Frahmstraße
Blankenese (1949): Peter Heinrich Frahm (15.7.1871 Blankenese – 28.5.1947 Bad Salzuflen), Gemeindevorsteher in Blankenese
Die Frahmstraße hieß ursprünglich Bleicherstraße, nach dem Gewerbe der Bleicher, die unerwünschte Färbungen unter anderem aus Stoffen entfernten. 1928 wurde die Straße zunächst umbenannt in Freiligrathstraße; 1949 erhielt sie ihren heutigen Namen. Der dem zugrunde liegende Beschluss wurde bereits in der NS-Zeit getroffen, um die Doppelbenennung zweier Straßen infolge der Umsetzung des Groß-Hamburg-Gesetzes von 1937 und der Eingemeindung u. a. von Altona, Harburg-Wilhelmsburg und Wandsbek aufzulösen (vgl.: Staatsarchiv Hamburg, Registratur Staatsarchiv AZ. 1521-1/5 Band 3-5. Straßennamen (neue Kartei), alphabetisch geordnet mit Hinweisen).
Heinrich Frahm war der Sohn eines Blankeneser Zigarrenmachers, seine Mutter stammte aus Groß-Flottbek, er hatte zwei jüngere Brüder. Die Familie wohnte in der damaligen Blankeneser Magdalenenstraße (heute Dormienstraße), Ecke Bahnhofsstraße; hinter der Wohnung lag die Fabrik, in der der Vater außer Zigarren auch Kautabak herstellte.1) Die Rohstoffe dafür – Tabakblätter – wurden stets fast ausschließlich unter Ausbeutung und Versklavung der Bevölkerung aus afrikanischen und südamerikanischen Kolonien geerntet und importiert (unter anderem aus den damaligen deutschen Kolonien Kamerun, Togo und Deutsch-Ostafrika sowie im Zuge des transatlantischen Dreieckshandels, an dem Hamburg als Hafenstadt beteiligt war). Als ältester Sohn übernahm Heinrich Frahm die Fabrik des Vaters und wurde ebenfalls Zigarrenmacher. In seiner Freizeit betätigte er sich als Turner beim Blankeneser Männer-Turnverein, außerdem sang und dichtete er gern.2) Ab 1895 war er zudem Mitglied im Deutschen Roten Kreuz.3) Von 1905 an leitete er zusätzlich die Geschäftsstelle Blankenese der Westholsteinischen Bank (auch Westbank, später Vereins- und Westbank). Außerdem engagierte er sich im Kommunalverein Dockenhuden, spätestens 1910 wurde er dessen Vorsitzender. Bereits 1907 hatte er für den Reichstag kandidiert, allerdings ohne Erfolg. Darüber hinaus war er Mitglied des Kirchenvorstandes und der Freimaurerloge Eintracht an der Elbe.4)
1915 wechselte Frahm den Beruf und übernahm den Posten des Dockenhudener Gemeindevorstehers. Rund vier Jahre später, 1919, schlossen sich Dockenhuden und Blankenese zur Gemeinde Blankenese zusammen und Frahm wurde ihr Vorsteher. „Als Typ ein ,Hanseat’, der etwas darstellt, korrekt, rechtschaffen, ehrlich“ – so wird er 1994 in einem biografischen Text der Zeitschrift des Blankeneser Bürgervereins nach Aussagen seiner Tochter charakterisiert.5) 1925 trat er in den Deutschen Beamtenbund ein, außerdem war er Mitglied der liberalen Deutschen Demokratischen Partei.6) In seiner Amtszeit erwarb Frahm mehrere der bis dahin privaten Parks in Blankenese für die Gemeinde, darunter Baurs Park (1922), den Goßlers Park (1924 mitsamt dem Goßlers Haus, das nach einem Umbau als Blankeneser Rathaus diente), den Hirschpark (ebenfalls 1924) und den Hessepark (1926). Dafür erhielt die Gemeinde unter anderem einen Kredit von der preußischen Landesregierung in Berlin. Die Rückzahlung erfolgte durch teilweise Parzellierung der Parkgelände und Verkauf der Parzellen als Villengrundstücke. Unter Heinrich Frahm als Gemeindevorsteher erfolgte zudem der Bau der Richard-Dehmel-Schule, einer Volks- bzw. Grundschule, die seit 1937 Gorch-Fock-Schule heißt. 7)
1927 wurde die Gemeinde Blankenese nach Altona eingemeindet. Die entsprechenden Planungen waren auf Widerstand bei vielen Bewohnerinnen und Bewohnern gestoßen und Heinrich Frahm hatte bis zuletzt versucht, die Abgeordneten des preußischen Landtags und den damaligen preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun umzustimmen. 8) Mit der Eingemeindung verlor er seine Stellung als Gemeindevorsteher und ging zurück ins Bankgewerbe. Noch im selben Jahr wurde er Direktor der städtischen Sparkasse der Stadt Altona. 9)
Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten trat Heinrich Frahm 1934 der NS-Volkswohlfahrt (NSV) und damit einem an die NSDAP angeschlossenen Verbände bei. Außerdem wurde er Mitglied des Nationalsozialistischen Reichskolonialbundes (RKB), der zu den von der NSDAP betreuten Organisationen gehörte.
Die NSV als zweitgrößte NS-Massenorganisation unterstand dem Hauptamt für Volkswohlfahrt bei der NSDAP-Reichsleitung und der Finanzaufsicht des NSDAP-Reichsschatzmeisters. Ihren Status und ihre Aufgabe schrieb Hitler im Mai 1933 in einer Verfügung fest: „Die NS-Volkswohlfahrt (e. V.) wird hiermit als Organisation innerhalb der Partei für das Reich anerkannt. Sie ist zuständig für alle Fragen der Volkswohlfahrt und Fürsorge und hat ihren Sitz in Berlin.“10) Zur „Volkswohlfahrt“ gehörten das Hilfswerk „Mutter und Kind“, Kindertagesstätten, die Jugendhilfe und das „Winterhilfswerk des Deutschen Volkes“. Da die NSV vordergründig nichts mit der NS-Ideologie zu tun haben schien, erschien die Mitgliedschaft dort auch jenen annehmbar, die „dem Regime eher zögernd oder kritisch gegenüberstanden, aber aus Opportunitätsgründen in eine Parteiorganisation eintreten wollten.“11)
Tatsächlich hatte die NSV aber die Erziehung der Bevölkerung zur „Volksgemeinschaft“ zum Ziel und war damit auch klar eugenisch orientiert. Dies formulierte der Leiter des NSV-Amtes für Wohlfahrtspflege und Jugendhilfe, Hermann Althaus, 1936 in seiner Schrift „Nationalsozialistische Volkswohlfahrt“ unmissverständlich: „Aus dieser weltanschaulichen Einstellung heraus ist eine Wohlfahrtspflege nationalsozialistischer Prägung grundsätzlich erbbiologisch und rassenhygienisch orientiert. (…) Sie übt keine aussichtslose, das Volksvermögen verschleudernde Fürsorge der Erbkranken, sondern eine aufbauende Vorsorge für die Erbgesunden. (…) Um der Gesunderhaltung unseres Volkes willen muss darum eine nationalsozialistische Volkswohlfahrt eine Befürwortung Minderwertiger ablehnen bzw. auf ein Mindestmaß einschränken unter gleichzeitiger Abdrosselung des kranken Erbstromes.“12)
Der RKB wiederum bündelte zwischen 1933 und 1943 alle deutschen Kolonialorganisationen. Vorsitzender war bis 1936 Heinrich Schnee, ihm folgte Franz Ritter von Epp, bereits seit 1934 Reichsleiter des Kolonialpolitischen Amtes der NSDAP. Aufgabe des RKB war, „den kolonialen Gedanken ins ganze deutsche Volk zu tragen“.13) Dazu organisiert er Ausstellungen, Vorträge sowie Fachtagungen und gab regelmäßig entsprechende Publikationen heraus. Auch der RKB mag kritisch-opportunistischen Deutschen als NS-ideologieferne Organisation erschienen sein, gleichwohl vertrat er durch sein Eintreten für die Zurück-„Gewinnung“ der ehemaligen deutschen Kolonien eine rassistische Denkweise, die tatsächlich ausgezeichnet zur NS-Ideologie passte. Frahms Mitgliedschaft war wahrscheinlich auch dadurch begründet, dass er als ehemaliger Zigarrenfabrikant eine berufliche Nähe zum Kolonialismus hatte, da es sich bei seinen Rohstoffen um Kolonialprodukte handelte.
Der Deutsche Beamtenbund, in dem Frahm Mitglied gewesen war, wurde 1933 aufgelöst und ging in dem neu gegründeten, gleichgeschalteten Reichsbund der Deutschen Beamten (RDB) als Einheitsorganisation der Beamtenschaft an die NSDAP auf. Seinen eigenen Angaben zufolge, blieb Frahm Mitglied.14) Zu den Aufgaben des RDB zählten die „Erziehung und Schulung der Beamten im Sinne des Nationalsozialismus, also die Durchdringung der Beamtenschaft mit nationalsozialistischem Gedankengut und damit die Unterstützung der politischen Maßnahmen des nationalsozialistischen Staates sowie die Ausübung von Fürsorgemaßnahmen“.15) Er war dem Hauptamt für Beamte der NSDAP zugeordnet, das als selbstständiges Hauptamt zur Reichsleitung der NSDAP gehörte. Der RDB bestand aus 14 Fachschaften und war nach dem Führerprinzip organisiert.
Das Deutsche Rote Kreuz, in dem Heinrich Frahm seit Jahrzehnten Mitglied war, wurde 1937 als eigenständige Organisation aufgelöst und der Aufsicht des Reichsinnenministeriums unterstellt. Es zählte nun zu den „Sonstigen Organisationen“ deren Mitgliedschaft im Entnazifizierungsfragebogen der britischen Besatzer ebenfalls abgefragt wurde. 1933 war es gleichgeschaltet worden, geschäftführender Präsident war seit 1937 der SS-Oberführer Ernst Robert Grawitz 16), der als Reichsarzt SS mitverantwortlich zeichnete für Menschenversuche an KZ-Häftlingen.17) Grawitz hatte die Hilfsorganisation nach dem Führerprinzip umorganisiert und anschließend mitgeteilt: „Heute steht ein neues, schlagkräftiges Deutsches Rotes Kreuz, in soldatisch-straffer Form organisiert und nationalsozialistisch geführt, zu jedem Einsatz bereit.“18) So gehörte zu den wichtigsten Aufgaben des DRK seit der Neuschaffung der Wehrmacht 1935 die Mobilmachung. Spätestens ab 1938 lässt sich zudem eine enge Verbindung der DRK-Führungsspitze zur SS feststellen: Von den 29 Mitgliedern der gesamten DRK-Führung waren 18 hohe SS-Führer.19)
Zum 1. Januar 1934 wurde Heinrich Frahm als Sparkassendirektor in Altona vorzeitig in den Ruhestand entlassen – laut seinen eigenen Angaben im Entnazifizierungsfragebogen aufgrund der „Verordnung zur Sicherung der Staatsführung“ vom 7. Juli 1933. 20) Diese bezieht sich auf eine Mitgliedschaft u. a. in „gemeindlichen Selbstverwaltungskörpern“.21)
Nach Angabe seiner Tochter zog Heinrich Frahm 1941 aus gesundheitlichen Gründen – er litt an chronischem Asthma und vertrug die Blankeneser Luft nicht mehr – nach Bad Salzuflen.22) Dort arbeitete er von Januar bis Juli 1943 noch vertretungsweise als Standesbeamter.23) Am 27. Mai 1947 starb er an Krebs. Sein Grab befindet sich auf dem Blankeneser Friedhof in der Erbbegräbnisstätte seiner Familie.24)
Nach Heinrich Frahms Tod wurde die Freiligrathstraße in Dockenhuden 1949 in Frahmstraße umbenannt.
Text: Frauke Steinhäuser