeigt, in: Welt vom 3.1.2016, unter: https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article150404792/Wie-Hitler-die-Quellen-von-Mein-Kampf-unterschlug.html)

Im April 1805 stürzte sich der Ehemann von Johanna Schopenhauer aus dem Speicher seines Wohn- und Geschäftshauses am Hamburger Neuen Wandrahm 92 zu Tode. Ob es sich dabei um einen Unfall handelte oder um eine Verzweiflungstat des gemütskranken Mannes, blieb ungeklärt.

Nach Hamburg war das republikanisch gesinnte Ehepaar mit seinem Sohn Arthur 1793 gekommen, als Danzig, die Geburtsstadt Johanna Henriette Schopenhauers, in der sie auch ihren um zwanzig Jahre älteren, reichen und welterfahrenen Mann kennengelernt hatte, von Preußen annektiert wurde. Doch nach dem Tod ihres Ehemannes hielt sie nichts mehr hier. Befreit von einer unglücklichen Ehe und ausgestattet mit einem beträchtlichen Erbe, zog es Johanna Schopenhauer mit ihrer Tochter Adele (12.6. 1797 Hamburg–25.8.1849 Bonn) nach Weimar. Dass Thüringen zu diesem Zeitpunkt Kriegsschauplatz war und viele Weimarerinnen und Weimarer daran dachten, die Stadt zu verlassen, schreckte sie nicht. Durch diese „Feuertaufe“ wurde sie, wie Goethe (siehe: Goetheallee) anerkannte, zur „Weimarerin“. Dass ihr Haus schnell zu einem geselligen Mittelpunkt der Stadt wurde, hatte weitere Gründe. Johanna Schopenhauer, die zeitlebens einen Widerwillen gegen den Gedanken hegte, „für ein gelehrtes Frauenzimmer zu gelten“, 1) war eine weitreichend gebildete und gewandte Frau. Vor der eigenen Muttersprache lernte das Kind von der kaschubischen Kinderfrau die polnische Sprache, weil der Vater, der Kaufmann Christian Heinrich Trosiener, der Überzeugung war, dass deren schwere Aussprache den Zugang zu anderen Fremdsprachen erleichtere. Es folgten die Anfänge der französischen Sprache, in die die Mutter Chodowieckis die Drei- oder Vierjährige in ihrer Kleinkinderschule einführte. Als der Sohn zu Besuch kam, entdeckte Johanna ihre Liebe zur Malerei. Ihr großes Vorbild wurde die Malerin Angelika Kauffmann, die ein selbstständiges Leben führte. Die weitere Ausbildung des Kindes nahmen der lutherische Theologe Kuschel und der anglikanische Geistliche Dr. Jameson in die Hand. Lernte sie bei ersterem Deutsch, Geschichte und Geographie, so unterrichtete Letzterer sie in der englischen Sprache und brachte ihr die englische Literatur nah. Dem Wunsch ihrer Lehrer, ihr Griechischunterricht zu erteilen, widersetzte sie sich schweren Herzens, hatte sie doch schon wegen des Englischunterrichts den Spott ihrer Umgebung zu erdulden. Ab dem neunten Lebensjahr ergänzte der nachmittägliche Unterricht in weiblichen Tugenden und Arbeiten bei Mamsell Ackermann die Ausbildung. Das alles prädestinierte Johanna Schopenhauer zur Gesellschafterin der britischen Bankierstochter Sally Cramp im Hause des russischen Gesandten in Danzig. Aber auch in Weimar wird es dazu beigetragen haben, dass in Reisebüchern ihr Haus bald als besuchenswerte „Merkwürdigkeit“ erwähnt wurde. Um Johanna Schopenhauers Theetisch versammelten sich Goethe und Wieland (siehe: Wielandstraße), der Verleger Friedrich Justin Bertuch, der Kunstschriftsteller Carl Ludwig Fernow, der Schweizer Johann Heinrich Meyer – der so genannte Kunschtmeyer –, der Gymnasialprofessor und Bibliothekar Friedrich Wilhelm Riemer u. a.

Als Johanna Schopenhauer und ihre Tochter Adele 1819 durch den Zusammenbruch eines Danziger Bankhauses einen großen Teil ihres Vermögens verloren, musste Johanna ihre schriftstellerische Tätigkeit zum Broterwerb machen. Bis dahin hatte diese neben kleinen Arbeiten für Journale lediglich in einer Biographie über den Freund Carl Ludwig Fernow (1810) und den Erinnerungen an eine „Reise durch England und Schottland“ (1813/14) bestanden.

Schon ihr erster Roman „Gabriele“ (1819–1821), der der Heldin Opfer und Entsagung auferlegt, wurde ein großer Erfolg. Goethes Kritik charakterisiert zugleich die Autorin und zeigt, zu welchen Gesprächen der Roman anregte: „Gabriele setzt ein reiches Leben voraus und zeigt große Reife einer daher gewonnenen Bildung. Alles ist nach dem Wirklichen gezeichnet, doch kein Zug dem Ganzen fremd (...). Epische, halbepische Dichtung verlangt eine Hauptfigur, die bei vorwaltender Thätigkeit durch den Mann, bei überwiegendem Leiden durch die Frau vorgestellt wird. Diesmal ist einem anziehenden weiblichen Wesen die schwerste Rolle zugetheilt, die sich mit höchster Zartheit und Anmuth durch unerträgliche Leiden durchführt. (...) Als ich in diesem Sinne vor einer gebildeten Gesellschaft redete, fragte eine sorgsame Mutter: ob sie dieses Buch mit ihren Töchtern lesen könne? Dabei kam Folgendes zur Sprache: Erziehung heißt: die Jugend an die Bedingungen gewöhnen, zu den Bedingungen bilden, unter denen man in der Welt überhaupt, sodann aber in besondern Kreisen existiren kann. Der Roman hingegen stellt das Unbedingte als das Interessanteste vor, gerade das gränzenlose Streben, was uns aus der menschlichen Gesellschaft, was uns aus der Welt treibt, unbedingte Leidenschaft; für die dann bei unübersteiglichen Hindernissen nur Befriedigung im Verzweifeln bleibt, Ruhe nur im Tod. Dieser eigenthümliche Charakter des tragischen Romans ist der Verfasserin auf schlichtem Wege sehr wohl gelungen, sie hat mit einfachen Mitteln große Rührung hervorzubringen gewußt; wie sie denn auch im Gang der Ereignisse das Natürlich-Rührende aufzufassen weiß, das uns nicht schmerzlich und jammervoll, sondern durch überraschende Wahrheit der Zustände höchst anmuthig ergreift (...).“ 2)

Johanna Schopenhauer gehörte nicht zu der Vielzahl von Frauen, deren Werke ignoriert oder geschmäht wurden, weil sie aus der Feder einer Frau stammten. Vielleicht kann sie auch deshalb ihre Geschlechtsgenossinnen unparteiischer beurteilen. In einem Brief vom 2. Dezember 1821 an einen Geheimrat in Leipzig heißt es: „Erlauben Sie mir dagegen auch zu bemerken, daß in unsern Tagen eine gar zu große Sucht durch schriftstellerische Arbeiten sich auszuzeichnen unter meinem Geschlecht eingerissen ist. Viele welche weit besser täten, in dem ihnen von der Natur sowohl als durch Sitte und Erziehung angewiesenen Kreise zu bleiben, führen jetzt die Feder statt der Nadel, und überschwemmen Tageblätter und Taschenbücher mit wäßrigen Produkten aller Art. Nur wenige, durch Umstände und ausgezeichnetes Talent begünstigte Frauen, sollten es wagen, auf diese Weise in die Reihen der Männer zu treten, und diese könnten dann auch gewiß einer bessern Aufnahme sich erfreuen, so wie das in vergangenen Zeiten der Fall war, wo die seltnen Frauen, welche außerhalb ihrer eigentlichen Sphäre bedeutend auftraten, überall mit Ruhm und Ehre gekrönt wurden, und kein gallichter Rezensent daran dachte ihnen diese schmälern zu wollen.“ 3)

1829 waren Johanna und Adele Schopenhauer an den Rhein gezogen, kehrten aber acht Jahre später auf Einladung des Großherzogs Carl Friedrich von Sachsen-Weimar nach Thüringen zurück. Johanna Schopenhauer starb 1838 in Jena, unversöhnt mit ihrem Sohn Arthur, von dem sie zeitlebens ein schwieriges Verhältnis getrennt und den sie nach dem Bruch im Mai 1814 nie wieder gesehen hatte.

Louise Adelheid, gen. Adele, Schopenhauer (12.7.1797 Hamburg – 25.8.1849 Bonn), Schriftstellerin
Neun Jahre alt war die um neun Jahre jüngere Schwester Arthur Schopenhauers, als sie nach dem Tod des Vaters mit der Mutter von Hamburg nach Weimar zog. Hier wuchs Adele Schopenhauer in der besonderen Atmosphäre des mütterlichen Hauses auf, in dem sich donnerstags und sonntags die interessantesten Persönlichkeiten der Stadt trafen und wo auch der um vierzehn Jahre jüngere Freund ihrer Mutter, der Jurist Müller von Gerstenbergk, zeitweise lebte. Mit Goethes Schwiegertochter Ottilie befreundet, war Adele auch in Goethes Haus am Plan ein häufiger Gast. Doch trotz der zahlreichen Gelegenheiten, Menschen kennen zu lernen, erfüllten sich ihre Hoffnungen auf die Verwirklichung einer großen Liebe nicht. Als die einsame junge Frau 1828 in Köln die vermögende Kunstsammlerin und sechsfache Mutter und Ehefrau Sibylle Mertens-Schaaffhausen kennenlernte, sah sie in der Freundschaft zu ihr einen Ersatz. Sie drängte die Mutter, an den Rhein überzusiedeln, wobei sie die finanziell günstigeren Lebensbedingungen als Argument in den Vordergrund stellte. 1837 kehrte sie mit der Mutter nach Thüringen zurück, wo Johanna Schopenhauer im folgenden Jahr starb.

Da sie keine Hoffnung auf eine Ehe hatte, fasste sie bereits im Alter von 26 Jahren „ihr zukünftiges Schicksal mit früher Resignation zusammen: ‚Wie ein Mann werde ich durchs Leben ziehen, man wird mich lieben, mjir folgen, man wird auf mich bauen, und ich werde dem Allen zu genügen streben, oft wird’s gelingen. Aber wenn ich dann einem Menschen wohlgetan, so wird mein Weg wieder einsam sein.“ 4)

Adele richtete mit großer Energie ihr Leben neu ein. Sie suchte einen Verleger für die unvollendeten Memoiren ihrer Mutter, deren 24-bändige Schriften 1830/31 erschienen waren, und nahm Malunterricht. Ihre Scherenschnitte zeigen ein überdurchschnittliches Talent.

„Um die Resonanz der literarischen Arbeiten Adele Schopenhauers war es schon zu deren Lebzeiten schlecht bestellt, allerdings waren ihre literarischen Ambitionen über das Verfassen von Gelegenheitsversen hinaus nie besonders ausgeprägt oder mussten sich – was wahrscheinlicher ist – von Anfang an denen der Mutter unterordnen. Erst 1838, nach dem Tod der Mutter, begann Adele Schopenhauer eine eigene literarische Produktion, die als solche erkennbar ist. Wiederum spielte der finanzielle Aspekt eine Rolle, aber ihr Schreiben verfolgte auch selbsttherapeutische Absichten: Literarische ,Produktivität [sei] ein Schutz gegen den Andrang des Lebens‘, bekannte sie im Juni/Juli 1841 Annette von Droste-Hülshoff (siehe: Droste-Hülshoff-Straße) gegenüber. Dabei musste sie sich auch immer wieder von Freunden motivieren lassen, ihre größer werdende Distanz zum vormärzlichen Literaturbetrieb zu überwinden.

Nur zögernd entschloss sich Adele Schopenhauer zur Publikation eigener Arbeiten. 1844 erschienen ihre Haus-, Wald- und Feldmärchen, 1845 folgte der Roman Anna, und 1848 publizierte sie noch einen weiteren Roman mit dem Titel Eine dänische Geschichte.“ 5)

1840 hatten sich bei ihr erste Anzeichen einer Krebserkrankung bemerkbar gemacht. Mitte der 1840-er Jahre zog sie nach Italien, wo sie, finanziell unterstützt von der Freundin Sibylle, mit Unterbrechungen bis ein Jahr vor ihrem Tod verweilte.

Text im Wesentlichen: Brita Reimers

Arthur Schopenhauer
Über sein Wirken als Philosoph heißt es in Wikipedia: „Schopenhauer entwarf eine Lehre, die gleichermaßen Erkenntnistheorie, Metaphysik, Ästhetik und Ethik umfasst. Er sah sich selbst als Schüler und Vollender Immanuel Kants, dessen Philosophie er als Vorbereitung seiner eigenen Lehre auffasste. Weitere Anregungen bezog er aus der Ideenlehre Platons und aus Vorstellungen östlicher Philosophien. Innerhalb der Philosophie des 19. Jahrhunderts entwickelte er eine eigene Position des subjektiven Idealismus und vertrat als einer der ersten Philosophen im deutschsprachigen Raum die Überzeugung, dass der Welt kein rationales Prinzip zugrunde liegt.“ 1)

Und in der Wochenzeitschrift „Der Spiegel“ wurde Schopenhauer wie folgt beschrieben: „Für die Philosophen (…) blieb Schopenhauer ein Außenseiter. Er selbst glaubte, daß sich seine Fachkollegen gegen ihn verschworen hätten. Sein Hauptwerk, ‚Die Welt. als Wille und Vorstellung‘, von Schopenhauer, als er dreißig Jahre alt war, 1818 herausgegeben, war über ein Jahrzehnt lang nahezu unverkäuflich. Ein großer Teil der Auflage wurde als Makulatur verramscht. (…)

Schopenhauer, von den Fachphilosophen kaum zur Kenntnis genommen, hat auf die Sensiblen und die Exzentrischen unter den Denkern, Dichtern und Künstlern einen großen Einfluß ausgeübt: auf Musiker wie Richard Wagner [siehe: Wagnerstraßenbrücke], auf Schriftsteller wie Thomas Mann, [siehe Thomas-Mann-Straße] auf zweifelnde Gottsucher wie Sören Kierkegaard und Friedrich Nietzsche, auf den Künder der ‚Libido‘ und des Unterbewußten, Sigmund Freud, und auf den Mythen-Ergründer Carl Gustav Jung.

Selber empfindsam, (…), ‚unter der Knechtschaft des Geschlechtstriebes‘ leidend, wie sein Biograph Hans Richert schrieb und wie er selbst als junger Mann bekannte (‚O Wollust, o Hölle!‘), litt Schopenhauer an der Welt und wurde zum Schöpfer einer Geistesrichtung, deren widersprüchliche Substanz -- Erotik und Lebensverneinung -- das Jahrhundert zu erregen begann, als er ein alter Mann war und Deutschland an der mißlungenen Revolution von 1848 laborierte.

Anders als die philosophischen Heroen seiner Epoche, die wie Kant [siehe: Kantstraße] und Hegel und Marx als Künder eines Absolutum auftraten -- der kritischen Vernunft oder der Geschichte oder der Ökonomie -, beseufzte und verspottete Schopenhauer den erlebenden, den handelnden, vornehmlich aber den leidenden Menschen, begriff ihn auf jeden Fall als den einzigen Gegenstand der Philosophie. (…)

Das Absolute -- ob als Staat, Geschichte, Nation, Fortschritt oder Religion -- war ihm ein Greuel. Die Geschichte verachtete er im Gegensatz zu Hegel, dessen Philosophie er nicht nur ‚Wahrheit‘ und ‚Klarheit‘, sondern auch ‚Menschenverstand‘ absprach, als einen ‚verworrenen Traum der Menschheit‘. (…)

Die Welt schien ihm im Gegensatz zu, Leibniz [siehe: Leibnitzstraße], der sie für die beste aller möglichen hielt, die schlechteste. Anders als Rousseau, der den Menschen für im Grunde gut hielt, war für Schopenhauer der Mensch ‚ein wildes, entsetzliches Tier‘.

Insonderheit vor Weibern und Pfaffen warnte er; man möge sich hüten, ihnen ‚etwas einzuräumen‘. (…)

‚Meine Philosophie‘, schrieb Schopenhauer an seinen Freund Julius Frauenstädt, ‚redet nie vom Wolkenkuckucksheim sondern von dieser Welt.‘ Die Welt aber war für ihn das Produkt seiner Vorstellung. In ihrer Mitte steht der Mensch, dessen ‚Grundtriebfeder‘, so Schopenhauer, ‚der Egoismus‘ ist, der ‚Wille zum Leben‘, aber nicht als Wille des Individuums, sondern der ganzen ‚Art‘.

Das Individuum leidet an diesem Willen zum Leben, und Schopenhauers Mitleid galt den zeugenden Liebenden, die das Leiden des Lebens verlängern: ‚weil die Liebenden die Verräter sind, welche heimlich danach trachten, die ganze Not und Plackerei zu perpetuieren, die sonst ein baldiges Ende erreichen würde‘.“ 2)

Arthur Schopenhauer und die Frauenfrage

Dazu schreibt Daniela Weiland: „Generationen von Männern wurden (…) von der Philosophie Arthur Schopenhauers geprägt. Seine 1851 in Parerga und Paralipomena, Bd. 2, erschienene vielgelesene Schrift Über die Weiber wurde um die Jahrhundertwende sogar in hoher Auflage als Propagandaschrift gegen die Frauenbewegung verkauft. Schopenhauer sah in den Frauen ‚zeitlebens große Kinder (…) – eine Art Mittelstufe zwischen dem Kinde und dem Manne, welcher der eigentliche Mensch ist.‘ Gerade diese Zwischenstellung mache die Frau so geeignet, die Kinder zu erziehen. In seiner Misogynie bezeichnete Schopenhauer die Frauen als das ‚niedrig gewachsene, schmalschultrige, breithüftige und kurzbeinige Geschlecht‘, das eigentlich unästhetisch sei. Den ‚danaturierten‘ aufstrebenden Frauen wollte er durch ihre erneute Unterwerfung zu ihrer wahren Natur, und damit zu ihrem Glück, verhelfen.“ 3)

Schopenhauer war auch der Überzeugung, dass ein Mann viele Frauen (ge) brauchen müsse. Deshalb war für ihn Polygamie etwas Legitimes. „Über Polygamie ist gar nicht zu streiten, sondern sie ist als eine überall vorhandene Tatsache zu nehmen, deren bloße Regulierung die Aufgabe ist. Da folglich jeder Mann viele Weiber braucht, ist nichts gerechter, als daß ihm freistehe, ja obliege, für viele Weiber zu sorgen. Dadurch wird auch das Weib auf ihren richtigen und natürlichen Standpunkt, als subordiniertes Wesen, zurückgeführt, und die Dame, dieses Monstrum europäischer Zivilisation und christlich-germanischer Dummheit, mit ihren lächerlichen Ansprüchen auf Respekt und Verehrung kommt aus der Welt, und es gibt nur noch Weiber, aber auch keine unglücklichen Weiber mehr, von welchen jetzt Europa voll ist.“ 4)

Über Schopenhauers persönliche Liebesbeziehungen heißt es z. B. in Wikipedia: „Im Jahre 1809 verliebte er sich unglücklich in die elf Jahre ältere 32-jährige Schauspielerin und Opernsängerin Karoline Jagemann, seinerzeit die Geliebte des Herzogs Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach. Er schrieb für sie sein einziges überliefertes Liebesgedicht.“ 5)

Finanziell belastet wurde Schopenhauer durch die Klage, die die damals 47 Jahre alte Näherin Caroline Louise Marqet gegen ihn angstrengt und gewonnen hatte. Sie „hatte Schopenhauer durch ihr lautes Gespräch mit zwei anderen Frauen im Vorzimmer seiner Wohnung derartig in Rage gebracht, dass er sie schließlich unsanft aus dem Haus geworfen hatte. Die derart Behandelte klagte daraufhin gegen Schopenhauer, weil sie von seiner rohen Behandlung ein andauerndes Zittern des Armes zurückbehalten habe. Sie bekam vor dem Kammergericht Recht, und ihr wurde eine Vierteljahresrente von 15 Talern zugesprochen, bis das Zittern wieder verschwunden sei. Zum Urteilsspruch bemerkte Schopenhauer sarkastisch, dass ‚sie wohl so klug sein wird, das Zittern des Arms nicht einzustellen‘. (…). Zu ihrem Tod 20 Jahre später notierte Schopenhauer lakonisch: ‚Obit anus, abit onus‘ (Die Alte stirbt, die Last vergeht). (…)

Ab 1821 unterhielt er mehrere Jahre lang ein Verhältnis mit der damals 19-jährigen Opernsängerin Caroline Medon, er misstraute jedoch ihrem Gesundheitszustand und ihren möglichen Absichten, sodass es nie zu einer Heirat kam. (…)

Bei Ausbruch einer Choleraepidemie in Berlin floh Schopenhauer 1831 – (…) – nach Frankfurt am Main, wo er den Winter verbrachte. Die immer noch mit ihm liierte Medon ging nicht mit ihm aus Berlin fort, da er verlangte, dass sie ihren außerehelichen, damals im neunten Lebensjahr stehenden Sohn Carl Ludwig Gustav Medon (1823–1905) zurücklassen solle; dies führte zum Bruch. Im Alter von 43 Jahren interessierte er sich nochmals für ein junges Mädchen, nämlich die 17-jährige Flora Weiss, die den wesentlich älteren Verehrer jedoch abwies.“ 6).

Arthur Schopenhauer und Judentum
„Über den jüdischen Glauben äußerte sich Schopenhauer eher abschätzig, z. B. bezeichnete er ihn (in Die Welt als Wille und Vorstellung und Parerga und Paralipomena) als ‚roh‘ und ‚barbarisch‘. Er hielt ihn angesichts seiner eigenen pessimistischen Weltsicht für zu optimistisch und machte ihm eine angebliche Unempfindsamkeit gegenüber Tieren zum Vorwurf. Unabhängig davon hatte er im Alltag Kontakte zu einigen Juden. Generell unterstellt Schopenhauer den Gelehrten in der Zeit zwischen der Blüte des Hellenismus und dem Beginn seines eigenen Philosophierens, sich bei der Suche nach der Wahrheit auf Irrwege begeben zu haben und das so genannte ‚Ding an sich‘ an einem falschen Ort – zum Beispiel im Transzendentalen – gesucht zu haben, und er selbst als Philosoph müsse nun gegen die seinerzeit hoch geachteten, aber im Lichte des Systems von Wille und Vorstellung als falsch entlarvten ‚Wahrheiten‘ ankämpfen. Etabliert wurden diese ‚Fehlschlüsse‘ zu einem erheblichen Teil von jüdischen Gelehrten der nach-hellenistischen Zeit.“ 7)