Fanny-David-Weg
Bergedorf/Lohbrügge, seit 1964 benannt nach Fanny David (2.12.1892 Berlin – am 23.6.1943 nach Theresienstadt deportiert, am 28.10.1944 nach Auschwitz weiterdeportiert), jüdisches Opfer des Nationalsozialismus. Fürsorgeinspektorin, seit 1933 in der Jüdischen Beratungsstelle für Auswanderer tätig
Stolperstein vor dem Wohnhaus Haynstraße 5.
Mit der Benennung des Fanny-David-Wegs wurde erstmals 1964 eine Verkehrsfläche nach einem weiblichen Opfer des Nationalsozialismus benannt. 16 Jahre zuvor war erstmals eine Verkehrsfläche nach einem männlichen Opfer des Nationalsozialismus benannt worden (siehe Walter-Schüler-Weg). Erst 1982 wurde wieder eine Straße nach einem weiblichen Opfer des NS-Regimes benannt: nach Clara und Walter Bacher (siehe: Bacherweg). 1971 war zwar auch schon eine Straße nach einem weiblichen Opfer des Nationalsozialismus benannt worden, doch stand bis Ende 1993 auf dem Erläuterungsschild lediglich "Philologin". Es handelte sich um Prof. Dr. Agathe Lasch, Hamburgs erster Hochschulprofessorin. Später wurde das Schild ergänzt um die Hinweise: erste Professorin auf einem Lehrstuhl an der Hamburger Universität und Opfer des Nationalsozialismus. Ab den 1980-er Jahren wurde dann bis heute eine eindrucksvolle Anzahl von Straßen nach weiblichen Opfern des NS-Regimes benannt.
Fanny wurde als ältestes Kind des Kaufmanns Max David und seiner Ehefrau Martha, geborene Brach, in Berlin geboren. Um 1900 siedelte die Familie nach Altona über, wo der Vater, wie bereits in Berlin, ein Geschäft für Wein- und Spirituosen-Import betrieb. Max David starb 1929.
Laut Adressbuch von 1933 wohnte Fanny David in Hamburg am Kämmererufer 10. Nun folgte ein Umzug in den Hauersweg 18 I, wo sie bis April 1939 zusammen mit ihrer Mutter lebte. Zum 5. April 1939 musste sie mit ihrer Mutter in ein „Judenhaus“ in der Haynstraße 5 umziehen; auch Fannys Schwester Irma zog zwangsweise in die zwei Zimmer im Parterre. Weitere Zwangsumzüge für die drei Frauen folgten: am 7. April 1942 ins „Judenhaus“ Ostmarkstraße 24 (heute Hallerstraße) und zum 1. September 1942 ordnete die Gestapo die Umquartierung in das „Judenhaus“ Beneckestraße 4 an. Seit dem 11. Juni 1943 standen die Bewohner des Gebäudekomplexes Beneckestraße 2-6 unter Hausarrest. Von dort wurden alle drei Frauen am 23. Juni 1943 mit dem 14. Transport nach Theresienstadt deportiert.
Fanny, die in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen aufgewachsen war, engagierte sich „in der praktischen und politischen Wohlfahrtsarbeit und trat in das 1921 neu gegründete Wohlfahrtsamt Hamburg ein“. Für ihre verantwortungsvolle Aufgabe brachte sie laut Werner Jochmann „besondere Voraussetzungen mit: gute Menschenkenntnis, Geduld und Verständnis, sowie innere Ausgeglichenheit selbst in schwierigen Situationen und bei extremen Belastungen“. Aufgrund ihrer fachlichen und sozialen Kompetenz wurde sie bald zur Inspektorin ernannt und weiter befördert.
Die Beamtin des gehobenen und mittleren Verwaltungsdienstes Fanny David leitete als einzige Frau von 1930 bis 1933 die Hamburger Wohlfahrtsstelle im Stadtteil Barmbek. In dieser Position gehörte sie zum Beraterkreis des Präsidenten des Wohlfahrtsamtes. 1932 zur Oberinspektorin ernannt, war sie bei Bewohnerinnen und Bewohnern ihres Stadtteils äußerst beliebt, da diese „spürten, dass nicht nur ein Beamter vor ihnen saß, …sondern ein Mensch, der am Schicksal jedes einzelnen Anteil nahm…“.
Nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentum am 4. April 1933 wurde sie als Jüdin und Sozialdemokratin fristlos entlassen. Auf Bitten des Vorstandes der Jüdischen Gemeinde arbeitete sie in der Folge als „erfahrene und charakterstarke Frau“ in der neugegründeten Beratungsstelle. 1939 übernahm sie die Leitung des Wohlfahrtswesens in der Jüdischen Gemeinde Hamburgs. Als Stellvertreterin des Leiters der Hauptabteilung Fürsorgewesen übte sie seit Herbst 1939 „Arbeiten zur Zwangsüberleitung der gesamten öffentlichen Fürsorge für Juden auf den Jüdischen Religionsverband“ aus, als das NS-Regime Juden von staatlichen Leistungen ausschloss.
Nachdem alle jüdischen Organisationen aufgelöst worden waren, wurden am 23. Juni 1943 die letzten Angestellten des „Jüdischen Religionsverbandes“ nach Theresienstadt deportiert. Unter den Deportierten befanden sich auch Fanny, ihre jüngere Schwester Irma Zancker, sowie ihre Mutter Martha David. Auf den Kultussteuerkarten von Fanny und ihrer Mutter wurde vermerkt: „deportiert 23/6 43“, ein ungewöhnlicher Hinweis, da eigentlich der gewollt irreführende Vermerk „Abwanderung“ oder „Evakuierung“ gebräuchlich war. Aufgrund ihrer Tätigkeit war Fanny relativ gut über das weitere Schicksal der deportierten Juden informiert, das nun auch sie selbst, ihre Schwester und ihre Mutter traf.
In Theresienstadt wurde Fanny in unterschiedlichen Arbeitskolonnen, u. a. in der Putzkolonne eingesetzt, bis sie in der Lagerselbstverwaltung tätig war.
Die beiden Schwestern lebten mit ihrer Mutter unter „erbärmlichen Verhältnissen“, die sich noch verschlechterten, nachdem Fanny durch ihren „Aufstieg“ in die Lagerselbstverwaltung als „prominent B“ eingestuft wurde. Dieser „Ehrung“ folgte ein Umzug „in eine standesgemäße Ubikation“, die sich als „dunkles kleines Gelass“ erwies, welches die drei Frauen mit einer weiteren Person teilen mussten.
Käthe Starke beschrieb in ihrem Buch die Situation, als Fanny im Oktober 1944 den eigenen und den Namen ihrer Schwester auf der Transportliste nach Auschwitz gelesen hatte:.. „als sich die Tür erneut öffnete und Fanny David in bester Haltung aber ganz tonlos sagte:.. ‚wir sind dabei‘. – Das harte Licht zeichnete die Schatten des Zerfalls in ihre Züge, die wir anstarrten, während wir zu begreifen versuchten. ‚Wie gut, dass Mutter nicht mehr lebt‘, sagte sie. Fanny traf letzte Bestimmungen und übergab Käthe Starkes Schwester die Hamburger Transportlisten, die sie heimlich geführt und um Transport- und Todesdaten ergänzt hatte. ‚Ich sehe mich schon mit geschorenem Kopf‘, sagte Fanny und schluchzte ein einziges Mal trocken auf, ‚ich hab solche Angst.‘“ Am nächsten Morgen, dem 28. Oktober 1944, erfolgte der Abtransport. Die von Fanny geführten Listen konnten gerettet werden.
1964 wurde eine Straße in Hamburg-Lohbrügge nach Fanny David benannt.
Seit 1993 gibt es im Hamburger Stadtteil Groß Borstel einen Geschwister-Beschütz-Bogen
Text: Ulrike Graubner, entnommen aus: www.stolpersteine-hamburg.de