Meyerbeerstraße
Rahlstedt (1951): Giacomo Meyerbeer (5.9.1791 Tasdorf bei Berlin – 2.5.1864 Paris), Opernkomponist. Freimaurer
Siehe auch: Wagnerstraßenbrücke
Siehe auch: Lyserstraße
Siehe auch: Weberstraße
Die Straße hieß früher Freiligrathstraße. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg, Registratur Staatsarchiv AZ. 1521-1/5 Band 3-5: Straßennamen (neue Kartei), alphabetisch geordnet mit Hinweisen).
Jakob Meyer Beer – 1810 ließ er seinen Namen zu Meyerbeer zusammenziehen – war der Sohn von Amalie (Malka) Liebmann Meyer Wulff und des Zuckerproduzenten und Bankiers Jacob Herz Beer.
Seine Mutter entstammte einer finanziell reichen Familie, ihr Vater wurde „Krösus von Berlin“ genannt. Er hatte sein Vermögen mit Fourrage-Lieferungen für die preußischen Truppen und als Chef der preußischen Zahlenlotterie gemacht. Meyerbeers Vater besaß mit seiner Zuckersiederei Niederlassungen in Hamburg und Italien und wurde 1815 als reichste Einzelperson der Stadt Berlin bezeichnet. Er war Mitglied des Ältestenrats der Jüdischen Gemeinde und setzte sich für die Judenemanzipation ein. Folglich war Giacomo Meyerbeer bereits in seiner Kindheit und Jugend „mit den Problemen seiner jüdischen Abstammung konfrontiert. Im Gegensatz zur Familie Mendelssohn konvertierten die Beers nicht und Meyerbeer legte 1812 ein förmliches Gelübde gegenüber seiner von ihm innig verehrten Mutter ab, stets in der Religion seiner Väter zu leben.“ 1)
Amalie Beer, Mutter von vier Söhnen, führte in ihrem Haus einen literarischen Salon. „Der Salon der Amalie Beer [war] neben dem Salon der Familie Mendelssohn Bartholdy [siehe: Mendelssohnstraße] der einzige bedeutende musikalische Salon im Berlin der 1820er Jahre, [er] ragt dadurch hervor, dass er seine eigentliche Blüte nicht vor, sondern nach den Befreiungskriegen (1813/15) erlebte, wenngleich die Anfänge von musikalischer und literarischer Geselligkeit im Hause Beer zurück bis ins Jahr 1800 reichen. Soziologisch gesehen überwog in seinem Publikum eindeutig das Bürgertum. Dennoch zog er wichtige Vertreter des Adels und der politischen Eliten an: So gehörten zu den persönlichen Freunden der Gastgeberin der spätere König Friedrich Wilhelm IV. und sein Bruder Prinz Wilhelm, der spätere erste deutsche Kaiser, die beide auch an ihrem Leichenbegängnis teilnahmen. Unter ihren Habitués fanden sich fast alle großen Komponisten und Virtuosen der Frühromantik, darunter ihr eigener Sohn Giacomo Meyerbeer, sowie Schauspieler, Sänger, Schriftsteller und Gelehrte. Mit zwei anderen großen Salonnièren der Zeit, Rahel Varnhagen [siehe: Rahel-Varnhagen-Weg] und Hedwig von Olfers, stand sie in Verbindung.“ 2) Im Haus befand sich sogar ein Konzertsaal, in dem musiziert wurde.
Friedrich Wilhelm III. verlieh Amalie Beer wegen ihrer karitativen Tätigkeit während der Freiheitskriege 1816 die Verdienstmedaille am Bande des Luisen-Ordens. Dazu heißt es in Wikipedia: „Der Prozess der Ordensverleihung zog sich allerdings über eineinhalb Jahre hin. Drei Mal wurde sie vorgeschlagen, zwei Mal lehnte König Friedrich Wilhelm III. ab. Der König, der durch das Judenedikt 1812 bereits eine weitgehende rechtliche Emanzipation der Juden in Preußen durchgesetzt hatte, war offenbar in Sorge, dass sich die praktizierende Jüdin Beer durch eine Auszeichnung mit dem – dem Christentum entlehnten – Kreuzsymbol in ihren religiösen Gefühlen verletzt fühlen konnte. Letztendlich bewilligte er die Verleihung des Ordens in der abweichenden Form eines kreisrunden allgemeinen Ehrenzeichens. (Später wurde bestimmt, dass auch andere nichtchristliche Empfängerinnen den Orden ohne das Kreuz erhalten konnten.).“3)
Giacomo Meyerbeer wurde von höfischen Hauslehrern erzogen und bekam schon früh eine musikalische Erziehung. Bereits im Alter von neun Jahren trat er als klavierspielendes Wunderkind in der Öffentlichkeit auf. Heinz und Gudrun Becker schreiben in ihrer Biografie über Giacomo Meyerbeer dazu: „Juden, die zu dieser Zeit in Preußen noch nicht einmal das Bürgerrecht genossen, hatten sich bisher im öffentlichen Musikleben nicht hervorgetan. Meyerbeer fiel die historische Aufgabe zu, die Beteiligung jüdisch Gläubiger in der europäischen Musikszene einzuleiten. Es war kein leichter Weg und noch 1821 witzelte Carl Friedrich Zelter [bei ihm hatte Meyerbeer Komposition studiert, R.B.], als er Goethe [siehe: Goetheallee] den jungen Mendelssohn empfahl: ‚…es wäre wirklich einmal eppes Rores, wenn aus dem Judensohn ein Künstler würde.‘“ 4)
Giacomo Meyerbeer tendierte immer mehr zur dramatischen Komposition; und so wechselte er von Zelter zu dem Königlichen Opernkapellmeister Bernhard Anselm Weber und dann zum Abbé Joseph Georg Vogler. „In Gemeinschaft mit Carl Maria von Weber [siehe: Weberstraße] und Johann Gänsbacher durchlebt Meyerbeer hier seine künstlerische Gesellenzeit und eignet sich umfassende Kenntnisse im Kontrapunkt und in der dramatischen Komposition an.“5)
Nachdem Meyerbeer 1812 seine Ausbildung beendet hatte und in verschiedenen Städten seine Opern aufführte, ging er 1816 nach Italien, wo er acht Jahre verblieb und sechs Opern mit großem Erfolg zur Aufführung brachte. 1824 erhielt er den Auftrag seine Oper „Crociato“ in Paris aufzuführen. Paris war schon seit seiner Jugend Ziel seiner musikalischen Träume gewesen.
Doch als sein Vater 1825 starb, musste er als „ältestes männliches Mitglied seiner Familie, sich einen eigenen Hausstand (…) gründen. Am 25. Mai 1826 verehelichte er sich in Berlin mit seiner Kusine Minna Mosson (1804-1886), der Tochter einer jüngeren Schwester seiner Mutter. (…) Die erstgeborenen Kinder Alfred und Eugenie sterben noch im Babyalter, die drei nachfolgenden Töchter, Blanka (1830-1896, spätere Baronin v. Korff), Cäcilie (1837-1931, spätere Baronin Andrian Werburg) und Cornelia (1842-1922, verehelicht mit dem kaiserlichen Hofmaler Gustav Richter) überlebten die Eltern.“ 6)
Obwohl sein Wohnsitz Berlin blieb, weilte Meyerbeer meist in Paris, wo er mit seinen Opern große Triumpfe feierte. Seine Ehefrau und die Kinder zogen nicht mit nach Paris und seine Frau begleitete ihn auch nicht auf seinen vielen Reisen und zu seinen Aufenthalten in verschiedene deutsche und europäische Städte, wo seine Opern aufgeführt wurden. So war er dann auch nicht bei der Geburt seiner Kinder anwesend. Als 1830 die Tochter Blanca in Baden-Baden geboren wurde, wo Meyerbeers Ehefrau oft die Sommermonate verbrachte, weilte Meyerbeer in Paris und machte sich Sorgen um das Befinden von Frau und Neugeborenem. So schrieb er an Marie Patzig, einer Bediensteten, die für seine Ehefrau arbeitete: „Mein wertes Fräulein! Empfangen Sie meinen innigsten Dank für die gütigen Mitteilungen und genehmigen Sie meine dringende Bitte, mich auch noch in den nächsten 14 Tagen mit einem täglichen Bulletin über das Befinden der Mutter und des Kindes zu erfreuen. In diesen ersten Wochen, wo noch jeder Tag Veränderungen in dem Befinden der Wöchnerin und des Kindes herbeiführen kann, und ich daher Minna jede Stunde sehen möchte, erzeigen Sie mir daher nicht nur eine wahre Wohltat durch Ihre täglichen Mitteilungen, sondern das Außenbleiben derselben würde mich den Qualen ängstlicher und unglücklicher Vermutungen preisgeben, zu denen das menschliche Herz in der Entfernung von den Seinigen, nur allzu geneigt ist. (…).“ 7)
Mit seiner Ehefrau hatte Meyerbeer bereits zwei Kinder verloren, die in ihren ersten Lebensmonaten gestorben waren.
Während Giacomo Meyerbeers Abwesenheiten schrieb sich das Ehepaar regelmäßig Briefe. Meyerbeer redete seine Frau darin mit „Teures angebetetes Weib!“, „Abgott meiner Seele, süße Lilie“ oder „Teure angebetete Herzenskönigin“ an. In seinen Briefen berichtete er u. a. über seine Erfolge und Misserfolge, über die Reaktionen des Publikums und die Arbeit mit den Orchestern und Sängerinnen und Sängern; und schickte seiner Frau Zeitungen, in denen über seine Opernaufführungen berichtet wurde. Meyerbeer äußerte in seinen Briefen auch seine Sehnsucht nach Frau und Kindern. So schrieb er am 24.6.1832 aus Berlin an seine Frau, die in Baden-Baden weilte: „zwei bis 3 Tage muß ich hier noch ausruhen, ehe ich abreise, denn ich bin über allen Ausdruck fatiguiert, dann eile ich mit Blitzesschnelle zu Dir, meine geliebte süße Lilie, und wir wollen, gefällt es Gott, ruhige frohe Tage miteinander und dem Kinde verleben.“ 8)
Bei vielen Menschen schleicht sich, wenn sie so viel von der Geliebten abwesend sind, das Gefühl von Eifersucht in die Seele, so auch bei Meyerbeer. Er schreibt am 6. 10. 1834 an sein „Teures angebetetes Weib! Seitdem ich das Glück habe, Dein liebes Herz und Deine Hand zu besitzen, darf ich sagen, nicht nur die Qual der Eifersucht nicht gekannt zu haben, sondern auch die Furcht davor mir kaum denken zu können. Deine zarte innere Seelen-Reinheit, Dein würdevolles äußeres Benehmen, der strenge und richtige Maßstab, den Du von Frauenwürde und ihrem Standpunkt zu Männern anlegst, und endlich die unbegrenzte Liebe und Anbetung Deines Mohren [Meyerbeer nannte sich selbst so, R. B.], der nur in Deiner Gegenliebe und unserm Kinde das ganze Glück und den Zweck seines Lebens sucht, lassen die leiseste Spur von Eifersucht in mir nicht aufkommen, und ich glaube an Deine Tugend und Treue so fest, wie ich an alles Gute und wahre glaube. Und doch genügt deinem ungenügsamen Mohren dieser Glaube nicht, und ich wäre unaussprechlich unglücklich, wenn irgend ein Mensch auf der Welt, und sollte es die unbedeutendste Klatschschwester in Baden sein, ein Haarbreit anders als ich denken könnte. Nun schreibst Du mir von mehreren fremden jungen Leuten, von Männern, die Du selbst als Fatz und Dandy de naissance et par gout (= dem Herkommen und der Haltung nach) charakterisierst, die Dich besuchen, um das Kind kennen zu lernen. Deine mütterliche Eitelkeit kann das vielleicht glauben, aber wenn junge Leute eine schöne junge Frau besuchen, so wird das niemand anders als die Eltern auf den Wunsch beziehen, ein 4jähriges Kind kennen zu lernen. Mich dünkt, meine Einzige, während meiner Abwesenheit, ohne Alentour (= Umgebung) eines männlichen Verwandten, Deine Mutter nicht einmal in derselben Etage mit Dir wohnend, ist es nicht geraten, daß Du Besuche (wie wenig es auch sein mögen) von jungen Männern annimmst, besonders von solchen, die ich und Du früher nicht kannten. Willst Du das Eifersucht nennen, so ist es nur Eifersucht auf den Glanz Deines Rufes, der vor den Augen der Welt eben so hell strahlen soll wie in meiner Seele. Denn ich wiederhole es, an Deine Liebe und Treue glaube ich felsenfest, sonst würdest Du mich wohl noch früher als diese Zeilen in Baden erblicken. Was Alfred de Musset betrifft, der sich Dir präsentieren lassen will, so ist das ein bekannter Schriftsteller unter den Romantikern, und mir persönlich bekannt. Dieser letzten Ursache halber, empfange ihn ein- oder zweimal, denn er kann außerdem mir gefährlich sein. Breche aber mit aller Artigkeit die Bekanntschaft bald ab. Jemand der in seinen Schriften so alle Sittlichkeit verspottet wie er, ist nicht würdig mit einem tugendhaften Weibe umzugehen. Außerdem ist er leider viel jünger und viel schöner als ich. (…).“ 9)
Giacomo Meyerbeer, der in der Fremde und in der Abwesenheit von seiner Frau von ihr im Nachtpeignoir (= Nachtgewand) träumte, hatte seine größten Erfolge in Paris. „Hier gelingt ihm 1831 mit der Premiere von ‚Robert le Diable‘ (…) eine bis dahin nicht gekannte Opernsensation. Der Erfolg dieser Oper eilt in kürzester Zeit um die Welt und Meyerbeer ist mit einem Schlage der renommierteste Opernkomponist seiner Zeit“, 10) schreiben Heinz und Gudrun Becker in ihrer Meyerbeer-Biografie. Und sie informieren über den weiteren Werdegang von Meyerbeer, wobei sie die Ressentiments, denen Meyerbeer wegen seines jüdischen Glaubens ausgesetzt war, nicht außer Acht lassen: „Die ‚Hugenotten‘ (1836) überflügeln noch den spektakulären Erfolg des ‚Robert‘ bis 1900 erreichen sie in Paris 1000 Aufführungen. Obwohl Meyerbeer der erste – und einzige – gebürtige Berliner Komponist ist, der es zu Weltruhm bringt, verschließt Berlin den ‚Hugenotten‘ die Pforten seines Theaters. Das Oberzensurkollegium lehnt die Aufführung der Oper aus religiösen Gründen ab. (…) Erst mit dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelm IV. (1842) lockern sich die Zwänge der Zensur in Preußen ein wenig und nun lernen auch die Berliner die berühmte Oper ihres Landsmannes kennen.
Noch im gleichen Jahr beruft der neue König Meyerbeer als Nachfolger Spontinis zum Generalmusikdirektor nach Berlin. (…) Mit Meyerbeer tritt 1842 zum ersten Male ein Ungetaufter in Preußen ein öffentliches und noch dazu hohes Amt an. (…) Meyerbeer scheidet schon 1846 de facto aus seinen offiziellen Funktionen aus und wird auf unbestimmte Zeit beurlaubt, lediglich die Leitung der Hofmusik behält er bei. (…) Von seiten der königlichen Familie, vor allem der Prinzessin Augusta [siehe: Augustenpassage]– der späteren Kaiserin – erfährt Meyerbeer jede nur denkbare Unterstützung und Anerkennung, die Berliner Öffentlichkeit und im weiteren Sinne, die deutsche Musikwelt verhält sich dagegen reserviert, gelegentlich, in der Musikkritik, sogar feindlich. In einer Zeit des wachsenden Nationalismus und im Nachhall der Napoleonherrschaft kann man dem Hauptvertreter der französischen großen Oper in seinem Heimatland nicht unbefangen gegenübertreten. (…) Wagners [siehe: Wagnerstraßenbrücke] spätere Ausfälle, die in seiner Schrift ‚Das Judentum in der Musik‘ (in der Meyerbeer angesprochen, aber nicht namentlich genannt wird) gipfeln; bringen in gefährlicher Weise die Komponente des Antisemitismus ins Spiel. In Frankreich hingegen wird Meyerbeer, der 1849 nach der Premiere des ‚Propheten‘ zum Kommandeur der Ehrenlegion ernannt wird, als eine Art Nationalkomponist anerkannt. (…) Die in Meyerbeers Opern erkennbare Verflechtung unterschiedlicher Nationalstile, die (…) Frankreich als schrankenbrechenden Internationalismus feiert, dient Meyerbeer Gegnern in Deutschland, ihn als bloßen Eklektiker zu desavouieren (…).“ 11)
Meyerbeer starb in Paris während der Vorbereitungen der Premiere zu seiner Oper „Afrikanerin“.
In Paris erkannte man damals die „völkerverbindende Mission“ 12) Meyerbeers „und die Bedeutung seiner kosmopolitischen Gesinnung in der Musik, die in der damaligen Zeit einen hochpolitischen Akzent erhält. Der Abgeordnete und spätere Kabinettchef Emile Ollivier hebt in seiner Abschiedsrede an der Bahre des Toten während der Trauerzeremonie an der Gare du Nord (…) gerade diese Komponente in Meyerbeers Wirken hervor. ‚Er schafft eine harmonische Verbindung zwischen den beiden Nationen. Möge sowohl der Name Meyerbeers als auch die Erinnerung an unsere Trauer, die sich mit derjenigen verbindet, die wir von jenseits des Rheines empfangen, diesen teuren Bund zwischen zwei Schwesternationen stiften, die nichts mehr trennen sollte.“ 13)
Gemäß seinem Wunsche wurde er auf dem jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee in Berlin neben dem Grab seiner Mutter bestattet.