Wesselyring
Winterhude (1964): Adam Hermann Wessely (7.8.1845-1922), Bürgerschaftsabgeordneter.
Auf der Website der Firma Wesseley e. K. ist der Lebensweg von Adam Hermann Wessely nachzulesen. Daraus soll im Folgenden zitiert werden: „Adam Hermann Wessely wurde am 7. August 1845 als Sohn des Jacob Wessely und seiner Ehefrau Modeste Mathilde geb. Stieber in Königsberg geboren (…). Als er zehn Jahre alt war, starb seine Mutter am 4. Januar 1856. Da der Vater bereits mit Geldschwierigkeiten kämpfte, verließ der Sohn nach dem Abschluss der Tertia die Schule und ging bei seinem Schwager Neubert in Königsberg in die Lehre. Dort wurde er zwar zu vielen Arbeiten herangezogen, aber kaum in der Töpferwerkstatt beschäftigt. Er zeichnete und modellierte gern und besuchte abends und sonntags die Kunstschule in Königsberg. (…). Sein Gesellenbrief wurde am 5. April 1862 ausgestellt. (…).‘
Inzwischen hatte sein Vater fast sein ganzes Vermögen verloren. Er entließ den Siebzehnjährigen mit mangelhafter Ausrüstung und acht Talern in die Fremde.“ 1)
Es begannen nun Wanderjahre. In Stettin arbeitete er in der Ofenfabrik von Keppler & Sohn. Später war er in der Ofenfabrik von Schuppmann in Berlin tätig „und bald darauf als Former in der größten und renommiertesten Ofenfabrik Deutschlands von Feilner. (…). Über die Berliner Zeit berichtete Hermann Wessely selbst: ,Während dieser Vorzeit habe ich wohl die schlimmste Zeit meines Lebens durchgemacht. Meine Wertsachen waren alle verkauft; ich war in Zeug vollständig abgerissen und wankte abends verzweiflungsvoll in den Straßen Berlins umher. Für 24 Silbergroschen wohnte ich bei einer alten Malerswitwe, die selbst nicht zu leben hatte, in einer Dachwohnung, in welcher meine Kammer direkt über einem Pferdestall lag. Der Stalldunst drang durch den Fußboden, wärmte wohl, gab aber eine schreckliche Luft und Feuchtigkeit, so dass ich zeitweilig angezogen in mein Bett stieg und des Morgens bei strenger Kälte eine gefrorene Bettdecke vor mir hatte.
Ich arbeitete im Akkord von morgens sechs Uhr bis abends acht Uhr (…). Trotz aller Anstrengung konnte ich in den ersten Monaten nichts erübrigen, da die Akkordpreise sehr niedrig und ich der schweren Arbeit noch nicht gewachsen war. Nach und nach lernte ich die Handgriffe wie das Putzen, Beschicken und Trocknen der Ofenverzierungen, und mein Obergeselle Zabel gab mir aus freiem menschlichem Mitleid lohnende Akkordarbeit (…)
Ich blieb bei Feilner etwa 1V2 Jahre, (…). Im Winter besuchte ich abends und sonntags die Kunstschule, (…). Zuletzt hatte ich einen Verdienst von sieben bis acht Talern pro Woche, was damals sehr viel war, hatte mich gut equipiert und ausgestattet, wollte aber die Welt sehen und konnte mich nicht schon damals in Berlin festsetzen.‘
Hermann Wessely wanderte nun nach Hamburg. Hier fand er im Oktober 1863 Arbeit in der schon seit 1760 bestehenden und seit 1839 von den Gebrüdern August, Johannes und Heinrich Spiermann geführten ‚Ofen- und Tonwarenfabrik‘ am Bäckerbreitengang 74, arbeitete in der Glasurstube und half lernbegierig bei der Anfertigung von Verzierungen und beim Gießen von Formen. Er verliebte sich in Johannes Spiermanns Tochter Mathilde. Der Verlobung wurde jedoch nur unter der Bedingung zugestimmt, dass er bis zu seiner und seiner Braut Volljährigkeit, also vier bis viereinhalb Jahre, Hamburg verlassen sollte und nach der Rückkehr wohl mit einer kleinen Aussteuer, nicht aber mit Geld oder gar Übernahme des schon in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen Geschäfts der Gebrüder Spiermann rechnen könnte.“ 2)
Hermann Wessely ging zunächst nach Hannover, dann nach Königsberg. Er verdiente damals gut, zog in verschiedene Städte, um dort zu arbeiten und hatte überall ein gutes Auskommen. Schließlich kehrte er nach Hamburg zu seiner Braut zurück. „Am Ende des Sommers 1869 traf er hier ein und wurde von Mathilde Spiermann und ihren Eltern herzlich aufgenommen. Nach unbefriedigender Arbeit bei Gebrüder Spiermann machte er sich im Mai 1870 in einer kleinen Erdgeschosswohnung in der Lilienstraße 14 selbständig. Im großen Vorderzimmer richtete er ein Musterlager mit zwei Herden und sieben Kachelöfen ein. (…).
Am 19. November 1870 heiratete Adam Hermann Wessely Adolphine Henriette Mathilde Spiermann. Ihrer Ehe entsprossen die Töchter Clara, Elsa und Maria und die Söhne Harry und Curt. (…). Der Sohn Curt übernahm nach des Vaters Tode die Firma. (…). Auf Zureden seines Schwiegervaters und August Spiermanns übernahmen er und August Spiermann am 1. März 1872 als alleinige Inhaber die Handelsgesellschaft A. Spiermann & Wessely. (…). Nachdem August Spiermann am 19. Januar 1879 und seine Schwiegereltern, die er zu sich genommen hatte, 1879 und 1880 gestorben waren, wurde die Firma A. Spiermann & Wessely gelöscht und am 1. Januar 1880 Adam Hermann Wessely als alleiniger Inhaber der Firma A. H. Wessely eingetragen.“ 3)
Wessely‘ Geschäft florierte. Ab 1876 baute er drei farbig glasierte Kachelöfen, wofür er eine Goldmedaille erhielt. Die Anregungen für seine Öfen, die zum Beispiel im Stil der deutschen Renaissance oder des Rokoko gehalten waren, holte er sich aus verschiedenen Museen, so auch aus dem Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe. „Auch ließ er namhafte Künstler zur Gestaltung seiner Öfen und Kamine heran. (…).
Zu dem Gründer und ersten Direktor des Museums für Kunst und Gewerbe, Justus Brinckmann, [siehe: Justus-Brinckmann-Straße] stand Hermann Wessely in freundschaftlicher Beziehung. Brinckmann regte die Wiederbelebung der im 18. Jahrhundert gepflegten Blaumalerei nach Altdelfter Vorbildern an. (…)
Die im Wesselyschen Werk hergestellten Öfen und Kamine fanden weite Verbreitung im In- und Ausland. In Hamburg setzten z. B. die bekannten Architekten Martin Haller, [siehe: Martin-Haller-Ring] Hanssen & Meerwein [siehe: Meerweinstraße], Stammann & Zinnow, [siehe: Stammannstraße] H. W Schäfer und Emil Wentzel, August und Hermann Spannuth, Arthur Viol und Georg Thielen [siehe: Georg-Thielen-Gasse] seine Öfen in ihre Bauten für die Freihafen-Lagerhaus-Gesellschaft, die Hanseatische Baugesellschaft an Wex- und Jordanstraße, den Bauverein Wilhelmsburg, in Kasinobauten in Altona und Wandsbek, die Deutsche Seewarte und das Gebäude der General-Zoll-Direktion. (…)
Zu Wesselys Erfolgen trug zweifellos auch bei, dass er sich neue technische Errungenschaften zu eigen machte und sie womöglich selbst verbesserte. (…).
Er belieferte die Werft von Blohm & Voß und die Reiherstiegwerft sowie auch Harland & Wolf in Belfast nicht nur mit Kaminen, sondern auch mit keramischen Wandbildern und Keramikfassungen für elektrische Beleuchtungskörper. Auf vielen Ausstellungen im In- und Ausland stellte Wessely seine Erzeugnisse zur Schau und errang damit goldene, silberne und bronzene Medaillen und Ehrendiplome, z. B. auf den Weltausstellungen in Paris 1889 und Chicago 1893, den Gewerbeausstellungen in Hamburg, Berlin, Leipzig, Köln und Lübeck und der Industrieausstellung in München. (…). Schon im Jahre 1889 konnte Wessely in seinem Musterlager sechzig verschiedene Öfen vorstellen. In den besonders ertragreichen Jahren zwischen 1885 und 1895 am Bäckerbreitengang beschäftigte er durchschnittlich dreihundert Mitarbeiter, (…).“ 4)
Hermann Wessely stellte auch Herde besonders für Großküchen her. „Wessely besaß eine Reihe von deutschen Reichspatenten, z. B. für Dauerbrandeinsätze irischer Bauart für Küchenherde. Für das Eppendorfer Krankenhaus baute er den größten Herd Hamburgs mit vier Heizungen und acht Bratöfen, Wärmeschränken für eintausend Teller, Warmwasserversorgung und weiterem Zubehör. Er lieferte auch Bratspieße mit Uhren und Windflügeln, Gemüsespüler, Aufwaschbassins, Kupferwäschen, Haublocks und Mörser. (…). Außerdem stattete er die Badezimmer in Wohnhäusern mit vertieften Wannen aus Kachelwerkstücken mit kleinen Treppen und Schutzgeländern aus (…).“ 5)
Wesselys Fabrik, die sich im Bäckerbreitergang befand, musste wegen des Durchbruchs der Kaiser-Wilhelm-Straße durch dieses Viertel, verlegt werden. Wessely kaufte in Eppendorf mehrere Grundstücke am nördlichen Ufer des Isebeks, wo er 1889 die Straße Isekai und seine Villa Isekai 8 erbauen ließ. „Durch Grundstückstausch gelangte er in den Besitz der Grundstücke Falkenried 1-5 und Lehmweg 18 und ließ 1896 durch den Architekten Carl Elvers am Falkenried 3-5 eine moderne Fabrik und 1898 die Wohnhäuser Lehmweg 18 und Falkenried 1 errichten. (…).“ 6)
Wessely besaß von 1892 bis 1898 das Gut Wulksfelde. Von dort wurden Holz und Torf für die Brennöfen seiner Fabrik mit Schiffen zu der Fabrik am Isebekkanal gebracht.
Ende des 19. Jahrhunderts änderte sich das Heizen. Zentrale Warmwasserheizungen wurden in Villen und Wohnungen des „gehobenen Bürgertums“ eingebaut. Die Geschäfte gingen zurück. Hinzu kam, dass Wessely‘s „drei Töchter alle im Jahre 1898 heirateten und er ihnen eine Aussteuer von je 30 000 Mark mit in die Ehe gab“. 7)
Neben der Arbeit in seiner Firma bekleidete Wessely viele Ehrenämter. Dazu heißt es auf der Website der Firma A. H. Wesseley e. K.: „Hermann Wessely (…) gehörte [dem] Vorstand [der Töpferinnung] an, war Mitglied der Meisterprüfungskommission sowie zeitweilig Vorsitzender des Gesellenprüfungsausschusses. Er förderte die Wohlfahrtsbestrebungen der Handwerksbetriebe und wurde zum zweiten Vorsitzenden der Töpferei-Berufsgenossenschaft Sektion II Norddeutschland, der nach der Reichsversicherungsordnung öffentlich-rechtlichen Arbeitgeberorganisation als Träger der Unfallversicherung, bestellt. (…)
Schon früh trat der Freimaurer Hermann Wessely in die Politik ein. (…). Bereits 1877 wurde er von der Handwerkspartei im 24. Bezirk der Allgemeinen Wahlen in die Bürgerschaft gewählt. (…). Er gehörte der Bürgerschaft zunächst von 1877 bis 1880 als Mitglied der Fraktion der Linken an. (…). Im Jahre 1892 wurde Wessely im 3. Bezirk der Grundeigentümerwahlen in die Bürgerschaft gewählt. Diese Wahlperiode dauerte bis 1898. 1904 wurde er im 37. Bezirk der Grundeigentümerwahlen nochmals gewählt und blieb Mitglied der Bürgerschaft bis 1910. Während dieser beiden Legislaturperioden gehörte er der Fraktion Linkes Zentrum an, die sich für den Bestand der bisherigen Ordnung, gegen jedes Entgegenkommen gegenüber der Sozialdemokratie und insbesondere für den Schutz der kleinen und mittleren Handwerksbetriebe einsetzte. Nach Wesselys eigenen Angaben erstreckte sich seine Tätigkeit ‚besonders auf Arbeiten in den Ausschüssen konservativer Richtung für bürgerliche Rechte und Grundeigentum. Seit 1893 war er Mitglied der Militärersatzkommission und seit 1907 Steuerschätzungsbürger.
Wessely wirkte in vielen Ausschüssen der Bürgerschaft mit. Bau- und Verkehrsfragen fanden dabei offenbar sein besonderes Interesse; (…).
Hermann Wessely gehörte viele Jahre dem Vorstand des nationalliberalen Reichstagswahlvereins von 1884 an und leitete die Wahlen zum Deutschen Reichstag. Vor allem setzte er sich für die Wahl Adolp Woermanns, des Hamburger Kaufmanns und Reeders der Deutschen Ostafrika-Linie und Förderers der deutschen Kolonialpolitik ein, (…). Wessely gehörte zunächst dem Neustädter und später dem Eppendorfer Bürgerverein von 1875 an und diente dem letzteren um die Jahrhundertwende als Vorsitzender. (…).“ 8)