Waldherrenallee
Volksdorf (1952): „Waldherr war die Bezeichnung für den Senator, dem die Verwaltung für die hamburgischen Geestlande oblag. Ansässig am Platz selbst waren jeweils der Waldvogt, der Oberförster und zwei Förster. Alle waren bewaffnet und versahen auch den Polizeidienst.“ 1)
Siehe auch: Waldvogtstraße
Bärbel und Günther Sawitsch schreiben in ihrem Buch „300 Jahre Herrenhaus Wohldorf“ über die Waldherren: „Seit 1449 gab es Waldherren, die im Namen des Hamburger Rates – später des Senats – dem Jagd- und Forstwesen vorstanden. Sie kümmerten sich um die Hege und Pflege des Waldes, trieben aber auch Bodenrenten und Strafgelder ein, sprachen Recht, regelten die Dienste der Bauern und kontrollierten die territorialen Grenzen. Rechnungsbücher aus den Jahren 1461 bis 1469 belegen, dass die Waldherren für damalige Zeiten und Preise nicht unerhebliche Forsterträge erwirtschafteten. Es ist anzunehmen, dass ihnen ein festes, robustes Haus als Amtssitz diente, das wahrscheinlich an der Stelle des jetzigen Herrenhauses [Wohldorfer Herrenhaus] stand. Anfangs waren dort auch Soldaten zum Schutz des Hamburger Besitzes untergebracht. 1487 brennt dieses Haus nieder. (…) 1498 baut Hamburg an dieser Ruinenstätte ein neues Herrenhaus. (…). Natürlich führte die Hamburger Kämmereikasse auch Buch über die Einnahmen aus den Walddörfern, die neben den ständigen Abgaben der Untertanen – dazu gehörten unter anderem Strafgelder - auch Pachteinkünfte sowie Erträge der Forstwirtschaft und der Alsterschifffahrt umfassten. Über alles das hatte der Waldherr zu wachen. Unterstützt wurde er dabei vom Waldvogt und den beiden Waldreitern. Der Waldvogt, der im Dienst der Waldherren stand, war Jägermeister, Polizei- und Gerichtsbeamter in einer Person. Er erhielt Lohn von den Waldherren und alle fünf Jahre ein frisches Pferd. Anfang des 18. Jahrhunderts werden die Verwaltungsgeschäfte immer zeitaufreibender, sodass sich die Waldherren häufig wochenlang im Herrenhaus aufhalten mussten. Sie regelten Hand- und Spanndienste, zu denen die Bauern verpflichtet waren, wiesen Heide- und Weideland an neue Ansiedler oder zur Vergrößerung bestehender Gehöfte aus, untersuchten Holz- und Wilddiebstähle und schlichteten Grenzstreitigkeiten mit benachbarten Gutsbesitzern. Der Waldherr schloss Kauf- und Pachtverträge ab, vereidigte Bauernvögte [siehe Bauernvogtkoppel] und protokollierte darüber hinaus Eheverträge, Erbschafts- und Vermögensteilungen. (…) Es ist anzunehmen, dass das Haus – zu diesem Zeitpunkt mehr als 200 Jahre alt – räumlich nicht mehr den gestiegenen Anforderungen entsprach. Deshalb verständigen sich Senat und Kämmerei im November 1711, das baufällige Gebäude durch einen Neubau zu ersetzen. So wie es die damaligen Waldherren Helwig Sylm und Johann von Som angeregt hatten. (…)
Während der französischen Herrschaft wird das Herrenhaus 1811 meistbietend für 300 Mark jährlich an den Kaufmann Paul Trummer (Vater des Schriftstellers Dr. Carl Trummer) [siehe: Trummersweg] verpachtet, (…). 1816 bittet er den Senat, von seinem noch bis 1820 laufenden Vertrag zurücktreten zu dürfen, was der Senat ein Jahr später genehmigte. 1818 protokolliert Senator Jenisch [siehe: Jenischstraße], dass das Herrenhaus den Waldherren wieder zur Verfügung stehe. 1820 wird es wieder möbliert. Für den damaligen Waldherren Johann Heinrich Bartels [siehe: Bartelsstraße] der noch im selben Jahr Bürgermeister von Hamburg wird, ist das Haus in dieser Zeit der ‚angenehmste Aufenthalt‘. (…).
Nach dem Abzug der Franzosen wurde zunächst die alte Ordnung wiederhergestellt. (…) Nach jahrelangen Verhandlungen zwischen Rat und Bürgerschaft trat schließlich zwischen 1830 und 1835 eine grundlegende Neugliederung des Hamburger Landgebietes in Kraft. Die geistlichen Gebiete wurden aufgehoben und mit dem übrigen Landgebiet vereinigt. Anschließend wurde dieses in nur noch zwei Landherrenschaften (Marschlande und Geestlande) eingeteilt. Im Jahre 1830 endete die Waldherrenschaft. Sämtliche zum hamburgischen Geestgebiete gehörenden Ortschaften gehen in den Verwaltungsbezirk der Landherrenschaft der Geestlande über. Der letzte Waldherr war der Senator und spätere Hamburger Bürgermeister Amandus Augustus Abendroth [siehe: Abendrothsweg]; (…). Die Verwaltung der Walddörfer übernahm Hamburg. Die neuen Behörden wechselten in die Stadt.“ 2)
In den Hamburger Walddörfern wird noch heute das Waldherrenmahl zelebriert. 2020 berichtete das Alstertal Magazin: „Aufgabe der ‚Waldherren‘ war es früher, jährlich in den Walddörfern per Hammerschlag Bäume zu markieren, die für den Einsatz in der Stadt vorgesehen waren. Das Museumsdorf Volksdorf und der Verein ‚De Spieker‘ haben diese Tradition wiederbelebt und wählen jährlich einen neuen Waldherren. Diesmal war es mit Andreas Dressel nicht nur (wieder) wie in alten Zeiten ein Senator, sondern ein Volksdorfer noch dazu, der überdies im Gegensatz zu früheren Trägern dieses Titels auch in nächster Nähe zum Museumsdorf wohnt und daher einen kurzen Weg zum dortigen ‚Waldherrenmahl‘ hatte, bei dem er geehrt wurde und mit einem symbolischen Hammerschlag auf ein Stück Holz seinen Posten bestätigte.
(…). Amtsvorgänger Dressels auf dem Posten des Waldherren waren u.a. der spätere Bürgermeister Peter Tschentscher, Grünen-Chefin Katharina Fegebank und die Kultursenatoren Dr. Carsten Brosda und Prof. Barbara Kisseler. (…).“ 3)